Nichteheliche Lebensgemeinschaft trotz fortbestehender Ehe
letzte Aktualisierung: 11.9.2023
OLG Karlsruhe, Urt. v. 7.2.2023 – 25 U 46/21
Nichteheliche Lebensgemeinschaft trotz fortbestehender Ehe
1. Eine fortbestehende Ehe schließt die Annahme einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit
einer neuen Partnerin nicht generell aus. Maßgebend ist vielmehr auch in dieser Konstellation eine
Gesamtschau aller Tatsachen, die darauf hinweisen, ob mit der neuen Partnerin eine
Lebensgemeinschaft besteht, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft
gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen
der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und
Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen.
2. Indizien für eine nichteheliche Lebensgemeinschaft im Sinne einer Verantwortungs- und
Einstehensgemeinschaft können u. a. die Erziehung eines gemeinsamen Kindes in einem gemeinsam
geführten Haushalt sowie die Verknüpfung der wechselseitigen wirtschaftlichen und beruflichen
Verhältnisse sein, die über die gesetzlichen Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungen zu
einer sozialen Absicherung führen.
Gründe
I.
Die Parteien, zwei Versicherungsunternehmen, streiten sich nach einem Verkehrsunfall
zwischen ihren jeweiligen versicherten Personen über den Eintritt eines Forderungsübergangs
nach § 116 Abs. 1 SGB X a.F.
Am 16.09.2016 beabsichtigte der zwischenzeitlich am 10.04.2019 verstorbene Herr T. mit
seinem bei der Klägerin haftpflichtversicherten Fahrzeug gemeinsam mit der Zeugin L., die bei
der Beklagten krankenversichert ist, eine Fahrt zu unternehmen. Während Herr T. mit
laufendem Motor vor dem Hausanwesen in B. wartete, setzte er mit seinem Fahrzeug zurück
und erfasste hierbei die sich dem Fahrzeug nähernde Zeugin L..
Die Zeugin L. wurde durch den Anstoß zu Boden geworfen. Sie erlitt hierdurch mehrere
schwere Verletzungen, insbesondere ein Schädelhirntrauma und einen Schädelbasisbruch. Sie
wurde mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus verbracht und in ein künstliches Koma
versetzt. In der Folge wurden verschiedene hochinvasive Behandlungen vorgenommen.
Aufgrund dieser Maßnahmen leistete die Beklagte als Krankenversicherer der Zeugin L.
insgesamt 71.208,97 €.
Diesen Betrag forderte sie gemäß § 116 SGB X a.F. aus vermeintlich übergegangenem Recht
von der Klägerin als Kfz-Haftpflichtversicherung des Herrn T. an und erhielt diesen auch von
der Klägerin mit Zahlung vom 03.01.2017 erstattet.
Mit Schreiben vom 29.08.2017 (Anlage BLD 2) machte die Klägerin gegenüber der Beklagten
geltend, dass sie den Betrag zu Unrecht geleistet habe, weil Herr T. und die Zeugin L. zum
Unfallzeitpunkt in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gelebt hätten, und forderte die
Beklagte bis zum 30.09.2017 auf, den Betrag zurückzuerstatten.
Nachdem die Beklagte auch auf ein Schreiben vom 24.01.2017 (Anlage BLD 3) nicht geleistet
hatte, beauftragte sie ihre Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Durchsetzung
ihrer Ansprüche (Anlage BLD 4).
Herr T. heiratete im Jahr 1975 die Zeugin Carola T.; aus der Ehe gingen zwei zwischenzeitlich
erwachsene gemeinsame Kinder hervor, die wiederum eigene Kinder haben.
Er betrieb bis zu seinem Tod am 10.04.2019 mit der Zeugin T. verschiedene Handelsfirmen, die
im Unfallzeitpunkt im Jahr 2016 ihren jeweiligen Sitz in B. hatten. In diesem Zusammenhang
führten die Eheleute bis zum Tod des Herrn T. gemeinsame Konten und veranlagten sich
steuerlich gemeinsam. Auch hatte Herr T. der Zeugin T. eine Generalvollmacht erteilt.
Die Zeugin L. hatte am 26.09.2004 den deutschen Staatsangehörigen Herrn L. geheiratet, von
dem sie aber mit Urteil des Amtsgerichts W. am 03.08.2010 (Anlage B 6) rechtskräftig
geschieden wurde.
Am 08.08.2009 brachte die Zeugin L. das Kind C. T. zur Welt, dessen Vater nach dem Auszug
aus dem Geburtseintrag Nr. G xxx des Standesamts der Stadt W. vom 29.11.2011 (AS. I 465)
Herr T. ist.
Die Zeugin L. war als Angestellte der von Herrn T. (zumindest mit-) betriebenen Handelsfirmen
M. Service GmbH (Zeitraum 2014 bis 2016) und M. Express GmbH (Zeitraum ab 2016)
sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Zum Unfallzeitpunkt war Herr T. polizeilich unter der Anschrift X 24 in B. gemeldet, während
die Zeugin L. polizeilich unter der Anschrift Y 2 in B. gemeldet war. Diese beiden Anschriften
wurden von Herrn T. bei der Unfallaufnahme auch gegenüber der Polizei angegeben und so auf
dem Unfallfragebogen erfasst.
Beide Grundstücke standen im Unfallzeitpunkt im Eigentum von Herrn T. und der Zeugin T..
Auch ihre gemeinsamen Handelsfirmen waren unter diesen Adressen gemeldet.
