OLG Hamm 19. Mai 2021
10 W 6/21
GNotKG §§ 48 Abs. 1 S. 1, 60 Abs. 1; HöfeVfO § 16; HöfeO §§ 16, 17

Voraussetzungen des Kostenprivilegs im Verfahren zur Genehmigung des Hofübergabevertrags

letzte Aktualisierung: 14.1.2022
OLG Hamm, Beschl. v. 19.5.2021 – 10 W 6/21

GNotKG §§ 48 Abs. 1 S. 1, 60 Abs. 1; HöfeVfO § 16; HöfeO §§ 16, 17
Voraussetzungen des Kostenprivilegs im Verfahren zur Genehmigung des
Hofübergabevertrags

Zu den Voraussetzungen der Anwendung des Kostenprivilegs gem. § 48 Abs. 1 S. 1 GNotKG im
Verfahren zur Genehmigung des Hofübergabevertrages (§ 16 HöfeVfO, §§ 16, 17 HöfeO).

Gründe:

I.
In notarieller Urkunde des Notars B aus C vom 06.05.2020 (UR-Nr. #/2020) übertrug der
Beteiligte zu 1) mit Zustimmung seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 3), den in seinem
Eigentum stehenden Hof im Sinne der HöfeO, eingetragen im Grundbuch von A Blatt ###
in einer Größe von 13,4116 ha, mit Wirkung zum 01.07.2020 gegen Gewährung eines
näher dargelegten Altenteilrechts auf seinen Sohn, den Beteiligten zu 2). Mit übertragen
wurde zudem eine auf den Hofgebäuden befindliche Photovoltaikanlage. Der Einheitswert
des Hofes beträgt 33.336,00 €.

Die landwirtschaftliche Nutzfläche des Hofes in einer Größe von insgesamt 12,45 ha ist im
Umfang von 8,15 ha seit dem 01.10.2010 verpachtet, die übrige Ackerfläche in einer
Größe von 4,3 ha wurde bis zur Übertragung durch den Beteiligten zu 1) bewirtschaftet,
seitdem durch den Beteiligten zu 2).

Nach Einholung einer Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
erteilte das Landwirtschaftsgericht mit Beschluss vom 21.10.2020 die
landwirtschaftsgerichtliche Genehmigung des Übertragsvertrages vom 05.06.2020 und
setzte den Geschäftswert gem. §§ 35, 36 Abs. 1 GNotKG auf 573.345,00 € fest. Die
Kostenprivilegierung des § 48 GNotKG diene der Erhaltung und Fortführung
landwirtschaftlicher Betriebe in der Hand bäuerlicher Familien, wobei es sich um einen
leistungsfähigen Betrieb handeln müsse. Dazu müsse auch der im Nebenerwerb geführte
Betrieb eine solche Größe aufweisen, die zur Erwirtschaftung eines nicht unwesentlichen
Teils des Lebensunterhaltes des Betriebsinhabers durch den Betrieb der Landwirtschaft
geeignet sei. Bei einer Verpachtung wesentlicher landwirtschaftlicher Flächen an Dritte sei
die Leistungsfähigkeit zu verneinen, so dass als Geschäftswert gem. §§ 35, 36 Abs. 1
GNotKG der Verkehrswert zugrunde zu legen sei. Bei Ansatz eines Grünlandwerts von
5,70 €/m² errechne sich ein Wert von 764.461,00 €. Unter Berücksichtigung eines
Sicherheitsabschlages von 25 % ergebe sich der festgesetzte Gegenstandswert.
Mit seiner Beschwerde vom 25.11.2020 wendet sich der Beteiligte zu 2) gegen die
Geschäftswertfestsetzung durch das Landwirtschaftsgericht. Er ist der Ansicht, die
Kostenprivilegierung des § 48 Abs. 1 GNotKG greife vorliegend. Für ihn als Übernehmer
stellten die Einkünfte aus der Landwirtschaft einen erheblichen Beitrag zu seinem
Einkommen da. Aus seiner Tätigkeit als Angestellter beziehe er Einkünfte in Höhe von
monatlich ca. 2.385,00 € netto. Er ist der Ansicht, die Einnahmen aus dem Betrieb der
Photovoltaikanlage seien ebenfalls dem Hof zuzuordnen, da sie nur im Zusammenhang
mit dem Hof erwirtschaftet werden könnten. Er habe den Hof auch unmittelbar fortgeführt,
der Betrieb sei nicht vollständig verpachtet, sondern werde zum Teil noch selbst
bewirtschaftet.

