BGH 12. April 2019
V ZR 112/18
WEG §§ 10 Abs. 2 S. 2, 13 Abs. 1, 15 Abs. 1

Kurzzeitvermietung auf Grundlage einer allgemeinen Öffnungsklausel

letzte Aktualisierung: 27.6.2019
BGH, Urt. v. 12.4.2019 – V ZR 112/18

WEG §§ 10 Abs. 2 S. 2, 13 Abs. 1, 15 Abs. 1
Kurzzeitvermietung auf Grundlage einer allgemeinen Öffnungsklausel

a) Beschlüsse, die auf der Grundlage einer allgemeinen Öffnungsklausel mit der erforderlichen
Mehrheit gefasst werden, sind im Allgemeinen nur insoweit materiell überprüfbar, als das „Ob“ und
das „Wie“ der Änderung nicht willkürlich sein dürfen; einer weiterreichenden Kontrolle unterliegen
dagegen Beschlussgegenstände, die unverzichtbare oder unentziehbare, aber verzichtbare
(„mehrheitsfeste“) Rechte der Sondereigentümer betreffen.

b) Zu den unentziehbaren, aber verzichtbaren („mehrheitsfesten“) Rechten eines Sondereigentümers
gehört die Zweckbestimmung seines Wohnungs- oder Teileigentums; sie darf durch einen auf der
Grundlage einer allgemeinen Öffnungsklausel gefassten Mehrheitsbeschluss nur mit Zustimmung
des Sondereigentümers geändert oder eingeschränkt werden (Fortführung des Senatsurteils vom
10. Oktober 2014 – V ZR 315/13, BGHZ 202, 346 Rn. 13 ff.).

c) Ein auf der Grundlage einer allgemeinen Öffnungsklausel gefasster Beschluss, durch den die
kurzzeitige Vermietung des Wohnungseigentums (z. B. an Feriengäste) verboten wird, ist nur dann
rechtmäßig, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung erteilt haben.

d) Jedenfalls auf der Grundlage einer allgemeinen Öffnungsklausel kann gegen die Stimmen der
Minderheit beschlossen werden, dass die Überlassung einer Wohnung an Dritte der Verwaltung
anzuzeigen ist.

Entscheidungsgründe:

I.
Das Berufungsgericht hält den Beschluss für nichtig. Die Vermietung einer
Eigentumswohnung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste
sei Teil der gemäß § 13 Abs. 1 WEG zulässigen Wohnungsnutzung. Auf der
Grundlage einer in der Teilungserklärung enthaltenen Öffnungsklausel dürfe
nicht in den Kernbereich des Wohnungseigentums eingegriffen werden. Einen
solchermaßen unzulässigen Eingriff enthalte der Beschluss. Denn durch den
umfassenden Ausschluss der Kurzzeitvermietung werde das grundrechtlich ge-
schützte Recht der Klägerin, ihr Wohnungseigentum zu vermieten, in gravierender
Weise eingeschränkt. Zudem fehle es an der erforderlichen Bestimmtheit,
weil jedenfalls unklar sei, welcher Zeitraum bei einer Vermietung an „vor
Ort befristet Tätige oder andere Mieter mit Unterkunftsbedürfnissen von kurzer
Dauer“ unzulässig sein solle.

II.
Die Revision hat keinen Erfolg. Der Beschlussmängelklage ist zu Recht
stattgegeben worden. Dabei kann dahinstehen, ob der angefochtene Beschluss
die ausreichende inhaltliche Bestimmtheit vermissen lässt, soweit es nicht um
Feriengäste, sondern um die zulässige Dauer anderer kurzzeitiger Mietverhältnisse
geht; denn der Beschluss kann aus materiellen Gründen insgesamt keinen
Bestand haben.

1. Rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet legt das Berufungsgericht
seinen Überlegungen zugrunde, dass der Beschluss keine Gebrauchsregelung
im Sinne von § 15 Abs. 2 WEG, sondern die Änderung einer
Vereinbarung gemäß § 15 Abs. 1 WEG zum Gegenstand hat. Dienen nämlich
Einheiten - wie hier - zu Wohnzwecken, ist dies als Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter
anzusehen. Die zulässige Wohnnutzung umfasst auch die
Vermietung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste (vgl. Senat,
Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 72/09, NJW 2010, 3093 Rn. 14 ff.); hier enthielt
die Gemeinschaftsordnung bislang sogar eine ausdrückliche Erlaubnis solcher
Vermietungsformen. Die Änderung einer Vereinbarung durch Mehrheitsbeschluss
bedarf der formellen Legitimation durch Kompetenzzuweisung, die
sich entweder aus dem Gesetz oder aus einer Vereinbarung (§ 10 Abs. 2
Satz 2 WEG) ergeben kann (Senat, Beschluss vom 20. September 2000
- V ZB 58/99, BGHZ 145, 158, 166; Urteil vom 10. Oktober 2014 - V ZR 315/13,
BGHZ 202, 346 Rn. 12 mwN). Hier erlaubt es die in der Teilungserklärung enthaltene
allgemeine Öffnungsklausel den Wohnungseigentümern, die Regelungen
der Gemeinschaftsordnung mit qualifizierter Mehrheit zu ändern; die Beschlusskompetenz
ist daher gegeben.

2. Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht weiter an,
dass der formell legitimierte und mit der erforderlichen qualifizierten Mehrheit
gefasste Beschluss einer materiellen Kontrolle unterliegt.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats hat eine Öffnungsklausel lediglich
die Funktion, zukünftige Mehrheitsentscheidungen formell zu legitimieren,
ohne sie materiell zu rechtfertigen. Deshalb ist ein Änderungsbeschluss auf der
Grundlage einer Öffnungsklausel nicht schon dann rechtmäßig, wenn er die
Anforderungen der Ermächtigungsgrundlage erfüllt. Vielmehr sind insbesondere
zum Schutz der Minderheit bestimmte fundamentale inhaltliche Schranken zu
beachten. Fundamentale Schranken ergeben sich aus den gesetzlichen Bestimmungen
der §§ 134, 138, 242 BGB und den zum Kernbereich des Wohnungseigentumsrechts
zählenden Vorschriften, wozu u.a. unentziehbare und
unverzichtbare Individualrechte gehören. Denn was selbst durch Vereinbarung
nicht geregelt werden könnte, entzieht sich auch einer Regelung im Beschlusswege
aufgrund einer Öffnungsklausel; ein gleichwohl gefasster Beschluss ist
nichtig (vgl. zum Ganzen Senat, Urteil vom 10. Oktober 2014 - V ZR 315/13,
BGHZ 202, 346 Rn. 14 f. mwN), und zwar - trotz bestehender Beschlusskompetenz
- aus materiellen Gründen.

Weiter geklärt hat der Senat, dass die durch eine Öffnungsklausel legitimierte
Mehrheitsmacht darüber hinaus auch durch solche Individualrechte begrenzt
wird, die zwar ebenfalls zu den unentziehbaren Mitgliedschaftsrechten
gehören, aber verzichtbar sind. Einen in solche Rechte eingreifenden Be-
schluss hat der Senat nur dann als wirksam angesehen, wenn die hiervon
nachteilig betroffenen Wohnungseigentümer zustimmen; bis dahin sei er
schwebend unwirksam und bei Verweigerung der Zustimmung endgültig unwirksam
(vgl. Senat, Urteil vom 10. Oktober 2014 - V ZR 315/13, BGHZ 202,
346 Rn. 15 mwN). Diese Entscheidung betraf das sogenannte Belastungsverbot
und konkret die Aufbürdung einer zuvor der Gemeinschaft obliegenden Instandhaltungspflicht
auf einen Sondernutzungsberechtigten.

b) Auch hier geht es - wie im Falle des Belastungsverbots - um einen
Eingriff in ein verzichtbares Individualrecht. Denn zweifellos könnte auf das den
Wohnungseigentümern bislang eingeräumte Individualrecht zur kurzzeitigen
Vermietung verzichtet werden. Der Senat hat bereits geklärt, dass es rechtlich
zulässig ist, die kurzzeitige Vermietung im Wege der Vereinbarung zu verbieten
(vgl. Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 72/09, NJW 2010, 3093 Rn. 22
a.E.); mit Öffnungsklauseln hatte er sich dabei nicht zu befassen.

