Namensfortführung nach Ehescheidung; türkisches Namensrecht
letzte Aktualisierung: 25.3.2024
BGH, Beschl. v. 22.11.2023 – XII ZB 566/21
Namensfortführung nach Ehescheidung; türkisches Namensrecht
a) Die in
eine Gesamtverweisung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, die auch das Kollisionsrecht des
ausländischen Staates umfasst; etwaige Rückverweisungen sind auch dann zu beachten, wenn ein
fremdes Kollisionsrecht diese auf Grund einer abweichenden Qualifikation der Namensfrage
ausspricht (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 20. Juni 2007 – XII ZB 17/04 – FamRZ 2007,
1540).
b) Familienrechtliche Vorfragen werden im internationalen Namensrecht grundsätzlich unselbständig
angeknüpft, soweit die zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse Auswirkungen auf den
Erwerb oder Verlust eines Namens haben (Fortführung von Senatsbeschluss
c) Das gilt aber nicht, wenn die betreffende familienrechtliche Vorfrage Gegenstand der Statusentscheidung
eines deutschen Gerichts (hier: Ehescheidung) gewesen ist; insoweit überlagert die
Bindung des inländischen Rechtsanwenders an die Gestaltungswirkung dieser Entscheidung das
kollisionsrechtliche Verweisungsergebnis (Vorrang des Verfahrensrechts vor dem Kollisionsrecht).
d) Bei Anwendung türkischen Namenssachrechts verstößt die in Art. 173 Abs. 1 türkZGB
enthaltene Verpflichtung der geschiedenen Ehefrau, ihren vorehelich geführten Namen wieder
anzunehmen, auch bei einem gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten in der Bundesrepublik
Deutschland jedenfalls dann nicht gegen den kollisionsrechtlichen ordre public (
wenn die Ehefrau nicht nach Art. 173 Abs. 2 türkZGB auf eine gerichtliche Erlaubnis zur
Weiterführung des Ehenamens nach der Scheidung angetragen hat.
Gründe:
A.
Das Verfahren betrifft die Namensführung einer türkischen Staatsangehörigen
nach Ehescheidung.
Die Betroffene und Herr Denis Ç., die beide ausschließlich die türkische
Staatsangehörigkeit besitzen, schlossen am 7. September 2009 in Deutschland
die Ehe. Eine Rechtswahlerklärung wurde von den Ehegatten nicht abgegeben.
Die Betroffene, die vor der Eheschließung ihren Geburtsnamen M. geführt hatte,
führte fortan den Familiennamen Ç. ihres Ehemanns. Die Ehe wurde durch Be-
schluss des deutschen Amtsgerichts S. vom 22. Oktober 2020 rechtskräftig geschieden.
Eine Anerkennung dieses Scheidungsbeschlusses ist in der Türkei bislang
nicht erfolgt.
Die Betroffene hat am 26. November 2020 gegenüber dem Standesamt
erklärt, dass sie auch nach der Scheidung weiterhin ihren bisherigen Familiennamen
Ç. führen möchte. Das Standesamt hat Zweifel, ob im Eheregister ungeachtet
dieser Erklärung eine Folgebeurkundung mit dem Inhalt aufzunehmen ist,
dass die Betroffene mit Rechtskraft der Scheidung wieder ihren Geburtsnamen
M. führt. Auf die Zweifelsvorlage hat das Amtsgericht das Standesamt angewiesen,
eine entsprechende Folgebeurkundung vorzunehmen. Die dagegen
gerichtete Beschwerde der Standesamtsaufsicht (Beteiligte zu 1) hat das Oberlandesgericht
zurückgewiesen. Die Standesamtsaufsicht hat die zugelassene
Rechtsbeschwerde eingelegt.
B.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
I.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 FamFG
iVm
Rechtsbeschwerdeinstanz durch die Aufsichtsbehörde bedarf es keiner formellen
oder materiellen Beschwer. Der Aufsichtsbehörde ist durch die Einräumung eines
vom Inhalt der Entscheidung der Vorinstanzen unabhängigen Beschwerderechts
(§ 53 Abs. 2 PStG) eine verfahrensrechtliche Handhabe gegeben, um in wichtigen
und umstrittenen Fragen eine klärende Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts
herbeizuführen. Dies gilt selbst dann, wenn die Aufsichtsbehörde die
angefochtene Beschlussfassung für richtig hält und sie gegebenenfalls selbst beantragt
hat. Die Aufsichtsbehörde braucht deshalb auch kein bestimmtes Ziel ihres
Rechtsmittels anzugeben. Es genügt, wenn sie - wie es hier der Fall ist -
mit ihrem Rechtsmittel ersichtlich eine Recht und Gesetz entsprechende Entscheidung
erwirken will (vgl. Senatsbeschlüsse
1334 Rn. 4 mwN und vom 19. Februar 2014 - XII ZB 180/12 -
Rn. 5 f. mwN).