Das Landwirtschaftsgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 21.12.2020 mit
näherer Begründung nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung
vorgelegt.

Mit ihrer Anschlussbeschwerde vom 12.03.2021 wendet sich die Beteiligte zu 4) ebenfalls
gegen die Festsetzung des Gegenstandswerts durch den angefochtenen Beschluss. Das
Landwirtschaftsgericht habe zwar zutreffend festgestellt, dass das Kostenprivileg des § 48
GNotKG keine Anwendung finde. Die aus der Landwirtschaft erzielten Einnahmen
rechtfertigten nicht die Anwendung des Landwirtschaftsprivilegs. Der Betrieb der
Photovoltaikanlage sei kein Betrieb nach § 48 GNotKG, sondern ein nach den allgemeinen
Vorschriften zu bewertendes Gewerbe. Es sei jedoch bei der Bemessung des
Verkehrswertes durchgehend nur der Bodenrichtwert des Jahres 2020 für Grünland
zugrunde gelegt worden, obwohl es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass es sich bei allen
Flächen um Grünland handele. Der Hof umfasse 12,45 ha Ackerfläche, so dass angesichts
des Bodenrichtwerts von 8,50 €/m² der Höchstwert von 1.000.000,00 € gem. § 60 Abs. 3
GNotKG überschritten und der Geschäftswert auf diesen Betrag festzusetzen sei.

II.
Die gem. § 83 Abs. 1 S. 1 GNotKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde
des Beteiligten zu 2) ist begründet, die ebenfalls zulässige Anschlussbeschwerde der
Beteiligten zu 4) ist unbegründet.

1.
Die Beschwerden sind fristgerecht gem. § 83 Abs. 1 S. 3 GNotKG eingelegt worden. Der
Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt jeweils 200,00 €, weil die vom Beteiligten
zu 2) begehrte Herabsetzung des Gegenstandswertes zu einer Reduzierung der
Gerichtskosten um mehr als 200,00 € und die von der Beteiligten zu 4) erstrebte
Heraufsetzung des Gegenstandswertes zu einer Erhöhung der Kostenforderung um mehr
als 200,00 € führen würde.

Der Senat ist gem. §§ 83 Abs. 1 S. 5, 81 Abs. 6 S. 2 und 3 GNotKG nach der Übertragung
durch die Einzelrichterin ohne die ehrenamtlichen Richter zur Entscheidung über die
Beschwerden zuständig.

2.
Der Geschäftswert für das Verfahren zur Genehmigung des Hofübergabevertrages (§ 16
HöfeVfO, §§ 16, 17 HöfeO) beläuft sich gem. §§ 60 Abs. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GNotKG auf
den vierfachen Einheitswert des Hofes, mithin auf 133.344,00 €.

a) Bei der Übergabe eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes mit Hofstelle an eine
natürliche Person bemisst sich der Wert gem. § 48 Abs. 1 GNotKG nicht nach dem
Verkehrswert, sondern dem vierfachen Einheitswert, wenn die unmittelbare Fortführung
des Betriebes durch den Erwerber selbst beabsichtigt ist (Nr. 1) und der Betrieb
unmittelbar nach Vollzug der Übergabe einen nicht nur unwesentlichen Teil der
Existenzgrundlage des zukünftigen Inhabers bildet (Nr. 2).

