OLG Düsseldorf 17. Mai 2019
3 Wx 246/18
GBO §§ 12 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 HS. 1, 12c Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 4 S. 1 u. 2; BGB §§ 891 ff.

Grundbucheinsicht durch den Nachbarn

letzte Aktualisierung: 05.03.2020
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.5.2019 – 3 Wx 246/18

GBO §§ 12 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 HS. 1, 12c Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 4 S. 1 u. 2; BGB §§ 891 ff.
Grundbucheinsicht durch den Nachbarn des Grundstückeigentümers

Zur Möglichkeit der Einsicht in das Grundbuch eines Nachbarn im Falle
nachbarschaftlicher Konflikte. (Leitsatz der DNotI-Redaktion)

G r ü n d e :

I.

Die Beteiligte ist Eigentümerin des im Grundbuch des Amtsgerichts Mönchengladbach von
A… Blatt 4884, Flur 58 Flurstück 816 verzeichneten Grundbesitzes. Ihr Grundbesitz
befindet sich in einer Reihenhaussiedlung, die um einen Weiher angelegt ist. Der Weiher
nebst Ufer befindet sich auf dem Flurstück 547, welches im Eigentum von insgesamt 35
Miteigentümern steht. Zugunsten der jeweiligen Eigentümer des Flurstücks 547 besteht an
sechs Grundstücken an der nördlichen Kopfseite des Weihers, darunter auch das
Grundstück der Beteiligten, eine aufgrund von Bewilligung vom 24. November 1978
eingetragene Grunddienstbarkeit, die das Recht zum Betreten und Befahren zur
Durchführung bestimmter Arbeiten sowie das Recht auf ständige Freihaltung von Zäunen,
Bäumen, Sträuchern, Aufbauten, Gegenständen und Fahrzeugen aller Art vorsieht. Mit
den Eigentümern der unmittelbar an ihren Grundbesitz angrenzenden und mit
Wohnhäusern bebauten Flurstücke 815, 817 und 518 befindet sich die Beteiligte in
Auseinandersetzungen über die Erneuerung des Grenzzaunes.

Am 16. Oktober 2018 beantragte die Beteiligte die Erteilung einfacher Grundbuchauszüge
zu den Eintragungen in Abteilungen I und II der in Gemarkung A…, Flur 58, Flurstücke
518, 547, 817 und 815 verzeichneten Grundstücke. Dazu stützte sie sich darauf, dass sie
die Grundbuchauszüge zur Klärung der Auseinandersetzung über den Grenzzaun
benötige; in den Abteilungen I und II müssten dafür relevante
Vorgaben/Grunddienstbarkeiten eingetragen sein.

