Photovoltaikanlage als wesentlicher Bestandteil oder Zubehör eines Grundstücks
DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 27.12.2016
OLG Nürnberg, 10.10.2016 - – 14 U 1168/15
BGB §§ 93, 94, 97, 98, 1120;
Photovoltaikanlage als wesentlicher Bestandteil oder Zubehör eines Grundstücks
Eine sogenannte Aufdachsolaranlage, die auf dem Dach eines Wohngebäudes montiert ist, zu
dessen Stromversorgung sie nicht beiträgt, stellt weder einen (wesentlichen) Bestandteil noch
Zubehör des Grundstücks bzw. des Gebäudes dar, wenn sie ohne einen unverhältnismäßigen
Aufwand und ohne Verursachung von Beschädigungen vom Gebäude getrennt und andernorts
wieder installiert werden kann.
Titel:
Eigentum an einer auf dem Dach in der Zwangsversteigerung erworbenen Gebäudes
montierten Photovoltaikanlage
Normenketten:
ZVG § 20 Abs. 2, § 55 Abs. 1, § 90 Abs. 1 u. 2
ZPO § 256 Abs. 1
2, § 929 S. 1, § 930, § 1120
Leitsatz:
1. Eine sogenannte Aufdachsolaranlage, die auf dem Dach eines Wohngebäudes montiert ist, zu dessen
Stromversorgung sie nicht beiträgt, stellt weder einen (wesentlichen) Bestandteil noch Zubehör des
Grundstücks bzw. des Gebäudes dar, wenn sie ohne einen unverhältnismäßigen Aufwand und ohne
Verursachung von Beschädigungen vom Gebäude getrennt und andernorts wieder installiert werden
kann. (amtlicher Leitsatz)
Schlagworte:
Eigentum, Photovoltaikanlage, Grundbuch, Darlehensvertrag, wesentlicher Bestandteil, Zubehör
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Weiden i. d. OPf. vom 27.05.2015
abgeändert.
2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin Eigentümerin der auf dem Hausdach des Objekts ... installierten
Photovoltaikanlage einschließlich Zubehör, insbesondere Wechselrichter und Verkabelung, ist.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus Ziffer 3.
vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des
jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 28.000,00 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
I. Die Parteien streiten um das Eigentum an einer auf dem Dach eines vom Beklagten in der
Zwangsversteigerung erworbenen Gebäudes montierten Photovoltaikanlage.
Im Mai 2007 vereinbarten die Eheleute A. und B. Z. mit der Klägerin ein Darlehen über nominell 49.482,00 €
zur Finanzierung einer Photovoltaikanlage, die mit einer Spitzenleistung von ca. 9,2 Kilowatt auf dem Dach
des Hauses auf dem Grundstück ..., Grundbuch von ... (AG Weiden i. d. OPf.), Blätter ..., Flurstück-Nr. ... (im
Weiteren: Grundstück), das im alleinigen Eigentum von A. Z. stand, errichtet werden sollte.
Der schriftliche Darlehensvertrag (Anlage K1) enthielt u. a. folgende Regelungen:
„6.1 Sicherungsübereignung der finanzierten Photovoltaikanlage siehe Ziffer 4.
OLG Nürnberg, Endurteil v. 10.10.2016 – 14 U 1168/15
(1) Die unter Ziffer 4. dieses Vertrages näher bezeichnete Photovoltaikanlage (Sicherungsgut) übereignet der
Darlehensnehmer der X Bank zur Sicherung der Ansprüche aus diesem Kreditvertrag.
(2) Soweit der Darlehensnehmer Eigentum oder Miteigentum an dem Sicherungsgut hat oder dieses künftig
erwirbt, überträgt er der X Bank das Eigentum oder Miteigentum. Soweit der Darlehensnehmer
Anwartschaftsrechte auf Eigentumserwerb (aufschiebend bedingtes Eigentum) an dem von seinen
Lieferanten unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Sicherungsgut hat, überträgt er hiermit der X Bank diese
Anwartschaftsrechte.
