Ablösung einer vorrangigen Grundschuld durch nachrangigen Gläubiger nur gegen Zahlung des vollen Nennbetrages
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Dokumentnummer: 10522
letzte Aktualisierung: 21.06.2005
BGH, 11.05.2005 - IV ZR 279/04
Ablösung einer vorrangigen Grundschuld durch nachrangigen Gläubiger nur gegen
Zahlung des vollen Nennbetrages
Macht der nachrangige Grundschuldgläubiger von seinem gesetzlichen Ablösungsrecht
Gebrauch, muß er den vorrangigen Grundschuldgläubiger selbst dann in voller Höhe des
dinglichen Rechts befriedigen, wenn eine entsprechende persönliche Forderung, deren Sicherung das vorrangige Grundpfandrecht dient, nicht besteht. Erzielt der vorrangige Grundschuldgläubiger aufgrund der Ablösung des dinglichen Rechts einen Übererlös, findet zwischen den beiden Grundschuldgläubigern kein bereicherungsrechtlicher Ausgleich statt.
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus ungerechtfertigter Bereicherung in Anspruch.
Die Beklagte gewährte den Eheleuten M. (im folgenden: Schuldner) ein Darlehen über
208.000 DM. Zu dessen Absicherung und zur Sicherung aller weiteren Verbindlichkeiten aus
ihrer Geschäftsbeziehung zur Beklagten hatten die Schuldner dieser eine in Abteilung III
Nr. 6 eingetragene Buchgrundschuld bestellt. Als nachrangige Belastungen waren Buchgrundschulden für die Klägerin (Abteilung III Nr. 9) und für die D. Bank (Abteilung III Nr. 8) eingetragen; an letztere hatten die Schuldner ihre Ansprüche auf Rückübertragung vor- und gleichrangiger Grundschulden oder Grundschuldteile sowie ihre Ansprüche auf
Auskehrung des Übererlöses im Verwertungsfall abgetreten. Die Grundschuld und die von
den Schuldnern erworbenen Ansprüche trat die D. Bank ihrerseits an die Stadtsparkasse
D. ab.
Nachfolgend betrieb die Beklagte aus ihrer Sicherungsgrundschuld die Zwangsversteigerung
in das Grundstück der Schuldner; die nachrangigen Grundschulden fanden bei der Feststellung des geringsten Gebots keine Berücksichtigung. Im Versteigerungstermin blieb die Klägerin Meistbietende. Zur Abwendung der Versteigerung zahlte sie den Betrag, der zur Befriedigung der Beklagten als bestrangiger betreibender Gläubigerin und zur Deckung der Kosten
erforderlich war. Das Vollstreckungsgericht versagte daraufhin den Zuschlag auf das von der
Klägerin abgegebene Meistgebot. Die Beklagte trat ihre persönliche Forderung gegen die
Schuldner an die Klägerin ab und übersandte ihr neben der vollstreckbaren Ausfertigung der
Grundschuldbestellungsurkunde einen Jahresauszug für das bei ihr geführte Darlehenskonto.
Aus diesem Kontoauszug ergab sich nach Tilgung der persönlichen Forderung ein aus der
-2Vollstreckung erzielter Übererlös von 82.389,89 DM (42.125,28 €), den die Beklagte aufgrund der ihr offengelegten Abtretungen an die Stadtsparkasse D.
auszahlte.
Die Klägerin hat sowohl Anspruch auf den Übererlös erhoben als auch eine nachvollziehbare
Abrechnung des Darlehenskontos verlangt. Das Landgericht hat ihre darauf gerichtete Klage
abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin die nötigen Auskünfte über die an sie abgetretene Darlehensforderung zu erteilen (
(
soweit der Klägerin dem Grunde nach ein bereicherungsrechtlicher Anspruch zuerkannt worden ist; die weitergehende Nichtzulassungsbeschwerde hat er als unzulässig verworfen (§ 26
Nr. 8 EGZPO).
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel der Beklagten hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Vorschrift des
unmittelbar oder entsprechend zur Anwendung. Sie erweitere den Bereicherungsausgleich auf
solche Leistungen, für welche zwar ein Rechtsgrund bestehe, der Leistende aber dennoch keine Gegenleistung erhalte, weil dem erworbenen Recht, zu dessen Befriedigung er die Leistung erbracht habe, eine Einrede entgegenstehe, welche die Durchsetzung des Rechts auf
Dauer verhindere. Die Klägerin habe die Grundschuld nach
268 BGB abgelöst. Dazu habe sie eine Zahlung erbringen müssen, die u.a. den nominalen
Kapitalbetrag der Grundschuld beinhaltet habe; tatsächlich habe die Grundschuld aber nicht
mehr in voller Höhe valutiert. Dieser Umstand könne dem auf die Klägerin kraft Gesetzes
übergegangenen dinglichen Recht einredeweise entgegengehalten werden. Ein gutgläubig
einredefreier Erwerb durch die Klägerin scheide aus, weil die §§ 1157 Satz 2, 1192 Abs. 1,
892 BGB nur für den Fall des rechtsgeschäftlichen Erwerbs einer Grundschuld zur Anwendung kämen. Die Klägerin als die Grundschuld ablösende Dritte dürfe indes nicht schlechter
stehen als ein das dingliche Recht ablösender Grundstückseigentümer, der entsprechende
Rechte aus dem Sicherungsvertrag ableiten könne. Auf
nicht berufen, weil sie Kenntnis davon gehabt habe, daß die Grundschuld einredebehaftet sei.