II.
In der Sache hält die Beschwerdeentscheidung der rechtlichen Überprüfung
stand.
1. Das Beschwerdegericht, dessen Beschluss in
ist, hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Namensführung der
Betroffenen bestimme sich nach
türkischen Heimatrecht. Dieses nehme die Verweisung an. Nach türkischem
Recht nehme die geschiedene Ehefrau den Familiennamen wieder an, den sie
vor der Eheschließung hatte. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Betroffene
geschieden sei, müsse die Gestaltungswirkung des rechtskräftigen deutschen
Scheidungsbeschlusses beachtet werden, die das kollisionsrechtliche Anknüpfungsergebnis
überlagere. Würde man demgegenüber darauf abstellen, dass
eine ausländische Scheidung nach türkischem Recht zunächst einer Anerkennung
durch das zuständige türkische Gericht oder einer personenstandsrechtlichen
Registrierung in der Türkei bedürfe und die Betroffene daher aus Sicht des
türkischen Rechts (noch) nicht als geschieden gelte, würde der Standesbeamte
dazu verpflichtet, den Scheidungsbeschluss eines deutschen Gerichts außer
Acht zu lassen, und sei der interne Entscheidungseinklang gefährdet. Wenn die
Betroffene hiernach in Deutschland einen Namen führe, der von den türkischen
Behörden derzeit nicht anerkannt werde, könne die Betroffene diese hinkende
Namensführung von sich aus beenden, indem sie die Scheidung in der Türkei
anerkennen lasse, was sie nach eigenen Angaben ohnehin plane.
2. Diese Ausführungen lassen keine Rechtsfehler erkennen.
a) Nach
dem Recht des Staates, dem diese Person angehört. Unter das Namensstatut
fallen dabei sowohl die Namensbildung als auch der Erwerb, der Verlust
und die Führung des Namens, insbesondere nach der Auflösung der Ehe
(vgl. Senatsbeschluss vom 20. Juni 2007 - XII ZB 17/04 -
Rn. 9). Die in
des Namensträgers ist eine Gesamtverweisung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Satz 1
EGBGB, die auch das Kollisionsrecht des ausländischen Staates umfasst, sodass
etwaige Rück- und Weiterverweisungen zu berücksichtigen sind. Rückverweisungen
sind im Rahmen der objektiven Anknüpfung nach Art. 10 Abs. 1
EGBGB insbesondere auch dort zu beachten, wo sie ein fremdes Recht aufgrund
der Qualifikation der Namensfrage als Nebenfolge eines familienrechtlichen
Statusereignisses - wie beispielsweise Eheschließung (vgl. Senatsbeschluss
vom 23. Dezember 1998 - XII ZB 5/98 -
(vgl. Senatsbeschluss vom 20. Juni 2007 - XII ZB 17/04 - FamRZ 2007,
1540 Rn. 9) - ausspricht.
b) Das Beschwerdegericht hat mit Recht angenommen, dass das türkische
Recht die Verweisung auf das türkische Heimatrecht der Betroffenen annimmt.
