Gleichbehandlungsgrundsatz; Bestimmung der zu schaffenden und zu bewahrenden Notarstellen
letzte Aktualisierung: 11.2.2021
BGH, Beschl. v. 20.7.2020 – NotZ(Brfg) 5/19
BNotO § 4
Gleichbehandlungsgrundsatz; Bestimmung der zu schaffenden und zu bewahrenden Notarstellen
Die Justizverwaltung muss, wenn sie sich bei der Bedürfnisprüfung nach § 4 BNotO durch eine
Richtlinie oder ständige Übung gebunden hat, die entsprechenden Prüfungsmaßstäbe grundsätzlich
beachten, um eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der von ihren Maßnahmen betroffenen
Notare zu vermeiden. Sie ist aber nicht verpflichtet, zur Wahrung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes eine derartige Selbstbindung einzugehen. Auch dann darf sie aber in
den verschiedenen Amtsgerichtsbezirken nicht willkürlich unterschiedliche Maßstäbe anlegen
(Fortführung von Senat, Urteil vom 5. März 2012 – NotZ(Brfg) 5/11,
Gründe:
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Ein Zulassungsgrund
ist nicht gegeben. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen
weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils noch
weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten
auf, noch hat sie grundsätzliche Bedeutung; auch eine Divergenz und ein Verfahrensmangel
liegen nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1-5 VwGO, § 111d Satz 2
BNotO).
1. Der Zulassungsgrund aus
Satz 2 BNotO) ist nicht gegeben, da keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit
des angefochtenen Urteils bestehen. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus,
dass der Antragsteller im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden
Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen
Gegenargumenten in Frage gestellt hat. Zweifel an der Richtigkeit einzelner
Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund
dann nicht aus, wenn solche Zweifel nicht auch die Richtigkeit des Ergebnisses
erfassen (Senatsbeschlüsse vom 24. Juli 2017 - NotSt(Brfg) 2/17, WM 2018,
482 Rn. 22; vom 23. November 2015 - NotSt(Brfg) 5/15,
Rn. 5 mwN).
An diesen Grundsätzen gemessen bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit
der Beurteilung des Oberlandesgerichts, dass der Klägerin kein Anspruch
gegen den Beklagten zusteht, die Wiederbesetzung der Notarstelle
(vormals Dr. R.) in W. zu unterlassen.
a) Gemäß § 4 BNotO werden so viele Notare bestellt, wie es den Erfordernissen
einer geordneten Rechtspflege entspricht, wobei insbesondere das
Bedürfnis nach einer angemessenen Versorgung der Rechtsuchenden mit notariellen
Leistungen und die Wahrung einer geordneten Altersstruktur des Notarberufs
zu berücksichtigen sind. Das Gesetz räumt der Landesjustizverwaltung
(
bewahrenden Notarstellen ein weites Organisationsermessen ein, das jedoch
durch die drei ausdrücklich normierten Zielvorgaben des § 4 BNotO sachlich
begrenzt wird (Senatsurteil vom 5. März 2012 - NotZ(Brfg) 5/11, ZNotP 2012,
192 Rn. 14; Senatsbeschluss vom 11. Juli 2005 - NotZ 1/05,
949, juris Rn. 7, 11). Die Ermessensausübung dürfen die Gerichte entsprechend
dem Rechtsgedanken des § 114 Satz 1 VwGO (i.V.m. § 111d Satz 2
BNotO, § 125 Abs. 1 VwGO) auch im Fall einer allgemeinen Leistungs- oder
Unterlassungsklage lediglich darauf überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen
des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck
der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist
(vgl. Senatsurteil vom 5. März 2012 - NotZ(Brfg) 5/11,
Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl., § 114 Rn. 2). Auch ein derartiger
Ermessensfehler begründet aber nicht ohne Weiteres den Anspruch eines
Amtsinhabers auf Unterlassung der Wiederbesetzung einer Notarstelle;
vielmehr bedarf es eines Ermessensfehlers, der den Amtsinhaber in seinen
