Stiefkindadoption und Leihmutterschaft
letzte Aktualisierung: 25.3.2024
OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.12.2023 – 2 UF 33/23
Stiefkindadoption und Leihmutterschaft
1. Eine Stiefkindadoption eines im Ausland rechtmäßig nach Eizellspende und sog. Leihmutterschaft
entstandenen Kindes ist im Sinne des
erforderlich, wenn das Kind seit geraumer Zeit im Haushalt der Annehmenden und des rechtlichen
Vaters des Kindes gemeinsam erzogen wird und keine Anhaltspunkte für eine dem Kindeswohl
abträgliche Versorgung erkennbar sind.
2. Es kommt dann nicht darauf an, ob der rechtliche Vater auch genetischer Vater des Kindes ist
und ob die Annehmende selbst die Spenderin der Eizelle war, weil im Einklang mit der
Rechtsprechung des EuGHMR (Beschluss vom 6.12.2022, Beschwerde Nr. 25212/21) in erster
Linie auf das Wohl des Kindes abzustellen ist, für das die Bindung zu seinen sozialen Eltern zentral
ist.
3. Die nach
Stiefkinderadoptionen gem. §§ 9a Abs.1 i. V. m.
nachgeholt werden (entgegen OLG Brandenburg, Beschluss vom 4. Januar 2022 – 9 UF 206/21).
Gründe
I.
Mit notarieller Urkunde vom 20. August 2020 hat die 1968 geborene Frau Vorname1 V (im
Folgenden: die Annehmende) am 16. Dezember 2020 beim Amtsgericht Stadt2 beantragt
auszusprechen, dass sie das Kind Vorname3 V als Kind annimmt. Vorname3 (im Folgenden:
der Anzunehmende) ist ausweislich der dem Antrag beigefügten Geburtsurkunde (Bl. 7 d.A.),
der Sohn von Herrn Vorname2 V, mit dem die Annehmende das zweite Mal verheiratet ist.
Die erste Ehe hatten beide am XX.XX.1996 geschlossen, sie sind am XX.XX.2013 geschieden
worden. Das zweite Mal heirateten die Annehmende und Herr V am XX.XX.2015.
Die Annehmende hat ein eigenes - bereits volljähriges - Kind. Dieses hatte Gelegenheit zur
Stellungnahme und hat keine Einwände gegen die Adoption vorgebracht.
Im dem am 16. Dezember 2020 eingeleiteten Verfahren vor dem Amtsgericht konnte geklärt
werden, dass Mutter des anzunehmenden Kindes Frau Vorname5 X ist. Die Annehmende und
der Vater des Kindes hatten sich an eine in Tschechien und der Ukraine rechtmäßig handelnde
Kinderwunschklinik in Stadt5 (Tschechien) gewendet. Dort ist mithilfe einer Eizellspende
bei Frau X eine Schwangerschaft eingeleitet worden (sog. „Leihmutterschaft“). Nach der Geburt
des Kindes hat Herr V die Vaterschaft für das Kind anerkannt (notarielle Anerkennungsurkunde
vom 4. Februar 2020, Bl. 131 d.A.).
Da das Ehepaar zwei Kinder wollte, ist außerdem noch ein weiteres Kind, Vorname4 V, auch
über den Weg einer Leihmutterschaft entstanden. Für die von einer anderen Frau am
XX.XX.2020 geborene Vorname4 hat ausweislich des beigezogenen Vorgangs ... des Amtsgerichts
Stadt2 ebenfalls Herr Vorname2 V die Vaterschaft anerkannt. In dem erwähnten Verfahren
strebt die hiesige Annehmende ebenfalls an, ihr Stiefkind Vorname4 zu adoptieren. In
diesem Verfahren ist noch keine Entscheidung des Amtsgerichts ergangen, weil vor dem Hintergrund
der schwierigen Frage einer sittlichen Rechtfertigung der Adoption der Ausgang des
vorliegenden Verfahrens abgewartet werden soll.
Das Amtsgericht hat im erstinstanzlichen Verfahren zunächst festgestellt, dass die Mutter des
Kindes Vorname3 ihr Einverständnis zur Adoption durch die Annehmende nicht erklärt hat.
Außerdem fehlte die Bescheinigung über die Beratung bei einer Adoptionsvermittlungsstelle
gemäß
Anzunehmenden am 10. November 2022 in Anspruch genommen und die notwendige Bescheinigung
im Verlauf des amtsgerichtlichen Verfahrens beigebracht (Bl. 37 d. A.).
Wegen der zunächst nur schleppenden Mitwirkung der Beteiligten war das Verfahren zunächst
zwischen dem 12. Januar 2021 und dem 2. November 2022 faktisch nicht betrieben
worden. Das im Verfahren angehörte und mit der Überprüfung der persönlichen Situation des
Kindes betraute Jugendamt konnte erst nach anfänglichen Schwierigkeiten, mit der Familie in
Kontakt zu kommen, einen Hausbesuch machen, erst anlässlich dieses Hausbesuches wurden
die besonderen Umstände um die Entstehung des Kindes offenbar, die in dem Adoptionsantrag
gänzlich unerwähnt geblieben waren. Es zeigte sich, dass die Eheleute in der Zeit, in der
beide Kinder von den Leihmüttern ausgetragen wurden, eine Schwangerschaft der Annehmenden
vorgetäuscht hatten. Sie wollten nicht, dass jemand von der Beauftragung von Leihmüttern
Kenntnis erlangen sollte. Das Jugendamt teilte mit, dass die Kinder als Zwillinge aufgezogen
werden. Der „offizielle“ Geburtstag für beide Kinder werde mit dem Geburtsdatum
des Kindes Vorname4 angegeben (XX.XX.2020). Am eigentlichen Geburtstag von Vorname3
(dem XX.XX.2020) gehe die Familie in eine Grotte und zünde dort eine Kerze an.