(3) Die Übergabe des Sicherungsgutes an die X Bank wird dadurch ersetzt, dass der Darlehensnehmer es
von der X Bank leiht und sorgfältig behandelt. (...)
(4) (...)
(5) Der Darlehensnehmer hat der X Bank unverzüglich anzuzeigen, wenn die Rechte der X Bank an dem
Sicherungsgut durch Pfändung oder sonstige Maßnahmen Dritter beeinträchtigt oder gefährdet werden
sollten, (...). Außerdem hat der Darlehensnehmer den Pfändungsgläubiger oder sonstige Dritte unverzüglich
schriftlich von dem Eigentumsrecht der X Bank in Kenntnis zu setzen.
(6) (...)
(7) (...)
(8) (...) Bei Hausverkauf oder Versteigerung bleibt das Sicherungsgut Eigentum der X Bank. Der
Darlehensnehmer muss in diesem Falle vorher die X Bank und den Käufer darüber informieren, ansonsten
ist er schadenersatzpflichtig.
6.2 Abtretung der Einspeisevergütung
(1) Der Darlehensnehmer tritt hiermit der X Bank den Anspruch auf Zahlung der Einspeisevergütung ab, der
gegen den jeweiligen Stromabnehmer (Drittschuldner) besteht oder künftig entsteht und aus der
Stromproduktion der durch die X Bank mitfinanzierten Photovoltaik-Anlage resultiert.
(2) (...)
(3) (...)
(4) (...)
7 Sonstige Sicherheiten
Dem Darlehensgeber werden - (...) - in besonderen Verträgen folgende weiteren Sicherheiten bestellt:
- Befindet sich die Photovoltaikanlage auf einem Standort, der sich im Eigentum des Anlagenbetreibers
befindet, werden zur dinglichen Absicherung der X Bank in Abteilung II des Grundbuches des
Anlagenstandortes eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit zugunsten der X Bank und eine inhalts- und
ranggleiche Vormerkung ebenfalls zugunsten der X Bank eingetragen. (...).“
Die Photovoltaikanlage wurde mit den darlehensweise ausgereichten Mitteln der Klägerin bezahlt und auf
dem Dach des bezeichneten Gebäudes errichtet. Als sogenannte Aufdachanlage ist sie mit Halterungen
derart am Dach montiert, dass die Montagevorrichtungen durch entsprechend ausgeschnittene Ziegel
geführt sind. Die Elektroverkabelung verläuft am Dach zum Kamin, von dort hinab ins Kellergeschoß und in
den dortigen Heizraum, in dem sich zwei Wechselrichter befinden. Der produzierte Strom wird ausschließlich
in das öffentliche Stromnetz eingespeist.
Zugunsten der Klägerin erfolgte die Eintragung einer auf dem Grundstück lastenden beschränkten
persönlichen Dienstbarkeit (Erstellungs-, Betriebs- und Nutzungsrecht einer Photovoltaikanlage) im
Grundbuch.
Auf Betreiben eines Grundschuldgläubigers wurde das Grundstück zwangsversteigert (AG Weiden i. d. OPf.
- Az. ...). Den Zuschlag erhielt am 02.08.2011 B. Z.. Im Zuschlagsbeschluss vom 02.08.2011 (Anlage K4)
war die „auf dem Dach des Anwesens befindliche Photovoltaikanlage [von der Versteigerung
ausgenommen]“. Rechte im Grundbuch blieben nicht bestehen; die zugunsten der Klägerin bestellte
beschränkte persönliche Dienstbarkeit wurde am 19.09.2011 im Grundbuch gelöscht.