Nach dem Tod von Herrn T. trat die gesetzliche Erbfolge ein.
Die Klägerin hat gemeint, ihre Zahlung an die Beklagte sei ohne Rechtsgrund erfolgt, da Herr T.
und die Zeugin L. zum Unfallzeitpunkt bereits seit ca. neun Jahren eine nichteheliche
Lebensgemeinschaft gebildet hätten und deshalb das Familienprivileg des § 116 Abs. 6 SGB X
greife.
Die Klägerin hat behauptet, Herr T. und die Zeugin L. hätten im Unfallzeitpunkt bereits seit
drei Jahren mit ihrer gemeinsamen neunjährigen Tochter unter der Anschrift Y 2 in B. in einem
gemeinsamen Haushalt gelebt, eine Abmeldung des Herrn T. von seiner früheren Anschrift X
24 in B. sei lediglich aus Nachlässigkeit unterblieben. Herr T. und die Zeugin L. hätten beide
nach ihren Möglichkeiten wirtschaftlich zu der gemeinsamen Lebensführung beigetragen.
Von der nichtehelichen Lebensgemeinschaft habe die Klägerin erst am 12.06.2017 durch ein
Schreiben eines anwaltlichen Vertreters der Zeugin L. erfahren.
Die Klägerin hat beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 71,208,97 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 71.208,97 € seit dem 01.10.2017, hilfsweise seit dem
16.02.2018 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in
Höhe von 2.062,15 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 29.06.2018 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Im Wege der Widerklage hat die Beklagte weiter beantragt:
Es wird festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten sämtliche weiteren über die
bisherigen Zahlungen hinausgehenden Schäden zu ersetzen, die der Beklagten aus dem
Schadensereignis vom 16.09.2016 gegen 15:45 Uhr auf dem Anwesen Y 2, B., OT M., durch die
Verletzung der Frau L., Y 2, B., entstanden sind und noch entstehen werden.
Die Klägerin hat beantragt:
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Beklagte hat gemeint, dass zwischen Herrn T. und der Zeugin L. keine nichteheliche
Lebensgemeinschaft bestanden habe.
Entgegen der Behauptungen der Klägerin sei Herr T. nicht der biologische Vater der
neunjährigen Tochter der Zeugin L.. Herr T. habe zum Unfallzeitpunkt auch nicht im
Hausanwesen Y 2 in B. gewohnt, sondern gemeinsam mit der Zeugin T. und einer ehelichen
Tochter in der gemeinsamen ehelichen Wohnung im Hausanwesen X 24 in B., wo sich auch sein
Briefkasten befunden habe. Ein gemeinsames Wirtschaften mit der Zeugin L. habe nicht
vorgelegen.
Die Beklagte hat zudem die Ansicht vertreten, dass gegen eine nichteheliche
Lebensgemeinschaft auch die getrennte steuerliche Veranlagung und das Fehlen eines
gemeinsamen Kontos sprächen. Auch sei im Zeitpunkt des Ablebens von Herrn T. keine
Altersvorsorge für die Zeugin L. geschaffen gewesen, was ebenfalls gegen eine nichteheliche
Lebensgemeinschaft spreche.
Eine Anwendung des § 116 Abs. 6 SGB X a.F. sei auch deshalb ausgeschlossen, weil Herr T.
den Unfall vorsätzlich herbeigeführt habe, was sich aus den Umständen des Unfalls ergebe.
Außerdem sei eine Rückforderung der geleisteten Zahlungen gemäß § 814 BGB ausgeschlossen,
weil der Klägerin das Vorliegen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft bei Zahlung bekannt
gewesen sei.
Schließlich habe die Klägerin mit der Zahlung zugleich ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis
abgegeben und damit den Haftpflichtanspruch verbindlich anerkannt.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeuginnen T. und L..
Hinsichtlich ihrer Angaben wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vor dem
Landgericht vom 13.08.2020 (AS. I 471 ff.) und 30.10.2020 (AS. I 571 ff.) Bezug genommen.
Des Weiteren hat es die Verfahrensakte der Staatsanwaltschaft - Az.: xxx Js xxx/16 -
beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Feststellungen wird gem.
die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme eines Teils der Zinsforderung stattgegeben und
die Widerklage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Leistungen der Klägerin an die Beklagte ohne
Rechtsgrund erfolgt und daher gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zurück zu gewähren seien.
Schadensersatzansprüche der Zeugin L. gegen die Beklagte gem.
Abs. 1 SGB X a.F. analog nicht auf die Klägerin übergangen, weil zum Unfallzeitpunkt zwischen
Herrn T. und der Zeugin L. eine nichteheliche Lebensgemeinschaft bestanden habe und beide in
einer häuslichen Gemeinschaft gelebt hätten. Künftige Zahlungspflichten der Klägerin
gegenüber der Beklagten aus dem streitgegenständlichen Unfall würden deshalb ebenfalls
ausscheiden.
Dies stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Aus
den glaubhaften Angaben der Zeuginnen T. und L. ergebe sich, dass Herr T. bereits im Jahr
2008 eine Beziehung zu der Zeugin L. aufgenommen und diese im Juli 2008 seiner Ehefrau, der
Zeugin T., offenbart habe. Die Zeugin T. habe sich darauf hin von Herrn T. getrennt, sei nach
Österreich verzogen und nur noch selten in B. zu Besuch gewesen.
