Immobilienmaklervertrag; Reservierungsgebühr als unangemessene Benachteiligung
letzte Aktualisierung: 5.6.2023
BGH, Urt. v. 20.4.2023 – I ZR 113/22
BGB §§ 307, 652
Immobilienmaklervertrag; Reservierungsgebühr als unangemessene Benachteiligung
a) Ein im Nachgang zu einem bereits bestehenden Immobilienmaklervertrag geschlossener Reservierungsvertrag
stellt eine der uneingeschränkten AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegende
Nebenabrede zum Maklervertrag dar, wenn zwischen den beiden in Form Allgemeiner
Geschäftsbedingungen geschlossenen Verträgen eine unmittelbare Verbindung besteht und die
Verpflichtung zum exklusiven Vorhalten der Immobilie deshalb als maklerrechtliche Zusatzleistung
anzusehen ist (Fortentwicklung von BGH, Urteil vom 23. September 2010 – III ZR 21/10, NJW
2010, 3568 [juris Rn. 10]).
b) Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Verpflichtung eines Maklerkunden zur
Zahlung einer Reservierungsgebühr für das zeitlich begrenzte exklusive Vorhalten einer Immobilie
zu seinen Gunsten stellt eine unangemessene Benachteiligung des Kunden im Sinne von § 307
Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB dar, wenn die Rückzahlung der Reservierungsgebühr ausnahmslos
ausgeschlossen ist und sich aus der Reservierungsvereinbarung für den Kunden weder nennenswerte
Vorteile ergeben noch seitens des Immobilienmaklers eine geldwerte Gegenleistung zu erbringen ist
(Bestätigung von BGH, Urteil vom 23. September 2010 – III ZR 21/10,
Rn. 11 bis 17]).
Entscheidungsgründe:
A. Das Berufungsgericht hat gemeint, den Klägern stehe kein Anspruch
auf Rückzahlung der Reservierungsgebühr zu. Dazu hat es ausgeführt:
Die Vereinbarung über die Zahlung eines Reservierungsentgelts sei
wirksam. Eine Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB komme nicht
in Betracht, weil es sich bei der Reservierungsvereinbarung nicht um eine
Nebenabrede zum Maklervertrag handele, sondern um eine eigenständige Vereinbarung
mit nicht nach
Die Reservierungsvereinbarung habe auch keiner notariellen Beurkundung bedurft.
Insbesondere sei eine entsprechende Anwendung von § 311b Abs. 1
Satz 1 BGB nicht geboten. Es sei weder eine dem Vorkaufsrecht gleichkommende
Verkaufsverpflichtung begründet noch ein unangemessener Druck auf die
Willensfreiheit der Kaufinteressenten ausgeübt worden. Ein solcher unangemessener
Druck werde angenommen, wenn ein Reservierungsentgelt von 10 bis
15 % des marktüblichen Maklerlohns vereinbart worden sei. Diese Schwelle sei
nicht überschritten, weil die Kläger verpflichtet gewesen seien, für die Reservierung
14,37 % des Kaufpreises zu bezahlen. Es bestehe kein Anlass, für einen
nicht-gewerblichen Käufer eine andere Schwelle anzusetzen als für einen
gewerblichen Händler. Auch im privaten Bereich sei die Möglichkeit, vor anderen
Kunden das Objekt zu erwerben, ein handfester Vorteil, den sich der Makler, der
ein Interesse an einem zügigen Abschluss der Verhandlungen habe, bezahlen
lassen dürfe. Einen Nachweis, dass die Parteien die Reservierungsvereinbarung
nachträglich einvernehmlich aufgehoben hätten, hätten die Kläger nicht erbracht.
B. Die hiergegen gerichtete zulässige Revision der Kläger hat Erfolg und
führt zur Verurteilung der Beklagten im von den Klägern beantragten Umfang.
I. Die Zulassung der Revision durch den Einzelrichter führt nicht wegen
eines Verstoßes gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101
Abs. 1 Satz 2 GG zu einer Aufhebung des Berufungsurteils. Im Berufungsverfahren
ist der Einzelrichter der gesetzlich zur Entscheidung berufene
Richter, wenn das vollbesetzte Berufungsgericht ihm die Sache zur Entscheidung
übertragen hat und kein Rückübertragungsgrund nach § 526 Abs. 2 Nr. 1 ZPO
vorliegt. Dies gilt auch dann, wenn das Kollegium die grundsätzliche Bedeutung
der Sache abweichend von ihm beurteilt hat. Der Einzelrichter kann auch ohne
Verfahrensverstoß die Revision zulassen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2013
- VI ZR 290/11,
- VII ZR 297/21 [juris Rn. 12], jeweils mwN).