Das Jugendamt hat außerdem weitere Rahmenumstände der Geburt des Anzunehmenden ermittelt.
Die leibliche Mutter des Anzunehmenden hat danach infolge schwerer Blutungen eine
Frühgeburt erlitten, in deren Folge die Gebärmutter entfernt wurde. Es habe sich herausgestellt,
dass der Anzunehmende die ersten beiden Lebensmonate in einer Klinik verbringen
musste. Danach war die geplante Ausreise zum Vater und der Anzunehmenden wegen der
COVID-19 - Pandemie nicht möglich. Er sei daher vorübergehend bei der Leiterin der Vermittlungsagentur
privat untergebracht gewesen. Erst im … 2020 sei die Übernahme in den
Haushalt seines Vaters und der Annehmenden erfolgt.
Das Klinikum Stadt2 hatte am 29. April 2020 außerdem eine Gefährdungsmeldung nach § 8a
SGBVIII an das Jugendamt herausgegeben, weil die Eltern das Kind Vorname4 nach einem
Hundebiss dort vorgestellt, aber auffällig wenig mitgearbeitet hatten; außerdem hatten sie
die nach dortiger Auffassung medizinisch indizierte Tollwutimpfung zunächst abgelehnt. Das
Jugendamt berichtete, dass eine Überprüfung der wirtschaftlichen Situation der Annehmenden
und des Vaters des Kindes nicht möglich sei, weil sie keine Verdienstbescheinigungen
vorgelegt hätten. Es scheine so, als lebten beide Kinder in geordneten Verhältnissen. Die Familie
lebe in einer geräumigen Immobilie, in der für beide Kinder gute Wohnverhältnisse
herrschten. Eine Stellungnahme zur Qualität der Partnerschaft der Annehmenden und des
Vaters des Kindes sei nicht möglich. Die Annehmende und ihr Mann hätten sich „für eine
Leihmutterschaft unter Vortäuschung einer Schwangerschaft der Annehmenden entschieden
und es sei nicht einzuschätzen, wie und wann die Aufklärung der Kinder über die Geschichte
ihrer Abstammung stattfinden werde.“ Das Jugendamt äußerte daher bezüglich des vorliegenden
Adoptionsantrages Skepsis, ohne sich direkt gegen eine Annahme auszusprechen.
Das Familiengericht hat sodann für die Kinder am 21. November 2022 einen Verfahrensbeistand
bestellt. Auch dieser hat die Familie aufgesucht. Er berichtet über einen großen Reiterhof,
den die Annehmende betreibt. Das Haus sei wohnlich eingerichtet, die Kinder verfügten
jeweils über ein eigenes, großes Zimmer, das altersgemäß eingerichtet sei. Die Eltern könnten
nicht nachvollziehen, warum sich das Adoptionsverfahren so lang hinziehe. Sie hätten immer
wieder neue Unterlagen vorlegen müssen. Die Idee der Realisierung des Kinderwunsches
über eine Kinderwunschklinik in der Ukraine sei 2017/2018 entstanden, weil der Vater „auf
natürlichem Wege“ keine Kinder mehr zeugen könne.
Der Verfahrensbeistand hat berichtet, dass infolge der Geburtskomplikationen bei beiden Kinder
eine sehr anspannungsreiche Zeit für die Eltern verstrichen sei. Die Annehmende und der
Vater hätten - auch infolge des Krieges in der Ukraine - keinen Kontakt mehr zu der Wunschkindagentur.
Sie hätten den Eindruck, dass ihre Vorgehensweise von der Adoptionsbehörde
kritisch gesehen werde, da Leihmutterschaft nach deutschem Recht nicht erlaubt sei. Das
könnten sie nicht nachvollziehen. Die Annehmende sehe sich als Mutter für die Kinder und
strebe vor allem eine rechtliche Absicherung ihrer emotionalen und sozialen Bindung zu den
Kindern an. Die aktuelle Situation sei für sie sehr belastend, weil das Adoptionsverfahren
nunmehr schon knapp zwei Jahre andauere. Der persönliche Eindruck der Gesamtfamilie sei
rundum positiv. Bei seinem Hausbesuch habe er eine glückliche Familie mit glücklichen Kindern
erlebt. Der Verfahrensbeistand spricht sich dafür aus, die enge Bindung zwischen den
Beteiligten rechtlich abzusichern und die Adoption durchzuführen.
Am 18. Januar 2023 hat das Amtsgericht ohne persönliche Anhörung der Beteiligten den Adoptionsantrag
zurückgewiesen. Es sei nicht aufklärbar, ob die nach
notwendige Einwilligung des Kindes zur Annahme erfolgt sei. Gemäß
könne für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt ist, nur sein gesetzlicher
Vertreter die Einwilligung erteilen. Zwar habe der Kindesvater in der notariellen Urkunde,
mit der er die Einwilligung für das Kind erklärt habe, behauptet, dass er das alleinige Sorgerecht
habe. Es liege jedoch kein Dokument zur Sorgerechtserklärung zwischen den Eltern
vor. Außerdem sei die Einwilligungserklärung der leiblichen Mutter nicht vorgelegt worden.
Der Antrag auf Annahme als Kind sei daher zurückzuweisen.
