Beschwerde gegen Verweigerung der Amtstätigkeit des Notars ist weder von einer Frist noch von einem bestimmten Beschwerdewert abhängig
DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 27.11.2015
BGH, 1.10.2015 - V ZB 67/14
Beschwerde gegen Verweigerung der Amtstätigkeit des Notars ist weder von einer Frist noch von einem bestimmten Beschwerdewert abhängig
Die Beschwerde gegen die Verweigerung der Urkunds- oder sonstigen Amtstätigkeit des Notars
ist weder von einer Beschwerdefrist noch von der Überschreitung eines Beschwerdewerts von
600 € abhängig.
Gründe:
I.
Mit notariell beurkundeten Verträgen vom 20. Juli 2012 kauften die Beteiligten
zu 1 und 2 (Käufer) von einer GmbH & Co. KG (Schuldnerin) zahlreiche
mit Mehrfamilienhäusern bebaute Grundstücke. Zu ihren Gunsten wurden Auflassungsvormerkungen
in die Grundbücher eingetragen. Der in dem Insolvenzverfahren
über das Vermögen der Schuldnerin zum Insolvenzverwalter bestellte
Beteiligte zu 3 (Insolvenzverwalter) erklärte mit Schreiben vom 4. Juni 2013
gegenüber dem Notar den Rücktritt von den Kaufverträgen und bat entspre-
chend den vertraglichen Abreden um die Löschung der Auflassungsvormerkungen.
Die Käufer widerriefen mit Schreiben vom 10. Juli 2013 an den Notar die
diesem erteilten Vollmachten.
Der Notar erklärte sich angesichts des Widerrufs der Vollmachten zunächst
für außerstande, die Löschungen der eingetragenen Auflassungsvormerkungen
zu veranlassen. Später änderte er seine Meinung und teilte den
damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Käufer mit Schreiben vom
6. Dezember 2013 mit, er halte den Rücktritt für wirksam, gab ihnen Gelegenheit
zur Stellungnahme bis zum 10. Dezember 2013 und teilte ihnen an diesem
Tag mit, er werde die Löschung veranlassen. Die Käufer erwirkten zunächst
eine später wieder aufgehobene einstweilige Anordnung, durch die der Notar
angewiesen wurde, die Löschung nicht zu veranlassen; den Käufern wurde
aufgegeben, binnen drei Wochen ein Notarbeschwerdeverfahren einzuleiten,
was am 20. Januar 2014 auch geschah.
Der Notar hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landgericht
zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat die Beschwerde als unzulässig verworfen.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung der Insolvenzverwalter
beantragt, verfolgen die Käufer ihr Unterlassungsbegehren weiter.
II.
Das Beschwerdegericht meint, die Beschwerde sei unzulässig, weil die
Beschwerdefrist von einem Monat nach
Der Gesetzgeber habe das Beschwerdeverfahren in Verfahren der freiwilligen
Gerichtsbarkeit vereinheitlichen wollen und generell eine Beschwerdefrist vor-
gesehen. Diese gelte auch für die Notarbeschwerde. Soweit sich Stimmen der
Literatur gegen die Anwendung des
würden hierfür Praktikabilitätserwägungen vorgebracht. Der Hinweis,
dass die Bundesnotarordnung keine der Vorschrift des
Rechtskraftregelung enthalte und ein Antrag jederzeit neu gestellt werden
könne, trage nicht. Nicht der Rechtskraft fähige Entscheidungen gebe es
auch in anderen Bereichen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Anhaltspunkte dafür,
dass der Gesetzgeber in diesen Fällen von der Geltung des
absehen wollen, seien nicht vorhanden. Die Entschließungen des Notars vom
6. und 10. Dezember 2013 seien den Käufern zu Händen ihrer Verfahrensbevollmächtigten
am 9. bzw. 10. Dezember 2013 tatsächlich zugegangen. Die
erst am 20. Januar 2014 eingereichte Beschwerde sei daher nicht fristgemäß
erhoben. Den Käufern sei auch keine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist
zu gewähren.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung in dem angefochtenen
Beschluss statthaft (
Abs. 2 Satz 3 BNotO) und auch im Übrigen zulässig (
auch in der Sache Erfolg.