aa) Der Senat ist bereits in einer früheren Entscheidung davon ausgegangen,
dass das türkische Recht die Namensführung geschiedener Ehegatten kollisionsrechtlich
als Nebenfolge der Scheidung behandelt und deshalb die Frage,
welchen Familiennamen die Ehefrau nach der Scheidung führt, dem für das
Scheidungsstatut maßgeblichen Sachrecht unterstellt (vgl. Senatsbeschluss vom
20. Juni 2007 - XII ZB 17/04 -
steht im Einklang mit der wohl überwiegenden Ansicht in der türkischen Rechtslehre,
wonach Erwerb oder Verlust eines Namens aus der Sicht des türkischen
Internationalen Privatrechts nicht dem Personalstatut, sondern dem jeweiligen
Familienrechtsstatut untersteht, wenn er auf einem familienrechtlichen Statusereignis
beruht (vgl. Tarman/
aus der türkischsprachigen Literatur; vgl. auch Staudinger/Hausmann
BGB [2019] Vorbemerkung Art. 10 EGBGB Rn. 194; Rumpf in Ferid/Firsching/
Hausmann Internationales Erbrecht [Stand: Juli 2023] Länderteil Türkei Rn. 91;
Kaplan in Rieck/Lettmaier Ausländisches Familienrecht [Stand: März 2023]
Türkei Rn. 42; Henrich IPrax 2008, 121 f.). Auf diesem rechtlichen Ausgangspunkt
basiert auch eine Entscheidung des für das Familienrecht zuständigen
2. Zivilsenats des türkischen Kassationshofs ( aus dem Jahr 2009, der
zur Beurteilung der Frage, welchen Familiennamen die türkische Ehefrau eines
syrischen Staatsangehörigen nach ihrer Eheschließung führt, das gemäß Art. 13
Abs. 3 des türkischen Gesetzes Nr. 5718 über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht
vom 27. November 2007 (abgedruckt in IPrax 2008, 283 ff.;
im Folgenden: türkIPRG) für das Ehewirkungsstatut maßgebliche Sachrecht herangezogen
hat 2. HD - E. 2008/3618 K. 2009/9413 - Urteil vom
12. Mai 2009, veröffentlicht auf www.resmigazete.gov.tr; vgl. dazu auch Krüger
Nach diesen Grundsätzen findet im vorliegenden Fall auf die Namensführung
einer geschiedenen Ehefrau türkisches Sachrecht Anwendung. Nach
Art. 14 Abs. 1 türkIPRG unterliegen die Gründe und Folgen der Scheidung und
Trennung - ebenso wie die allgemeinen Wirkungen der Ehe gemäß Art. 13 Abs. 3
türkIPRG - dem gemeinsamen Heimatrecht der Ehegatten. Nur wenn die Ehegatten
verschiedener Staatsangehörigkeit sind, wird das Recht des gemeinsamen
gewöhnlichen Aufenthalts, bei Fehlen eines solchen türkisches Recht angewandt.
Besitzen beide Ehegatten - wie hier - bei Erhebung der Scheidungsklage
(vgl. Art. 3 türkIPRG) die türkische Staatsangehörigkeit, beurteilt sich das Scheidungsstatut
aus Sicht des türkischen Kollisionsrechts somit nach dem gemeinsamen
türkischen Heimatrecht der Ehegatten (vgl. bereits Senatsbeschluss
vom 20. Juni 2007 - XII ZB 17/04 -
türkIPRG a.F.) und findet eine Rück- oder Weiterverweisung nicht statt.
bb) Nichts anderes würde sich im Übrigen auch mit Rücksicht auf eine
ältere Entscheidung des für das Personenstandsrecht zuständigen 18. Zivilsenats
des türkischen Kassationshofs ergeben, welche die Namensführung eines
türkischen Staatsangehörigen nach seiner Eheschließung mit einer Schweizerin
betraf. In dieser Entscheidung aus dem Jahr 1997 hatte der Kassationshof erkannt,
dass die Annahme eines neuen Familiennamens im Ausland durch einen
türkischen Staatsangehörigen von den türkischen Behörden nur dann im Personenstandsregister
einzutragen sei, wenn ein entsprechender Antrag in seiner
Heimat gestellt sei und eine tragfähige Begründung für die Namensänderung angegeben
werden könne. Der Erwerb eines neuen Familiennamens im Ausland
stelle für sich genommen keine ausreichende Begründung dar; zudem verstießen
die einschlägigen Regelungen des schweizerischen Namensrechts, die es erlaubten,
dem Ehemann als Ehenamen den Geburtsnamen seiner Ehefrau zuzuweisen,
gegen den türkischen ordre public ( HD. - E. 1997/288
K. 1997/1496 - Urteil vom 25. Februar 1997, in deutscher Übersetzung wiedergegeben
in
Sturm
Selbst wenn man dieser Entscheidung einen allgemeinen Rechtsgedanken dahingehend
entnehmen wollte, dass das türkische Recht den Erwerb und den Verlust
von Namen der eigenen Staatsangehörigen - unabhängig davon, ob diese
durch eine familienrechtliche Statusänderung bewirkt wurden oder nicht - stets
dem Personalstatut unterstelle (vgl. Sturm
der türkischen Staatsangehörigkeit der Betroffenen im vorliegenden Fall
ebenfalls zur Anwendung türkischen Namenssachrechts.
c) Nach Art. 173 Abs. 1 türkZGB verliert die Ehefrau mit der Scheidung
grundsätzlich den in der Ehe geführten Familiennamen und nimmt den Familiennamen
wieder an, den sie vor der Eheschließung hatte. Das Beschwerdegericht
hat zutreffend erkannt, dass sich bei der Anwendung dieser Vorschrift die Vorfrage
danach stellt, ob die Betroffene geschieden ist.