II. Der Reservierungsvertrag ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2
Nr. 1 BGB unwirksam, weshalb den Klägern ein Anspruch auf Rückzahlung der
ohne Rechtsgrund geleisteten Reservierungsgebühr aus § 812 Abs. 1 Satz 1
Fall 1 BGB sowie der geltend gemachte Zinsanspruch aus § 286 Abs. 2 Nr. 3,
1. Der Reservierungsvertrag benachteiligt die Kaufinteressenten entgegen
den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher nach § 307
Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts unterliegt der Reservierungsvertrag
der Inhaltskontrolle nach
aa) Die Vorinstanzen haben ihren Rechtsausführungen zugrunde gelegt,
dass es sich bei dem Reservierungsvertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen
handelt, also um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen,
die die Beklagte als Verwenderin den Klägern als der anderen
Partei im Sinne von
Rechtsfehler erkennen. Zwar fehlt es an dem durch einseitige Ausnutzung der
Vertragsgestaltungsfreiheit einer Vertragspartei zum Ausdruck kommenden
Stellen vorformulierter Vertragsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1
BGB, wenn deren Einbeziehung sich als Ergebnis einer freien Entscheidung
desjenigen darstellt, der mit dem Verwendungsvorschlag konfrontiert wird
(vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 - VIII ZR 26/15,
Rn. 25]; Urteil vom 13. März 2018 - XI ZR 291/16,
Rn. 20]). Erforderlich ist hierfür allerdings, dass diese Vertragspartei - wenn
schon keine Möglichkeit besteht, auf die inhaltliche Gestaltung des Formulartextes
Einfluss zu nehmen - in der Auswahl der in Betracht kommenden
Vertragstexte frei ist und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene
Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen
einzubringen (st. Rspr.; vgl. BGH,
Urteil vom 15. Februar 2017 - IV ZR 91/16,
agieren konnten, ist nicht festgestellt und wird von der Beklagten auch nicht
behauptet.
bb) Die Ansicht des Berufungsgerichts, bei dem Reservierungsvertrag
handele es sich um eine vom Maklervertrag zu trennende eigenständige Vereinbarung
mit nicht nach
allerdings nicht zu.
(1) Gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB gelten die Vorschriften über die
Inhaltskontrolle nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen,
durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen
vereinbart werden. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen durch die
AGB-rechtliche Inhaltskontrolle weder eine Kontrolle der Preise oder Leistungsangebote
ermöglicht noch Vorschriften anderer Gesetze modifiziert werden (vgl.
Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Rechts
der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, BT-Drucks. 7/3919, S. 22). Somit findet
eine Inhaltskontrolle hinsichtlich solcher Abreden nicht statt, die Art, Umfang und
Güte der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu bezahlenden Vergütung
unmittelbar regeln (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 5. Oktober 2017
- III ZR 56/17,
- III ZR 169/20,
- I ZR 214/20,
Frank, jeweils mwN). Nach dem im Bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der
Privatautonomie ist es vielmehr den Vertragsparteien im Allgemeinen freigestellt,
Leistung und Gegenleistung zu bestimmen; mangels gesetzlicher Vorgaben fehlt
es insoweit regelmäßig auch an einem Kontrollmaßstab. Die Freistellung von der
Inhaltskontrolle gilt jedoch nur für Abreden über den unmittelbaren Leistungsgegenstand,
während Regelungen, die die Leistungspflicht der Parteien einschränken,
verändern, ausgestalten oder modifizieren, inhaltlich zu kontrollieren
sind (BGH,
- Dr. Stefan Frank, mwN).
(2) Welche Pflichten das Wesen des Vertrags charakterisieren und damit
Hauptleistungspflichten sind, ist durch Auslegung der betroffenen Vereinbarungen
der Parteien zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2012
- XI ZR 500/11,
Rn. 25];
seiner Entscheidung zugrunde gelegte Klauselverständnis unterliegt
dabei der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung (st. Rspr.;
vgl.