3. Maßgeblich ist daher, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine
allgemeine Öffnungsklausel materiell dazu berechtigt, das verzichtbare Individualrecht
auf kurzzeitige Vermietung durch Mehrheitsbeschluss zu beschränken.

Darüber besteht keine Einigkeit.

a) Das Landgericht Berlin hat jedenfalls ein Verbot von Vermietungen für
einen Zeitraum unter 14 Tagen als zulässig angesehen; hierdurch werde nicht
in den wesentlichen Inhalt der Nutzung des Wohnungseigentums eingegriffen
(vgl. LG Berlin, ZMR 2015, 327, 328 f.; zustimmend Abramenko in Jennißen,
WEG, 5. Aufl., § 10 Rn. 36; Kümmel/Niedenführ in Niedenführ/Vandenhouten,
WEG, 12. Aufl., § 14 Rn. 19; vgl. auch Bärmann/Suilmann, WEG, 14. Aufl., § 13
Rn. 44). Teils wird - im Anschluss an die Rechtsprechung aus der Zeit vor der
Reform des Wohnungseigentumsrechts (vgl. BGH, Beschluss vom
27. Juni 1985 - VII ZB 21/84, BGHZ 95, 137, 139 ff.; für Kostenregelungen
nunmehr anders Senat, Urteil vom 1. April 2011 - V ZR 162/10, NJW 2011,
2202 Rn. 8) - für maßgeblich gehalten, ob es sachliche Gründe für die Beschränkung
gibt und kein Wohnungseigentümer unbillig beeinträchtigt wird; ein
sachlicher Grund soll vorliegen, wenn die Ferienvermietung bereits nachweislich
zu erheblichen Störungen in der Wohnanlage geführt hat (so Kümmel, ZMR
2010, 381, 382; Briesemeister, NZM 2011, 146, 149).

b) Nach der Gegenauffassung kann das Recht des Wohnungseigentümers
zur kurzzeitigen Vermietung des Sondereigentums auf der Grundlage einer
Öffnungsklausel nur mit Zustimmung der betroffenen Wohnungseigentümer
eingeschränkt werden (vgl. Schultzky in Jennißen, WEG, 5. Aufl., § 13 Rn. 25;
Hogenschurz in Jennißen, WEG, 5. Aufl., § 14 Rn. 4b; Blankenstein, ZWE
2016, 197, 205; vgl. auch jurisPK-BGB/Lafontaine, 8. Aufl., § 13 WEG, Rn. 12).

Uneinigkeit besteht über die Rechtsfolge der fehlenden Zustimmung. Teils wird
der Beschluss als schwebend unwirksam angesehen (Blankenstein, ZWE 2016,
197, 205), während andere die Rechtsfigur der schwebenden Unwirksamkeit
aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnen und solche Beschlüsse für anfechtbar
halten (Schultzky in Jennißen, WEG, 5. Aufl., § 13 Rn. 25; § 23 Rn. 183;
ders., MietRB 2015, 60, 62).