aa) Familienrechtliche Vorfragen werden nach der Rechtsprechung
des Senats im internationalen Namensrecht grundsätzlich unselbständig angeknüpft,
soweit die zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse Auswirkungen auf
den Erwerb oder Verlust eines Namens haben. Dieser Ansatz beruht im Wesentlichen
auf der Erwägung, dass nur so ein - im Interesse der öffentlichen Funktion
des Namens und der Internationalität der Namensführung erwünschter - internationaler
Einklang der Namensführung erreicht (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 90,
129 =
die betroffenen Namensträger im Inland einen anderen Namen führen müssten
als denjenigen, der in ihren ausländischen Ausweispapieren eingetragen
wird (vgl.
Einl. IPR Rn. 193; BeckOK BGB/Lorenz [Stand: 1. August 2023] Einl. IPR
Rn. 73; Rauscher Internationales Privatrecht 5. Aufl. Rn. 518). Vor diesem Hintergrund
gilt für die Vorfrage nach dem Fortbestand der Ehe des Namensträgers
im Prinzip zunächst nichts anderes. Auch insoweit können in Bezug auf den internationalen
Entscheidungseinklang konsistente Ergebnisse grundsätzlich
dadurch gewährleistet werden, dass die zur Entscheidung über die namensrechtliche
Hauptfrage berufene Heimatrechtsordnung des Namensträgers, welche an
die Auflösung der Ehe namensrechtliche Folgen knüpft, auch darüber entscheidet,
ob die betreffende Ehe aufgelöst ist oder nicht.
Das Beschwerdegericht hat zutreffend erkannt, dass die Ehe der Betroffenen
aus Sicht des türkischen Rechts nicht als geschieden gilt. Eine ausländische
Eherechtsentscheidung bedarf zur Erstreckung ihrer Wirksamkeit auf die Türkei
entweder einer gerichtlichen Anerkennungsentscheidung gemäß Art. 58 Abs. 1
iVm Art. 54 lit. b bis ç türkIPRG oder einer personenstandsrechtlichen Registrierung
nach Art. 27/A des Gesetzes über das Personenstandswesen Nr. 5490 vom
25. April 2006 (abgedruckt bei Rumpf/Odendahl in Bergmann/Ferid/Henrich Internationales
Ehe- und Kindschaftsrecht [Stand: 1. Juni 2020] Länderteil Türkei
S. 117 ff.). Solche Verfahren sind bezüglich des Scheidungsbeschlusses des
Amtsgerichts S. vom 22. Oktober 2020 nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts
in der Türkei (noch) nicht durchgeführt worden. Aus Sicht der türkischen
Rechtsordnung besteht die Ehe der Betroffenen mit Herrn Denis Ç. daher
fort und trägt sie deshalb weiterhin den mit der Eheschließung erworbenen Ehenamen
Ç. als Familiennamen.
bb) Es ist allerdings umstritten, ob deutsche Gerichte und Behörden ihrer
Rechtsanwendung das bei unselbständiger Anknüpfung der Vorfrage gefundene
Ergebnis zugrunde legen können, wenn dies zur Folge hätte, dass sie die statusrechtlichen
Wirkungen eines rechtskräftigen deutschen Scheidungsbeschlusses
außer Acht lassen müssten.
(1) Hierzu wird teilweise vertreten, dass es im Interesse des internationalen
Gleichlaufs in der Namensführung bei der unselbständigen Anknüpfung
der Vorfrage nach der Auflösung der Ehe verbleiben müsse und die Gestaltungswirkung
eines deutschen Scheidungsbeschlusses erst dann beachtlich sein
könne, wenn diese im Heimatstaat des Namensträgers anerkannt worden sei
(vgl. BayObLG
9. Aufl. S. 597). Solange keine Anerkennung des Scheidungsbeschlusses in der
Türkei herbeigeführt worden sei, behalte eine in Deutschland geschiedene türkische
Staatsangehörige bei Anwendung türkischen Namenssachrechts ihren in
der Ehe geführten Namen. Müsste sie demgegenüber gegen ihren Willen ihren
vorehelichen Namen wieder annehmen, hätte dies zur widersinnigen Folge, dass
sie dazu gezwungen wäre, einen Familiennamen zu führen, den sie bei isolierter
Betrachtung weder nach der türkischen noch (wegen § 1355 Abs. 5 Satz 1 BGB)
nach der deutschen Rechtsordnung führen müsste und der nicht in ihren türkischen
Ausweispapieren stehe (vgl. BayObLG
(2) Die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum betont
demgegenüber mit dem Beschwerdegericht auch im internationalen Namensrecht
den Vorrang des Verfahrensrechts vor dem Kollisionsrecht, weil es
die Gestaltungswirkung eines deutschen Scheidungsbeschlusses für einen inländischen
Rechtsanwender grundsätzlich ausschließe, sich in Bezug auf das präjudizielle
Rechtsverhältnis auf die unselbständige Vorfragenanknüpfung zu berufen.