Nachdem der am 19.09.2011 im Grundbuch als Eigentümer eingetragene B. Z. das Meistgebot in Höhe von
110.000,00 € nicht berichtigt hatte, erfolgte auf Betreiben einer Gläubigerin die Wiederversteigerung des
Grundstücks nach
Im Versteigerungstermin am 03.07.2012 erklärte B. Z. in Anwesenheit des Beklagten, dass die
Photovoltaikanlage Eigentum der Klägerin sei.
Mit Beschluss vom 03.07.2012 wurde das Grundstück dem Beklagten, der das Meistgebot in Höhe von
100.000,00 € abgegeben hatte, zugeschlagen. Seit dem 10.12.2012 ist der Beklagte als Eigentümer im
Grundbuch eingetragen.
Die Klägerin meint, die Aufdach-Photovoltaikanlage sei weder Bestandteil noch Zubehör der Immobilie, die
Wohnzwecken diene, und sei deshalb von der Beschlagnahme des Grundstücks nicht erfasst gewesen. Die
Anlage sei überdies nicht in den Besitz des B. Z. gelangt. Dieser habe am 02.08.2011 das Meistgebot
lediglich zur Vereitelung des Zuschlags an einen - außerhalb der Familie stehenden - Dritten abgegeben; es
sei von Anfang an festgestanden, dass er das Meistgebot nicht bezahlen könne.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens sowie der dortigen Anträge wird auf den Tatbestand
des Endurteils des Landgerichts Weiden i. d. OPf. vom 27.05.2015 Bezug genommen.
Gegen dieses, ihren Prozessbevollmächtigten am 02.06.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am
21.06.2015 per Telefax bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten Berufung
eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 10.08.2015 mit Schriftsatz ihrer
Prozessbevollmächtigten am 10.08.2015 begründet.
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Außerdem meint sie, dass die
Bösgläubigkeit des bei der Versteigerung mitbietenden Beklagten und sogar des Vollstreckungsgerichts ihrer
auf § 55 II ZVG fußenden entschädigungslosen Enteignung entgegenstehe.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des am 27.5.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Weiden, AZ: 12 O 221/14,
festzustellen, dass die Klägerin Eigentümerin der auf dem Hausdach des Objekts ... installierten
Photovoltaikanlage einschließlich Zubehör, insbesondere Wechselrichter und Verkabelung, ist.
Der Beklagte beantragt:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. B. Z. sei im Zeitpunkt der Versteigerung am 03.07.2012
jedenfalls aufgrund des Zuschlagbeschlusses vom 02.08.2011 Besitzer der Photovoltaikanlage gewesen.
Diese sei als Grundstückszubehör anzusehen. Die Klägerin habe es unterlassen, ihre Rechte rechtzeitig
geltend zu machen und könne sich nun lediglich an B. Z. wenden, der sich der Klägerin gegenüber
schadenersatzpflichtig gemacht habe.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze vom
10.08.2015 (Bl. 90 ff. d. A.), 30.09.2015 (Bl. 104 ff. d. A.) und 14.07.2016 (Bl. 116 d. A.) Bezug genommen.
Die Parteien haben am 14.07.2016 (Bl. 116 d. A.) und 30.07.2016 (Bl. 120 d. A.) ihr Einverständnis mit einer
Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren erklärt.
Der Senat hat keinen Beweis erhoben.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Denn sie hat ihr Eigentum an der
streitgegenständlichen Photovoltaikanlage (1.) nicht gemäß § 90 II ZVG aufgrund des dem Beklagten
erteilten Zuschlags verloren (2.), so dass ihre von einem Feststellungsinteresse (
Klage begründet ist.