1. Richtig geht das Beschwerdegericht davon aus, dass gegen die von
den Käufern angegriffene Ankündigung des Notars, die Löschung der zu ihren
Gunsten eingetragenen Auflassungsvormerkungen zu veranlassen, die Beschwerde
nach
nach dieser Vorschrift kann nicht nur die Verweigerung einer Amtstätigkeit
durch den Notar sein, sondern auch die Ankündigung, eine Amtstätigkeit gegen
den Willen eines Beteiligten vornehmen zu wollen (Senat, Beschluss vom
28. Oktober 2010 - V ZB 70/10, juris Rn. 12 mwN; Preuß,
270 f.; Sandkühler,
2. Zu Unrecht nimmt das Beschwerdegericht aber an, dass die Beschwerdefrist
nach
Abs. 2 BNotO Anwendung findet. Das ist nicht der Fall.
a) Die Frage nach der Anwendbarkeit der Beschwerdefrist des § 63
FamFG im Notarbeschwerdeverfahren ist allerdings umstritten. Nach einer von
dem Beschwerdegericht geteilten Ansicht wird sie jedenfalls im Grundsatz bejaht.
Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass § 15 Abs. 2 Satz 3
BNotO ohne Einschränkungen auf die Vorschriften über die Beschwerde im
Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit verweise. Der Umstand, dass in der
Bundesnotarordnung nicht festgelegt sei, in welcher Form der Notar die Verweigerung
der Amtstätigkeit zum Ausdruck zu bringen habe, und deshalb ein
Anknüpfungspunkt für den Fristbeginn nicht immer einfach festzustellen sei,
stelle die Anwendung von
der Verweisung nicht in Frage (Diehn/Seger, BNotO, 2015, § 15 Rn. 47; vgl.
auch Schippel/Bracker/Reithmann, BNotO, 9. Aufl., § 15 Rn. 90). Ob das allerdings
auch gilt, wenn der Notar seine Amtstätigkeit nicht durch förmlichen Beschluss
verweigert, sondern untätig bleibt, wird von den Vertretern dieser Ansicht
unterschiedlich beurteilt (dafür: Müller-Magdeburg,
Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 7. Aufl., Rn. 1986; vgl.
auch Heinemann,
Regler,
auf die Notarbeschwerde nach
Entscheidungen, insbesondere die Verweigerung einer Amtshandlung, ergingen
nicht in der in
an Entscheidungen, die in Rechtskraft erwachsen könnten. Daher passe die
Anwendung des
3. Aufl.,
Notarhaftung, 3. Aufl., Rn. 792; Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO,
7. Aufl., § 15 Rn. 106; Preuß,
Preuß/Renner, Beurkundungsgesetz und Dienstordnung für Notarinnen und
Notare, 5. Aufl.,
b) Die zweite Ansicht trifft im Ergebnis zu.
die Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Amtsverweigerung des Notars
abschließend. Diese Regelung verdrängt die Bestimmungen über die Beschwerdefrist
in
FamFG und geht ihnen vor.
aa) Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift und wird durch
die Gesetzgebungsgeschichte gestützt.
(1) Nach
Urkunds- oder sonstigen Amtstätigkeit des Notars die Beschwerde statt. Dass
dies nur bei Einhaltung einer Beschwerdefrist und bei Überschreitung eines Beschwerdewerts
von 600 € oder, wenn dieser Wert verfehlt wird, nur bei Zulassung
möglich sein und wer über eine etwa erforderliche Zulassung entscheiden
soll, lässt die Vorschrift nicht erkennen. Sie entspricht in Wortlaut, Funktion und
Struktur der Vorschrift des
den Vorschriften über die Beschwerde im Verfahren in Angelegenheiten
der freiwilligen Gerichtsbarkeit verstanden wird und insbesondere die Anwendung
der Vorschriften über die Befristung der Beschwerde und den Beschwerdewert
ausschließt (Demharter, GBO, 29. Aufl., § 71 Rn. 2; Meikel/Schmidt-
Räntsch, GBO, 11. Aufl., § 71 Rn. 155; § 73 Rn. 19). An diesem Verständnis
des
ausdrücklich festgehalten (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 16/6308 S. 327).