Der rechtskräftige Scheidungsbeschluss eines deutschen Gerichts erhebe
einen hoheitlichen Geltungsanspruch im Inland und die Bindung inländischer Gerichte
und Behörden an diese Entscheidung könne nicht davon abhängig gemacht
werden, ob der Scheidungsbeschluss in einem anderen Staat anerkannt
worden sei oder nicht (vgl. OLG Hamm
MünchKommBGB/Lipp 8. Aufl. Art. 10 EGBGB Rn. 39 f.; Staudinger/Hausmann
BGB [2019] Art. 10 EGBGB Rn. 143; Junker Internationales Privatrecht 5. Aufl.
§ 10 Rn. 30; Wall
103 f.).
cc) Der Senat hat diese Streitfrage bislang mangels Entscheidungserheblichkeit
offenlassen können (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Juni 2007 - XII ZB
17/04 -
Auffassung zu beantworten.
(1) Die Gestaltungswirkung deutscher Scheidungsbeschlüsse tritt grundsätzlich
für alle Rechtsverhältnisse ein, für die der Fortbestand der Ehe präjudiziell
ist. Bei der Frage nach dem Fortbestand einer Ehe handelt es sich um eine
Statusfrage, die sich nicht nur im gesamten Bereich des Familienrechts, sondern
auch im öffentlichen Recht und im Erbrecht stellt. Würde diese Frage begrenzt
auf einzelne Teilaspekte bejaht und in anderen rechtlichen Zusammenhängen
verneint werden, würde dies die Einheit der inländischen Rechtsordnung in Frage
stellen (vgl. Senatsbeschluss
solche Störung des internen Entscheidungseinklangs widerspräche sowohl der
Befriedungsfunktion rechtskräftiger Entscheidungen als auch dem Prinzip
der Rechtsgleichheit (vgl. Mäsch IPrax 2004, 102, 103). Für die Bindung inländischer
Gerichte und Behörden an die Gestaltungswirkung eines deutschen Scheidungsbeschlusses
kann es nicht entscheidend darauf ankommen, ob das die
Hauptfrage betreffende Rechtsverhältnis nach deutschem Sachrecht oder kraft
eines dem deutschen Kollisionsrecht zu entnehmenden Verweisungsbefehls
nach ausländischem Sachrecht zu beurteilen ist (vgl. bereits BGH Urteil vom
12. März 1981 - IVa ZR 111/80 -
(2) Richtig ist freilich, dass nicht von einem schematischen Vorrang des
Verfahrensrechts vor dem Kollisionsrecht ausgegangen werden kann. Im internationalen
Eheschließungsrecht wird die Frage, ob die Vorehe eines der beiden
Verlobten dergestalt wirksam aufgelöst wurde, dass er zur Wiederverheiratung
fähig ist, in einem ersten Schritt auch beim Vorliegen eines deutschen Scheidungsbeschlusses
aus der Sicht der heimatstaatlichen Rechtsordnung eines
ausländischen Verlobten beurteilt. Dies ergibt sich unzweifelhaft im Umkehrschluss
aus
um sie anschließend unter bestimmten Voraussetzungen wieder korrigieren zu
können (vgl. Senatsbeschluss
sollten nach den Vorstellungen des Gesetzgebers im Eheschließungsrecht
die Bedeutung des internationalen Entscheidungseinklangs für zentrale
Statusfragen betont und hinkende Ehen nach Möglichkeit vermieden werden
(vgl. MünchKommBGB/Coester 8. Aufl. Art. 13 EGBGB Rn. 77; Staudinger/
Mankowski BGB [2010] Art. 13 EGBGB Rn. 121). Auch wenn sich Art. 13 Abs. 2
EGBGB wegen seines Ausnahmecharakters kein verallgemeinerungsfähiger
Rechtsgedanke für das gesamte Internationale Privatrecht entnehmen lässt, verdeutlicht
die Vorschrift doch, dass die kollisionsrechtliche Verweisung auf die
Sichtweise einer ausländischen Rechtsordnung im Einzelfall auf so gewichtigen
Gründen des internationalen Entscheidungseinklangs beruhen kann, dass der
interne Entscheidungseinklang dahinter ausnahmsweise zurücktreten muss. Im
internationalen Namensrecht wäre dies dann der Fall, wenn spezifische Zwecke
des
Gericht entschiedenen Statusfrage zwingend entgegenstehen würden (vgl. Wall
[Fachausschuss Nr. 4210]
(3) Solche zwingenden Gründe ergeben sich im internationalen Namensrecht
aber regelmäßig nicht. Die unselbständige Anknüpfung familienrechtlicher
Vorfragen dient vornehmlich dem Zweck, einen Gleichlauf in der internationalen