subjektiven Rechten verletzt (vgl. Senatsbeschluss von 26. Juni 2009 - NotZ
7/09,
Landesjustizverwaltung bei der Ausübung ihres Organisationsermessens insoweit
zu wahren, als jedem Notar zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgabe als
unabhängiger und unparteiischer Berater ein Mindestmaß an wirtschaftlicher
Unabhängigkeit zu gewährleisten ist (Senatsurteil vom 5. März 2012 -
NotZ(Brfg) 5/11,
- NotZ 7/09,
2005, 947, 949, juris Rn. 11; vom 16. Juli 2001 - NotZ 7/01,
juris Rn. 9; vom 20. Juli 1998 - NotZ 31/97,
Darüber hinaus muss die Justizverwaltung, wenn sie sich bei der Bedürfnisprüfung
nach § 4 BNotO durch eine Richtlinie oder ständige Übung gebunden hat,
die entsprechenden Prüfungsmaßstäbe grundsätzlich beachten, um eine ungerechtfertigte
Ungleichbehandlung der von ihren Maßnahmen betroffenen Notare
zu vermeiden (Senatsurteil vom 5. März 2012 - NotZ(Brfg) 5/11, ZNotP 2012,
192 Rn. 15; Senatsbeschlüsse vom 11. Juli 2005 - NotZ 1/05,
949, juris Rn. 11; vom 22. März 2004 - NotZ 25/03,
Rn. 8). Bei Vorliegen eines hinreichenden sachlichen Grundes darf sie allerdings
von ihrer ursprünglichen Verwaltungspraxis abweichen und in eine Einzelfallbetrachtung
eintreten (vgl. Senatsurteil vom 5. März 2012 - NotZ(Brfg) 5/11,
zur Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes eine derartige
Selbstbindung einzugehen. Auch dann darf sie aber in den verschiedenen
Amtsgerichtsbezirken nicht willkürlich unterschiedliche Maßstäbe anlegen (Senatsbeschluss
vom 11. Juli 2005 - NotZ 1/05,
21; vom 25. Oktober 1982 - NotZ 7/82,
Schließlich kann § 4 BNotO ausnahmsweise Schutzfunktion entfalten, wenn die
Landesjustizverwaltung die Grenzen ihres Organisationsermessens dergestalt
überschreitet, dass sie sich vom öffentlichen Interesse durch eine nicht bedarfs-
, sondern rein bewerberbezogene Stellenermittlung mit sachfremder Begünstigung
oder Benachteiligung einzelner Bewerber löst (Senatsbeschluss vom 22.
März 2010 - NotZ 13/09, juris Rn. 18; vom 23. Juli 2007 - NotZ 42/07, BGHZ
173, 297 Rn. 24).
Ein weitergehender Schutz der subjektiven Rechte des amtierenden Notars
ist verfassungsrechtlich nicht geboten (Senatsbeschluss vom 11. Juli 2005
- NotZ 1/05,
b) Nach diesen Grundsätzen unterliegt die Ablehnung des geltend gemachten
Unterlassungsanspruchs keinen ernstlichen Zweifeln.
aa) Die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass die Wiederbesetzung der
Notarstelle Dr. R. nicht zur Folge hat, dass die erforderliche wirtschaftliche Unabhängigkeit
der drei amtierenden Notare im Amtsgerichtsbezirk W. nicht mehr
gewährleistet ist.
bb) Keine ernstlichen Zweifel bestehen ferner an der Beurteilung des
Oberlandesgerichts, dass der Beklagte nicht durch eine ungerechtfertigte Abweichung
von Richtlinien oder einer ständigen Übung subjektive Rechte der
Klägerin verletzt hat. Entgegen der Antragsbegründung lässt sich ein Verstoß
gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht daraus herleiten, dass das Notarentwicklungskonzept
2024 (Stand 1.1.2018) für den Landgerichtsbezirk D.-R. vorsieht, dass im
Amtsgerichtsbezirk W. dauerhaft nur drei Notarstellen verbleiben sollen, nämlich
zwei in W. und eine in G. Diese auf bestimmte Stellen konkretisierte interne
Absichtserklärung enthält für sich genommen keine Prüfungsmaßstäbe und
stellt daher weder eine allgemeine Richtlinie noch eine ständige Verwaltungspraxis
dar, durch die sich der Beklagte hätte selbst binden können. Sie wird
auch nicht dadurch zu einer eine Selbstbindung begründenden ständigen
Übung, dass der Beklagte in der Vergangenheit in verschiedenen Vermerken
darauf verwiesen hat, dass das jeweilige Notarstellenkonzept für eine bestimmte
Stelle eine Einziehung oder Wiederbesetzung vorsehe.
