Vereinbarung über weitergehende Ausbesserungs- und Erneuerungspflichten des Nießbrauchers durch dingliche Vereinbarung; Eintragung im Grundbuch
letzte Aktualisierung: 17.12.2020
OLG Bremen, Beschl. v. 17.6.2020 – 3 W 15/20
Vereinbarung über weitergehende Ausbesserungs- und Erneuerungspflichten des
Nießbrauchers durch dingliche Vereinbarung; Eintragung im Grundbuch
1. Die Ausbesserungs- und Erneuerungspflichten der Nießbraucher können durch dingliche
Vereinbarung über den Inhalt von § 1041 Satz 2 BGB hinaus erweitert werden.
2. Die Beteiligten können mit einer derartigen Vereinbarung auch regeln, dass den Nießbrauchern
der Wiederaufbau eines zerstörten Gebäudes obliegt und zwar auch für den Fall, dass eine
Versicherung für den Wiederaufbau nicht eintritt.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehrten mit Schriftsatz vom 18.3.2020 neben der Eintragung eines
Eigentumswechsels, verschiedene Löschungen sowie die Eintragung eines Nießbrauchs
sowie einer Vormerkung für einen Rückübertragungsanspruch.
Mit notariellem Vertrag vom 09.12.2019 schenkten die Antragsteller zu 1) und 2) den
Antragstellern zu 3) und 4) das im Grundbuch von Bremen Vorstadt L () Blatt () eingetragene
Grundstück (u.a. Z-Str. in Bremen).
Gleichzeitig vereinbarten sie einen Nießbrauch für die Antragsteller zu 1) und 2). Im
notariellen Vertrag (Ziff. 6) heißt es u.a.:
„Abweichend von § 1041 S.2 BGB obliegen den Nießbrauchern Ausbesserungen
und Erneuerungen auch insoweit, als sie nicht zu der gewöhnlichen Unterhaltung
des Grundstücks und seiner Bestandteile gehören; wird allerdings das Gebäude
durch Feuer oder sonst durch von außen einwirkende außergewöhnliche Ereignisse
beschädigt oder zerstört, so sind die Nießbraucher in dem Umfang, in dem
der Schaden zugunsten des Eigentümers versichert ist, nicht zur Behebung des
Schadens oder zum Wiederaufbau verpflichtet.
Die Beteiligten bewilligen und beantragen, den Nießbrauch mit dem vorstehenden
Inhalt in das Grundbuch einzutragen. ….“
Zur Versicherungspflicht heißt es in Ziff.5 des Vertrages u.a.:
„…Der Schenker ist verpflichtet, den Schenkungsgegenstand bis zur Umschreibung
des Eigentums im Grundbuch versichert zu halten und den Versicherungsvertrag
alsdann ohne besonderes Entgelt auf den über
Beschenkten zu übertragen, ohne dass er Gewähr dafür leistet, dass der versicherte
Betrag dem tatsächlichen Wiederaufbauwert des Hauses entspricht. Wegen
der Prämien gilt die Vereinbarung zur Lastentragung unter Ziff 2. …“
Die Lasten des verschenkten Grundstücks sollen (nach Ziffer 4 des Vertrages) ab sofort
auf den Beschenkten übergehen.
Für bestimmte zukünftige Ereignisse (Versterben der Beschenkten, Veräußerung des
Grundbesitzes, Insolvenzverfahren etc.) vereinbarten die Beteiligten ein Rückforderungsrecht
der Schenker. Dieses ist nicht übertragbar, wohl aber die Ansprüche aus
einem fristgerecht geltend gemachten Recht. Im notariellen Vertrag ist die Eintragung
einer Vormerkung für den (unentgeltlichen) Rückübertragungsanspruch bewilligt und
beantragt worden. Zur Löschung soll der Nachweis des Todes der Berechtigten genügen.
Das Grundbuchamt hat mit dem angefochtenen Beschluss (soweit nicht der Antrag zurückgenommen
bzw. der weitergehenden Beschwerde abgeholfen worden ist) darauf
hingewiesen, dass hinsichtlich der Eintragung des Nießbrauchs das Hindernis vorliege,
dass der Nießbraucher nicht zum Wiederaufbau eines zerstörten Hauses verpflichtet
werden könne, lediglich eine schuldrechtliche Vereinbarung sei möglich.
Der Eintragung der Vormerkung stehe entgegen, dass ein Löschungserleichterungsvermerk
nicht eingetragen werden könne, weil es sich nicht um ein Recht gemäß § 23
GBO handele. Die Beteiligten sollen prüfen, ob das Recht bedingt bis zum Tode des
Längs(t)lebenden einzutragen sei.