Namensführung, insbesondere mit den in den Ausweispapieren des Heimatstaates
eingetragenen Namen zu gewährleisten. Der internationale Entscheidungseinklang
bei der Namensführung würde im vorliegenden Fall bei einer unselbständigen
Anknüpfung der Vorfrage nach der Auflösung der Ehe der Betroffenen
durch den in der Türkei (noch) nicht anerkannten deutschen Scheidungsbeschluss
zwar vordergründig dadurch hergestellt, dass die Betroffene ihren aus
Sicht der türkischen Rechtsordnung (noch) maßgeblichen und in ihren Ausweispapieren
eingetragenen Familiennamen Ç. nach der Scheidung auch im Inland
weiterführen könnte, ohne den Aufwand betreiben zu müssen, die in Deutschland
durchgeführte Scheidung in der Türkei anerkennen oder registrieren zu lassen.
Der Gleichlauf in der internationalen Namensführung kann insoweit allerdings nur
um den Preis des Fortbestands einer im Verhältnis zur Türkei hinkenden Ehe
erreicht werden. Es ist nicht ersichtlich, warum es für die Betroffene unzumutbar
sein sollte, die in Deutschland ausgesprochene Scheidung in der Türkei anerkennen
oder registrieren zu lassen, denn dies würde nicht nur zur Beseitigung des
hinkenden Statusverhältnisses, sondern auch wieder zu einem Gleichlauf in der
internationalen Namensführung führen, wenn auch möglicherweise nicht mit dem
von der Namensträgerin gewünschten Namen. Die Bindung des inländischen
Rechtsanwenders an einen deutschen Scheidungsbeschluss kann aber nicht
entscheidend davon abhängig gemacht werden, ob der Wille der betroffenen Namensträgerin
darauf gerichtet ist, ihren durch Eheschließung erworbenen Namen
weiterzuführen oder ob es ihr (umgekehrt) gerade darauf ankommt, ihren vorehelich
geführten Namen wieder annehmen zu können.
Ob anders zu entscheiden sein könnte, wenn die in Deutschland ausgesprochene
Ehescheidung in der Türkei nicht anerkennungsfähig wäre, bedarf unter
den hier obwaltenden Umständen keiner näheren Erörterung, weil sich aus
den Feststellungen des Beschwerdegerichts für eine solche Annahme nichts
ergibt. Im Übrigen hat der Gesetzgeber mit den von ihm eröffneten Rechtswahlmöglichkeiten
(Art. 10 Abs. 2 und 3 EGBGB) selbst zum Ausdruck gebracht,
dass er dem internationalen Entscheidungseinklang im Namensrecht jedenfalls
keine überragende Bedeutung mehr beimisst. Wenn das deutsche Kollisionsrecht
das Bestreben nach Vermeidung einer hinkenden Namensführung in den
Fällen einer Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 2 und 3 EGBGB schon bei der Anknüpfung
der Hauptfrage hintanzustellen bereit ist, dürfte der Gedanke des internationalen
Entscheidungseinklangs in den Fällen der objektiven Anknüpfung des
Namensstatuts nach
der inländischen Rechtsanwender an die Gestaltungswirkung einer von einem
inländischen Gericht entschiedenen Statusfrage bei der Vorfragenanknüpfung
entfallen zu lassen.
d) Das Beschwerdegericht hat daher zu Recht erkannt, dass die Ehe der
Betroffenen als geschieden zu behandeln ist, so dass die Betroffene bei Anwendung
türkischen Sachrechts nach Art. 173 Abs. 1 türkZGB ihren durch Eheschließung
erworbenen Familiennamen Ç. verliert und ihren vorehelich geführten Namen
M. wieder annehmen muss. Dieses Ergebnis verstößt nicht gegen den kollisionsrechtlichen
ordre public (
aa) Allerdings kann der ordre public im Falle der objektiven Anknüpfung
des Namensstatuts nach
ausländischer Staatsangehörigkeit zum Tragen kommen, wenn der
Sachverhalt - wie hier - wegen des gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten in
Deutschland einen ausreichenden Inlandsbezug aufweist. Eine Rechtsnorm eines
anderen Staates ist gemäß
zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen
Rechts, insbesondere den Grundrechten, offensichtlich unvereinbar ist.