Mit Beschluss vom 09. November 2018 hat das Grundbuchamt – die Rechtspflegerin –
den Antrag zurückgewiesen. Das gemäß § 12 GBO erforderliche berechtigte Interesse an
der Einsicht sei nicht gegeben. Lediglich bei den Flurstücken 815 und 817 sei die
Beteiligte als Berechtigte in Abteilung II eingetragen, allerdings handele es sich um
Entwässerungs- und Betretungsrechte, nicht um Grunddienstbarkeiten zu einer möglichen
Bebauung. Bei den Flurstücken 518 und 547 sei die Beteiligte nicht als Berechtigte
eingetragen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beteiligten mit Schrift vom 11.
Dezember 2018. Sie trägt vor, sie wolle die Erneuerung des vorhandenen, maroden Zauns
zwischen ihrem Grundstück und den Nachbargrundstücken in der bisherigen Höhe von ca.
50 cm erreichen, um ihre Sicht auf den Weiher nicht zuzubauen. Die Eigentümer der
Flurstücke 518 und 817 bestünden aber auf einem deutlich höheren Zaun. Im Rahmen
eines Schlichtungsverfahrens habe sie mit den Eigentümern des Flurstücks 518 eine
Einigung wenigstens dahin erzielt, dass eine am Grenzzaun befindliche Bambushecke auf
dem Flurstück 518 auf eine Höhe von 50 cm zurückgeschnitten werde. Die Eigentümerin
des Flurstücks 815 sei mit der von ihr, der Beteiligten, angebotenen Zaunerneuerung in
einer Höhe von 50 cm auf Kosten der Beteiligten einverstanden, allerdings sei das
Flurstück 815 gerade verkauft worden und sie wisse nicht, wie der neue Eigentümer zu der
Angelegenheit stehe. Andere Nachbarn der Reihenhaussiedlung hätten ihr erklärt, dass in
Abteilung II der Grundbücher der an das Weihergrundstück 547 angrenzenden
Grundstücke konkret festgeschrieben sei, wo und in welcher Höhe Zäune errichtet werden
dürften. Sie gehe davon aus, dass die im Grundbuch zu ihrem Grundbesitz eingetragene
Grunddienstbarkeit (Freihaltung von Zäunen etc.) auch bei ihren Nachbarn so eingetragen
sein müsse. Ergänzend stellt sie klar, dass ihr die Eigentumsverhältnisse an den
Grundstücken bekannt seien, Ausdrucke von Abteilung I benötige sie daher nicht.
Das Grundbuchamt – die Rechtspflegerin – hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die
Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf mit weiterem Beschluss vom 04. Januar 2019
zur Entscheidung vorgelegt. Ergänzend zum angefochtenen Beschluss hat das
Grundbuchamt angeführt, soweit auf dem Grundstück der Beteiligten eine
Grunddienstbarkeit eingetragen sei, diene diese nur den Miteigentümern des Grundstücks
547 als Berechtigten, verpflichte sie aber nicht zur Ausübung. Das Recht werden von den
Berechtigten nicht ausgeübt. Das berechtige die Beteiligte allerdings nicht, diese
Berechtigung für sich zu fordern.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.
Das von der Beteiligten eingelegte Rechtsmittel ist infolge der mit Beschluss vom 04.
Januar 2019 ordnungsgemäß beschlossenen Nichtabhilfe und Vorlage dem Senat zur
Entscheidung angefallen, § 75 GBO.

Es ist als Grundbuchbeschwerde statthaft und insgesamt gemäß §§ 72, 73 Abs. 1 und 2
Satz 1 GBO zulässig.

Zur Entscheidung über den von der Beteiligten gestellten Antrag auf Erteilung von
Grundbuchabschriften ist der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle berufen, § 12 c Abs. 1
Nr. 1 GBO. Der Rechtspfleger hat erst dann zu entscheiden, wenn die Änderung der
Entscheidung des Urkundsbeamten verlangt wird, § 12 c Abs. 4 Satz 1 GBO, und erst
gegen die Entscheidung des Rechtspflegers ist die Beschwerde eröffnet, § 12 c Abs. 4
Satz 2 GBO. Entscheidet nun – wie hier – der Rechtspfleger sogleich anstelle des
zuständigen Urkundsbeamten, ist dies nach § 8 Abs. 5 RPflG ohne Einfluss auf die
Wirksamkeit seiner Handlung. Dann aber muss sich auch das Rechtsmittelverfahren nach
den Vorschriften für ein Geschäft des Rechtspflegers und nicht nach denen für ein
Geschäft des Urkundsbeamten richten. Denn ausschlaggebend ist nicht, dass der
Rechtspfleger ein Geschäft wahrgenommen hat, für das der Urkundsbeamte zuständig
gewesen wäre, sondern dass er dies (wenn auch zu Unrecht) als Rechtspfleger getan hat
(OLG Dresden FGPrax 2010, 66; OLG München NJW 2015, 1891 f.; Demharter, GBO, 31.
Aufl.2018, § 71 Rn. 6 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen ist hier die Beschwerde nach §§ 11 Abs. 1 RPflG, 71 Abs. 1
GBO gegen den von der Rechtspflegerin erlassenen Beschluss vom 09. November 2018
eröffnet.

In der Sache bleibt die Beschwerde der Beteiligten jedoch ohne Erfolg. Die gegebene
Zuständigkeitsüberschreitung durch die Rechtspflegerin rechtfertigt entsprechend der
vorstehenden Ausführungen eine Aufhebung der angegriffenen Entscheidung nicht.
Der Beteiligten, die in ihrer Beschwerdeschrift ihr Begehren auf die Erteilung von
Abschriften der im Grundbuch zu den Flurstücken 815, 817, 518 und 547 vorhandenen
Eintragungen in Abteilung II beschränkt hat, da ihr die Eigentumsverhältnisse an den
Grundstücken bekannt seien, sind Grundbuchabschriften nicht zu erteilen.

Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung (aus neuerer Zeit: FGPrax 2016, 251 ff. und
2017, 58 ff. m.w.N.), an der nach Überprüfung festgehalten wird, bei der Beurteilung von
Anträgen auf Grundbucheinsicht, zu der auch die von der Beteiligten beantragte Erteilung
von Abschriften gehört (§ 12 Abs. 2, 1. Halbsatz GBO), von folgenden allgemeinen
Grundsätzen aus: Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO ist die Einsicht des Grundbuchs jedem
gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Ein solches ist gegeben, wenn zur
Überzeugung des Grundbuchamtes ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes
Interesse des Antragstellers dargelegt wird. Dabei kann auch ein bloß tatsächliches,
insbesondere wirtschaftliches Interesse das Recht auf Grundbucheinsicht begründen. § 12
Abs. 1 GBO bezweckt nicht in erster Linie einen Geheimnisschutz, sondern zielt auf eine
Publizität, die über die rein rechtliche Anknüpfung an die Vermutungs- und
Gutglaubensvorschriften der §§ 891 ff. BGB hinausgeht. Dabei genügt zwar nicht jedes
beliebige Interesse des Antragstellers; entscheidend ist in der Regel das Vorbringen
sachlicher Gründe, die die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier
ausgeschlossen erscheinen lassen. Das Interesse des Eigentümers oder des sonstigen
Grundstücksberechtigten am Schutz persönlicher und wirtschaftlicher Geheimnisse ist
dabei in jedem Einzelfall gegen das Interesse des Antragstellers an der Kenntniserlangung
abzuwägen.

Auf dieser Grundlage wird in Rechtsprechung und Literatur ein – auf die Abteilungen I und
II beschränktes – Einsichtsrecht von Nachbarn dann anerkannt, wenn der Nachbar die
konkreten, in der räumlichen Nähe der Grundstücke begründeten Umstände darlegt, die
eine Einsicht erforderlich machen; die bloße Stellung als Eigentümer eines
Nachbargrundstücks reicht allerdings nicht aus (vgl. BeckOK/Wilsch, GBO, 35. Edition,
Stand: 01. März 2019, § 12 Rn. 69; Demharter, a.a.O., § 12 Rn. 12; OLG Köln BeckRS
2010, 10326; OLG Karlsruhe MDR 2013, 966 f.; OLG München BeckRS 2016, 10884).

Solche besonderen Umstände können etwa dann gegeben sein, wenn eine gemeinsame
Mauer vorhanden ist, die verändert werden soll (BeckOK/Wilsch, GBO, 35. Edition, Stand:
01. März 2019, § 12 Rn. 69). Ein Einsichtsrecht kann auch dann bejaht werden, wenn die
Einsicht der Abwehr eines drohenden Nachbarschaftskonflikts dient (OLG Karlsruhe
a.a.O.).

Gemessen an Vorstehendem erweist sich der Einsichtsantrag der Beteiligten als
unbegründet. Ihr ursprünglich bestehendes Interesse, zur Klärung des bestehenden
nachbarschaftlichen Konflikts über die Höhe eines Zaunes, der den vorhandenen maroden
Zaun ersetzen soll, zu erfahren, ob und ggfls. in welchem Umfang sie aufgrund im
Grundbuch eingetragener Rechte die Neuerrichtung eines Zaunes in einer bestimmten
Maximalhöhe verlangen kann, ist nicht gegeben.

Das Grundbuchamt hat im angefochtenen Beschluss bereits ausgeführt, welche
Eintragungen in den Abteilungen II der Grundbücher über die Flurstücke 815, 817, 518
und 547 in Bezug auf die Beteiligte vorhanden sind. Diese Auskünfte des
Grundbuchamtes führen dazu, dass ein bestehendes berechtigtes Interesse der
Beteiligten an der Einsicht zu verneinen ist.

Im Beschluss vom 09. November 2018 hat das Grundbuchamt die zugunsten der
Beteiligten im Grundbuch vorhandenen Eintragungen wie folgt dargestellt:

Flurstücke 815 und 817: Entwässerungs- und Betretungsrecht;
Flurstücke 518 und 547: keine Eintragungen zugunsten der Beteiligten.