- I ZR 104/17,
jeweils mwN). Im Unterschied zu individuellen Vertragsbestimmungen sind Allgemeine
Geschäftsbedingungen objektiv ohne Berücksichtigung der Umstände
des Einzelfalls und des Willens der konkreten Parteien auszulegen. Besondere
Bedeutung kommt daher dem Wortlaut einer Klausel und seinem Verständnis
durch die typischerweise beteiligten redlichen Verkehrskreise unter Berücksichtigung
von deren Interessen zu (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2013
- I ZR 156/12, TranspR 2014, 146 [juris Rn. 24 f.]; BGH,
[juris Rn. 41] - Museumsfotos, jeweils mwN).
(3) Hiervon ausgehend kann der Reservierungsvertrag im Rahmen der
ABG-rechtlichen Inhaltskontrolle nicht als eine gegenüber dem Maklervertrag
eigenständige Vereinbarung angesehen werden; vielmehr handelt es sich dabei
um eine den Maklervertrag ergänzende Regelung.
Die Beauftragung der beklagten Maklerin durch die Kläger diente dem
Zweck, den Klägern eine Möglichkeit zum Abschluss eines Immobilienkaufvertrags
nachzuweisen. Diese Maklerleistung stellt die eigentliche Hauptleistung
der Beklagten dar. Im Verhältnis dazu erweist sich die von den Parteien ebenfalls
getroffene Reservierungsvereinbarung als bloße Nebenabrede (zu vergleichbaren
Konstellationen vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2010 - III ZR 21/10,
Rn. 12 f.]; Christensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 13. Aufl.,
Maklerverträge Rn. 11; Fehr/Wichert,
3287, 3290; anders KG, Grundeigentum 2018, 122 [juris Rn. 15]; BeckOK.BGB/
Kneller, 64. Edition [Stand 1. November 2022], § 652 Rn. 12; von Rintelen, IMR
2018, 37; zu einer Reservierungsvereinbarung im Zusammenhang mit einem
Franchise-Investment vgl. auch OLG Frankfurt, ZVertriebsR 2016, 313 [juris
Rn. 35 f.]). Dass zwischen dem Maklervertrag und dem Reservierungsvertrag
eine unmittelbare Verbindung besteht und es sich bei der Reservierungsvereinbarung
im Verhältnis zum Maklervertrag um eine unselbständige
Nebenabrede handelt, wird im Streitfall unter anderem daraus deutlich, dass die
Parteien im Eingang des Reservierungsvertrags als "Makler" und "Kaufinteressent"
bezeichnet werden. In dem Reservierungsvertrag ist außerdem
festgehalten, dass der Kaufinteressent mit der Reservierungsgebühr eine
bestimmte Verpflichtung des Maklers (nämlich diejenige zu einem exklusiven
Vorhalten der Immobilie) honoriert. Die Vereinbarung einer solchen Verpflichtung
erscheint ohne einen ebenfalls von den Parteien geschlossenen Maklervertrag
nicht sinnvoll möglich. Dass es sich bei ihr um eine maklerrechtliche Zusatz-
leistung handelt, folgt außerdem nicht zuletzt daraus, dass die Reservierungsgebühr
auf die Maklerprovision angerechnet werden soll (vgl. Fischer, NJW
2018, 3287, 3290).
Dem steht nicht entgegen, dass der - auch als solcher bezeichnete -
Reservierungsvertrag nicht "räumlich" in den Maklervertrag aufgenommen, sondern
in Form eines eigenständigen Vertragsdokuments geschlossen wurde
(vgl. Christensen in Ulmer/Brandner/Hensen aaO Maklerverträge Rn. 11; Fehr/
Wichert,
BGH, Urteil vom 10. Februar 1988 - IVa ZR 268/86,
aA wohl KG, Grundeigentum 2018, 122 [juris Rn. 15]). Ebenso wenig ist von
ausschlaggebender Bedeutung, dass die Reservierungsvereinbarung dreizehn
Monate später als der Maklervertrag zustande kam. Eine allein auf diese
formalen Kriterien abstellende Betrachtungsweise ermöglichte es Maklern,
Reservierungsvereinbarungen allein durch die Wahl der Vertragsgestaltung der
AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle zu entziehen.