Der Anspruch der Klägerin auf Auszahlung des Übererlöses sei daher dem Grunde nach gerechtfertigt, auch wenn es - weil die Grundschuld noch nicht verwertet worden sei - einen
solchen bislang noch nicht gebe. Vielmehr gehe es um den bereicherungsrechtlichen Ausgleich zwischen zwei Berechtigten an einer fortbestehenden Grundschuld.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Klägerin steht ein Anspruch aus
1. Die Vorschriften der §§ 1150, 1192 Abs. 1 i.V.m.
Grundpfandgläubiger die Möglichkeit, den Verlust seines Rechts am Grundstück, der ihm aus
dem Befriedigungsverlangen eines vorrangigen Grundpfandgläubigers droht, abzuwenden.
Die danach zur Ablösung der in Abteilung III Nr. 6 eingetragenen Grundschuld berechtigte
Klägerin mußte die Beklagte in der vollen Höhe des dinglichen Rechts befriedigen (vgl.
Zwangsversteigerung abgelöst, folgt aus
Zwangsversteigerung anordnenden Beschluß ersichtlichen Beträge an Hauptschuld, Zinsen
und Kosten umfassen muß. Eine geringere Zahlung hat das Vollstreckungsgericht zurückzuweisen; die erstrebte Abwendung der Zwangsversteigerung kann durch sie nicht bewirkt werden (Stöber, ZVG 17. Aufl. § 75 Rdn. 2.4).
2. Allerdings ist der Beklagten ein Betrag zugeflossen, der ihr angesichts der durch die
Grundschuld besicherten persönlichen Forderung schuldrechtlich nicht in dieser Höhe zustand. Das berechtigt die Klägerin indes nicht, die nach den §§ 1150, 1192 Abs. 1 i.V.m.
Abs. 1 BGB liegen in ihrem Verhältnis zur Beklagten nicht vor. Die vom Berufungsgericht in
diesem Zusammenhang zur Stütze seiner Auffassung herangezogenen Fundstellen aus der
Kommentarliteratur sind von vornherein nicht einschlägig, weil sie sich zum Ablösungsrecht
eines Dritten nicht verhalten (vgl. RGRK-BGB/Heimann-Trosien 12. Aufl. § 813 Rdn. 10;
RGRK-BGB/Joswig 12. Aufl. § 1191 Rdn. 60). Das gleiche gilt für die vom Berufungsgericht
angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. November 1986 (V ZR 257/85
a) Der Anspruch auf Auskehrung des Übererlöses gebührte allein den Schuldnern und Eigentümern des Grundstücks. Diese hatten in ihrer Eigenschaft als Sicherungsgeber auf Grundlage
des mit der Beklagten geschlossenen Sicherungsvertrages einen Anspruch auf Rückgewähr
des nicht valutierenden Teils der Grundschuld, den die Beklagte nicht mehr erfüllen konnte,
weil die Grundschuld kraft Gesetzes auf die Klägerin übergangen war. An dessen Stelle trat
ein Anspruch auf den entsprechenden Teil des Erlöses als Ausgleich für die über den Sicherungszweck hinausgehende dingliche Belastung des Grundstücks (Senat in
67; BGH, Urteile vom 12. Dezember 1985 - IX ZR 15/85 -
19. Oktober 1988 - IVb ZR 70/87 -
in der Zwangsversteigerung). Dem ist die Beklagte durch Weiterleitung eines Betrages von
42.125,28 € an die Stadtsparkasse D.
als Zessionarin nachgekommen. Entgegen der
Ansicht des Berufungsgerichts ist der erzielte Übererlös auch auf eine Verwertung der Grundschuld zurückzuführen. Die Beklagte als Sicherungsnehmerin hat, nachdem auf die Darlehensforderung keine Zahlungen erfolgten, auf die Grundschuld als Sicherheit zurückgegriffen
und diese zu ihrer Befriedigung eingesetzt. Es ist weder erforderlich, daß eine Verwertung im
Wege der Zwangsversteigerung erfolgt, noch ist das weitere rechtliche Schicksal der Grundschuld entscheidend. Anders als das Berufungsgericht meint, gibt es auch keine zwei Berechtigten an der Grundschuld, die sich bereicherungsrechtlich auseinanderzusetzen hätten. Die
Grundschuld ist auf die Klägerin übergegangen; die Beklagte hat ihre Stellung als Grundschuldgläubigerin dadurch verloren.
b) Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, daß die Klägerin eine mit einer dauernden Einrede
aus dem Sicherungsvertrag behaftete Grundschuld erworben hat (
Beim Übergang einer Grundschuld kraft Gesetzes auf einen ablösungsberechtigten Dritten
wird der gute Glaube des Erwerbers an die Einredefreiheit nicht geschützt. Nach dem klaren
Wortlaut der für die Hypothek geltenden Vorschrift des
ausnimmt, nicht der Fall. Beim Übergang eines Grundpfandrechts kraft Gesetzes ist ein Vertrauen des Ablösenden, der bisherige Gläubiger werde ihn zuvor über bestehende Einreden in
Kenntnis setzen, nicht gerechtfertigt, zumal der bisherige Gläubiger das dingliche Recht regelmäßig ohne sein Zutun verliert (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1985 aaO unter 3 b
a.E.; ferner unter ausführlicher Auseinandersetzung mit kritischen Stimmen aus der Literatur
BGH, Urteil vom 24. September 1996 - XI ZR 227/95 -
deshalb dahinstehen, ob die Vorschrift des
auf Grundschulden Anwendung findet (vgl. BGHZ aaO 66).
c) Dem Berufungsgericht ist nicht darin zu folgen, daß die Klägerin als die Grundschuld ablösende Dritte nicht schlechter stehen darf als der ablösende Grundstückseigentümer, dem eine
entsprechende Einrede aus dem Sicherungsvertrag zusteht, sollte die Grundschuld nicht mehr
in voller Höhe valutieren. Das verkennt die unterschiedliche Ausgangslage bei Ablösung der
Grundschuld. Anders als der Eigentümer ist der Dritte am Sicherungsvertrag, aus dem sich die
Einrede ableitet, nicht beteiligt. Er nimmt bei Ablösung des dinglichen Rechts auch keine
Interessen des Eigentümers wahr, sondern verfolgt eigene Belange. Zweck der §§ 1150, 1192
Abs. 1, 268 BGB und des
sondern aus sonstigem Vermögen - nämlich dem des nachrangigen Gläubigers - gezahlt wird.
Im Vordergrund steht der Erhalt des Haftungsgegenstandes zugunsten des rangschlechteren
Gläubigers, der zugleich die Gefahr abwenden möchte, mit seinem nachrangigen Grundpfandrecht auszufallen (vgl.
Rdn. 3). Daher wird ihm ein Ablösungsrecht zugebilligt, wobei es nicht darum geht, den Ablösungsberechtigten nicht schlechter zu stellen als den Eigentümer, sondern allein darum, den
Gläubiger des vorrangigen Rechts nicht schlechter zu stellen als bei einer Ablösung durch den
Eigentümer selbst. Hinzu treten die Besonderheiten des
Betrag der Grundschuld angemeldet worden, kann der Vollstreckungsgefahr nur durch Zahlung des gesamten Betrages begegnet werden. Daraus ergibt sich keine Situation, die die Anwendung des
3. Richtig ist nur, daß die Beklagte den ihre schuldrechtliche Forderung übersteigenden Verwertungserlös nicht behalten darf, weil sie als Gläubigerin auch nicht besser gestellt sein darf,
als habe sie den Ablösungsbetrag vom Eigentümer selbst erhalten. Folgerichtig hat die Beklagte einen Betrag von 42.125,28 € an die Stadtsparkasse D.
ausgekehrt. Durch
diese Zahlung hat sie ihren Verpflichtungen aus dem Sicherungsvertrag, auf die es in diesem
Zusammenhang allein ankommt, genügt. Die Klägerin ihrerseits muß sich mit den Sicherungsgebern auseinandersetzen. Dabei kommt eine Inanspruchnahme aus
in Betracht, weil die Sicherungsgeber auf Kosten der Klägerin bereichert sein können (vgl.
Jacoby AcP 203 (2003) 664, 682 f.). Denn ein überschüssiger Betrag, der aus der Verwertung
der Grundschuld resultiert, fließt den Sicherungsgebern entweder direkt zu oder - bei Abtretung - einem anderweitigen Gläubiger, der ihn zu ihren Gunsten zur Tilgung von Verbindlichkeiten einsetzt. Ferner kann die Klägerin gegen die Sicherungsgeber und Eigentümer des
belasteten Grundstücks aus der Grundschuld selbst vorgehen. Dabei wäre zu prüfen, ob den
anderen Partei des Sicherungsvertrages haben; dem ablösenden Dritten könnte dann nicht
zusätzlich die Einrede gemäß
Staudinger/Wolfsteiner [2002]
III. Die Kostenentscheidung beruht auf den
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:11.05.2005
Aktenzeichen:IV ZR 279/04
Rechtsgebiete:
Allgemeines Schuldrecht
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
Grundpfandrechte
DNotI-Report 2005, 110
DNotZ 2005, 850-852
NotBZ 2005, 255-257
Rpfleger 2005, 555-557
BGB §§ 1192, 1150, 268, 813; ZVG § 75