4. Der Senat sieht einen auf der Grundlage einer allgemeinen Öffnungsklausel
gefassten Beschluss, durch den die kurzzeitige Vermietung des Wohnungseigentums
(z.B. an Feriengäste) verboten wird, nur dann als rechtmäßig
an, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung erteilt haben.

a) Im Allgemeinen sind Beschlüsse, die auf der Grundlage einer allgemeinen
Öffnungsklausel mit der erforderlichen Mehrheit gefasst werden, nur
insoweit materiell überprüfbar, als das „Ob“ und das „Wie“ der Änderung nicht
willkürlich sein dürfen. Diesen Maßstab hat der Senat für Änderungen des Kostenverteilungsschlüssels
aus dem Gebot ordnungsmäßiger Verwaltung abgeleitet
(Senat, Urteil vom 1. April 2011 - V ZR 162/10, NJW 2011, 2202 Rn. 8; anders
vor der Reform des Wohnungseigentumsrechts BGH, Beschluss vom
27. Juni 1985 - VII ZB 21/84, BGHZ 95, 137, 139 ff.). Er gilt aber auch in anderen
Bereichen, weil die allgemeine Öffnungsklausel den Wohnungseigentümern
einen weiten Gestaltungsspielraum eröffnen soll (so bereits Senat, Urteil vom
10. Oktober 2014 - V ZR 315/13, BGHZ 202, 346 Rn. 14). Einer weiterreichenden
Kontrolle unterliegen dagegen - wie eingangs ausgeführt (vgl. Rn. 7 f.) -
Beschlussgegenstände, die unverzichtbare oder unentziehbare, aber verzichtbare
(„mehrheitsfeste“) Rechte der Sondereigentümer betreffen. Eine solchermaßen
„abgestufte Inhaltskontrolle“ (Lieder, notar 2016, 283, 291) dient dazu,
die Einhaltung fundamentaler inhaltlicher Schranken zum Schutz der Minderheit
sicherzustellen (vgl. Senat, Urteil vom 10. Oktober 2014 - V ZR 315/13, BGHZ
202, 346 Rn. 14).

b) Zu den in diesem Sinne unentziehbaren, aber verzichtbaren („mehrheitsfesten“)
Rechten eines Sondereigentümers gehört die Zweckbestimmung
seines Wohnungs- oder Teileigentums; sie darf durch einen auf der Grundlage
einer allgemeinen Öffnungsklausel gefassten Mehrheitsbeschluss nur mit Zustimmung
des Sondereigentümers geändert oder eingeschränkt werden.

aa) Da die Zweckbestimmung vorgibt, wie die Einheit zulässigerweise
genutzt werden darf, hat sie aus Sicht des Sondereigentümers entscheidenden
Einfluss auf den Wert seiner Einheit. Wird sie geändert oder eingeschränkt, betrifft
dies die Nutzung des Sondereigentums in substanzieller Weise (vgl. zu
diesem Aspekt Lieder, notar 2016, 283, 295). Derartige Eingriffe bedürfen jedenfalls
der Zustimmung des Eigentümers der Einheit, deren Zweckbestimmung
geändert werden soll. Dies ergibt sich aus einer verfassungskonformen
Auslegung der allgemeinen Öffnungsklausel (vgl. Lieder, notar 2016, 283, 295),
die dem Umstand Rechnung trägt, dass das Sondereigentum als echtes Eigentum
im Sinne von § 903 BGB und Art. 14 GG ausgestaltet ist. Daher darf eine
Wohnung nicht ohne den Willen des Wohnungseigentümers zum Keller umgewandelt
werden. Ebenso wenig darf die Zweckbestimmung einer Teileigentumseinheit
geändert werden, wenn der Teileigentümer nicht einverstanden ist (so
im Ergebnis auch BayObLG, NJW-RR 1990, 978, 979); beispielsweise berechtigt
eine allgemeine Öffnungsklausel nicht dazu, eine als Gaststätte dienende
Teileigentumseinheit ohne Zustimmung des Teileigentümers mit der Zweckbestimmung
Büro zu versehen, weil die Mehrheit den Gaststättenbetrieb als störend
empfindet.