Anders als die Revisionserwiderung geltend macht, kommt es für die
Frage, ob der Reservierungsvertrag gegenüber dem Maklervertrag als eine
eigenständige Vereinbarung anzusehen ist, schließlich auch nicht darauf an, ob
es der freien Entscheidung der Kaufinteressenten unterlag, sich für oder gegen
dessen Abschluss zu entscheiden. Soweit das Urteil des Bundesgerichtshofs
vom 10. Februar 1988 (
zulassen sollte, hält der Senat hieran nicht fest.
b) Der Reservierungsvertrag hält der Inhaltskontrolle nicht stand, weil er
die Kaufinteressenten im Sinne von
benachteiligt.
aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders
entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Nach
Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken
der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist
(Nr. 1) oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des
Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks
gefährdet ist (Nr. 2).
Voraussetzung ist zunächst eine Benachteiligung des Vertragspartners
von einigem Gewicht (BGH, Urteil vom 6. November 2013 - KZR 58/11,
[juris Rn. 49] - Museumsfotos; BGH, Urteil vom 29. April 2021 - I ZR 193/20,
Architekten). Eine solche Benachteiligung ist im Sinne von
wenn der Verwender durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich
eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen
versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen
und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Das Vorliegen
dieser Voraussetzungen ist mittels einer umfassenden Würdigung der Art des
konkreten Vertrags, der typischen Interessen der Vertragschließenden und der
die jeweilige Klausel begleitenden Regelung zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. BGH,
- Zugangsrecht des Architekten, jeweils mwN).
bb) Die danach gebotene Interessenabwägung führt im Streitfall zur
Annahme einer unangemessenen Benachteiligung der Kaufinteressenten. Die
Pflicht zur Zahlung der Reservierungsgebühr und der ausnahmslose Ausschluss
der Rückzahlung dieser Gebühr bei Nichtzustandekommen des Kaufvertrags
gehen über die Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beklagten hinaus (vgl.
BGH,
[juris Rn. 21]). Es gehört im Vertragsrecht allgemein zu den wesentlichen Grundgedanken
der gesetzlichen Regelung, dass bei der Abwicklung gegenseitiger
Verträge auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung angemessen
Rücksicht zu nehmen ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 1981 - I ZR 201/79,
2162 [juris Rn. 31]; BGH,
durch den streitgegenständlichen Reservierungsvertrag nicht ausreichend
beachtet.
(1) Der Reservierungsvertrag stellt letztlich den Versuch der Beklagten
dar, sich für den Fall des Scheiterns ihrer Vermittlungsbemühungen gleichwohl
eine Vergütung zu sichern, ohne dass gewährleistet ist, dass sich für die Kunden
aus dieser entgeltpflichtigen Reservierungsvereinbarung nennenswerte Vorteile
ergeben oder seitens der Beklagten eine geldwerte Gegenleistung zu erbringen
ist (vgl. BGH,
9. Aufl., § 307 Rn. 206; BeckOK.BGB/Kneller aaO § 652 Rn. 53).
(2) Zwar ist das Versprechen der Beklagten, die Immobilie nicht mehr
anderweitig anzubieten, für die Kaufinteressenten von einem gewissen Interesse.
Allerdings lässt dieses Versprechen das Recht der Verkaufsinteressentin unberührt,
ihre Verkaufsabsichten aufzugeben oder das Objekt ohne Einschaltung der
Beklagten an Dritte zu veräußern. Die Kaufinteressenten haben damit einen nicht
unerheblichen Betrag bezahlt, ohne im Gegenzug die Gewähr zu haben, das
fragliche Objekt auch erwerben zu können. Der Nutzen der Vereinbarung für den
Kunden ist mithin sehr eingeschränkt. Dieser allenfalls geringe Vorteil wird aus
Sicht des Kunden weiter dadurch gemindert, dass die Zahlung eines derartigen
Entgelts regelmäßig geeignet ist, Einfluss auf seine wirtschaftliche Dispositionsfreiheit
im Sinne der Förderung des Kaufentschlusses zu nehmen, um nicht die
bereits erfolgte Zahlung verfallen zu lassen, sondern im Wege der Verrechnung
mit dem Kaufpreis verwerten zu können (vgl. BGH,
[juris Rn. 15]).