Mit der am 20.05.2020 eingegangenen Beschwerde haben die Beteiligten darauf hingewiesen,
dass die Wiederaufbaupflicht der Nießbraucher nur schuldrechtlich vereinbart
worden sei. Für die Rückauflassungsvormerkung sei die Löschungserleichterung
für den Tod des Letztversterbenden vorgesehen.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde hinsichtlich dieser beiden Fragen nicht abgeholfen
und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Es hat ausgeführt,
die Wiederaufbaupflicht sei nicht lediglich schuldrechtlich vereinbart, weil der Nießbrauch
„mit dem vorstehenden Inhalt“ in das Grundbuch eingetragen werden soll. Damit
solle auch die Wiederaufbaupflicht dinglicher Inhalt sein, dies sei aber kein zulässiger
Inhalt. Zum Löschungserleichterungsvermerk für die Vormerkung führt das Grundbuchamt
ergänzend aus, dass Rückstände auf Leistungen bei einer Vormerkung ausgeschlossen
seien und damit auch die Eintragung einer Vorlöschklausel.
II.
Die Beschwerde ist statthaft und zulässig, aber nur teilweise begründet.
Die Zwischenverfügung vom 14.04.2020 ist in zulässiger Weise ergangen.
Hinsichtlich der abgelehnten Eintragung der Löschungserleichterung bei der Vormerkung
ist die Beschwerde nicht begründet. Insoweit liegt, wie vom Grundbuchamt zu
Recht angenommen, ein Eintragungshindernis vor. Die Eintragung einer Vorlöschungsklausel
gem. § 23 Abs.2 GBO ist bei einer auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkten
Vormerkung nicht zulässig. Hintergrund ist, dass für eine derartige Vormerkung
keine Rückstände von Leistungen zu besorgen sind, so dass
anwendbar ist (BGH, Beschluss vom 26. März 1992 – V ZB 16/91 – Rdnr. 13 ff., BGHZ
117, 390-394 – zitiert nach juris). Selbst wenn – wie hier – der (bereits geltend gemachte)
Rückübertragungsanspruch übertragbar und vererblich ist, so sind darin keine
„Rückstände“ im Sinne von
ist allein die dingliche Absicherung des (schuldrechtlichen) Rückübertragungsanspruchs,
deren Sicherungscharakter die Beteiligten ausdrücklich auf die Lebenszeit der
Berechtigten beschränkt haben.
Die Beschwerde ist aber hinsichtlich der Eintragung des Nießbrauchrechts begründet.
Einer Eintragung des Nießbrauchs steht jedenfalls nicht der Inhalt aus Ziff. 6 des notariellen
Vertrages, d.h. die Verpflichtung der Nießbraucher zu außergewöhnlichen Ausbesserungen
und Erneuerungen, einschließlich des Wiederaufbaus des zerstörten Gebäudes,
entgegen.
Die Regelung des
ist nicht zu Lasten des Eigentümers abdingbar, d.h. die Pflicht des Nießbrauchers
kann nicht mit Wirkung gegenüber Dritten beschränkt werden.
Hier geht es aber um eine Ausweitung der Pflichten der Nießbraucher. Diese sollen
nicht nur die gewöhnliche Unterhaltung des Grundstücks (Gebäudes) übernehmen,
sondern auch außergewöhnliche Ausbesserungs- und Erneuerungsmaßnahmen. Entgegen
der Ansicht der Antragsteller ist diese Vereinbarung auch mit dinglicher Wirkung
getroffen worden, denn sie soll – mit dem konkreten Inhalt – in das Grundbuch eingetragen
werden.