Gegen diesen Beschluss wenden sich die Annehmende und der Vater des Kindes mit der fristgerecht
eingelegten Beschwerde. Sie haben zur Begründung zunächst angegeben, dass sie
die fehlende Einwilligung der Mutter nachreichen werden. Der Senat hat unter dem Aspekt
der sittlichen Rechtfertigung der Stiefkindadoption außerdem den Sachverhalt - auch im Hinblick
auf die Abstammungsverhältnisse - weiter aufgeklärt. Die Annehmende und der Vater
haben deswegen auf Nachfrage des Senats klargestellt, dass die Annehmende nicht die Eizellspenderin
gewesen ist. Die mit der Agentur in Stadt5 (Tschechien) am 6. Juli 2017 getroffenen
Vereinbarungen sind vorgelegt worden. Ausweislich dieser Vereinbarungen haben die
Annehmende und der Vater des Kindes mit der Agentur „B“ in Tschechien einen Vertrag geschlossen,
wonach ein Embryo bei einer Frau eingesetzt werden sollte („Surrogat“).
Die Kosten des Vertrages werden mit 35.000 € beziffert. Die Annehmende und der Vater verpflichteten
sich, die beauftragte Frau während der Schwangerschaft mit Kleidung zu versorgen,
außerdem sollte die Frau monatliche Zahlungen während der Schwangerschaft erhalten.
Im Falle einer durch die Schwangerschaft notwendigen Entnahme der Gebärmutter (Hysterektomie)
schuldeten die Auftraggeber eine Entschädigung in Höhe von 5.000 €.
Der Vater hat ergänzend angegeben, dass es bei der Erfüllung des Vertrages zu Problemen
gekommen sei, insbesondere auch wegen einiger Gesetzesänderungen in Tschechien. Deswegen
seien sämtliche Behandlungen in der Ukraine vorgenommen worden und auch die Leihmutter
und Eizellenspenderin stammten aus der Ukraine. Auch deswegen seien Anerkennung
der Vaterschaft und die Übertragung des Sorgerechts ebenfalls in der Ukraine (Stadt4) erfolgt.
Im Beschwerdeverfahren haben die Beschwerdeführer sodann wie angekündigt eine Erklärung
der Mutter des Kindes vorgelegt, insofern wird auf die übersetzte notarielle Urkunde
vom 23. Februar 2023 Bezug genommen (Bl. 82 d. A.), die mit einer Apostille versehen wurde.
Hier erklärt Vorname5 X, dass sie die Mutter des Kindes Vorname3 V ist. Vater des Kindes
sei Vorname2 V. Sie erklärt ihre Einwilligung als leibliche Mutter zur Adoption, gleichzeitig
erklärt sie, dass der Vater für Vorname3 allein sorgeberechtigt war. Rein vorsorglich erklärt
sie für das Kind als mitsorgeberechtigter Elternteil die Einwilligung in die Adoption.
Der Ehemann der Annehmenden ist als Vater in der Geburtsurkunde des Kindes Vorname3
eingetragen, nach den Angaben des Vaters und den Angaben der Leihmutter ist er auch der
leibliche Vater des Kindes.
Der Senat hat die Annehmende, den Vater, das betroffene Kind und den Verfahrensbeistand
am 19. Juli 2023 persönlich angehört, insoweit wird auf das Protokoll der Anhörung von diesem
Tag Bezug genommen.
II.
Die gemäß
Beschwerde ist nach dem während des Beschwerderechtzuges zulässig nachgeholten Vortrag
begründet, denn nach dem im Beschwerdeverfahren festzustellenden Sachverhalt ist der Adoptionsantrag
zulässig und begründet. Gemäß §§ 1741 Abs. 2 Satz 3, 1754 Abs. 1, 1755
Abs. 2 BGB ist die Annahme des Kindes Vorname3 als Kind der Annehmenden auszusprechen.
Im Einzelnen gilt folgendes:
1. Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass für das Adoptionsverhältnis gem.
die deutschen Sachvorschriften, mithin auch
Annehmende als auch ihr Ehemann (der rechtliche Vater des Kindes) jeweils auch die deutsche
Staatsangehörigkeit besitzen und alle - also auch das anzunehmende Kind - ihren gewöhnlichen
Aufenthalt in Deutschland haben. Da auch das Kind - vermittelt durch die rechtliche
Vaterschaft des Ehemanns der Annehmenden - die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt
(§ 4 Abs. 1 S. 1 StAG), kommen auch hinsichtlich der erforderlichen Zustimmungen für die
Annahme als Kind ausschließlich die deutschen Sachvorschriften zur Anwendung (Art. 23 S. 1
EGBGB).
Zwar wird grundsätzlich an den gewöhnlichen Aufenthalt der das Kind austragenden Mutter
angeknüpft. Das schließt allerdings an die Vermutung an, dass ein Kind seinen gewöhnlichen
Aufenthalt dort hat, wo es seinen Lebensmittelpunkt hat. Dieser befindet sich im Allgemeinen
in den ersten Lebensmonaten an dem Ort, an dem es zusammen mit seiner Mutter lebt (Henrich,
in: Staudinger, Stand 2022, Rn. 13 zu
Kindern, die nach einer Leihmutterschaft geboren worden sind, ist gerade wegen der mit der
Pandemie und dem Kriegsausbruch in der Ukraine verbundenen Verzögerungen nach besonderen
Kriterien zu beurteilen (Kvit/Spickhoff,
vom 20. März 2019 - XII ZB 530/17 -, juris, Rn. 21-26 ). Steht wie hier bereits mit
Geburt des Kindes fest, dass es nicht in der Obhut seiner Mutter bleiben wird, und wechselt
das Kind sogleich in die Obhut einer dritten Person, die es nur deswegen nicht - wie von allen
Beteiligten beabsichtigt - an seinen Zielort in Deutschland bringen kann, weil eine Pandemie
zu Grenzschließungen führt, ist nach Auffassung des Senats jedenfalls dann kein gewöhnlicher
Aufenthalt begründet worden, wenn die Verzögerungen nicht zu einem tatsächlichen
Aufenthalt beitragen, der einen Zeitraum von sechs Monaten überschreitet. Da vorliegend
Vorname3 bereits fünf Monate nach seiner Geburt - nämlich im ... 2020 - nach Deutschland
zu seinen Wunscheltern gebracht werden konnte, hat er seinen einzigen gewöhnlichen Aufenthalt
in Deutschland begründet.