Entgegen der Ansicht der Klägerin begründet eine "konzeptionslose Einzelfallentscheidung"
- also das Fehlen von Richtlinien, durch die sich die Verwaltung
binden könnte - keine Verletzung des § 4 BNotO oder des Art. 3 Abs. 1
GG. Wie der Senat bereits früh entschieden hat (Senatsbeschluss vom 22. Oktober
1979 - NotZ 3/79,
Richtlinien fehlt oder diese unvollständig sind, die Frage, wie viele Notare bestellt
werden, aufgrund der Verhältnisse des Einzelfalls nach pflichtmäßigem
Ermessen entschieden werden. Dabei sind die Grenzen pflichtgemäßer sachlicher
Ermessensausübung durch
hat sich durch die von der Klägerin angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs
(Senatsbeschluss vom 14. Juli 2003 - NotZ 47/02, DNotZ 2004,
230) und des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 1. Juli 2002 - 1 BvR
152/02,
wonach "vor dem Hintergrund eines weiten Organisationsermessens
eine transparente und an nachvollziehbaren rechtlichen Kriterien aus-
gerichtete Verfahrensweise unabdingbar" sei, betraf die Gestaltung des Auswahlverfahrens
von Notarbewerbern (aaO Rn. 15, zitiert nach juris) und damit
eine andere Fallgestaltung. In der Senatsentscheidung vom 14. Juli 2003 wurde
bezweifelt, ob es künftig genügt, wenn bei Konkurrenzen zwischen Notarassessoren
und amtierenden Notaren ohne weitere Vorgaben "von Fall zu Fall entschieden"
wird. Es bedürfe einer längerfristigen konkreten Planung, wie das
dort angenommene Erfordernis einer allmählichen Reduzierung der Zahl der
Notarstellen umgesetzt werden soll. Abgesehen davon, dass auch dieser Entscheidung
ein anders gearteter Sachverhalt zugrunde lag, ist mit ihr eine Verpflichtung
zur Selbstbindung der Landesjustizverwaltung durch die Aufstellung
von Richtlinien nicht begründet worden. Das Bestehen einer derartigen Pflicht
wurde in dem späteren Senatsbeschluss vom 11. Juli 2005 (NotZ 1/05, DNotZ
2005, 947, 951, juris Rn. 21) ausdrücklich verneint.
cc) Ernstlichen Zweifeln begegnet ferner nicht die Beurteilung des Oberlandesgerichts,
dass nicht festgestellt werden könne, dass der Beklagte die
Zahl der auszuschreibenden Stellen nicht bedarfs-, sondern konkret bewerberbezogen
ermittelt habe. Anderes lässt sich insbesondere nicht aus dem Umstand
schließen, dass in der Verfügung des Beklagten vom 7. Juni 2018 im Zusammenhang
mit der Wiedergabe der Stellungnahme der Notarkammer Sachsen-
Anhalt erwähnt ist, dass die Notarassessorin H. (als derzeitige Verwalterin
der Notarstelle Dr. R.) ihr Interesse an der Notarstelle bekundet habe. Im gerichtlichen
Verfahren erster Instanz, in dem Ermessenserwägungen ergänzt
werden können (§ 111d Satz 2 BNotO i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1, § 114 Satz 2
VwGO; Senatsurteil vom 5. März 2012 - NotZ(Brfg) 5/11,
28), hat der Beklagte ausgeführt, dass und warum die derzeitige Altersstruktur
im Amtsgerichtsbezirk W. eine nachwachsende Notarentwicklung notwendig
erscheinen lässt und dass die Altersstruktur der weiteren Assessorinnen und
Assessoren durch die Ernennung der Notarassessorin H., die ihre Assessorenzeit
bereits deutlich überschritten hat, verbessert würde (Schriftsatz vom 6.
September 2018, S. 5 f., GA I 21 f.). Auf die Situation der Notarassessoren und
die Schwierigkeiten, diese zu gewinnen und an das Land Sachsen-Anhalt zu
binden, ist der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 18. Dezember 2018, S. 5
(GA I 134) näher eingegangen. Wie in der angefochtenen Entscheidung zutreffend
ausgeführt, ist der Gesichtspunkt der Wahrung einer geordneten Altersstruktur
in
ebenso wie das Kriterium eines geordneten Notarassessorensystems in der
Rechtsprechung des Senats wie auch des Bundesverfassungsgerichts anerkannt
(Senatsurteil vom 5. März 2012 - NotZ(Brfg) 5/11,
27 mwN; BVerfG,
4 Satz 2 BNotO sei die Altersstruktur nicht zu berücksichtigen, folgt der Senat
nicht, ebenso wenig ihrer Ansicht, vorliegend sei die Altersstruktur nicht betroffen.