Die Zeugin L. und Herr T. hätten seit 2009 zusammen mit der gemeinsamen Tochter C. in
einem gemeinsamen Haushalt gelebt, und zwar zunächst in W. und später in dem Hausanwesen
Y 2 in B.. Die Wohnung habe aus einem großen Wohnzimmer, zwei Schlafzimmern, Küche und
Bad bestanden. Eines der Schlafzimmer habe die Tochter C. T. genutzt, das andere
Schlafzimmer hätten Herr T. und die Zeugin L. gemeinsam genutzt. Herr T. und die Zeugin L.
hätten ihre Tochter gemeinsam erzogen und die Ausgaben für den Haushalt gemeinsam aus
ihrem jeweiligen Einkommen bestritten.
Insgesamt habe sich das damalige Verhältnis zwischen Herrn T. und der Zeugin L. als
Lebensgemeinschaft dargestellt, die sich von einer Ehe nur durch die fehlende rechtliche
Bindung unterschieden habe. Dem stehe der rein formale Fortbestand der Ehe zwischen Herrn
T. und der Zeugin T. nicht entgegen, da zwischen ihnen seit der Trennung im Jahr 2008 keine
Lebensgemeinschaft mehr bestanden habe.
Die von der Beklagten behaupteten Unstimmigkeiten hinsichtlich der Klingel- und
Briefkastenschilder an den Anschriften Y 2 und X 24 in B. gäben ebenso wenig wie die
unterschiedlichen Meldeadressen Aufschluss über die tatsächlichen Wohn- und Lebensumstände
des Herrn T. und der Zeugin L.. Da beide Anwesen ausweislich des von der Beklagten
vorgelegten Luftbildes in fußläufiger Entfernung lägen, sei es unproblematisch, wenn die Post
teilweise an die eine, teilweise an die andere Anschrift gesendet worden sei. Es habe auch keine
zwingende Notwendigkeit bestanden, dass Herr T. seine Meldeadresse habe ändern müssen.
Für die Annahme einer vorsätzlichen Herbeiführung des Unfalls würden jegliche Anhaltspunkte
fehlen, der dahingehende Vortrag der Beklagten erfolge ins Blaue hinein und sei in sich
widersprüchlich, wenn in dem Schriftsatz vom 04.01.2019 von der Beklagten auf Seite 6 oben
mitgeteilt werde, dass auch sie von einem fahrlässigen Ereignis ausgehe. Um einen Fall des
zulässigen Haupt- und Hilfsvorbringens handele es sich insoweit gerade nicht. Letztlich ergäben
sich aber auch aus der beigezogenen Verfahrensakte der Staatsanwaltschaft keine konkreten
Anhaltspunkte für eine solche Annahme.
Ein Ausschluss der Forderung der Klägerin nach § 814 BGB scheide aus, da die Beklagte eine
positive Kenntnis der Klägerin von dem Nichtbestehen einer Zahlungspflicht nicht
nachgewiesen habe.
Schließlich liege in der Zahlung der Klägerin auch kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, das
einen Rückforderungsanspruch ausschließen könnte.
Gegen das ihr am 21.12.2020 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 30.12.2020
eingegangenen Berufung, die innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist am 18.03.2021
begründet worden ist.
Die Beklagte rügt, das Landgericht habe zu Unrecht das Vorliegen einer nichtehelichen
Lebensgemeinschaft zwischen Herrn T. und der Zeugin L. angenommen.
Das Landgericht habe bei seiner Beurteilung nicht ausreichend berücksichtigt, dass Herr T. und
die Zeugin L. über kein gemeinsames Konto verfügt hätten und keine gemeinsame steuerliche
Veranlagung stattgefunden habe. Auch die Tatsachen, dass Herr T. die Zeugin L. weder im
Rahmen eines Testaments als Erbin eingesetzt habe, noch sie in sonstiger Weise wirtschaftlich
über seinen Tod hinaus abgesichert habe, sprächen deutlich gegen die Annahme einer
nichtehelichen Lebensgemeinschaft.
Auch der Umstand, ein gemeinsames Kind zu haben, genüge noch nicht, eine nichteheliche
Lebensgemeinschaft anzunehmen. Insoweit habe das Landgericht nicht ausreichend gewürdigt,
dass C. T. mit Blick auf das Scheidungsurteil vom 15.04.2010 zeitlich noch innerhalb der nach §
1592 Nr. 1 BGB zugunsten des Herrn L., dem früheren Ehemann der Zeugin L., geltenden
Vaterschaftsvermutung geboren worden sei. Auch sei der Behauptung der Beklagten, dass Herr
T. nicht der biologische Vater der C. T. gewesen sei, vom Landgericht verfahrensfehlerhaft nicht
nachgegangen worden, obwohl die Zeugin L. erst drei Monate vor der Geburt aus Thailand
zurückgekommen sei, das Kind also in Thailand gezeugt worden sein müsse.
Auch die Tatsache, dass Einkommen gemeinsam für die Ausgaben des Haushalts verwendet
worden seien, genüge nicht für die Annahme einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.
Das Landgericht habe auch nicht ausreichend die Höhe des Einkommens der Zeugin L. sowie
deren genaue Quelle aufgeklärt. Die Angaben der Zeugin L. seien insoweit widersprüchlich
gewesen, so habe sie zum einen angegeben, zusammen mit Herrn T. zuerst in E. und dann in B.
ein Massage-Studio betrieben zu haben, dann habe sie wieder angegeben, bei Herrn T. angestellt
gewesen zu sein. Die unstreitig erfolgte sozialversicherungspflichtige Tätigkeit der Zeugin L. bei
den Firmen des Herrn T., also bei der M. Service GmbH im Zeitraum von 2014 bis 2016 und
bei der M. Express GmbH im Zeitraum ab 2016, weise die Unrichtigkeit der Angaben der
Zeugin L. nachdrücklich auf.
