Bezeichnung als „Wohnung“ ist keine Beschaffenheitsgarantie für die baurechtliche Zulässigkeit
letzte Aktualisierung: 5.2.2024
OLG Frankfurt, Beschl. v. 31.10.2023 – 6 U 210/22
BGB §§ 434, 444
Bezeichnung als „Wohnung“ ist keine Beschaffenheitsgarantie für die baurechtliche
Zulässigkeit
Allein aufgrund der Verwendung des Wortes „Wohnung“ im Kaufvertrag kann nicht angenommen
werden, der Verkäufer habe eine Garantie für die baurechtliche Zulässigkeit der Nutzung als
Wohnung übernehmen wollen. Die Verwendung der Bezeichnung „Wohnung“ als Kaufgegenstand
beschreibt nur dessen tatsächliche Verwendung.
(Leitsatz der DNotI-Redaktion)
Gründe
Die Berufung hat nach übereinstimmender Auffassung des Senats nach derzeitigem
Sachstand keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung.
Zudem erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung keine Entscheidung des Berufungsgerichts. Eine mündliche Verhandlung
ist nicht geboten.
Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin weder eine zugesicherte
Eigenschaft noch eine Arglist des Beklagten beweisen konnte.
1. Grundsätzlich kann allerdings die Tatsache, dass eine erforderliche Baugenehmigung
fehlt, so dass die Nutzung der Kaufsache untersagt werden kann, einen Sachmangel darstellen
(BGH
bis zur Erteilung der erforderlichen Genehmigung untersagen kann, und zwar
unabhängig von der Frage, ob eine Genehmigung unter Zulassung einer Ausnahme hätte
erteilt werden können. Dabei besteht der Sachmangel bereits darin, dass es an der
baurechtlich gesicherten Befugnis fehlt, das Objekt für den vertraglich vorausgesetzten
Zweck zu nutzen. Die Frage, ob bauliche Veränderungen überhaupt genehmigungsbedürftig
sind, haben die Zivilgerichte als Vorfrage der Fehlerhaftigkeit der Kaufsache zu
beantworten (vgl. nur BGH
2. Die Parteien haben nämlich im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit zulässigerweise einen
Haftungsausschluss vereinbart. Das Landgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen,
dass eine fehlende Baugenehmigung regelmäßig einen Sach- und keinen Rechtsmangel
darstellt und daher vom Haftungsausschluss erfasst ist (BGH
hat sich die Klägerin freiwillig der Gewährleistungsrechte im Hinblick auf die gekaufte
Wohnung begeben.
3. Derartige Gewährleistungsausschlüsse sind grundsätzlich zulässig und unterliegen nur
den Grenzen von
a) Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin eine Arglist des
Beklagten nicht beweisen konnte.
Arglist setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zumindest
Eventualvorsatz voraus (so etwa BGH
§ 438 Rdnr. 2); leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis genügt dagegen nicht (vgl.
BGH
wenn der Verkäufer den Mangel kennt oder ihn zumindest für möglich hält und zugleich
weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den
Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten
Inhalt geschlossen hätte. Der Käufer trägt die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich
sämtlicher tatsächlicher Umstände, die ein arglistiges Verschweigen begründen
(BGH
Auf die Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe Kenntnis von der fehlenden Baugenehmigung
gehabt, hat der Beklagte entgegnet, er habe die Wohnung vor 14 Jahren
von dem vorherigen Eigentümer gekauft und über 14 Jahre beanstandungsfrei in ihr gewohnt.
Von einer fehlenden Baugenehmigung habe er keine Kenntnis gehabt. Damit ist
der Beklagte einer etwaig ihm obliegenden sekundären Darlegungslast gerecht geworden.
Die Klägerin hat für eine Kenntnis des Beklagten keinen Beweis angeboten.