Eine entsprechend deutliche Erläuterung hat er für die Anpassung des § 15
Abs. 2 BNotO an das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten
der freiwilligen Gerichtsbarkeit zwar nicht gegeben (Entwurfsbegründung
in BT-Drucks. 16/6308 S. 324). Die Einführung einer Beschwerdefrist
und eines Beschwerdewerts wären aber gravierende Änderungen, auf die die
Bundesregierung in der Begründung ihres Vorschlags zur Neufassung des
(2) Für eine solche Regelungsabsicht des Gesetzgebers bestehen keine
Anhaltspunkte. Sie ergibt sich entgegen der oben referierten Ansicht insbesondere
nicht aus der in
Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und Angelegenheiten der Freiwilligen
Gerichtsbarkeit. Diese Verweisung betrifft nur das „Verfahren“. Damit kann
nur das Verfahren des Landgerichts gemeint sein, das nach § 15 Abs. 2 Satz 2
BNotO über die Notarbeschwerde entscheiden soll. Zwar kann auch der Notar
anstelle des Gerichts ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durchführen,
dann nämlich, wenn ihm durch Gesetz die Durchführung solcher Verfahren
übertragen worden ist, wie etwa in
eines Nachlasses. Um ein solches Verfahren geht es bei der Notarbeschwerde
nach
Verweigerung der Urkunds- oder sonstigen Amtstätigkeit durch den Notar. Daran
hat sich durch die Neufassung des
zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der
freiwilligen Gerichtsbarkeit nichts geändert. Der nunmehr in Satz 3 dieser Vorschrift
enthaltene Verweis auf das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen
und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit war durch das
Außerkrafttreten des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Ge-
richtsbarkeit bedingt und stellt lediglich eine redaktionelle Anpassung dar (Entwurfsbegründung
in BT-Drucks. 16/6308 S. 324).
bb) Ein anderes Verständnis der Verweisung auf das Verfahren nach
dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der
freiwilligen Gerichtsbarkeit entspräche weder der Systematik noch dem Zweck
der Vorschrift.
(1) Die Amtsverweigerung durch den Notar wird in § 15 Abs. 2 Satz 1
BNotO wie eine erstinstanzliche Gerichtsentscheidung behandelt. Grund dafür
ist aber nicht, dass sie inhaltlich eine gerichtliche Entscheidung darstellt, wie
etwa die Bestätigung einer Nachlassauseinandersetzung nach § 368 Abs. 1
Satz 3 Halbsatz 1 FamFG. Mit der rechtstechnischen Gleichstellung soll nur
erreicht werden, dass die Amtsverweigerung des Notars durch das Landgericht
in dem für Beschwerden gegen Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit vorgesehenen Verfahren überprüft wird. In welchem sachlichen
Umfang und in welchen Fristen das geschieht, ergibt sich nicht aus den
hierfür nicht bestimmten Vorschriften über die Beschwerde im Verfahren der
freiwilligen Gerichtsbarkeit, sondern allein aus der Vorschrift des § 15 Abs. 2
Satz 1 BNotO.
(2) Nichts anderes ergibt sich aus dem Zweck der Vorschrift. Sie dient
dazu, die Beurkundungspflicht des Notars nach
(a) Danach darf der Notar seine Urkundstätigkeit nicht ohne ausreichenden
Grund verweigern. Diese Verpflichtung ist die Kehrseite des Beurkundungsmonopols,
das den Notaren mit der Reform des Beurkundungsrechts im
Jahr 1969 übertragen worden ist. Als Ergänzung des Beurkundungsmonopols
kann die Urkundsverpflichtung aber nur dienen, wenn sie effizient von den um
eine Beurkundung Nachsuchenden durchgesetzt werden kann. Dieses Ziel
kann die Notarbeschwerde nicht mehr in vollem Umfang erreichen, wenn sie
innerhalb der Frist des
Überschreiten des Beschwerdewertes von 600 € (
(b) Die Beurkundungen und sonstigen Amtstätigkeiten des Notars sind
inhaltlich keine Gerichtsverfahren und werden auch nicht wie solche Verfahren
abgewickelt. Vielmehr unterliegt die Amtstätigkeit des Notars eigenen Grundsätzen,
bei denen Praktikabilität und Flexibilität seines Handelns im Vordergrund
stehen. Zwar korrespondiert der Notar zur Vorbereitung und Abwicklung
der Beurkundung und sonstiger Amtstätigkeiten mit den Beteiligten. Er erlässt
ihnen gegenüber dabei aber weder Verwaltungsakte noch Gerichtsbeschlüsse.