2. Die formellen Voraussetzungen der Adoption nach dem danach anzuwendenden deutschen
Sachrecht sind erfüllt.
a) Mittlerweile liegen ein notariell beurkundeter Antrag der Annehmenden (§ 1752 Abs. 1
BGB) und notariell beurkundete Einwilligungserklärungen des rechtlichen Vaters und der Mutter
der Anzunehmenden vor (
Die Annehmende hat durch notarielle Erklärung vom 20. August 2020 vor der Notarin C in
Stadt3 (Urk.Nr. ...) die Annahme des Kindes beantragt. Das am XX.XX.2020 geborene Kind
ist das Kind des Ehemannes der Annehmenden. Dieser hat als Vater, als Ehemann und als
gesetzlicher Vertreter des Kindes durch notarielle Erklärung vom 20. August 2020 vor der
Notarin C in Stadt3 (Urk.Nr. ...) in die Annahme eingewilligt,
Der Ehemann der Annehmenden ist als rechtlicher Vater in der - nunmehr mit Apostille vorgelegten
- Geburtsurkunde des anzunehmenden Kindes eingetragen. Der Senat hat danach
keinen Zweifel an seiner rechtlichen Vaterschaft; nach den Angaben des Vaters und den Angaben
der Leihmutter ist er auch der leibliche Vater des Kindes.
Die Mutter des Kindes - Frau Vorname5 X - hat durch notarielle Erklärung vom 23. Februar
2023 vor der Notarin D, in Stadt6, Ukraine (Urk.Nr. ...) als Mutter des Kindes in die Adoption
eingewilligt.
Nach den im zweiten Rechtszug nachgeholten Ermittlungen ist sicher davon auszugehen,
dass diese Frau X die rechtliche Mutter ist und als solche wirksam in die Annahme eingewilligt
hat,
des Kindes als Mutter des Kindes ausgewiesen ist, ist nach deutschem (und ukrainischen)
Recht als Mutter des Kindes anzusehen. Soweit die Annehmende und der Vater des
Kindes ursprünglich den Eindruck erweckt hatten, dass die Eizellspende von der Annehmenden
stammt, hätte sich ein aufklärungsbedürftiger Widerspruch zwischen der in der Geburtsurkunde
niedergelegten Mutterschaft und der Rechtslage in der Ukraine ergeben. Denn die
Abstammung des Kindes unterliegt nach
Kind zunächst seinen „gewöhnlichen Aufenthalt“ hat; teilweise wird auch auf das Recht abgestellt,
dem die allgemeinen Wirkungen der Ehe nach
FamRZ 2023, S. 653 (S. 657)). Da nach Art. 123, 139 Abs. 2 des Familiengesetzbuchs
der Ukraine vom 10. Januar 2002 (VVR 2002 Nr. 21-22, Pos 135; iK 1.1.2004, zuletzt geändert
durch ÄndG Nr. 540-IX v. 30.3.2020) eine rechtliche Mutterschaft der Frau entsteht, von
der der Embryo abstammt, war nach dem zunächst gehaltenen Vortrag aufzuklären, ob eine
rechtliche Mutterschaft der hiesigen Annehmenden entstanden sein konnte. Nachdem nunmehr
unstreitig ist, dass es sich um eine Eizellspende einer anderen Frau handelte, bestehen
jedoch keine Bedenken mehr an der Richtigkeit der in der Geburtsurkunde für das Kind dokumentierten
Mutterschaft der Frau Vorname5 X.
b) Für das noch nicht 14jährige Kind haben seine gesetzlichen Vertreter die Einwilligung erklärt;
der sorgeberechtigte Vater mit notarieller Urkunde vom 20. August 2020 vor der Notarin
C in Stadt3 (Urk.Nr. ...), die soeben benannte Mutter durch notarielle Erklärung vom 23.
Februar 2023 vor der Notarin D, in Stadt6, Ukraine (Urk.Nr. ...). Vor dem Hintergrund der
beiderseitigen Einwilligungserklärungen kann der vom Amtsgericht mit einigem Recht beanstandete
fehlende Nachweis einer alleinigen elterlichen Sorge des Vaters des Kindes dahinstehen,
denn auch im Falle gemeinsamer elterlicher Sorge hätten nun beide berechtigte Eltern
das Kind wirksam bei dieser Erklärung vertreten.
c) Die Annehmende hat zusammen mit dem Vater des Anzunehmenden ein Beratungsgespräch
mit der zuständigen Behörde geführt. Die gemeinsame Adoptionsvermittlungsstelle
der Jugendämter des Landkreises Stadt2, der Stadt Stadt2 und des Landkreises E hat der
Annehmenden bescheinigt, dass sie am 10. November 2022 gem. § 9a Abs. 1 i.V.m. § 9
Abs. 1 AdVermiG beraten wurde. Das Kind ist in einem so jungen Alter, dass nach Auffassung
des Senats eine Beratung über die Folgen einer Stiefkindadoption schlicht ausscheidet, weil
es den Sinn eines solchen Gesprächs kaum erfassen dürfte. Die persönliche Anhörung des
Kindes im Verfahren vor dem Senat zeigt einen aufgeweckten, aber noch nicht sicher sprachbegabten
Dreijährigen, und bestätigt diese Einschätzung. Eine Beratung der Mutter ist, wenn
sie wie hier ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, gem.