(3) Demgegenüber erbringt die Beklagte durch die zugesagte Reservierung
keine relevante Gegenleistung in Form eines Verzichts. Hiervon könnte
allenfalls dann gesprochen werden, wenn die Zeitdauer der Reservierung so lang
wäre, dass die Gefahr, die Immobilie nicht mehr anderweitig zu dem ins Auge
gefassten Kaufpreis veräußern zu können, nennenswert erhöht wäre. Davon
kann angesichts der im Streitfall zunächst nur für einen Monat vereinbarten
Reservierung keine Rede sein. Hinzu kommt, dass die Reservierungsgebühr
nach der geschlossenen Vereinbarung auch dann nicht zurückgefordert werden
kann, wenn der Kaufinteressent so kurz nach Unterzeichnung der Vereinbarung
seine Kaufabsicht aufgibt, dass es faktisch ausgeschlossen ist, in der Zwischenzeit
einen anderen (aufgrund der Reservierungsvereinbarung zurückzuweisenden)
Kaufinteressenten zu finden (vgl. BGH,
(4) Auch sonst ist keine im Rahmen der Interessenabwägung erheblich ins
Gewicht fallende Gegenleistung der Beklagten zu erkennen. Anders als die
Beklagte mit der Revisionserwiderung geltend macht, hat sie sich in der Reservierungsvereinbarung
insbesondere nicht dazu verpflichtet, die Kläger bei ihren
Bemühungen um eine Finanzierung des Immobilienerwerbs zu unterstützen.
Etwas Anderes folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte tatsächlich in dieser
Hinsicht tätig geworden ist, indem sie den Klägern vorgeschlagen hat, eine
andere als die bislang von ihnen kontaktierte Bank zu wählen. Es kann daher
offenbleiben, ob in einer entsprechenden - hier nicht gegebenen - vertraglichen
Verpflichtung ein relevantes, über die üblichen Pflichten des Immobilienmaklers
hinausgehendes Entgegenkommen zu sehen sein könnte.
(5) Die einseitige Berücksichtigung der Interessen der Beklagten wird noch
dadurch verstärkt, dass ein Anspruch auf Rückerstattung des gezahlten Reservierungsentgelts
nach der getroffenen Vereinbarung auch dann ausgeschlossen
ist, wenn die Kaufinteressenten das Nichtzustandekommen eines Vertragsschlusses
nicht zu vertreten haben, sondern die Beklagte selbst oder ein Dritter
für das Scheitern des Kaufs verantwortlich ist (vgl. BGH,
[juris Rn. 17]).
cc) Der Reservierungsvertrag widerspricht darüber hinaus auch deshalb
im Sinne des
Regelung, weil die Kaufinteressenten der Beklagten das Reservierungsentgelt
unabhängig davon schulden, ob sie die Immobilie später erwerben. Nach dem
Zweck des Reservierungsvertrags und seinen wirtschaftlichen Auswirkungen
kommt dies der Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen (Teil-)Provision gleich
(vgl.
zugunsten von Maklern nach allgemeiner Ansicht unwirksam ist
(zum Maklervertrag im Allgemeinen vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1974
- IV ZR 89/73,
- IVa ZR 173/85,
- I ZR 169/19,
vgl.
1209; MünchKomm.BGB/Althammer, 9. Aufl., § 652 Rn. 81; BeckOK.BGB/
Kneller aaO § 652 Rn. 53; Lehmann-Richter in Graf von Westphalen/Thüsing,
Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 48. EL März 2022, Maklervertrag Rn. 30;
Jauerning/Mansel, BGB, 18. Aufl., § 652 Rn. 29; MünchKomm.BGB/Wurmnest
aaO § 307 Rn. 206).
2. Aufgrund der Unwirksamkeit des Reservierungsvertrags nach § 307
Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB kann offenbleiben, ob er darüber hinaus auch
formunwirksam (
Satz 1 BGB). Es bedarf ebenso keiner Entscheidung, ob der Reservierungsvertrag
- wie die Revision meint - nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist (vgl. dazu
Feststellungen zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen der
Sittenwidrigkeit, weil sich die Vorinstanzen mit einer möglichen Unwirksamkeit
nach § 138 Abs. 1 BGB nicht befasst haben.
C. Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben und der Klage stattzugeben
(§ 562 Abs. 1). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die
Sache nach den getroffenen Feststellungen zur Endentscheidung reif ist (§ 563
Abs. 3 ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:20.04.2023
Aktenzeichen:I ZR 113/22
Rechtsgebiete:
Unternehmenskauf
Maklervertrag
Allgemeines Schuldrecht
AGB, Verbraucherschutz
Beurkundungserfordernis
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BGB §§ 307, 652