Das Landgericht habe auch nicht näher aufgeklärt, welche Schulden des Herrn T. die Beiden
laut der Zeugin L. gemeinsam mit ihrem jeweiligen Einkommen zurückgeführt haben wollen.
Schließlich stehe die zum Unfallzeitpunkt weiter bestehende Ehe des Herrn T. mit der Zeugin
T. der Annahme einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft entgegen. Herr T. habe bis zu seinem
Tod mit der Zeugin T. weiterhin bewusst eine wirtschaftliche Gemeinschaft gebildet. Die
Zeugin T. habe von ihm eine Generalvollmacht erhalten und nach seinem Tod die gesamte
Liquidation durchgeführt. Die gemeinsamen Firmen und Häuser hätten den Lebensunterhalt des
Herrn T., der Zeugin T. sowie ihrer gemeinsamen Kinder und Enkel sichern sollen, weshalb
Herr T. auch kein Testament zugunsten der Zeugin L. errichtet habe. Herr T. habe auch noch
mit der Zeugin T. im Hausanwesen X 24 in B. zusammen gewohnt; auch seine private Post und
die Post für die Firma M. Express GmbH seien an diese Anschrift gegangen, was die
Briefkastenschilder dokumentieren würden.
Die Beklagte beantragt:
Unter Abänderung des am 10.12.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Konstanz, Az. E 2
O 127/18, wird das Urteil wie folgt neu gefasst:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Auf die Widerklage hin wird festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten
sämtliche weiteren über die bisherigen Zahlungen hinausgehenden Schäden zu ersetzen, die der
Beklagten aus dem Schadensereignis vom 16.09.2016 gegen 15.45 Uhr auf dem Anwesen Y 2,
B., OT M., durch die Verletzung der Frau L., Y 2, B., entstanden sind und noch entstehen
werden.
Die Klägerin beantragt:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens.
Die mit den Berufungsangriffen vorgetragenen Erwägungen der Beklagten seien unzutreffend.
Die Würdigung der Angaben der Zeuginnen T. und L. durch das Landgericht sei nicht zu
beanstanden. Anhand deren glaubhafter Angaben und weiterer Indizien sei das Landgericht
zutreffend zu der Annahme gelangt, dass zwischen Herrn T. und der Zeugin L. im
Unfallzeitpunkt sowohl eine nichteheliche Lebensgemeinschaft als auch eine häusliche
Gemeinschaft bestanden habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen.
II.
Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.
Das Landgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klage begründet ist, die
Widerklage dagegen unbegründet.
A.
Die Klage ist in der vom Landgericht ausgesprochenen Form begründet.
Der Klägerin kann von der Beklagten gemäß § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB die Rückzahlung von
71.208,97 € verlangen, da sie diese Leistung an die Beklagte ohne Rechtsgrund erbrachte.
1.
Eine Leistung der Klägerin an die Beklagte liegt vor.
Die Klägerin zahlte auf das Anforderungsschreiben der Beklagten vom 03.01.2017, mit dem
diese die Erstattung von in Zusammenhang mit dem Unfall der Zeugin L. erbrachten
Sozialversicherungsleistungen in Höhe von 71.208,97 € geltend machte, den darin geforderten
Betrag an die Beklagte.
2.
Die Leistung erfolgte ohne Rechtsgrund, da eine Forderung der Beklagten gegenüber der
Klägerin nicht bestand.
Die Beklagte ist nach § 116 Abs. 1 SGB X a.F. nicht Inhaberin von Schadensersatzansprüchen
der Zeugin L. geworden, da nach den analog anzuwendenden Grundsätzen des § 116 Abs. 6
SGB X a.F. ein gesetzlicher Forderungsübergang nicht stattgefunden hat.
a)
Nach § 120 Abs. 1 Satz 3 SGB X ist für das vorliegende Unfallereignis die Fassung des § 116
Abs. 6 SGB X anzuwenden, die bis zum 31.12.2020 gegolten hat (im Folgenden a.F.).
Nach dessen Wortlaut ist ein Anspruchsübergang bei einer nicht vorsätzlichen Schädigung dann
ausgeschlossen, wenn die Schädigung durch einen Familienangehörigen erfolgt ist, der im
Zeitpunkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen in
häuslicher Gemeinschaft gelebt hat.