nicht vorgeschrieben (Braunroth, Fragen an die praktische Umsetzung der Beratungspflicht
bei Stiefkindadoptionen,
Soweit teilweise vertreten wird, dass eine Nachholung der Beratung im laufenden Adoptionsverfahren
nicht möglich ist (OLG Brandenburg, Beschluss vom 4. Januar 2022 - 9 UF 206/21;
Keuter
beck-online; Löhnig, in: beck-ok, Stand: 01.07.2023; Rn. 9 zu
Wiesner/Wapler, SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, 6. Auflage 2022, Rn. 2 zu § 9a
AdVermiG), folgt der Senat dieser Auffassung im vorliegenden Fall mit Auslandsberührung
nicht. Diese Auffassung stellt vor allem darauf ab, dass der Elternteil schutzbedürftig ist, der
seine Zustimmung zur Stiefkindadoption mit der Folge erteilt, dass die eigene rechtliche Elternschaft
entfällt (vgl. dazu Keuter, in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Auflage 2023, Rn. 6 zu
bereits keine Beratung nach
der Mutter als abgebendem Elternteil zugeschnittene Einwand ins Leere. Darauf, dass eine
Frau, die sich im Ausland legal als Leihmutter zur Verfügung stellt, bereits nach den Vertragsgestaltungen
nicht davon ausgehen dürfte, für das infolge einer Embryonentransplantation
geborene Kind jemals rechtlich zuständig zu sein, kommt es dafür nicht an.
Nach Auffassung des Senats kann die Beratung der Annehmenden und des Vaters des Kindes
auch im Adoptionsverfahren nachgeholt werden und eine erst nach Verfahrenseinleitung oder
Aufnahme des notariellen Adoptionsantrags ausgestellte Bescheinigung stellt kein Adoptionshindernis
dar (so auch Reinhardt, Adoptionsvermittlungsgesetz, 9. Online-Auflage 2021, Rn.
17 zu
dem wörtlich ausgeführt ist, dass ein ohne Nachweis der Beratung gestellter Antrag nicht unzulässig,
sondern nur unbegründet ist und danach eine während des Adoptionsverfahrens erfolgte
Beratung zu berücksichtigen ist, Regierungsentwurf, BR-Drs. 575/19, 64). Diese Auffassung
verhindert im Übrigen auch die für die Beteiligten an einem Adoptionsverfahren in
der Regel als unnötige und kostspielige Förmelei verstandene Betrachtung, nach der die Beteiligten
einen einmal gestellten Antrag zurücknehmen und nach erfolgter Beratung erneut
notariell errichten bzw. einreichen müssen. Gerade in den Fällen, in denen wegen des gewöhnlichen
Aufenthalts des abgebenden Elternteils im Ausland keine weitergehende Beratung
dieses Elternteiles mehr stattfinden wird, wäre die Zurückweisung des - zuerst gestellten -
Antrags kontraproduktiv und auch nicht mit den Interessen eines Kindes an gefestigten Familienverhältnissen
mit zwei rechtlichen Eltern im Inland vereinbar. Besteht ein derartiges Interesse
ausnahmsweise nicht, wird dies aus materiell-rechtlichen Gründen einer Stiefkindadoption
entgegenstehen. Die - verspätete - Beratung bei der Begründetheit eines solchen Adoptionsantrages
zu berücksichtigen, kommt daher im Ergebnis dem am Kindeswohl orientierten
Sinn des Beratungsgebotes am ehesten entgegen.
3. Auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Stiefkindadoption sind erfüllt.
a) Die Annahme als Kind ist gemäß
dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-
Verhältnis entsteht. Die Annehmende erstrebt eine Stiefkindadoption. Dem Wohl des Kindes
ist bei einem derartigen Adoptionsantrag dann gedient, wenn der Stiefelternteil, der das Kind
bereits faktisch versorgt, rechtlich zur Deckung des Lebensbedarfs des Kindes verpflichtet
wird und sein tatsächlicher Erziehungsbeitrag durch ein (Mit-)Sorgerecht verfestigt und aufgewertet
wird. Gegen diesen Vorteil sind stets mögliche immaterielle Nachteile abzuwägen.
Die Stiefkindadoption dient dem Kindeswohl, wenn eine Prognose ergibt, dass sich die Annahme
durch den Stiefelternteil günstiger auf die Entwicklung und Förderung des Kindes auswirken
wird als die "soziale Elternschaft" (Maurer, in Münchener Kommentar zum BGB, 8.
Aufl. 2020, Rn. 113 zu § 1741). Im Rahmen der Kindeswohlprüfung bedarf es der Abwägung
der rechtlichen und sozialen Situation des Kindes mit und ohne Adoption.
b) Dies vorangestellt dient die Annahme als Kind vorliegend eindeutig dem Kindeswohl,
Verhältnis entstanden. Dies ergibt sich bereits aus der Stellungnahme des Jugendamtes und
des Verfahrensbeistandes, aber auch aus der persönlichen Anhörung des Kindes und der persönlichen
Anhörung der Annehmenden. Das Kind lebt bereits seit dem 29. Juli 2020 in einem
Haushalt mit der Annehmenden und seinem Vater, beide betrachtet Vorname3 als seine (einzigen)
Eltern. Nach den Mitteilungen des vom Amtsgericht nach
hat das Kind dort ein eigenes Zimmer und es sind bei einem Hausbesuch
völlig normale und glückliche Familienverhältnisse beobachtet worden. Danach wächst Vorname3
bei der Annehmenden und seinem Vater seit seiner Überführung nach Deutschland sowie
ein leibliches gemeinsames Kind auf. Auch die persönliche Anhörung des Kindes durch
den Senat zeigte, dass er mit seinen beiden (sozialen) Eltern vertraut umgeht und diese ihm
herzlich zugewandt sind; auch er zeigte ein natürliches, liebevolles Verhältnis zu den beiden.