Die Beteiligten werden deshalb oft nicht oder nur schwer bemerken, wann die
nicht beschwerdefähige Korrespondenz in eine beschwerdefähige Amtsverweigerung
umschlägt. Wie gerade der vorliegende Fall zeigt, kann sich das Verhalten
des Notars zudem zunächst als Amtsverweigerung gegenüber dem einen
Beteiligten und im Weiteren der Verlauf der Korrespondenz als Amtsverweigerung
gegenüber anderen Beteiligten darstellen. Es wäre deshalb im notariellen
Geschäft meist schwierig festzustellen, wann eine einzuhaltende Anfechtungsfrist
beginnt. Die Anwendung der Vorschrift über die Beschwerdefrist des § 63
FamFG würde deshalb in vielen Fällen dazu führen, dass die Notarbeschwerde
verfristet wäre, bevor die Betroffenen überhaupt bemerkt haben, dass der Notar
ihnen gegenüber eine Amtstätigkeit beschwerdefähig verweigert hat. Diese
Schwierigkeiten setzen sich fort, wenn der Notar eine Amtstätigkeit über eine
unangemessen lange Frist unterlassen hat und er dies in der Folge gegenüber
dem Beteiligten in einem Schreiben rechtfertigt. Hier entstünde die Frage, ob
sich der Beteiligte hiergegen noch wenden könnte, wenn er zuvor das Unterlassen
hingenommen hat. Diese Unwägbarkeiten sind im Hinblick auf den Zugang
zu einer gerichtlichen Kontrolle des notariellen Verhaltens mit der Justizgewäh-
rungsgarantie des
Ablauf der Beschwerdefrist den Notar - sei es aufgrund eigenen Sinneswandels
oder der Argumente des betroffenen Beteiligten - nicht daran hindern würde, die
Abwicklung des beurkundeten Rechtsgeschäfts weiterzuführen.
(c) Besonders deutlich wird die Unvereinbarkeit der Anwendung der Vorschriften
über die Zulässigkeit der Beschwerde in Familiensachen und in Angelegenheiten
der Freiwilligen Gerichtsbarkeit mit der Funktion der Notarbeschwerde
bei
BNotO/BeurkG, 3. Aufl.,
vermögensrechtlichen Angelegenheiten, zu denen ein Großteil der Urkundsund
sonstigen Amtstätigkeit der Notare gehört, nur bei Erreichen eines Beschwerdewerts
von 600 € statthaft. Die Anwendung von
Notarbeschwerde führte dazu, dass diese gerade bei der Verweigerung von
Beurkundungen oder sonstigen Amtstätigkeiten von geringerem Wert nicht
statthaft wäre. Die Notarbeschwerde würde deshalb gerade dort als Instrument
zur Durchsetzung der Beurkundungspflicht versagen, wo die Versuchung, die
Amtstätigkeit wegen des mit der Erledigung verbundenen Aufwands zu verweigern,
am größten ist.
IV.
Das Beschwerdegericht durfte deshalb die Beschwerde der Käufer nicht
wegen einer fehlenden Fristversäumung als unzulässig verwerfen. Die Sache
ist mangels Sachprüfung nicht entscheidungsreif. Der angefochtene Beschluss
ist aufzuheben, die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht
zurückzuverweisen (
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:01.10.2015
Aktenzeichen:V ZB 67/14
Rechtsgebiete:Notarielles Berufsrecht
Normen in Titel:BNotO § 15 Abs. 2