bb) Auch Vermietungsverbote greifen in die Zweckbestimmung des
Wohnungseigentums ein. Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein generelles
(also sowohl auf kurz- als auch auf langfristige Vermietungen bezogenes)
Vermietungsverbot vereinbart werden kann, wird unterschiedlich beantwortet
(vgl. BeckOK WEG/Müller [1.2.2019], § 13 Rn. 77 mit Nachweisen zum
Streitstand). Jedenfalls wäre es rechtswidrig, wenn ein generelles Vermietungsverbot
auf der Grundlage einer allgemeinen Öffnungsklausel beschlossen würde,
obwohl einzelne Wohnungseigentümer nicht zugestimmt haben (aA Bärmann/
Suilmann, WEG, 14. Aufl., § 13 Rn. 44). Es führte nämlich zu einer massiven
Einschränkung des in § 13 Abs. 1 WEG gewährleisteten Rechts jedes
Wohnungseigentümers, mit den im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen
nach Belieben zu verfahren und sie insbesondere zu vermieten. Ein solcher
Beschluss könnte nur dann rechtmäßig sein, wenn nicht nur die aktuell vermietenden,
sondern alle Wohnungseigentümer zustimmen; denn auch die Zweckbestimmung
solcher Einheiten, die im Zeitpunkt der Beschlussfassung von den
Eigentümern selbst genutzt werden, würde eingeschränkt, wenn eine Vermietung
fortan unterbleiben müsste.

c) Hier haben die Wohnungseigentümer zwar kein generelles, sondern
ein spezielles Vermietungsverbot beschlossen, mit dem nur bestimmte, nämlich
kurzzeitige Vermietungen untersagt werden. Aber auch ein solches Verbot kann
nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer beschlossen werden. Denn es
verengt die zuvor weite Zweckbestimmung der Einheiten und schränkt - wie das
Berufungsgericht zutreffend ausführt - das bestehende Recht jedes einzelnen
Wohnungseigentümers, mit seinem Sondereigentum nach Belieben zu verfahren,
dauerhaft in erheblicher Weise ein. Nicht anders wäre es zu beurteilen,
wenn die qualifizierte Mehrheit der Wohnungseigentümer ihre Einheiten kurzzeitig
vermietete und die Minderheit gegen deren Willen an einer Dauernutzung
hindern wollte, um das Gepräge einer Ferienanlage zu schaffen. Hier wie dort
soll primär die zulässige Nutzung des Sondereigentums eingeschränkt werden;
darüber darf aber - soweit nichts anderes vereinbart ist - der Sondereigentümer
frei entscheiden, und er darf sich darauf verlassen, dass seine auf das Sondereigentum
bezogenen Nutzungsbefugnisse nicht ohne sein Zutun eingeschränkt
werden. Infolgedessen dürfen auch Vermietungen von besonders kurzer
Dauer oder bestimmter Art - wie etwa die Vermietung als Ferien- oder
Werkswohnung - nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer verboten
werden; andernfalls entstünden im Übrigen erhebliche Abgrenzungs- und Wertungsprobleme.
d) Entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung kann auch nicht angenommen
werden, dass die Wohnungseigentümer mit der Vereinbarung einer
allgemeinen Öffnungsklausel vorab in jegliche Änderung der Gemeinschaftsordnung
eingewilligt hätten (so aber allgemein Hügel/Elzer, WEG, § 10 Rn. 151;
Elzer, ZfIR 2016, 722, 723; in diese Richtung auch BeckOGK/Falkner
[1.12.2018], § 10 WEG Rn. 174, anders allerdings Rn. 174.4). Eine allgemeine
Öffnungsklausel ist als solche zwar nicht zu beanstanden. Daraus kann aber
nicht auf eine Zustimmung zu allen künftig denkbaren Regelungen und damit
auch zu einschneidenden Änderungen dieser Art geschlossen werden; die Gewährung
rechtlicher Gestaltungsmacht trägt ihre Beschränkung auf das gebotene
Maß als immanente Schranke in sich (so zutreffend Lieder, notar 2016, 283,
294; vgl. auch Ott, ZWE 2001, 466, 467 f.; Armbrüster/Böttger, ZfIR 2015, 70).