Nach ständiger Rechtsprechung ist das Haftungsprivileg zumindest in einer analogen
Anwendung über den Wortlaut hinaus aber auch auf den Partner einer nichtehelichen
Lebensgemeinschaft anzuwenden. Die Vergleichbarkeit der Schutzwürdigkeit erfordert im
Bereich des Sozialversicherungsrechts ebenso wie im Versicherungsvertragsrecht, das insoweit
durch die Neufassung des § 86 Abs. 3 VVG bereits zum 01.01.2008 eine entsprechende
Erweiterung erfuhr, zumindest eine analoge Anwendung des Haftungsprivilegs. Ein
unterschiedliches Verständnis des Angehörigenprivilegs im Bereich des Versicherungsvertragsrechts
einerseits und des Sozialversicherungsrechts andererseits ist weder geboten noch
gerechtfertigt (vgl. BGH, Urteil vom 05. Februar 2013 - VI ZR 274/12 -,
juris Rn. 18 ff.).
b)
Vorliegend scheidet ein gesetzlicher Übergang von Schadensersatzansprüchen der Zeugin L. auf
die Beklagte nach der analogen Anwendung der Grundsätze des § 116 Abs. 1 SGB X a.F. aus,
weil nach den zugrundeliegenden Feststellungen Herr T. und die Zeugin L. zum Unfallzeitpunkt
als nichteheliche Lebensgemeinschaft zusammen in einer häuslichen Gemeinschaft lebten und
der Unfall von Herrn T. nicht vorsätzlich herbeigeführt wurde.
aa)
Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die
Tatsachenfeststellungen des ersten Rechtszuges gebunden. Diese Bindung entfällt nur, wenn
konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit entscheidungserheblicher
Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs.
1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO). Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinne sind alle objektivierbaren
rechtlichen oder tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Derartige
konkrete Anhaltspunkte können sich unter anderem aus dem Vortrag der Parteien, vorbehaltlich
der Anwendung von Präklusionsvorschriften auch aus dem Vortrag der Parteien in der
Berufungsinstanz ergeben. Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen schon dann
vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig
überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die
erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit
herausstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2018 - VII ZR 170/17 -, juris Rn. 15; BGH,
Beschluss vom 04. September 2019 - VII ZR 69/17 -, juris Rn. 11). Bei der Berufungsinstanz
handelt es sich daher um eine zweite - wenn auch eingeschränkte - Tatsacheninstanz, deren
Aufgabe in der Gewinnung einer fehlerfreien und überzeugenden und damit richtigen
Entscheidung des Einzelfalls besteht (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2016 - VIII ZR 191/15 -,
juris; BGH, Beschluss vom 04. September 2019 - VII ZR 69/17 -, juris Rn. 11 ff.). Daher hat
das Berufungsgericht die erstinstanzliche Überzeugungsbildung nicht nur auf Rechtsfehler zu
überprüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2016 - VIII ZR 300/15 -, juris; BGH,
Beschluss vom 04. September 2019 - VII ZR 69/17 -, juris Rn. 11 ff.).
bb)
Soweit das Landgericht im Zusammenhang mit dem Unfall das Vorliegen von
Anknüpfungstatsachen einer vorsätzlichen Schädigungshandlung des Herrn T. verneint hat,
werden von der Beklagten insoweit keine Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit
aufgezeigt. Im Gegenteil wird von der Beklagten eine Unrichtigkeit dieser tatsächlichen
Feststellungen im Rahmen ihrer Berufungsbegründung gar nicht gerügt.
Es ergeben sich auch im Übrigen keine Anhaltspunkte für eine unrichtige Feststellung. Selbst
wenn Position und Laufrichtung der Zeugin L. bei dem Unfall im Detail anders gewesen wären
als von Herrn T. geschildert, ergeben sich hieraus keine Anhaltspunkte für ein vorsätzliches
Handeln des Herrn T..
cc)
Anhand einer Gesamtschau der unstreitigen Tatsachen und der aufgrund der vom Landgericht
durchgeführten Beweisaufnahme festgestellten Tatsachen ist davon auszugehen, dass Herr T.
und die Zeugin L. im Zeitpunkt des Unfallgeschehens als nichteheliche Lebensgemeinschaft
zusammen in einer häuslichen Gemeinschaft lebten.
(1)
Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft im Sinne einer Verantwortungs- und
Einstehensgemeinschaft ist eine Lebensgemeinschaft, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine
weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet,
die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in
einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Als Hinweistatsachen, die
sich nicht erschöpfend aufzählen lassen, für das Bestehen einer solchen Gemeinschaft kommen
etwa in Betracht die lange Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und
Angehörigen im gemeinsamen Haushalt und die Befugnis, über Einkommen und
Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen (vgl. BVerfG, Urteil vom
17. November 1992 - 1 BvL 8/87 -, juris Rn. 92 ff.).
(2)
Vor dem Hintergrund dieser rechtlichen Maßstäbe ist in einer Gesamtschau sowohl der
unstreitigen Tatsachen als auch der vom Landgericht aufgrund der durchgeführten
Beweisaufnahme festgestellten Tatsachen das Vorliegen sowohl einer nichtehelichen
Lebensgemeinschaft als auch einer häuslichen Gemeinschaft zwischen dem Unfallverursacher T.
und der Zeugin L. zu bejahen.
Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Landgericht die
entscheidungserheblichen Tatsachen unrichtig oder unvollständig festgestellt hat. Entgegen dem
Berufungsvorbringen ist das Landgericht fehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, aufgrund der
Angaben der Zeuginnen L. und T. in einer Gesamtschau mit weiteren Indizien wie der Dauer
des Zusammenlebens, dem gemeinsam geführten Haushalt mit Erziehung eines gemeinsamen
Kindes, den konkreten Wohnverhältnissen und Lebensumständen sowie dem Verhalten nach
dem Unfall das Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zwischen der Zeugin L. und
dem verstorbenen Herrn T. zum Unfallzeitpunkt als bewiesen anzusehen.
Das Landgericht hat hierbei die Angaben der Zeuginnen sowie die weiteren objektiven Indizien
überzeugend und widerspruchsfrei gewürdigt, die von der Beklagten hiergegen erhobenen
Rügen gehen fehl.