1. Die Klägerin ist Eigentümerin der streitgegenständlichen Photovoltaikanlage geworden.
a. Bei der streitgegenständlichen Photovoltaikanlage handelt es sich um einen Gegenstand, auf den die
Vorschriften der
denen auch Schein- und nichtwesentliche Grundstücksbestandteile sowie Zubehörstücke zählen
(Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Auflage 2016, § 97 Rn. 1 und Palandt/Bassenge, BGB, 75. Auflage 2016,
Einf. v. § 929 Rn. 1 m. w. N.), Anwendung finden.
aa. Die streitgegenständliche Photovoltaikanlage ist kein wesentlicher Bestandteil des Grundstücks oder des
Gebäudes, auf dem sie betrieben wird und dessen rechtliches Schicksal sie - ggf. mit der Folge des
Erlöschens an ihr bestehender Rechte nach
93 Rn. 1, 4) - teilen würde, sondern - auch nach der Rechtsauffassung beider Parteien - eine eigenständige
Sache.
(1) Sie ist kein wesentlichen Bestandteil des Gebäudes nach § 94 II BGB, weil sie nicht zur Herstellung des
Gebäudes eingefügt wurde. Bei dem Gebäude handelt es sich, wie die Klägerin mit Schriftsatz ihrer
Prozessbevollmächtigten vom 02.10.2014 (Bl. 20 d. A.) unwidersprochen vorgetragen hat, um ein im Jahr
1975 errichtetes Wohnhaus, dessen Fertigstellung nach der Verkehrsanschauung nicht erst mit der Montage
der Photovoltaikanlage im Jahr 2007 erfolgt ist, zumal diese als Aufdachanlage weder die Funktion des
Daches unterstützt noch zur Stromversorgung des Gebäudes beiträgt.
(2) Die Anlage ist auch kein wesentlicher Bestandteil des Grundstücks nach
kein Gebäude darstellt und auch nicht mit dem Grund und Boden fest verbunden ist. Zwar mag eine
Verbindung der Anlage mit dem Erdboden mittelbar über das Gebäude genügen. Sachen sind aber nach der
Verkehrsanschauung nur dann fest verbunden, wenn die Trennung zur Beschädigung oder Änderung des
Wesens der mit dem Grundstück verbundenen Sache führt bzw. auch schon dann, wenn sie nur mit
unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist (Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Auflage 2016, § 94 Rn. 2).
Aufgrund der vom Beklagten im Termin vor dem Erstgericht am 05.05.2015 geschilderten Befestigung der
Photovoltaikanlage ist nicht damit zu rechnen, dass diese im Falle des ordnungsgemäßen Rückbaus
beschädigt oder in ihrer weiteren Nutzung als Anlage zur Gewinnung von Solarstrom beeinträchtigt werden
würde. Anhaltspunkte dafür, dass ein Rückbau einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, sind
nicht ersichtlich.
(3) Auch nach den Kriterien des
Photovoltaikanlage keine wesentlichen Bestandteile vor. Mit dem fachgerechten Rückbau der Anlage wäre
weder eine Zerstörung des Grundstücks oder des in seinen Zustand vor Errichtung der Photovoltaikanlage
zurückversetzten Wohnhauses noch der Photovoltaikanlage selbst verbunden. Auch an der auch nach
erfolgtem Rückbau weiterhin gegebenen wirtschaftlichen Nutzbarkeit von Grundstück, Wohnhaus und
Photovoltaikanlage besteht kein Zweifel. Dementsprechend werden Aufdachphotovoltaikanlagen in der
Regel nicht als wesentlicher Bestandteil angesehen (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 27.09.2012 - 12 W
230/12, juris Rn. 4; LG Passau, Beschluss vom 28.02.2012 - 2 T 22/12, juris Rn. 10; FG Rheinland-Pfalz,