Das Kind, das unstreitig noch nicht über die besonderen Umstände seiner Geburt aufgeklärt
worden ist, hat sich am gemeinsamen Wohnort in der Gegend1 so eingelebt, als handele es
sich um einen Aufenthalt bei leiblichen, rechtlichen Eltern. An dem Gelingen einer Eltern-
Kind-Beziehung bestehen keinerlei Zweifel.
Der Senat folgt hier der Auffassung des OLG Köln, das zur Anerkennungsfähigkeit einer im
Ausland - unbegleiteten - Adoption mit Recht ausgeführt hat, dass insgesamt die Grundrechtsposition
des Kindes zu berücksichtigen ist (OLG Köln, Beschluss vom 9. Januar 2023 -
II-14 UF 126/22 -, juris, Rn. 21). Auch im Rahmen der Absicherung des Elternverhältnisses
gegenüber einer Stiefmutter ist das Recht des Kindes auf persönliche Entfaltung in seiner Familie
zu achten. Deswegen kommt der beschriebenen persönlichen Bindung des Kindes zu
der Annehmenden besonderes Gewicht zu.
Die Gegenüberstellung der rechtlichen und tatsächlichen Situation des Kindes mit und ohne
Stiefkindadoption ergibt eine rechtliche Absicherung seines berechtigten Interesses an einer
dauerhaften und gelingenden Mutterbeziehung zu der Person, die Vorname3 jetzt schon als
seine (einzige) Mutter ansieht. Die Geburtsmutter Vorname5 X ist im Rahmen eines Leihmuttervertrages
schwanger geworden und strebte zu keinem Zeitpunkt die soziale Mutterschaft
für das Kind an. Dementsprechend hat sie das Kind nach der Geburt nicht versorgt, sondern
Vorname3 zunächst in die Obhut Dritter gegeben. Nur infolge der pandemiebedingten Grenzübertrittsprobleme
ist es offenbar dazu gekommen, dass Vorname3 nicht sogleich nach
Deutschland zu seinem Vater übersiedeln konnte. Die Geburtsmutter jedoch, die auch nicht
die genetische Mutter des Kindes ist, hat sich - erwartungsgemäß - des Kindes zu keinem
Zeitpunkt angenommen. Das war vor dem Hintergrund ihrer vertraglichen Verpflichtungen in
jeder Hinsicht nachvollziehbar, denn die Entstehung bzw. Verfestigung einer Mutter-Kind -
Bindung hätte die Geburtsmutter angesichts ihrer Verpflichtung, das Kind abzugeben, stark
belastet, zudem sie infolge der Geburt von Vorname3 und der erforderlichen Hysterektomie
keine (weiteren) eigenen Kinder mehr bekommen kann.
Es ist daher festzustellen, dass Vorname3 anders als andere von einer Stiefkindadoption betroffene
Kinder keine (weitere) soziale Mutter hat oder hatte. Die Position der Annehmenden
durch den Status einer rechtlichen Mutter abzusichern dient dem Kindeswohl. Denn die Rechte
der Annehmenden und des Kindes werden durch das rechtliche Abstammungsverhältnis
verbessert: Die Mutter kann die gemeinsame Sorge mit dem Vater ausüben und ist nicht nur
auf die Sorge in alltäglichen Angelegenheiten beschränkt, die sie als Stiefelternteil infolge der
alleinigen elterlichen Sorge des Vaters ausüben kann (
auch im Falle des Versterbens des Vaters des Kindes ohne weiteres die elterliche Sorge für
das Kind ausüben (
bei ihr lebt. Das wäre ihr nicht möglich, wenn sie im Falle einer Trennung lediglich die
soziale Mutter mit dem unsicheren Status einer Stiefmutter wäre, denn die Alltagssorge entfällt
mit der Trennung (
Stiefmutter kommt nur in Betracht, wenn das Kindeswohl durch die Herausnahme aus dem
Haushalt gefährdet wäre (
Kind daher mit großer Wahrscheinlichkeit eher dem rechtlichen Vater zuzuordnen. Als Stiefelternteil
wäre die Annehmende dann auf die Umgangsrechte nahestehender Personen beschränkt,
die nur bei Kindeswohldienlichkeit bestehen,
kann wegen dieses im Vergleich zum Umgangsrecht von rechtlichen Eltern nach
strengeren Maßstabs ein Nachteil entstehen, wenn der Kontakt zur Stiefmutter zu regeln wäre.
Das Kind kann außerdem im Falle eines Versterbens der Annehmenden das gesetzliche Erbe
nach ihr nur im Falle einer Adoption antreten. Zwar ist nach einer testamentarischen Erbfolge
die Erbschaftssteuerklasse nach
Freibeträge nach der günstigen Erbschaftssteuerklasse I Nr. 2 (
auch als Stiefkind in Anspruch nehmen. Dennoch stellt sich die Absicherung seiner Erbenposition
nach der Annehmenden im Wege der gesetzlichen Erbfolge als Vorteil dar, nicht zuletzt
wegen der Pflichtteilsansprüche (
Die Nachteile, die das Kind durch den Verlust seiner Geburtsmutter erleidet, treten vor dem
Hintergrund der vereinbarten Leihmutterschaft stark in den Hintergrund. Insbesondere ist
nicht abzusehen, dass ein irgend geartetes emotionales Band zwischen ihm und Frau Vorname5
X beeinträchtigt wird. Umgangsinteressen sind offensichtlich bereits nicht vorhanden.