Eine geordnete Altersstruktur des Notarberufs wird insbesondere durch die
Bestellung von Notarassessoren gewahrt, da dies in der Regel zu einer Absenkung
des Durchschnittsalters der Notare führt, was wiederum nur dann gewährleistet
ist, wenn nicht die Notarassessoren ihrerseits mangels Bestellung zum
Notar überaltern (Senatsurteil vom 5. März 2012 - NotZ(Brfg) 5/11, ZNotP 2012,
192 Rn. 27). Dass dies auch für den Amtsgerichtsbezirk W. gilt, bedarf angesichts
der Geburtsjahrgänge der dort tätigen Notarinnen und des Notars (1955,
1963, 1975) keiner weiteren Erörterung. Vor diesem Hintergrund kann die Klägerin
eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht daraus herleiten,
dass andernorts Notarstellen eingezogen wurden, auf die sich keine Notarassessoren
beworben hatten. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang bemängelt,
dass der von der Notarassessorin H. für das Notariat Dr. R. gemeldete
steigende Geschäftsanfall weder von dem Beklagten noch vom Oberlandesgericht
überprüft worden sei, wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 12. April
2019 S. 2 mit Anlage (Zusammenstellung der Geschäftsübersichten der Notare
des Landgerichtsbezirks Dessau-Roßlau) verwiesen, wonach die Summe der
Urkundsgeschäfte auf der Notarstelle Dr. R. im Jahr 2018 von 529 auf 913 gestiegen
ist.
dd) Soweit die Klägerin geltend macht, der Beklagte habe sich mit dem in
seiner Verfügung vom 7. Juni 2018 erwähnten Gesichtspunkt, dass Notar K.
beabsichtige, seinen Amtssitz aus W. in eine andere Stadt zu verlegen, von
einer sachfremden Erwägung leiten lassen, ist nicht ersichtlich, inwieweit
dadurch die Klägerin in den oben genannten subjektiven Rechten, die bei der
Ausübung des Organisationsermessens zu berücksichtigen sind, verletzt sein
soll. Es ist daher auch nicht zu beanstanden, dass sich das Oberlandesgericht
mit diesem Punkt nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat. Soweit das Oberlandesgericht
dem Beklagten darin gefolgt ist, dass Überlegungen zur Aktenverwahrung
auf dessen Ermessensentscheidung keinen Einfluss genommen
haben, liegt darin ebenfalls kein Grund für die Zulassung der Berufung.
ee) Keinen ernstlichen Zweifeln begegnet weiter die Beurteilung des
Oberlandesgerichts, dass der Beklagte nicht in den verschiedenen Amtsgerichtsbezirken
willkürlich unterschiedliche Maßstäbe angelegt habe. Dies lässt
sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dadurch in Frage stellen, dass die
Anzahl der Notare in W. und in anderen Amtsgerichtsbezirken, die ebenfalls
eher ländlich geprägt sind, dem Urkundenaufkommen, der Anzahl der Einwohner
und Gebietskörperschaften und der Fläche der Bezirke gegenübergestellt
wird. Eine derart schematische Betrachtung würde den Besonderheiten des
jeweiligen Amtsgerichtsbezirks und der jeweiligen Notarstelle einschließlich der
Entwicklungsmöglichkeiten nicht gerecht. Zutreffend weist das Oberlandesgericht
darauf hin, dass dem Urkundenaufkommen nur eine beschränkte Aussa-
gekraft zukommt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. März 2004 - NotZ 25/03,
73, 54, 62, juris Rn. 29) und dass es dazu kommen kann, dass eine Notarstelle
wiederbesetzt wird, obwohl einer der Parameter für eine gegenteilige Entscheidung
gesprochen hätte (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juli 2005 - NotZ 1/05,
juris Rn. 22).