Urteil vom 10.02.2011 - 6 K 2607/08, juris Rn. 27; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.09.2011 - 6 K 1963/11,
juris Rn. 24; Fischer/Klindworth in Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 2. Auflage 2012, §§ 929-930 Rn. 162
f.; Kappler,
(4) Eine andere sachenrechtliche Einordnung der Photovoltaikanlage ist auch nicht im Hinblick darauf
veranlasst, dass der Bundesgerichtshof eine Qualifizierung der Anlage selbst als Bauwerk für möglich hält
(BGH, Urteil vom 02.06.2016 - VII ZR 348/13, juris Rn. 28). Denn zum einen ist die genannte Entscheidung -
ebenso wie das frühere zu
Auslegung des (in
dabei ausdrücklich deutlich gemacht, dass die technische Anlage selbst als Bauwerk angesehen werden
könne, ohne dass es sich um wesentliche Bestandteile im Sinne der
Urteil vom 02.06.2016 - VII ZR 348/13, juris Rn. 29). Zum anderen ist der Begriff des Bauwerks weiter als der
in den
634a I Nr. 2 BGB verwendeten Begrifflichkeit entwickelten Grundsätze, die dem Interessenausgleich
zwischen den Vertragspartnern von Kauf- und Werkverträgen Rechnung tragen, können nicht unbesehen für
die sachenrechtliche Zuordnung herangezogen werden, die in erster Linie die Erhaltung wirtschaftlicher
Werte und die Sicherheit des Rechtsverkehrs im Blick hat (BGH, Urteil vom 03.12.1998 - VII ZR 109/97, juris
Rn. 13 f.).
bb. Ob es sich bei der streitgegenständlichen Photovoltaikanlage überhaupt um einen Bestandteil des
Grundstücks bzw. des Gebäudes handelt oder ob - bejahendenfalls - einer der in
Ausnahmetatbestände gegeben ist, spielt für die Frage des ursprünglichen Eigentumserwerbs der Klägerin
keine Rolle. Auch darauf, ob es sich bei der Anlage um Zubehör im Sinne der
es an dieser Stelle nicht an. Denn eigenständige Sachen, „Scheinbestandteile“ und Zubehörstücke sind
uneingeschränkt nach
b. Ausweislich der zwischen den Eheleuten Z. und der Klägerin in Abschnitt 6.1 des Darlehensvertrags
getroffenen Vereinbarungen waren sich die Vertragsparteien darüber einig, dass das Eigentum an der
Photovoltaikanlage zur Sicherheit auf die Klägerin übergehen solle (
der Photovoltaikanlage diese den Eheleuten Z. im Zuge der Lieferung und Montage übereignet hat, ging das
Eigentum aufgrund des bereits zusammen mit dem Darlehen vereinbarten Leihvertrags
(vorweggenommenes Besitzkonstitut) auf die Klägerin über (
der Verkäufer der Anlage das Eigentum zunächst bis zur (vollständigen) Kaufpreiszahlung vorbehalten hat,
ist das (Sicherungs-)Eigentum nach Entrichtung des Kaufpreises unmittelbar und automatisch vom
bisherigen (Vorbehalts-)Eigentümer auf die Klägerin als Inhaberin des an sie abgetretenen
Anwartschaftsrechts übergegangen.
2. Die Klägerin hat ihr Eigentum nicht gemäß § 90 II ZVG aufgrund des dem Beklagten erteilten Zuschlags
verloren.
a. Zwar hat der Beklagte als Ersteher bei - hier gegebener - Wirksamkeit des Zuschlags das Eigentum am
Grundstück (
ZVG), durch rechtsgestaltenden Hoheitsakt unabhängig vom Eigentum des Vollstreckungsschuldners und
ohne Rücksicht auf guten oder bösen Glauben erworben (BGH, Urteil vom 08.11.2013 - V ZR 155/12, juris
Rn. 16), so dass sich die Klägerin nicht darauf berufen kann, der Beklagte habe Kenntnis von ihrem
Sicherungseigentum an der Photovoltaikanlage gehabt.