Anhand der Angaben der Zeuginnen L. und T. ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen,
dass Herr T. und die Zeugin L. im Zeitpunkt des Unfalls bereits über mehrere Jahre hinweg mit
der gemeinsamen Tochter C. T. in einer häuslichen Gemeinschaft lebten, zuerst seit 2009 in
einem gemeinsamen Haushalt in W. und später in dem Hausanwesen Y 2 in B.. Die Zeugin L.
hat detailliert und nachvollziehbar anhand der unterschiedlichen Räume der Wohnung in B. die
auf Dauer angelegte gemeinsame Nutzung der Wohnung dargelegt, so hat sie u.a. anhand der
Nutzung der beiden Schlafzimmer und der übrigen Räume sowie des allgemeinen Tagesablaufs
anschaulich und glaubhaft das alltägliche gemeinsame Leben einer Familie bestehend aus Vater,
Mutter und Kind in einer gemeinsamen Wohnung geschildert. Diese Angaben der Zeugin L.
sind von der Zeugin T. - soweit ihre Erkenntnismöglichkeiten gereicht haben - bestätigt worden.
Sie hat so insbesondere darauf hingewiesen, dass sich Herr T. bei ihren wenigen jährlichen
Besuchen in B. immer in der Wohnung in dem Hausanwesen Y 2 in B. zum Essen und Schlafen
aufgehalten habe. Für die Richtigkeit der Gegenbehauptung der Beklagten, Herr T. habe im
Unfallzeitpunkt nicht mit der Zeugin L., sondern in einem getrennten Haushalt gemeinsam mit
der Zeugin T. im Hausanwesen X 24 in B. gelebt, haben sich dagegen gar keine Anhaltspunkte
ergeben. Die Zeugin T. hat eindrücklich ihre dauerhafte Trennung „von Tisch und Bett“ mit
Herrn T. im Jahr 2008 beschrieben, die sie durch ihren Umzug nach Österreich vollzogen habe,
nachdem ihr Herr T. sein Verhältnis mit der Zeugin L. offengelegt habe. An dieser Trennung
„von Tisch und Bett“ habe sich auch bis zum Tod des Herrn T. nichts verändert.
Soweit die Beklagte rügt, das Landgericht hätte eine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft
von Herrn T. und der Zeugin L. erst annehmen dürfen, wenn es die widersprüchlichen Angaben
der Zeugin L. zu ihren Einkommens- und Beschäftigungsverhältnissen vollständig aufgeklärt
hätte, ist darauf hinzuweisen, dass die von der Zeugin L. geäußerten Angaben, sie habe
zusammen mit Herrn T. ein Massage-Studio betrieben, nicht im Widerspruch zu den unstreitig
zeitlich nacheinander folgenden Anstellungsverhältnissen der Zeugin L. bei den beiden Firmen
des Herrn T. steht. Es ist weder in einer Ehe noch in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
ungewöhnlich, dass ein gemeinsames Geschäftsprojekt in der Weise umgesetzt wird, dass der
eine Partner der Eigentümer und Geschäftsführer des Unternehmens ist und der andere Partner
bei dem Unternehmen angestellt ist, um - wie vorliegend offenkundig geschehen -
sozialversicherungsrechtlich abgesichert zu sein. Insoweit begründen auch die Ausführungen der
Zeugin L., man habe nicht nur die Kosten des gemeinsamen Haushalts, sondern auch die
Schulden des Herrn T. gemeinsam zurückgeführt, keine vernünftigen Zweifel an der generellen
Glaubhaftigkeit ihrer Angaben, da bei einer solchen Geschäftskonstruktion sich der
sozialversicherungsrechtlich angestellte Partnernatürlich in gleicher Weise mit dem gemeinsam
gesteckten Ziel eines besseren wirtschaftlichen Fortkommens identifiziert wie der Partner, der
als Anteilseigner und Geschäftsführer der jeweiligen Firma agiert.
Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht zu Recht im Rahmen einer Gesamtbetrachtung
aller Umstände das Zusammenleben des Herrn T. und der Zeugin L. dahingehend gewertet,
dass es sich um eine Lebensgemeinschaft im Sinn einer Verantwortungsgemeinschaft zwischen
einem Mann und einer Frau handelte, die auf Dauer angelegt war, daneben keine weiteren
Lebensgemeinschaften gleicher Art zuließ und sich durch Bindungen auszeichnete, die ein
gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründeten und explizit über die Beziehung in
einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausging.
Diese Annahme gründet insbesondere auf dem oben bereits angeführten langjährigen
Zusammenleben der beiden in einem gemeinschaftlich geführten Haushalt und der Erziehung
des gemeinsamen Kindes C. T..