Der Beklagte hat seinen Überlegungen zu Recht die Prämisse zugrunde
gelegt, dass die Verwaltung bei der Bedürfnisprüfung gemäß § 4 BNotO darauf
zu achten hat, eine möglichst schnelle und ortsnahe notarielle Betreuung der
Bevölkerung zu sichern (Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1978 - NotZ 5/78,
207, 208, juris Rn. 18). Neben den strukturellen Bedingungen (vgl. Senatsbeschluss
vom 11. Juli 2005 - NotZ 1/05,
dem Urkundenaufkommen hat der Beklagte - teilweise durch zulässige Ergänzung
seiner Ermessenserwägungen im Prozess - als Besonderheiten unter anderem
die Altersstruktur im Amtsgerichtsbezirk W. und die Situation der Notarassessoren
berücksichtigt, das Ausscheiden der Notarin W. in G., die Notwendigkeit,
die aktuelle Anzahl von vier Notariaten bis 2030 wirtschaftlich neu zu
bewerten, ferner die Aussicht, dass der neue Notar/die neue Notarin bei ein
oder zwei Abgängen in der mittelfristigen Planung erfahren genug wäre, eventuell
auftretende Vakanzen auszugleichen. Berücksichtigt wurden zudem die
bereits erfolgte Einziehung von zwei Stellen im Amtsgerichtsbezirk W. in der
Vergangenheit und deren Folgen, steigende Beurkundungsaufträge und Umsätze
im Notariat Dr. R. und die Gefahr der Abwanderung von Urkundsgeschäften
nach Brandenburg und Sachsen im Falle der Einziehung der Stelle sowie
das allgemeine landesweite Absinken des Urkundenaufkommens in der Ver-
gangenheit. Nach alledem lässt sich eine willkürliche Ungleichbehandlung nicht
feststellen.
Diese Erwägungen widerlegen zugleich die Behauptung der Klägerin, der
Beklagte habe bei seiner Bedürfnisprüfung von vornherein auf den Gesamtraum
der Amtsgerichtsbezirke W. und B.-W. abgestellt. Vielmehr sind die Erwägungen
in erster Linie an den Verhältnissen des Amtsgerichtsbezirks W. ausgerichtet.
Dass der Beklagte ergänzend auch auf die Nachbarbezirke geschaut
hat, ist dabei ebenso wenig zu beanstanden wie der Umstand, dass er den von
ihm beteiligten Institutionen (Präsidenten des Landgerichts und des Oberlandesgerichts,
Ländernotarkasse und Notarkammer) nicht vorgegeben hat, auf
welchen räumlichen Bereich sich deren überörtliche Erwägungen zu erstrecken
haben. Die Argumente im angegriffenen Urteil dazu, dass es nicht ermessensfehlerhaft
war, in der Verfügung vom 7. Juni 2018 auch die Situation im Bezirk
B.-W. vergleichend heranzuziehen, tragen nicht die Ansicht der Klägerin, dass
das Oberlandesgericht die Ermessenserwägungen des Beklagten durch eigene
ersetzt hätte.
ff) Der Umstand, dass zwischenzeitlich auch die Notarstelle in G. neu
ausgeschrieben worden ist, stellt die Beurteilung des Oberlandesgerichts, dass
der Klägerin kein Anspruch auf Unterlassen der Wiederbesetzung der Notarstelle
(vormals Dr. R.) in W. zusteht, nicht in Frage. Insbesondere hat das Oberlandesgericht
seine Entscheidung nicht auf das künftige Schicksal der Notarstelle
in G. gestützt und diesbezüglich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht
Ermessenserwägungen des Beklagten in unzulässiger Weise ersetzt.
gg) Schließlich ist es nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht
die Stellungnahmen der vom Beklagten beteiligten Institutionen, insbesondere
der Notarkammer, nicht inzident auf Richtigkeit überprüft hat. Die Stellungnahmen
der beteiligten Institutionen haben keinerlei Bindungswirkung für die in eigener
Verantwortung zu treffende Entscheidung des Justizministeriums. Dies
schließt es zwar nicht aus, dass etwaige Fehler in den Stellungnahmen auf die
Entscheidung des Beklagten in der Weise durchgeschlagen haben könnten,
dass letztere rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Dies ist
hier aber nicht ersichtlich. Selbst wenn die Notarkammer, wie die Klägerin geltend
macht, in ihrer Stellungnahme von ihren eigenen Richtlinien oder ihrer
Praxis abgewichen sein sollte, sich bei Unterschreitung eines bestimmten Urkundenaufkommens
(1.400 bereinigte Urkunden) für eine Einziehung von
Notarstellen auszusprechen, ergibt sich daraus nicht, dass der Beklagte bei der
Ausübung seines Organisationsermessens die Klägerin in ihren subjektiven
Rechten verletzt hätte. Insbesondere handelte es sich bei etwaigen Richtlinien
der Notarkammer nicht zugleich um diejenigen des Beklagten; dieser hat im
Gegenteil deutlich gemacht, dass aus seiner Sicht ein Aufkommen von 1.400
bereinigten Urkunden nicht entscheidend sein kann. Eine Abweichung von einem
diesbezüglichen Kriterium der Notarkammer kann deshalb einen Verstoß
des Beklagten gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht begründen.