b. Einem Eigentumserwerb des Beklagten nach § 20 II, 55 I, 90 II ZVG,
jedenfalls ein bestehendes Anwartschaftsrecht (vgl. hierzu Palandt/Bassenge, BGB, 75. Auflage 2016, §
1120 Rn. 8) des Grundstückseigentümers - hier: B. Z. - an der Photovoltaikanlage voraussetzt, oder nach §
55 II, 90 II ZVG, der den Besitz des Vollstreckungsschuldners oder des neu eingetretenen
Grundstückseigentümers - hier: B. Z. - an der Photovoltaikanlage erfordert, stand jedenfalls entgegen, dass
die streitgegenständliche Anlage kein Zubehör im Sinne der
aa. Im Hinblick auf
nach den
bb. Zubehör - so insbesondere das gewerbliche Inventar eines Gebäudes (
bewegliche Sachen, die ohne Bestandteile der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zwecke der
Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen
Verhältnis stehen (
angesehen (
streitgegenständlichen Photovoltaikanlage nicht um Zubehör des Grundstücks oder des Gebäudes.
(1) Zwar weist die vorliegende Photovoltaikanlage, deren Rückbau erwartungsgemäß weder einen
unverhältnismäßigen Aufwand erfordern noch zu Schäden führen würde, die die Nutzbarkeit des
Grundstücks oder Gebäudes oder der Anlage selbst beeinträchtigen, und die deshalb nicht als Grundstücksoder
Gebäudebestandteil anzusehen ist, den notwendigen räumlichen Bezug zu dem als Hauptsache in
Betracht kommenden Grundstück bzw. Gebäude auf.
(2) Auch ist eine Verkehrsanschauung, die Photovoltaikanlagen der vorliegenden Art nicht als Grundstücksoder
Gebäudezubehör ansehen würde, weder ersichtlich noch von der insoweit darlegungspflichtigen (vgl.
hierzu Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Auflage 2016, § 97 Rn. 9) Klägerin substantiiert geltend gemacht
worden.
(3) Der Senat teilt aber nicht die in der bisherigen Rechtsprechung und in der Literatur vertretene
Auffassung, sogenannte Aufdachsolaranlagen seien Zubehör auch dann, wenn sie ohne größeren Aufwand
vom Gebäude getrennt und andernorts wieder installiert werden können und wenn der erzeugte Strom nicht
für das Gebäude selbst verwendet wird (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 27.09.2012 - 12 W 230/12,
juris Rn. 5; LG Passau, Beschluss vom 28.02.2012 - 2 T 22/12, juris Rn. 8 ff.; Schmidt in: Erman, BGB, 14.
Auflage 2014, § 97 Rn. 23; Fritzsche in: Beck'scher Online-Kommentar BGB, Bamberger/Roth, 40. Edition,
Stand: 01.08.2016, § 97 Rn. 18; Goldbach,
Auflage 2016, § 20 Rn. 3, der die Frage jedoch „nicht [für] sicher geklärt“ hält; Stresemann in: Münchener
Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2015, § 97 Rn. 33; Vieweg in: Herberger/Martinek/Rüßmann, u. a.,
jurisPK-BGB, 7. Auflage 2014, § 97 Rn. 24; a. A. Welsch/Woinar,
einfacher Bestandteil oder als schlichte bewegliche Sache, wenn der erzeugte Strom ausschließlich in das
öffentliche Stromnetz eingespeist wird, ähnlich auch Stresemann a. a. O. FN 118; nach Fischer/Klindworth in
Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 2. Auflage 2012, §§ 929-930 Rn. 163 sollen abhängig vom Ausmaß
des Eingriffs in die Substanz des bestehenden Daches und einer durch den Wiederabbau erfolgenden
Zerstörung die Umstände des Einzelfalls entscheidend sein).
Denn es kann nicht davon die Rede sein, dass eine Photovoltaikanlage, die nachträglich auf das Dach eines
bereits bestehenden Wohngebäudes montiert wird, zu dessen Stromversorgung sie nichts beiträgt, dem
wirtschaftlichen Zweck des Wohngebäudes oder des mit dem Wohngebäude bebauten Grundstücks zu
dienen bestimmt ist.