Ob Erbrechte entstanden sind oder entstehen könnten ist unklar, kann aber vor dem Hintergrund
der eindeutig überwiegenden sozialen Aspekte der Durchführung der Adoption dahinstehen.
c) Die - im Ausland nach den vorgelegten Unterlagen nach dem dortigen Recht legitim durchgeführte,
in Deutschland jedoch gem. § 1 I Nr. 7 ESchG,
(vgl. ausführlich Sophie-Marie Humbert,
spricht nicht gegen die sittliche Rechtfertigung der Stiefkindadoption im Sinne des § 1741
Abs. 1 BGB.
als Kind zu, wenn sie dem Kindeswohl dient (§ 1741 Abs. 1 S.1 BGB). Nur wenn die
Mitwirkung an einer gesetzes- oder sittenwidrigen Vermittlung oder Verbringung eines Kindes
vorliegt, setzt die Annahme als Kind voraus, dass die Annahme für das Kindeswohl erforderlich
ist (
Es ist bereits streitig, ob der zuletzt genannte
Recht gesetzwidrige Leihmutterschaften überhaupt anwendbar ist (zum Streitstand OLG
Frankfurt, Beschluss vom 28. Februar 2019 - 1 UF 71/18 -, juris, Rn. 22, Löhnig, beck-ok,
Stand: 01.07.2023, Rn. 48, 49 zu
Fall eine Anwendbarkeit des strengeren Maßstabes verworfen, wenn ein genetisches Band
zwischen der Wunschmutter und dem Kind besteht (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Februar
2019 - 1 UF 71/18 -, juris). Daran fehlt es vorliegend, denn die Eltern haben nunmehr erklärt,
die Eizellen stammten von einer anderen Person.
Auf den Streit kommt es jedoch nur an, wenn festzustellen wäre, dass die Adoption des Kindes
nicht zur Wahrung des Kindeswohles erforderlich wäre. Das ist nicht der Fall, denn selbst
nach dem strengeren Maßstab der Kindeswohlerforderlichkeit des
der Adoptionsantrag der Annehmenden begründet, weil die Annahme des Kindes durch sie im
Sinne dieser Vorschrift erforderlich ist. Die Annehmende ist 1968 geboren, der Vater 1960. Er
war zum Zeitpunkt der Geburt von Vorname3 60 Jahre alt und wird an Vorname3 18. Geburtstag
80 Jahre alt sein. Damit ist - rein statistisch betrachtet - eine durchaus erhöhte Gefahr
dafür gegeben, dass der Vater noch während der Minderjährigkeit des Kindes verstirbt.
Wie bereits ausgeführt, besteht gerade in diesem Fall für das Kind ein rechtliches Risiko, einem
Vormund anvertraut zu werden, weil die Annehmende als Stiefmutter dann auf die
Rechte nach
Trennung der Eltern entstehenden Risiken. Der Senat geht zwar davon aus, dass die Beziehung
der Eltern untereinander aktuell sehr stabil ist. Allerdings hat ein Zerwürfnis der Eltern
schon einmal zu einer Scheidung geführt; außerdem ist die Trennungswahrscheinlichkeit -
auch statistisch betrachtet - in die Erwägungen mit einzubeziehen.
d) Mit dem 1. Familiensenat des OLG Frankfurt geht der erkennende Senat außerdem davon
aus, dass die Auslegung des § 1741 Abs.1 Satz 2 BGB im Lichte des
des
Erwägungen hinter das Kindeswohlprinzip zurücktreten. Solche Erwägungen dürfen
nicht zulasten der betroffenen Kinder gehen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Februar 2019
- 1 UF 71/18 -, juris, Rn. 34 ff.). Selbst wenn man der Auffassung folgen würde, dass § 1741
Abs. 1 S. 2 BGB auf Leihmutterschaften anzuwenden ist, wäre im Einklang mit der aktuellen
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EuGHMR) davon auszugehen,
dass das Wohl des Kindes zentrale Bedeutung hat und daher eine Erforderlichkeit
im Sinne des § 1741 Abs. 1 S. 2 a.E. BGB anzunehmen ist.
Nach Auffassung des EuGHMR (Beschluss vom 6. Dezember 2022, Beschwerde Nr. 25212/21,
FamRZ 2023, S. 615 ff.) genießt das Kindeswohl auch bei Leihmutterschaften im Rahmen einer
Stiefkindadoption eindeutig Vorrang. Der EuGHMR führt dazu aus:
“Ist ein Kind durch eine Leihmutterschaft geboren und die Vaterschaft des intendierten und
genetischen Vaters festgestellt, so gebietet es das Recht auf Achtung des Privatlebens des
Kindes nach
des anderen Elternteils besteht, wenn es sich um eine im Widerspruch zum nationalen
Recht stehende kommerzielle Leihmutterschaft handelt.
Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen des Kindes auf Achtung seines Privatlebens
nach
wiegt der konkrete Eingriff in die Rechte des Kindes schwerer als das abstrakte
Risiko anderer durch kommerzielle Leihmutterschaftsvereinbarungen.“
Der erkennende Senat teilt die Auffassung des EuGHMR, dass die durch die Widersprüche nationaler
Rechtsordnungen zur Rechtmäßigkeit von Leihmutterschaften entstehenden Wertungsprobleme
nicht zu Lasten des Rechts von Kindern auf Achtung ihres Privatlebens gehen
können. Ein aus einer Kinderwunschbehandlung durch Leihmutterschaft im Ausland legitim
hervorgegangenes Kind muss die Möglichkeit haben, die soziale Bindung zu seinen beiden
Wunscheltern auch als rechtliches Band abgesichert zu sehen. Die durch eine soziale Elternschaft
entstandenen Bindungen sind im Rahmen des Kindeswohles zu respektieren, auch
wenn die Leihmutterschaft in Deutschland aus nachvollziehbaren ethischen Gründen verboten
ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. September 2022 - 1 BvR 1654/22,
Welche Gründe aus ethischer Sicht gegen eine Legitimierung der Leihmutterschaft sprechen
können, wird im vorliegenden Verfahren besonders deutlich, musste doch bei der leiblichen
Mutter von Vorname3 nach der Geburt die Gebärmutter entfernt werden und ist gänzlich unklar,
ob sie die nicht sehr hohe Geldentschädigung für diese erhebliche Verletzung erhalten
hat. Außerdem bleibt völlig im Unklaren, welche „Vergütung“ sie aus den vertraglich zugesagten
Kosten der Wunschkindbehandlung beanspruchen konnte. Das sind Aspekte, die in den
(in Deutschland anstehenden) Gesetzgebungsverfahren zur Leihmutterschaft und Eizellspende
berücksichtigt werden müssen, für die hier anstehende Frage jedoch im Ergebnis nicht
ausschlaggebend sein können.
Nach Auffassung des Senats gilt die vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohles auch, obwohl
vorliegend nicht aufgeklärt ist, ob der rechtliche Vater des Anzunehmenden auch der
genetische Vater ist. Zweifel daran bestehen, weil die Eltern zunächst angegeben hatten,
dass sein körperliches Unvermögen Anlass zum Weg in die Kinderwunschbehandlung gegeben
hat. Der EuGHMR hatte keinen Anlass zu klären, ob auch bei einem Auseinanderfallen
der genetischen und der rechtlichen Vaterschaft das Kindeswohl den Ausschlag geben muss
und damit das nach nationalem Recht bestehende Leihmutterverbot weniger bedeutsam
wird.
Nach Auffassung des erkennenden Senats muss jedoch auch im Falle einer rein rechtlichen
Vaterschaft das Kindeswohl den Vorrang vor generalpräventiven Aspekten genießen. Grund
für diese Auffassung ist, dass der Senat keinen maßgeblichen Unterschied zwischen einer genetischen
und einer (nur) rechtlichen Vaterschaft erkennt, zudem wie vom EuGHMR gefordert
eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung geboten ist. Die rechtliche und die leibliche Vaterschaft
eines Mannes nach
nach Entstehung des (gemeinsamen) Kindes durch intime Beziehung mit der Mutter oder
nach homologer oder heterologer Insemination. Im Gegenteil sind die Rechtsverhältnisse
weitgehend gleichgestellt. Jedenfalls nach einer Kinderwunschbehandlung ist das rechtliche
Band zwischen einem minderjährigen Kind und seinem rechtlichen Vater nicht mehr auflösbar,
denn eine Anfechtung scheidet während der Minderjährigkeit nach
aus und auch der genetische Vater kann nicht als rechtlicher Vater festgestellt werden
(
besteht darin, dass das aus einer heterologen Insemination hervorgegangene Kind die Vaterschaft
unter bestimmten Voraussetzungen nach Volljährigkeit anfechten kann, weil die Beschränkungen
des
wahrheitswidrigen Anerkennung des Kindes als eigenes Kind (mit Zustimmung der Mutter
und des von ihr vertretenen Kindes,
nach einer ärztlich unterstützten künstlichen Befruchtung einer unverheirateten Frau ohne
rechtlichen Vater, denn auch hier wird der genetische Vater unter keinen Umständen rechtlicher
Vater,
daher eine klare Tendenz dazu, die rechtliche Vaterschaft unabhängig von der
genetischen Wahrheit als vollwertig anzuerkennen. Das wird auch am Anfechtungshindernis
des
eines leiblichen Vaters ausscheiden lässt. Deswegen ist keine rechtliche Differenzierung
nach genetischer oder nur rechtlicher Vaterschaft bei der hier zu entscheidenden
Frage geboten, ob dem Makel der im Inland verbotenen Leihmutterschaft eine Stiefkindadoption
entscheidende Bedeutung zukommt. Stattdessen ist auf das Kindeswohl abzustellen.
e) Es ist nicht ersichtlich, dass überwiegende Interessen der Tochter der Annehmenden der
Adoption entgegenstehen oder dass die Interessen des Anzunehmenden hierdurch gefährdet
werden,
4. Die Kostenentscheidung beruht auf
dass die Annehmende und der Vater als Beteiligte im Sinne des
gemeinsam verfolgten und beide Beschwerde eingelegt haben. Eine Kostenauferlegung
zu Lasten des Kindes scheidet ebenso aus, wie der Leihmutter Kosten aufzugeben.
5. Der Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus
Wertvorschrift für das Adoptionsverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert gemäß § 42
Abs. 1 FamGKG und somit nach billigem Ermessen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Februar
2019 - 1 UF 71/18 -, juris). Dieses hat sich an den Umständen des Einzelfalls, insbesondere
dem Umfang und der Bedeutung der Sache sowie den Vermögens- und Einkommensverhältnissen
der Beteiligten zu orientieren. Da der Wert durch die erstinstanzliche Wertfestsetzung
begrenzt ist (
6. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nicht in Betracht, weil Beschlüsse, mit denen
die Annahme als Kind ausgesprochen wird, gem.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Frankfurt a. Main
Erscheinungsdatum:12.12.2023
Aktenzeichen:2 UF 33/23
Rechtsgebiete:
Erbschafts- und Schenkungsteuer
Abstammung (incl. künstliche Befruchtung), Adoption
Pflichtteil
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BGB § 1741; FamFG § 196a