Danach kommt es für den ordre public insbesondere nicht darauf an, ob die ausländischen
Vorschriften - wären sie hypothetische Normen inländischen Rechts
mit gleichem Inhalt - abstrakt am Maßstab des Grundgesetzes Bestand haben
könnten. Vielmehr ist entscheidend, ob das bei Anwendung des fremden Rechts
im Einzelfall konkret gefundene Ergebnis aus Sicht der deutschen Rechtsordnung
zu missbilligen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 29. September 2021
- XII ZB 309/21 -
2020, 1811 Rn. 53).
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird
der bei der Eheschließung erworbene Familienname Teil des Persönlichkeitsden
vollen verfassungsrechtlichen Schutz aus Art. 2 Abs. 1 iVm
unabhängig davon, ob die den Namenserwerb veranlassende Ehe fortbesteht
(vgl. BVerfG
enthaltene und von einem deutschen Rechtsanwender vollzogene Verpflichtung
eines geschiedenen Ehegatten, seinen vorehelich geführten Namen wieder annehmen
und seinen angeheirateten Familiennamen aufgeben zu müssen, greift
daher aus der Perspektive des deutschen Verfassungsrechts gewichtig in das
Persönlichkeitsrecht des Namensträgers ein (vgl. MünchKommBGB/von Hein
8. Aufl.
Art. 173 Abs. 1 türkZGB auch den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichberechtigung
von Männern und Frauen (
Ehenamensrecht bislang allein die Bestimmung des Mannesnamens zum
gemeinsamen Ehenamen zulässt (vgl. Tarman/
und die gesetzliche Verpflichtung zur Wiederannahme des vorehelich geführten
Namens deshalb grundsätzlich nur die Frau treffen kann (vgl. auch BVerfG
cc) Gleichwohl führt die Anwendung von Art. 173 Abs. 1 türkZGB im konkreten
Fall nicht zu einem Ergebnis, das aus Sicht der deutschen Rechtsordnung
unannehmbar wäre.
(1) Rechtlicher Ausgangspunkt ist dabei die Überlegung, dass ein Verstoß
gegen den ordre public zwar grundsätzlich die Nichtanwendung der beanstandeten
ausländischen Rechtsnorm zur Folge hat. Um zu gewährleisten, dass möglichst
geringfügig in das ansonsten weiterhin anzuwendende fremde Recht eingegriffen
wird, muss aber zunächst der Versuch unternommen werden, die aus
Sicht des deutschen Rechts bestehenden Beanstandungen unter Zuhilfenahme
des vom deutschen Kollisionsrecht berufenen ausländischen Sachrechts zu beheben.
Das deutsche Sachrecht ist demgegenüber nur hilfsweise als Ersatzrecht
anzuwenden (vgl. Senatsurteil
(2) Nach Art. 173 Abs. 2 türkZGB kann das Gericht der Ehefrau gestatten,
den Familiennamen des Ehemannes fortzuführen, wenn erwiesen ist, dass dies
im Interesse der Frau liegt und dadurch kein Schaden für den geschiedenen Ehemann
entsteht. Die materiellen Voraussetzungen hierfür werden in der türkischen
Rechtslehre nicht sehr hoch angesetzt. Ein berechtigtes Interesse der Ehefrau
soll danach zu bejahen sein, wenn sie in ihrem sozialen, insbesondere beruflichen
Umfeld unter dem Ehenamen bekannt geworden ist. Es soll unter Berücksichtigung
von Kindesbelangen aber auch schon genügen, dass der sorgeberechtigten
Ehefrau - wie es auch die Betroffene im vorliegenden Verfahren geltend
macht - daran gelegen ist, weiterhin den gleichen Familiennamen wie die
gemeinsamen Kinder zu führen, um die mit einer Namensverschiedenheit einhergehenden
sozialen Schwierigkeiten zu vermeiden (vgl. Tarman/ StAZ
2017, 33, 43 und
der türkischsprachigen Literatur; vgl. auch Rumpf/Odendahl in Bergmann/Ferid/
Henrich Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht [Stand: 1. Juni 2020] Länderteil
Türkei S. 49; -Özcan Die Scheidungsfolgen nach türkischem materiellen
Recht S. 171 f.).