Auch wenn der Begriff des wirtschaftlichen Zwecks, der eine gewerbliche Nutzung nicht erfordert, weit
auszulegen ist und von daher auch einer gemischten Nutzung des Grundstücks bzw. des Gebäudes zu
Wohnzwecken einerseits und als räumlicher Ausgangspunkt für das Einspeisen von Solarstrom in das
öffentliche Stromnetz andererseits nicht entgegensteht, ist es doch erforderlich, dass zwischen der
Hauptsache und dem Zubehör ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, das durch Überordnung der Hauptsache
(des Grundstücks bzw. des Gebäude) und Unterordnung der Hilfssache (Zubehör) gekennzeichnet ist (BGH,
Urteil vom 02.11.1982 - VI ZR 131/81, juris Rn. 17; BGH, Urteil vom 19.03.1965 - V ZR 270/62, juris Rn. 16).
Ein Grundstück oder ein Gebäude erhält jedoch noch nicht allein aufgrund der Tatsache, dass dort
Bemühungen entfaltet werden, durch Einleitung von Solarstrom in das öffentliche Stromnetz Entgelte in
Form von Einspeisevergütungen zu erzielen, die Eignung, Hauptsache für das Inventar dieses Betriebes zu
sein. Es muss hinzukommen, dass der wirtschaftliche Schwerpunkt des Betriebs auf dem Grundstück oder
Gebäude, nicht aber auf dem Inventar liegt.
So stellt auch
gewerblichen Betrieb dauernd eingerichtet ist, die zu dem Betrieb bestimmten Maschinen und sonstigen
Gerätschaften dem wirtschaftlichen Zweck des Gebäudes zu dienen bestimmt sind. Diese gesetzliche
Regelung wird von der Vorstellung getragen, dass in den Fällen, in denen das Betriebsgrundstück und die
darauf errichteten Gebäude - wie etwa bei den im Gesetz erwähnten Betriebsarten einer Mühle, einer
Schmiede, eines Brauhauses und einer Fabrik - dem Betriebszweck entsprechend besonders ausgestaltet
sind, der wirtschaftliche Schwerpunkt des Betriebes auf dem Betriebsgrundstück liegt. Wenn daher der
konkrete wirtschaftliche Zweck des Grundstücks so nach außen in Erscheinung tritt, dass sich damit zugleich
der konkretisierte Betriebszweck darstellt, ist die Verknüpfung des Rechtsschicksals der dienenden Mobilien
mit dem wirtschaftlich im Vordergrund stehenden Grundstück und seinen Gebäuden nahegelegt. Damit wird
der Tatsache Rechnung getragen, dass der Wert und die Nutzbarkeit eines gewerblich genutzten
Grundstücks wesentlich von der Aufrechterhaltung der Verbindung des Betriebsinventars mit dem
Grundstück abhängen (vgl. BGH, Urteil vom 02.11.1982 - VI ZR 131/81, juris Rn. 17).