Soweit von der Beklagten die „biologische Vaterschaft“ des Herrn T. für die am 08.08.2009
geborene gemeinsame Tochter C. T. in Frage gestellt wird, stellt dies die Annahme einer
Verantwortungsgemeinschaft von Herrn T. und der Zeugin L. gegenüber dem Kind nicht in
Frage. Soweit Herr T. nach dem Inhalt des Auszugs aus dem Geburtseintrag Nr. G xxx des
Standesamts der Stadt W. vom 29.11.2011 als Vater genannt wird, erbringt diese öffentliche
Urkunde nach den Grundsätzen der
beurkundeten Vorgang und die darin bezeugten Tatsachen, so dass die Vaterschaft des Herrn T.
hierdurch als bewiesen anzusehen ist. Der bloße Hinweis der Beklagten auf den Aufenthalt der
Zeugin L. in Thailand bis drei Monate vor der Geburt des Kindes in W. oder der Verweis auf
die „Vaterschaftsvermutung“ des § 1592 Nr. 1 BGB genügen mit Blick auf die Regelungen des
ZPO. Weder wird von der Beklagten dargelegt, dass die Voraussetzungen für eine Vaterschaft
des Herrn T. nach
entsprechendes Beweismittel zum Gegenbeweis angeführt. Das Bestreiten der biologischen
Vaterschaft reicht insoweit jedenfalls nicht aus, da im Gegensatz zur Mutterschaft das Vorliegen
einer Vaterschaft nach den Grundsätzen der § 1592 BGB auf rechtlichen Annahmen gründet
und nicht auf der biologischen Zeugung des Kindes.
Eine Verantwortungsgemeinschaft zwischen Herrn T. und der Zeugin L. ist auch nicht mit Blick
auf die Tatsache, dass er die Zeugin L. nicht im Rahmen eines Testaments bedachte, in Frage zu
stellen. Im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge sind gem.
Abkömmlinge des Herrn T. begünstigt, also auch die gemeinsame Tochter C. T., deren
künftiges wirtschaftliches Fortkommen dadurch gesichert worden ist. Das für die Annahme
einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sprechende Indiz einer Versorgung der gemeinsamen
Kinder ist insoweit also gewahrt.
Soweit die Beklagte anführt, Herr T. habe keine Vorsorge für die Zeugin L. geschaffen, ist dem
zu widersprechen. Nach dem unstreitigen Parteivortrag beschäftigte Herr T. die Zeugin L. in
seinen Firmen als Mitarbeiterin, die Zeugin L. erhielt so über die gesetzlichen Renten-,
Arbeitslosen- und Krankenversicherungen eine soziale Absicherung, was das vorliegende
Verfahren augenscheinlich dokumentiert. Die weitere Tatsache, dass Herr T. es schaffte, dass
die Zeugin L. mit ihm und dem gemeinsamen Kind in einem Haus leben konnte, das auch im
Miteigentum seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau, der Zeugin T., stand, zeigt
nachdrücklich auf, dass er sowohl für die Zeugin L. als auch für das gemeinsame Kind ein hohes
Maß an Verantwortung zeigte.
Im Übrigen ist es nach der allgemeinen Lebensanschauung für eine nichtehelichen
Lebensgemeinschaft auch nicht prägend, dass der eine Partner aus eigenen Mitteln für den
anderen Partner eine gesicherte Altersvorsorge schafft. Grundsätzlich bleiben die Partner einer
nichtehelichen Gemeinschaft in ihren wirtschaftlichen und finanziellen Angelegenheiten
eigenständig und schaffen gerade keine umfassende Rechtsverbindlichkeit. Insoweit spricht auch
die Tatsache, dass Herr T. und die Zeugin L. über keine gemeinsamen Konten verfügten, nicht
gegen die Annahme einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.
Die Tatsache, dass die Zeugin L. über den Mitbesitz und die Nutzung des Hausanwesens Y 2 in
B. sowie die Mitarbeit als Angestellte in den jeweiligen Firmen des Herrn T. keine Befugnis
erhielt, über die weiteren Vermögensgegenstände des Herrn T. zu verfügen, spricht insoweit
ebenfalls nicht gegen die Annahme einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Unstreitig
befanden sich die Hausanwesen und verschiedene Firmen im Miteigentum von Herrn T. und
der Zeugin T., seiner getrennt lebenden Ehefrau; ein weitergehender Zugriff war - über die
bereits beschriebenen Maßnahmen hinaus - weder sozialadäquat noch sinnvoll und ohne die
rechtliche Mitwirkung der Zeugin T. wohl auch gar nicht möglich.
Auch die Tatsache, dass Herr T. und die Zeugin L. keine gemeinsame steuerliche Veranlagung
vorgenommen haben, spricht nicht gegen die Annahme einer nichtehelichen
Lebensgemeinschaft, da eine solche Zusammenveranlagung nach § 2 Abs. 8 EStG aktuell von
den Finanzgerichten gar nicht zugelassen wird (vgl. BFH, Beschluss vom 26. April 2017 - III B
100/16 -,
Soweit die Beklagte anführt, dass die fortbestehende Ehe zwischen Herrn T. und der Zeugin T.
die Annahme einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft generell ausschließe, ist dem zu
widersprechen (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. November
1995 - 6 S 3171/94 -, juris Rn. 15 ff.; Götz in Grüneberg; BGB, 82. Auflage 2023, Einf. v.
Lebensgemeinschaft ausschließen, wenn sie nach den obigen Grundsätzen eine weitere
Lebensgemeinschaft gleicher Art darstellen würde.
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Wie oben bereits ausgeführt, hat die Zeugin T. glaubhaft und
detailliert ihre dauerhafte Trennung „von Tisch und Bett“ im Jahr 2008 und ihren später
folgenden Umzug nach Österreich beschrieben. Die Tatsache, dass sich die beiden Ehepartner
nicht vermögensrechtlich auseinandergesetzt haben, spricht nicht gegen ein Getrenntleben i.S.v.