Eine derartige Ausweitung zugunsten des Eigentümers kann grundsätzlich auch mit
dinglicher Wirkung vereinbart und auch im Grundbuch eingetragen werden (vgl. Bayerisches
Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 10. Januar 1985 – BReg 2 Z 117/84
Rdnr. 31 ff –, juris und Beschluss v. 15.3.1985 – Breg. 2 Z 24/85 – beck-online; Lenders
in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl 2014,
Staudinger/Heinze (2017)
Rdnr. 35; MüKo BGB/Pohlmann, 8. Aufl. 2020,
Ob dies allerdings auch für den Fall der Totalerneuerung bzw. für den Wiederaufbau
eines total zerstörten Gebäudes gilt, ist in der Rechtsprechung soweit ersichtlich noch
nicht entschieden (ausdrücklich offen gelassen vom Bayerischen Obersten Landesgericht
in den genannten Entscheidungen, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom
23.01.2009, V ZR 197/07- beck-online, betrifft lediglich eine schuldrechtliche Vereinbarung,
zustimmend aber Schippers, MittRhNotK 1996 S.197, 201, wenn die Wiederherstellungskosten
durch Versicherungsleistungen gedeckt sind und die Verwendung
dieser Leistungen zur Wiederherstellung nach § 1046 Abs.2 BGB verlangt werden
kann; ihm folgend wohl Staudinger/Heinze (2017)
im Hinblick auf die Absicherung durch Versicherungsleistungen: BeckOK
BGB/Reischl, 54. Ed. 1.5.2020,
Nach dem vorliegenden notariellen Schenkungsvertrag sollen die Nießbraucher mit
dinglicher Wirkung auch zum Wiederaufbau des komplett zerstörten Gebäudes verpflichtet
sein, soweit nicht – bei Zerstörung durch Feuer oder sonst durch von außen
einwirkende außergewöhnlichen Ereignissen - der Schaden zugunsten des Eigentümers
versichert ist. Allerdings obliegt dem Beschenkten die Versicherung des Grundstücks,
ohne dass dazu eine Verpflichtung besteht, so dass eine Totalzerstörung ohne
Absicherung durch eine Versicherung jedenfalls theoretisch möglich ist.
Bedenken könnten gegen eine Verpflichtung zum Wiederaufbau des total zerstörten
Gebäudes bestehen, weil damit die wesensmäßigen Grenzen zwischen Nießbrauch
(Nutzungsrecht einerseits und bloße Erhaltungspflicht andererseits) und Eigentum verändert
würden (Typenzwang im Sachenrecht). Dies könnte auch vor dem Hintergrund
des
bei ordnungsgemäßer Nutzung (und Erhaltung) trägt. Diesem Argument ist allerdings
entgegenzuhalten, dass
beck-online). Nach Ansicht des Senats spricht auch die wesensmäßige Abgrenzung
zwischen Eigentum und Nießbrauch nicht gegen eine derartige Verpflichtung mit dinglicher
Wirkung. Das Wesen des Nießbrauchs liegt darin, dass der Eigentümer für einen
bestimmten Zeitraum von wesentlichen Befugnissen – nämlich der (wirtschaftlichen)
Nutzung – ausgeschlossen wird und dem Nießbraucher neben der Gewährung des
Nutzungsrechts Erhaltungspflichten auferlegt werden. Es ist bereits jetzt zu Recht an-
erkannt, dass diese Pflichten – mit dinglicher Wirkung – einer gewissen Gestaltungsfreiheit
unterliegen, die zu Lasten des Nießbrauchers auch den Bereich der Wirtschaftlichkeit
verlassen können (dazu Bayerisches Oberlandesgericht Beschluss v. 15.3.1985
– Breg. 2 Z 24/85 – beck-online). Diese Gestaltungsmöglichkeit obliegt im Rahmen der
Vertragsfreiheit auch und gerade unter wirtschaftlichen und steuerrechtlichen Gesichtspunkten
den Beteiligten. Denn es verbleibt dabei, dass der Eigentümer – mit der Einschränkung
durch das Nießbrauchsrecht - verfügungsbefugt über das Grundstück ist
und dass der Nießbraucher nach Ablauf seines Rechts dieses an den jeweiligen Eigentümer
zurückgeben muss. Diese Rechte des Eigentümers reichen nach Ansicht des
Senats zur Abgrenzung des Nießbrauchsrechts vom Eigentum aus. Die Ausweitung der
Ausbesserungs- und Erneuerungspflichten bis hin zum Wiederaufbau nach Zerstörung,
der ohnehin nur in den seltensten Fällen sicher von einer Sanierungsmöglichkeit abzugrenzen
sein dürfte, verschiebt die Grenzen der beiden Rechte daher nicht übermäßig.
In der Ausgestaltung des Nießbrauchsrechts im Hinblick auf die Ausbesserungs- und
Erneuerungspflichten liegt kein Eintragungshindernis.
Die Kostenentscheidung ergeht nach
zu § 3 Abs.2 GNotKG Gebühren nur erhoben werden, soweit die Beschwerde zurückgewiesen
wird (BayObLG, Entscheidung vom 09.09.1986 - 2 Z 60/86 – beck-online).
Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus §§ 45 Abs.3 2. Hs., 51 Abs.1 S.2
GNotKG. Entscheidend war hier nur der Wert der Vormerkung, der gemäß den genannten
Regelungen auf den halben Grundstückswert festzusetzen ist.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Sache, jedenfalls soweit die Beschwerde
zurückgewiesen worden ist, keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Bremen
Erscheinungsdatum:17.06.2020
Aktenzeichen:3 W 15/20
Rechtsgebiete:
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Grundbuchrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BGB § 1041 S. 2