Mit diesen Angaben ist die bei der Beteiligten zunächst vorhandene Unsicherheit über ihre
grundbuchrechtliche Berechtigung auf Errichtung eines Grenzzaunes in einer bestimmten
Höhe geklärt. Im Grundbuch eingetragene Rechte der Beteiligten bestehen in Bezug auf
den Grenzzaun zu den Flurstücken 815, 817, 518 und 547 nicht. Eine Einsichtnahme in
das Grundbuch – hier in Form der Erteilung von Abschriften – ist nicht mehr erforderlich,
neue/andere Informationen zur ihren grundbuchlichen Rechten würde die Beteiligte durch
eine Einsichtnahme nicht erhalten. Die Anerkennung eines Interesses als berechtigt im
Sinne von § 12 Abs. 1 GBO setzt aber voraus, dass bei verständiger Würdigung des
Einzelfalls und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit der Einsichtnahme
Erkenntnisse gesammelt werden, die für den Antragsteller aus sachlichen Gründen für
sein künftiges Handeln erheblich erscheinen (OLG München a.a.O.).

Soweit die Beteiligte ausführt, andere Nachbarn hätten ihr erklärt, in Abteilung II der
Grundbücher der an das Flurstück 547 angrenzenden Grundstücke sei konkret
festgeschrieben, wo und in welcher Höhe Zäune errichtet werden dürften, rechtfertigt dies
kein anderes Ergebnis. Zu entscheiden ist hier allein über den Einsichtsantrag der
Beteiligten in Bezug auf die Flurstücke 815, 817, 518 und 547. In Abteilung II des
Grundbuchs zu diesen Flurstücken ist zugunsten der Beteiligten eine Eintragung mit
Vorgaben zu Ort und Höhe eines Zaunes nicht vorhanden. Sofern ggfls. im Grundbuch der
Flurstücke 815, 817 und 518 eine Grunddienstbarkeit entsprechend dem Inhalt der auf
dem Grundstück der Beteiligten lastenden Grunddienstbarkeit eingetragen sein sollte
(Recht auf Betreten und Befahren; Recht auf Freihaltung von Zäunen), wäre das ebenso
wenig dazu geeignet, ein berechtigtes Einsichtsinteresse der Beteiligten zu begründen.

Grunddienstbarkeiten auf den Flurstücken 815, 187 und 518 mit dem von der Beteiligten
vermuteten Inhalt würden allein Rechte zugunsten der Eigentümer des Flurstücks 547
begründen und dies auch nur in Bezug auf die jeweiligen Grenzen zwischen dem Flurstück
547 und den Flurstücken 815, 817 und 518. Dies ergibt sich im übrigen bereits aus der von
der Beteiligten selbst vorgelegten Eintragungsbewilligung vom 24. November 1978 zu der
hier in Rede stehenden Grunddienstbarkeit. Aus ihr folgen allenfalls Rechte der 35
Miteigentümer des Weihergrundstücks, zu denen die Beteiligte nicht gehört. Hier stehen
jedoch grundbuchliche Rechte der Beteiligten in Bezug auf den Grenzzaun zwischen
ihrem Grundstück 816 und den Grundstücken 815, 817 und 518 in Rede.

Soweit die Beteiligte meint, auch aus dem Bebauungsplan ergebe sich, dass an ihrer
Grundstücksgrenze zum Weiher kein Zaun errichtet werden dürfe, und soweit das
Grundbuchamt im Nichtabhilfebeschluss ausgeführt hat, mittlerweile habe sich ein
Gewohnheitsrecht der Anlieger auf Errichtung individueller Begrenzungen und
Bepflanzung herausgebildet, ist hierüber im hiesigen Verfahren nicht zu entscheiden. Eine
Klärung dieser Fragen ist im Rahmen der nachbarschaftlichen Auseinandersetzung
herbeizuführen, für die Frage eines berechtigten Interesses an einer Grundbucheinsicht
indes unerheblich.

III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Tragung der Gerichtskosten folgt
unmittelbar aus den gesetzlichen Bestimmungen in §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG. Eine
Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten scheidet schon deshalb aus, weil am
Beschwerdeverfahren nur die unterlegene Beteiligte teilgenommen hat.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 2 Satz 1
FamFG liegen nicht vor.

Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 61, Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 3 GNotKG.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

17.05.2019

Aktenzeichen:

3 Wx 246/18

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

FGPrax 2019, 248-250

Normen in Titel:

GBO §§ 12 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 HS. 1, 12c Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 4 S. 1 u. 2; BGB §§ 891 ff.