§ 1567 BGB. Im Hinblick auf die hohen Kosten eines Scheidungsverfahrens und die
wirtschaftlichen Nachteile einer Auseinandersetzung der gemeinsamen Vermögenswerte im
Rahmen eines Zugewinnausgleichs, vermeiden viele getrennt lebende Paare - wie im
vorliegenden Fall - eine Scheidung und führen ein gemeinsam begründetes Geschäft bzw.
verwalten das gemeinsame Immobilienvermögen einverständlich weiter. Vor diesem
Hintergrund verwundert auch nicht die Tatsache, dass die Zeugin T. über eine
Generalvollmacht des Herrn T. verfügte, um in dessen Krankheitsfall die notwendigen
Maßnahmen zum Erhalt und Fortbestehen der gemeinsamen Vermögenswerte vornehmen zu
können. Hierauf kann aber keinesfalls die Annahme einer fortbestehenden ehelichen Lebensund
Verantwortungsgemeinschaft aufgebaut werden. Ebenso wenig kann auf der von der
Beklagten angeführten von Herrn T. und der Zeugin T. gewählten Gestaltung des geschäftlichen
und privaten Postverkehrs eine solche Annahme aufgebaut werden.
Letztlich sprechen in einer Gesamtbetrachtung die angeführten Indizien eindeutig für die
Annahme einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zwischen Herrn T. und der Zeugin L. im
Zeitpunkt des Unfalls. Anhand der glaubhaften Angaben der Zeuginnen ist davon auszugehen,
dass seit dem Jahr 2008 zwischen Herrn T. und der Zeugin L. eine geschlechtliche Beziehung
bestand, die zur dauerhaften Trennung der ehelichen Gemeinschaft von Herrn T. mit der
Zeugin T. führte. Nach der Geburt der gemeinsamen Tochter C. T. im Jahr 2009 begründeten
beide eine dauerhafte nichteheliche Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft und einen
gemeinsamen Haushalt. Durch die Anstellung der Zeugin L. folgte eine Verknüpfung der
wechselseitigen wirtschaftlichen und beruflichen Ambitionen und mit dem Zutun von Herrn T.
eine ausreichende soziale Absicherung der Zeugin L.. Die von den Zeuginnen glaubhaft
geschilderten Bemühungen von Herrn T., die nach dem Unfall bei der Zeugin L. eingetretenen
gesundheitlichen Schäden durch viel Zuwendung wiedergutzumachen, runden dieses Bild
insoweit nur weiter ab.
3.
Eine Anwendung von § 814 BGB scheidet mangels einer positiven Kenntnis der Klägerin vom
Nichtbestehen der Schuld aus.
Soweit das Landgericht festgestellt hat, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Zahlung keine
positive Kenntnis über das Bestehen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft hatte, werden von
der Beklagten insoweit keine Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der getroffenen
Feststellungen aufgezeigt. Im Gegenteil wird von der Beklagten eine Unrichtigkeit dieser
tatsächlichen Feststellungen im Rahmen ihrer Berufungsbegründung gar nicht gerügt.
Im Übrigen wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen. Es reicht vorliegend
für die Annahme einer positiven Kenntnis jedenfalls nicht aus, dass der Klägerin im Verlauf der
Schadensbearbeitung Unterlagen zugingen, aus denen sich Anhaltspunkte für das Vorliegen
einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ergaben, ohne dass diese Information bewusst zur
Kenntnis genommen und ein entsprechender Schluss gezogen wurde.
4.
Die Klägerin hat durch die Zahlung des von der Beklagten geltend gemachten Betrages auch
kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis abgegeben, was einer Rückzahlung entgegenstehen
würde. Es wird insoweit auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen.
5.
Der Zahlungsanspruch ist nach den
verzinsen.
Die Beklagte ist mit der Zahlung in Verzug geraten. Mit Schreiben vorn 29.08.2017 forderte die
Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis 30.09.2017 unmissverständlich auf, den Betrag von
71.208,97 € zurückzuzahlen, so dass der Betrag ab dem 01.10.2017 zu verzinsen ist.
6.
Der Klägerin steht nach § 286 BGB auch der Ersatz der vom Landgericht ausgesprochenen
vorgerichtlichen Anwaltskosten zu.
Nachdem die Beklagte auf die mehrmaligen Leistungsaufforderungen der Klägerin unstreitig
nicht geleistet hatte, durfte die Klägerin ihre Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen
Durchsetzung ihrer Ansprüche beauftragen.
Die Höhe der zugesprochenen Rechtsanwaltsgebühren sowie ihre Verzinsung ab
Rechtshängigkeit der Klage nach § 291 BGB sind nicht zu beanstanden. Es wird insoweit auf die
Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
B.
Die Widerklage ist unbegründet.
Die Beklagte ist - wie oben ausgeführt - nicht nach § 116 Abs. 1 SGB X a.F. Inhaberin von
Schadensersatzansprüchen der Zeugin L. geworden, da nach den analog anzuwendenden
Grundsätzen des § 116 Abs. 6 SGB X a.F. ein gesetzlicher Forderungsübergang insoweit
ausscheidet. Die Beklagte hat deshalb keinen Anspruch auf den von ihr verfolgten
Feststellungsausspruch.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des
vorliegen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Karlsruhe
Erscheinungsdatum:07.02.2023
Aktenzeichen:25 U 46/21
Rechtsgebiete:
Einkommens- und Körperschaftssteuer
Allgemeines Schuldrecht
Ehevertrag und Eherecht allgemein
Gesetzliche Erbfolge
Abstammung (incl. künstliche Befruchtung), Adoption
Nichteheliche Lebensgemeinschaft
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BGB § 814