Bestätigt wird dies durch die Überlegung, dass eine spezielle Öffnungsklausel,
die eine Änderung der Zweckbestimmung durch Mehrheitsbeschluss ohne Zustimmung
des Sondereigentümers ausdrücklich erlaubte, jedenfalls ungewöhnlich
wäre und erheblichen Einfluss auf den Wert des Sondereigentums haben
könnte (weshalb eine solche Klausel auch nicht angeraten wird, vgl. etwa
BeckOGK WEG/Falkner [1.12.2018], § 10 Rn. 169.2). Dies spricht umso mehr
dafür, dass eine allgemeine Öffnungsklausel nicht als unwiderrufliche, vorweggenommene
Zustimmung zu Beschlüssen dieser Art verstanden werden kann.

e) Die Eigentumsrechte der übrigen Wohnungseigentümer werden - anders
als die Beklagten meinen - hierdurch nicht außer Acht gelassen. Allerdings
erfordern Regelungen, die - wie das Verbot der kurzzeitigen Vermietung in einer
reinen Wohnungseigentumsanlage - die Zweckbestimmung aller Einheiten betreffen,
eine allstimmige Beschlussfassung; diese zu erreichen, kann sich gerade
in größeren Anlagen als schwierig erweisen. Den übrigen Wohnungseigentümern
stehen aber ggf. andere Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung.

Was die Kurzzeitvermietung angeht, müssen damit einhergehende Störungen
wie Überbelegung, fortwährende Verstöße gegen die Hausordnung oder Lärmbelästigungen
durch Feriengäste nicht hingenommen werden; sie können einen
Unterlassungsanspruch gemäß § 15 Abs. 3 WEG begründen (vgl. Senat, Urteil
vom 15. Januar 2010 - V ZR 72/09, NJW 2010, 3093 Rn. 23). Solche Störungen
machen die Beklagten allerdings - soweit ersichtlich - nicht geltend. Der von
ihnen vornehmlich angeführte Umstand, dass die kurzzeitigen Mieter den anderen
Bewohnern unbekannt sind, stellt für sich genommen keine Störung dar.

f) Schließlich kann auch nicht eingewendet werden, dass allgemeine Öffnungsklauseln
damit entwertet würden. Ihre praktische Bedeutung ist vornehmlich
deshalb gesunken, weil mit der Reform des Wohnungseigentumsrechts in
wichtigen Bereichen gesetzliche Öffnungsklauseln geschaffen und zwingend
ausgestaltet worden sind (so zutreffend BeckOK WEG/Müller [1.2.2019], § 10
Rn. 243); es war erklärtes Ziel des Gesetzgebers, durch die gesetzliche Erweiterung
der Beschlusskompetenzen die Mehrheitsmacht zu stärken (eingehend
BT-Drucks. 16/887, S. 10 f.). Für vereinbarte Öffnungsklauseln verblieben sind
- jedenfalls in Teilen - jene Anwendungsbereiche, in denen sie seit jeher als
eher problematisch angesehen worden sind (vgl. BeckOK WEG/Müller
[1.2.2019], § 10 Rn. 243). Gleichwohl sind vereinbarte Öffnungsklauseln etwa
für Gebrauchs- oder Kostenregelungen von Bedeutung; auch bezogen auf
„mehrheitsfeste“ Rechte können sie Mehrheitsentscheidungen formell und materiell
legitimieren, beispielsweise dann, wenn ein Sondereigentümer die
Zweckbestimmung seiner Einheit ändern möchte.