Ein in diesem Sinne nach außen in Erscheinung tretender wirtschaftlicher Zweck des Grundstücks bzw. des
Gebäudes ist vorliegend nicht feststellbar. Das nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin
im Jahr 1975 errichtete Wohnhaus war bis zu der über dreißig Jahre später erfolgten Montage der
streitgegenständlichen Photovoltaikanlage nicht als ein Gebäude erkennbar, das (in Teilen) dauernd zur
Gewinnung von Solarstrom eingerichtet ist. Einen entsprechenden äußeren Anschein erhielt das Gebäude
erstmals mit Errichtung der Anlage auf dem schon vorhandenen Dach. Dass ein mit einem Wohnhaus
bebautes Grundstück bereits nach seiner objektiven Beschaffenheit, etwa nach der Ausrichtung des Dachs
des Wohngebäudes, dauerhaft für den gewerblichen Betrieb der Solarstromerzeugung eingerichtet sein kann
(so aber LG Passau, Beschluss vom 28.02.2012 - 2 T 22/12, juris Rn. 14), vermag der Senat nicht zu
erkennen. Nach einer Entfernung der Anlage bliebe dementsprechend auch - in der Terminologie des dem
technisch-wirtschaftlichen Entwicklungsstands des 19. Jahrhunderts entstammenden
- beispielsweise kein Mühlengebäude ohne das zugehörige Inventar zurück, sondern ein durchgehend als
solches genutztes Wohngebäude. Dieser nach außen in Erscheinung tretende Unterschied beruht darauf,
dass die Erzeugung von Strom durch die Nutzung der Sonneneinstrahlung ausschließlich in der
Photovoltaikanlage stattfindet. Dieser Vorgang hat im Falle einer Aufdachsolaranlage genauso wenig Bezug
zu einem konkreten Grundstück oder Gebäude wie der ortsferne Verbrauch des in das öffentliche Netz
eingespeisten Stroms oder die wirtschaftliche Vereinnahmung von Vergütungen und etwaigen
Steuervorteilen durch den Anlagenbetreiber. Allein das Bedürfnis nach einer bestimmten (Dach-)Fläche zur
wirtschaftlich effektiven Stromgewinnung lässt die zur Stromerzeugung benötigten Gerätschaften
(Sonnenkollektoren etc.) nicht im Sinne einer Unterordnung hinter die in einer bestimmten Ausrichtung zur
Sonne benötigte Dachfläche zurücktreten. Ließe das geltende Recht zu, dass auch Grundstücke oder deren
wesentliche Bestandteile Zubehör einer anderen (beweglichen) Sache sein könnten (wogegen sich der
BGB-Gesetzgeber bewusst ausgesprochen hat, vgl. Mugdan, Benno (Hrsg.), Die gesammten Materialien
zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, III. Band: Sachenrecht, 1899, S. 35), müsste
tatsächlich die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, nicht die Photovoltaikanlage, sondern das Gebäude,
auf dem sie montiert ist, als Zubehör anzusehen. Denn letztlich hat die Anlage, die an ihrem konkreten Ort
nur deshalb montiert worden ist, weil es dem Betreiber zweckdienlich erschien, für das Gebäude keine
Funktion (vgl. BGH, Urteil vom 09.10.2013 - VIII ZR 318/12, juris Rn. 21), während das Dach des Gebäudes
der Photovoltaikanlage, die Strom auch an anderen Orten (im Freien) und an andere stationäre oder mobile
Haltevorrichtungen montiert erzeugen könnte, als Verankerungsplattform dient und damit eine
untergeordnete Rolle spielt.
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf
Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 543 II
ZPO). Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von entgegenstehender obergerichtlicher oder
höchstrichterlicher Rechtsprechung ab. Der auf eine Streitwertbeschwerde hin ergangene Beschluss des
OLG Oldenburg vom 27.09.2012 - 12 W 230/12 - befasst sich mit dem zwischen der Hauptsache und dem
Zubehör notwendigen Abhängigkeitsverhältnis nicht und stellt diesbezüglich keinen abstrakten Rechtssatz
auf, von dem der Senat abweichen würde. Im Hinblick auf die besondere Konstellation einer erfolgten
Löschung der zugunsten der finanzierenden Bank bestellten beschränkten persönlichen Dienstbarkeit in
Verbindung mit einer Wiederversteigerung des Grundstücks nach
Eigentumsverlust an Zubehörstücken hätte führen können, hat die Rechtssache auch keine grundsätzliche
Bedeutung.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Nürnberg
Erscheinungsdatum:10.10.2016
Aktenzeichen:14 U 1168/15
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Grundpfandrechte
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BGB §§ 93, 94, 97, 98, 1120; ZVG § 55 Abs. 2