Diese Kostenprivilegierung dient der Erhaltung und Fortführung leistungsfähiger
landwirtschaftlicher Betriebe im Familienbesitz (OLG Hamm, Beschluss vom 11.08.2016,
I-10 W 14/16, Rn. 9 m. w. N., juris; Bormann/Diehn/Sommerfeldt/Diehn, 4. Aufl. 2021,
GNotKG § 48 Rn. 1; Korintenberg/Tiedtke, 21. Aufl. 2020, GNotKG § 48 Rn. 1). Für die
Beantwortung der Frage, ob ein solcher leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betrieb
vorliegt, kommt es nicht in erster Linie darauf an, ob dieser im Haupt- oder im
Nebenerwerb geführt wird, da auch Nebenerwerbsbetriebe grundsätzlich unter die
Privilegierung fallen. Entscheidend ist, dass der Betrieb den Unterhalt einer bäuerlichen
Familie ganz oder teilweise sichern kann, wozu eine gewisse Mindestgröße erforderlich ist
(BayObLG, NJWE-FER 1997, 139 zu 19 Abs. 4 KostO).

Die Anwendung der Privilegierung setzt danach nicht voraus, dass der Betrieb den
überwiegenden Teil der wirtschaftlichen Existenzgrundlage des zukünftigen Inhabers
bildet. Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr, dass die land- oder
forstwirtschaftliche Tätigkeit einen so wesentlichen Beitrag zum Einkommen des
Erwerbers leistet, dass deren zukünftiger Wegfall nicht ohne eine berufliche
Umorientierung kompensiert werden könnte. Berücksichtigungsfähig sind dabei nicht allein
die aus dem Betrieb der Landwirtschaft erzielten Einnahmen, sondern auch die mit der
Betriebsführung in der Regel verbundenen zusätzlichen Naturalleistungen, wie z. B.
mietfreies Wohnen und Verbrauch von im Betrieb erzeugten Produkten, für die
Aufwendungen erspart werden (Korintenberg/Tiedtke, 21. Aufl. 2020, GNotKG § 48 Rn. 24,
26; BeckOK KostR/Soutier, 32. Ed. 1.1.2021, GNotKG § 48 Rn. 9 und 25; Fackelmann in
Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Auflage 2017, § 48 Rn. 53).

b) Die Voraussetzungen für die Anwendung des Kostenprivilegs des § 48 Abs. 1 GNotKG
sind vorliegend erfüllt.

Es handelt sich bei dem mit Vertrag vom 06.05.2020 übertragenen Hof um einen
leistungsfähigen Nebenerwerbsbetrieb im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GNotKG, den
der Beteiligte zu 2) als Erwerber seit der zum 01.07.2020 erfolgten Übernahme fortführt.
Der Annahme eines leistungsfähigen Betriebes steht zunächst nicht entgegen, dass etwa
2/3 der hofzugehörigen Ackerflächen an einen Dritten verpachtet sind, da der Beteiligte zu

2) als Erwerber das übrige Drittel in einer Größe von 4,3 ha selbst landwirtschaftlich
bewirtschaftet. Die Anwendung des § 48 Abs. 1 GNotKG setzt damit voraus, dass die
Eigenbewirtschaftung dieser Fläche geeignet ist, den Unterhaltsbedarf einer bäuerlichen
Durchschnittsfamilie zumindest zu einem nicht unwesentlichen Teil abzudecken.
Das kann nicht bereits aufgrund der geringen Größe der selbst bewirtschafteten Fläche
verneint werden. Soweit in Rechtsprechung und Literatur die erforderliche Mindestgröße
des Betriebs dann angenommen worden ist, wenn der Betrieb in Bezug auf die
Eigenbewirtschaftung die nach dem Gesetz über die Altershilfe für Landwirte erforderliche
Größe von 8 ha bei reiner Landwirtschaft aufweist (OLG München, Beschluss vom
24.10.2005, 32 Wx 97/05, ZNotP 2006, 119 f. m. w. N.; BeckOK KostR/Soutier, 32. Ed.
1.1.2021, GNotKG § 48 Rn. 8; Fackelmann in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes
Kostenrecht, 2. Auflage 2017, § 48 Rn. 55, 57), so folgt daraus nicht im Umkehrschluss,
dass bei geringerer Betriebsgröße die Anwendbarkeit des Kostenprivilegs automatisch
ausscheidet. Dies ist vielmehr jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher
Umstände zu prüfen (vgl. BayObLG, NJWE-FER 1997, 139; BeckOK KostR/Soutier, 32.
Ed. 1.1.2021, GNotKG § 48 Rn. 8; Korintenberg/Tiedtke, 21. Aufl. 2020, GNotKG § 48 Rn.
20, 21).