2. Auch der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen
Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 111d
Satz 2 BNotO) liegt nicht vor. Eine Rechtssache weist dann besondere tatsächliche
oder rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn sie wegen einer erheblich über
dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zugrundeliegenden
Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale
Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich
damit von den üblichen Streitigkeiten deutlich abhebt (vgl. Senat, Beschluss
vom 13. November 2017 - NotZ (Brfg) 2/17,
Meinung der Klägerin, dass das Oberlandesgericht zahlreichen Fragen und Argumenten
nicht (hinreichend) nachgegangen sei oder sie nicht zutreffend beantwortet
habe, trifft - wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt - nicht zu
und vermag eine besondere Schwierigkeit der höchstrichterlich bereits geklärten
Rechtsfragen nicht zu begründen. Sachverhalt und Aktenumfang sind überschaubar;
verfahrensgegenständlich ist lediglich die Entscheidung des Beklagten,
eine Notarstelle in W. wieder zu besetzen.
3. Auch die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 i.V.m. §
111d Satz 2 BNotO liegen nicht vor. Wie bereits oben ausgeführt, hat der Senat
in seinem Beschluss vom 14. Juli 2003 (NotZ 47/02,
Fallkonstellation wie die vorliegende eine Bedürfnisprüfung von Fall zu Fall ohne
Selbstbindung der Verwaltung nicht ausgeschlossen. Eine Abweichung der
angefochtenen Entscheidung von der Senatsrechtsprechung lässt sich daher
nicht feststellen. Da in der - auch jüngeren - Senatsrechtsprechung zudem geklärt
ist, dass eine Verpflichtung der Verwaltung nicht besteht, sich durch Aufstellung
von Richtlinien oder eine ständige Übung selbst zu binden (Senatsbeschluss
vom 11. Juli 2005 - NotZ 1/05,
dass bei Fehlen von Richtlinien die Bedürfnisprüfung gemäß § 4 BNotO aufgrund
der Verhältnisse des Einzelfalls nach pflichtmäßigem Ermessen zu erfolgen
hat (Senatsbeschluss vom 22. Oktober 1979 - NotZ 3/79,
178, juris Rn. 16), ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht die Frage klärungsbedürftig,
ob eine Entscheidung "von Fall zu Fall" heute noch den gesetzlichen
Vorgaben des § 4 BNotO gerecht wird.
4. Schließlich fehlt es auch an einem Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2
Nr. 5 i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO).
a) Der Anspruch der Klägerin auf Entscheidung durch den gesetzlichen
Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist nicht verletzt. Gemäß § 111 Abs. 4
BNotO entscheidet das Oberlandesgericht in den sogenannten verwaltungsrechtlichen
Notarsachen im Sinne von
narsachen gegen Notare vorgeschriebenen Besetzung. Durch Beschluss des
Präsidiums des Oberlandesgerichts Naumburg gemäß
der richterlichen Mitglieder des Notarsenats bei dem Oberlandesgericht als
Disziplinargericht für Notare vom 2. Januar 2019 (Geschäftsnummer 3830 E 2)
in Verbindung mit dem gemäß § 102 Satz 2 BNotO,
der richterlichen Mitglieder des Notarsenats des Oberlandesgerichts
vom 2. Januar 2019 war im Voraus bestimmbar, welche Richter und welcher
Notar über die Sache entscheiden würden.
b) Soweit die Klägerin pauschal auch die angeblich "fehlerhafte Beweiswürdigung"
und "unzulängliche Tatsachenfeststellung" rügt und meint, dass
"zahlreichen Argumenten und Fragen der Klägerin nicht bzw. nicht ausreichend
nachgegangen wurde", ist - auch mit der unspezifischen Bezugnahme auf die
"vorstehenden Ausführungen" - ein Verfahrensfehler schon nicht ordnungsgemäß
dargetan. Auf hinreichend konkrete Angriffe in den "vorstehenden Ausführungen"
der Klägerin wurde bereits oben eingegangen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:20.07.2020
Aktenzeichen:NotZ(Brfg) 5/19
Rechtsgebiete:
Notarielles Berufsrecht
Kostenrecht
BNotO § 4