5. Nach alledem erweist sich der Beschluss als rechtswidrig, weil jedenfalls
die Zustimmung der Klägerin fehlte. Soweit die Beklagten sich darauf berufen,
der veräußernden Bauträgerin sei bekannt gewesen, dass sie auf eine ruhige,
harmonische Gemeinschaft Wert legten, hat dies keinen Einfluss auf das
Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander; daran ändert es nichts,
dass der Lebensgefährte der Klägerin die Verkaufsverhandlungen für die Bauträgerin
führte. Der weitere Vortrag der Beklagten, wonach die Regelung, die
den Wohnungseigentümern auch die vorübergehende Vermietung gestattet, in
„kollusivem Zusammenwirken“ mit der Klägerin nachträglich in die Teilungserklärung
eingefügt worden sei, verhilft ihnen schon deshalb nicht zum Erfolg,
weil die kurzzeitige Vermietung auch ohne die ausdrückliche Erlaubnis zulässig
gewesen wäre (vgl. Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 72/09, NJW
2010, 3093 Rn. 14 ff.). Dass die Voraussetzungen vorliegen, unter denen die
Klägerin einer Anpassung der Gemeinschaftsordnung gemäß § 10 Abs. 2
Satz 3 WEG zustimmen müsste, ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten
jedenfalls nicht.

6. Wegen des Beschlussmangels ist der Klage im Ergebnis zu Recht
insgesamt stattgegeben worden.

a) Das gilt zunächst bezogen auf das Verbot der kurzzeitigen Vermietung.

aa) Bislang ist der Senat bei Eingriffen in unentziehbare, aber verzichtbare
(„mehrheitsfeste“) Rechte davon ausgegangen, dass die fehlende Zustimmung
nachteilig betroffener Sondereigentümer die schwebende Unwirksamkeit
eines gleichwohl gefassten Beschlusses zur Folge hat (vgl. Senat, Beschluss
vom 22. Januar 2004 - V ZB 51/03, BGHZ 157, 322, 335; Urteil vom 10. Oktober
2014 - V ZR 315/13, BGHZ 202, 346 Rn. 15, 20). Ob daran festgehalten
werden kann, erscheint dem Senat angesichts der darauf bezogenen Kritik
zweifelhaft (vgl. BeckOGK WEG/Falkner [1.12.2018], § 10 Rn. 173; Schultzky in
Jennißen, WEG, 5. Aufl., § 23 Rn. 183; ders., MietRB 2015, 60, 62; Abramenko,
MietRB 2011, 96, 99 f.; siehe auch OLG Frankfurt, ZWE 2011, 363, 364 sowie
Staudinger/Häublein, BGB [2017], § 23 Rn. 274); denn § 23 Abs. 4 WEG sieht
schwebend unwirksame Beschlüsse nicht vor, und es ergeben sich - ebenso
wie bei unter eine Bedingung gestellten Beschlüssen (vgl. Senat, Urteil vom
12. Juli 2018 - V ZR 221/17, WuM 2018, 803 Rn. 16) - Bedenken im Hinblick
auf das Gebot der Rechtssicherheit.

bb) Einer abschließenden Entscheidung über die Rechtsfolgen des Beschlussmangels
bedarf es jedoch nicht. Da alle Wohnungseigentümer zustimmen
mussten und dem in Bezug genommenen Protokoll der Eigentümerver-
sammlung zufolge einzelne Wohnungseigentümer mit Nein gestimmt haben,
wäre der Beschluss auf der Grundlage der bisherigen Senatsrechtsprechung
von vornherein unwirksam gewesen. Wollte man an der Rechtsfigur der schwebenden
Unwirksamkeit nicht festhalten, könnte der Beschluss nur entweder
nichtig oder aber anfechtbar sein; im einen wie im anderen Fall ist der unter
Wahrung der Fristen des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG erhobenen Beschlussmängelklage
zu Recht stattgegeben worden. Insbesondere ist es unschädlich, dass
das Amtsgericht den Hauptantrag, wonach der Beschluss für ungültig erklärt
werden sollte, abgewiesen und - insoweit bestätigt durch das Berufungsgericht -
auf den Hilfsantrag hin die Nichtigkeit festgestellt hat. Denn Anfechtungs- und
Nichtigkeitsklage haben nach ständiger Rechtsprechung denselben Streitgegenstand
(vgl. Senat, Beschluss vom 20. Mai 2011 - V ZR 175/10, NZM 2011,
716 Rn. 9; Urteil vom 26. Oktober 2012 - V ZR 7/12, ZMR 2013, 210 Rn. 8). Da
dem Hilfsantrag (mit demselben Streitgegenstand) stattgegeben worden ist,
erweist sich die Abweisung des Hauptantrags als wirkungslos, und mit dem Eintritt
der Rechtskraft steht fest, dass der Beschluss keine Rechtswirkungen entfaltet.