(3) Nach diesen Maßstäben lässt sich nicht feststellen, dass unter Anwendung
türkischen Namenssachrechts für die Betroffene eine Weiterführung des
Ehenamens Ç. nach der Scheidung nicht in Betracht gekommen wäre. Allein der
Umstand, dass das türkische Recht die Weiterführung des Ehenamens an die in
einem gesonderten Verfahren zu erteilende gerichtliche Erlaubnis knüpft, vermag
die ersatzweise Anwendung des deutschen Namenssachrechts (§ 1355 Abs. 5
Satz 1 BGB) noch nicht zu rechtfertigen. Die in
Anknüpfung an das Personalstatut basiert sowohl auf dem Respekt vor der
Eigenständigkeit fremder Rechtsordnungen als auch auf der verfassungsrechtlich
unbedenklichen Einschätzung des Gesetzgebers, es entspreche dem Interesse
eines Ausländers, in persönlichen Angelegenheiten - wie dem Namensrecht
- nach dem Recht seines Heimatstaates beurteilt zu werden, weil bei generalisierender
Betrachtungsweise die Staatsangehörigkeit eine fortdauernde persönliche
Verbundenheit mit dem Heimatstaat und seiner Rechtsordnung dokumentiere
und ihm das eigene nationale Recht zugleich am vertrautesten sei
(vgl. BVerfG
unzumutbar, einen ausländischen Staatsangehörigen zunächst auf die Ausschöpfung
der von seiner Heimatrechtsordnung gebotenen Möglichkeiten zur Erreichung
einer grundrechtskonformen Namensführung zu verweisen, bevor der
nationale ordre public gegen die Anwendung eines ausländischen Namensrechts
in Stellung gebracht werden kann.
Im vorliegenden Fall hat die Betroffene offensichtlich keinen Antrag
nach Art. 173 Abs. 2 türkZGB gestellt. Wenn sie die nach ihrer Heimatrechtsordnung
erforderlichen Schritte für die Befugnis zur Weiterführung des Ehenamens
nach der Scheidung (noch) nicht ergriffen hat und deshalb nach Art. 173 Abs. 1
türkZGB ihren vorehelich geführten Namen wieder annehmen muss, ist dieses
Ergebnis trotz seiner verfassungsrechtlichen Tragweite aus Sicht der deutschen
Rechtsordnung nicht unannehmbar. Dies gilt umso mehr, als es dem deutschen
Kollisionsrecht auch in anderen rechtlichen Zusammenhängen - im internationalen
Eheschließungsrecht - bei der Anknüpfung des anwendbaren Rechts an das
Personalstatut eines Ausländers nicht fremd ist, die subsidiäre Anwendung deutschen
Sachrechts zur Vermeidung verfassungswidriger Ergebnisse von der vorherigen
Erfüllung bestimmter Obliegenheiten im Heimatstaat abhängig zu machen
(vgl.
(4) Sollte die gerichtliche Erlaubnis zur Weiterführung des Ehenamens
nach Art. 173 Abs. 2 türkZGB von der Betroffenen zu einem späteren Zeitpunkt
erwirkt werden (vgl. dazu Wiegelmann FamRBInt 2007, 90, 91), wäre diesem
Umstand in deutschen Personenstandsregistern im Wege einer Folgebeurkundung
Rechnung zu tragen.
dd) Es kommt somit nicht mehr darauf an, ob ein Rückgriff auf den kollisionsrechtlichen
ordre public im Ehenamensrecht grundsätzlich schon dann ausscheidet,
wenn ausländische Ehegatten von der ihnen durch Art. 10 Abs. 2
EGBGB eröffneten Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht haben, durch die Wahl
des deutschen Rechts ein grundrechtskonformes Namensstatut zu berufen, und
keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Rechtswahl nur an der fehlenden
Einigung der beiden Ehegatten gescheitert sein könnte (vgl. BeckOK BGB/Mäsch
[Stand: 1. August 2023] Art. 10 EGBGB Rn. 13; Soergel/Schurig BGB 12. Aufl.
Art. 10 EGBGB Rn. 92). Es bedarf deshalb in diesem Zusammenhang auch keiner
weiteren Erörterung der streitigen Frage, ob im Falle einer Rechtswahl das
nach
Ehegatten nach der Scheidung maßgeblich gewesen wäre (vgl. Senatsbeschluss
vom 3. Dezember 2014 - XII ZB 101/14 -
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:22.11.2023
Aktenzeichen:XII ZB 566/21
Rechtsgebiete:
Ehevertrag und Eherecht allgemein
Deutsches IPR (EGBGB)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
EGBGB Art. 4 Abs. 1 S. 1, 6, 10 Abs. 1; türk. ZGB Art. 173