Nach dem durch Vorlage von Steuerbescheiden belegten Vortrag des Beteiligten zu 2)
erzielte der Beteiligte zu 1) bis zur Betriebsübertragung auf seinen Sohn jährliche
Einnahmen aus der Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 16.358,00 €, wobei auf
Pachteinnahmen ein Betrag in Höhe von 8.000,00 € entfiel. Die Einnahmen aus dem
landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb beliefen sich somit in der Vergangenheit ohne
Berücksichtigung der Pachteinnahmen auf einen Betrag in Höhe von ca. 700,00 €
monatlich. Es ist davon auszugehen, dass der Beteiligte zu 2) durch die fortgesetzte
Bewirtschaftung der nicht verpachteten Ackerflächen in Zukunft vergleichbare Einnahmen
wird erzielen können.

Darüber hinaus erzielt der Beteiligte zu 2) aus dem Betrieb der Landwirtschaft einen
Wohnvorteil, da er gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinem Kind in dem nach eigenen
Angaben renovierten Wohnhaus auf der Hofstelle lebt. Diesen Wohnvorteil bewertet der
Senat mangels näherer Kenntnisse zu Größe und Zuschnitt der Wohnung zurückhaltend
mit mindestens 300,00 € monatlich.

Der landwirtschaftliche Betrieb trägt somit in Höhe von mindestens 1.000,00 € monatlich
zum Lebensunterhalt des Beteiligten zu 2) und seiner Familie bei. Hierbei handelt es sich
um einen wesentlichen Beitrag, der geeignet ist, den Lebensunterhalt der bäuerlichen
Familie jedenfalls teilweise zu sichern, da der Beteiligte zu 2) angesichts seines aus der
Lohnsteuerbescheinigung für 2020 ersichtlichen Nettoeinkommens aus seiner
Hauptbeschäftigung in Höhe von ca. 2.800 € monatlich einen Wegfall dieses Beitrags nicht
ohne berufliche Umorientierung würde kompensieren können.

c) Für die Bemessung des Geschäftswertes für das Verfahren auf Genehmigung des
Hofübergabevertrages ist es nicht von Bedeutung, dass mit dem Hof gleichzeitig die auf
den Hofgebäuden befindliche Photovoltaikanlage mit übertragen worden ist. Gem. § 60
Abs. 1 GNotKG bestimmt sich der Geschäftswert in Verfahren betreffend die Genehmigung
eines Rechtsgeschäfts nach dem Wert des zugrunde liegenden Geschäfts. Mit dem
zugrunde liegenden Geschäft ist dabei das zu genehmigende Geschäft gemeint. Eine
Wertaddition findet nur statt, wenn in einem Verfahren mehrere Erklärungen genehmigt
werden sollen (Teubel in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Auflage
2017, § 60, Rn. 5, 6, 8).

Genehmigungsbedürftig war hier nur der Hofübergabevertrag als solcher, nicht auch
weitere, in der gleichen Urkunde enthaltene Rechtsgeschäfte. Der Geschäftswert richtet
sich damit nur nach dem oben dargelegten Wert des Hofübergabevertrages.

3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 83 Abs. 3 GNotKG.
Die Zulassung einer weiteren Beschwerde ist nach §§ 83 Abs. 1 S. 5, 81 Abs. 3 S. 3 und
Abs. 4 S. 1 GNotKG nicht statthaft.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

19.05.2021

Aktenzeichen:

10 W 6/21

Rechtsgebiete:

Kostenrecht
Landwirtschaftserbrecht (insbes. Höferecht)

Normen in Titel:

GNotKG §§ 48 Abs. 1 S. 1, 60 Abs. 1; HöfeVfO § 16; HöfeO §§ 16, 17