b) Der Beschluss kann auch nicht insoweit entsprechend § 139 BGB aufrechterhalten
werden, als er die Einführung einer Anzeigepflicht für die Überlassung
einer Wohnung an Dritte regelt.

aa) Allerdings ist dieser Teil des Beschlusses in der Sache nicht zu beanstanden.
Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine allgemeine Öffnungsklausel
es erlaubt, Vermietungen unter Genehmigungsvorbehalt zu stellen,
bedarf keiner Entscheidung, da lediglich eine Anzeigepflicht eingeführt
worden ist. Ob hierfür gemäß § 15 Abs. 2 WEG eine einfache Mehrheit ausreichend
wäre, kann offenbleiben; denn jedenfalls auf der Grundlage einer allgemeinen
Öffnungsklausel kann gegen die Stimmen der Minderheit beschlossen
werden, dass die Überlassung einer Wohnung an Dritte der Verwaltung anzuzeigen
ist. Weil die Einführung einer Anzeigepflicht nicht in „mehrheitsfeste“
Rechte eingreift, sondern vornehmlich die Verwaltung des gemeinschaftlichen
Eigentums betrifft, beschränkt sich die materielle Überprüfung auf das
Willkürverbot (vgl. Rn. 14). Insoweit ergeben sich schon deshalb keine Bedenken,
weil die Anzeigepflicht einen sinnvollen und gebräuchlichen Weg darstellt,
der Verwaltung Informationen darüber zu verschaffen, wer die Einheiten bewohnt
und deshalb Ansprechpartner vor Ort ist. Da dieses Anliegen berechtigt
ist, ist es auch nicht zu beanstanden, wenn Überlassungen an Dritte insgesamt
- also ohne Rücksicht auf die Dauer der Überlassung - erfasst werden.

bb) Die Voraussetzungen des § 139 BGB liegen jedoch nicht vor. Denn
die teilweise Aufrechterhaltung von wohnungseigentumsrechtlichen Beschlüssen
entsprechend § 139 BGB kommt regelmäßig nur dann in Betracht, wenn
nach dem tatsächlichen oder hypothetischen Parteiwillen zweifelsfrei davon
auszugehen ist, dass der Beschluss auch als Teilregelung beschlossen worden
wäre (Senat, Urteil vom 10. Oktober 2014 - V ZR 315/13, BGHZ 202, 346
Rn. 21). Das ist hier nicht der Fall. Denn die Anzeigepflicht stand im Zusammenhang
mit dem zugleich beschlossenen Verbot kurzzeitiger Vermietungen
und sollte offenkundig (auch) dazu dienen, dessen Einhaltung zu überwachen.

Dass die Wohnungseigentümer die Regelung unabhängig von den weiteren
Änderungen beschlossen hätten, steht deshalb nicht - jedenfalls nicht zweifelsfrei
- fest, zumal die Anzeigepflicht einen höheren Arbeitsaufwand für die Verwaltung
verursachen kann, wenn kurzzeitige Vermietungen weiterhin erlaubt
sind.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

12.04.2019

Aktenzeichen:

V ZR 112/18

Rechtsgebiete:

WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

ZNotP 2019, 241-245
ZNotP 2020, 23-27
NotBZ 2019, 430-434
ZWE 2019, 415-418

Normen in Titel:

WEG §§ 10 Abs. 2 S. 2, 13 Abs. 1, 15 Abs. 1