Dem Beklagten kann auch nicht vorgeworfen werden, er hätte von der fehlenden Genehmigung
Kenntnis haben müssen. Fahrlässige (selbst grob fahrlässige) Unkenntnis genügt
in keinem Fall um einen Fall arglistiger Täuschung nach
können (BGH,
Erkennbarkeit von aufklärungspflichtigen Tatsachen gleichsteht, wenn sich diese dem
Täuschenden nach den Umständen des Einzelfalles aufdrängen mussten und derjenige
dann nach Treu und Glauben nicht berechtigt ist, seine Augen vor solchen Tatsachen zu
verschließen (BGH
nicht erkennbar. Der Beklagte hat vorgetragen, die Wohnung so wie er sie an die Klägerin
verkauft hat, selbst erworben zu haben. Da er am Bau/Umbau nicht beteiligt war, hätte
es sich ihm auch nicht aufdrängen müssen, dass eine Baugenehmigung erforderlich
sein kann (vgl. OLG Rostock Urt. v. 8.12.2011 - 3 U 16/11,
b) Das Berufen auf den Gewährleistungsausschluss ist dem Beklagten auch nicht im Hinblick
auf die Übernahme einer Beschaffenheitsgarantie verwehrt.
Die Übernahme einer Garantie für die Beschaffenheit geht über eine bloße Beschaffenheitsvereinbarung
nach § 434 Abs. 1 S. 1 hinaus. In der Sache entspricht die Garantieübernahme
der bis zum 31.12.2001 in § 476 aF geregelten Zusicherung einer Eigenschaft.
Daraus folgt zugleich, dass die Garantieübernahme nach § 444 insoweit identisch
ist mit dem Garantiebegriff des § 443, als dieser die Beschaffenheitsgarantie des Verkäufers
regelt. Im Verhältnis zur Beschaffenheitsvereinbarung hat die Garantieübernahme
das vorbehaltlose, intensivierte Einstehen des Verkäufers für den Qualitätsstandard der
gelieferten Sache und die Haftung bei Fehlen ohne Verschulden zum Gegenstand (NKBGB/
Ulrich Büdenbender, 4. Aufl. 2021,
Dementsprechend stellt die Rechtsprechung insoweit strenge Anforderungen. Selbst
bei einer Versicherung in Grundstückskaufverträgen, dass dem Verkäufer versteckte
Sachmängel nicht bekannt seien, liegt danach lediglich eine Wissenserklärung und kei-
ne Beschaffenheitsgarantie. Sie bedeutet nicht die Gewährübernahme für das Fehlen
von Mängeln, sondern enthält eine Aussage zum Kenntnisstand des Verkäufers (vgl. BGH
v. 7.11.2013 - 5 U 18/11,
In der Bezeichnung „Wohnung“ im Kaufvertrag kann nach den danach anzulegenden
strengen Maßstäben keine Beschaffenheitsgarantie gesehen werden, sondern nur um
eine übliche Bezeichnung für den Kaufgegenstand. Der Begriff bezeichnet den rein tatsächlichen
Zustand der Räumlichkeiten, nämlich eine abgegrenzte Einheit von Räumlichkeiten,
die zum Wohnen geeignet ist. Der von der Klägerin behauptete weitreichende
Haftungswille des Beklagten kann alleine auf das Wort „Wohnung“ im Kaufvertrag nicht
gestützt werden.
c) Die von der Beklagtenseite zitierte Rechtsprechung steht dem nicht entgegen. Soweit
die Rechtsprechung des BGH insoweit betont, dass ein zwischen Parteien vereinbarter
allgemeiner Haftungsausschluss für Sachmängel sich nicht auf eine von den Parteien
nach
Beschaffenheitsvereinbarung - wie eben dargelegt - hier gerade.
4. Der Senat wird nach Ablauf der gesetzten Frist über das Rechtsmittel befinden, sofern
es nicht zurückgenommen wird, was auch aus Kostengründen anzuraten ist. Die Rücknahme
der Berufung hätte eine Ersparnis von zwei Gerichtsgebühren (€ 6.218) zur Folge.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Frankfurt a. Main
Erscheinungsdatum:31.10.2023
Aktenzeichen:6 U 210/22
Rechtsgebiete:Kaufvertrag
Normen in Titel:BGB §§ 434, 444