OLG Koblenz 15. November 2018
1 U 1198/17
BeurkG § 13 Abs. 1 S. 1; BGB §§ 104 Nr. 2, 437, 2229 Abs. 4, 2342, 2275

Geschäfts- und Testierfähigkeit am Krankenbett unter dem Einfluss von Medikamenten

letzte Aktualisierung: 25.10.2019
OLG Koblenz, Urt. v. 15.11.2018 – 1 U 1198/17

BeurkG § 13 Abs. 1 S. 1; BGB §§ 104 Nr. 2, 437, 2229 Abs. 4, 2342, 2275
Geschäfts- und Testierfähigkeit am Krankenbett unter dem Einfluss von Medikamenten

1. Zur Geschäfts- und Testierfähigkeit des Erblassers, der zwei Tage vor seinem Tode vor einem
Notar am Krankenbett einen Erbvertrag schließt und unter Medikamenteneinfluss steht.

2. Zur Frage, ob der Testierende seine Willenserklärung mündlich abgeben muss oder ob es hierfür
eine Erklärung durch Gebärden bzw. Kopfnicken genügt.

Gründe:

I.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Erbvertrages.
Der Kläger ist das einzige gemeinsame Kind der Beklagten und des am 18.05.2014 verstorbenen
Erblassers …[A]. Er begehrt die Feststellung, dass er Alleinerbe des Erblassers
geworden ist.

Am 16.05.2014, zwei Tage vor dem Tod des Erblassers, haben sich die Beklagte und
der Erblasser durch Erbvertrag gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Dieser Erbvertrag
wurde von dem Notar ...[B] im Krankenhaus am Krankenbett des Erblassers beurkundet.
Der Kläger hält diesen Erbvertrag für unwirksam und ist der Ansicht, dass ein früherer
Erbvertrag vom 14.08.1969 Gültigkeit habe, nach dem der Kläger als Alleinerbe seines
Vaters eingesetzt ist.

Er hat vorgetragen, dass der Erblasser die beurkundete Erklärung so abgegeben habe,
dass er auf die dreimalige Nachfrage des Notars, ob er das Vorgelesene verstanden
habe, genickt habe. Dies sei jedoch für die wirksame Errichtung eines Erbvertrages
nicht ausreichend. Der Erblasser sei außerdem gar nicht testierfähig gewesen. Am Vortag
sei der Erblasser zeitlich und örtlich nicht orientiert und infolge der Gabe eines
Fentanyl-Pflasters nur schwer erweckbar gewesen. Auch am 16.05.2014 habe der Erblasser
aber um 10:00 Uhr und um 14:00 Uhr wieder ein Fentanyl-Pflaster erhalten, außerdem
um 15:00 Uhr noch 5 mg Morphin als Schmerzmittel. Der Notar sei über die
Gabe dieser Schmerzmittel nicht informiert gewesen und zudem durch Druckausübung
seitens der Beklagten zu einer unrichtigen Auffassung hinsichtlich der Testierfähigkeit
des Erblassers gelangt. Der Erblasser habe den Erbvertrag zudem nicht eigenhändig
unterschrieben, dazu sei er gar nicht mehr in der Lage gewesen. Auch habe der Erblasser
zuvor immer wieder erklärt, dass er zu seinem Sohn stehe, es könne daher nicht
sein Wille gewesen sein, den Kläger zu enterben. Die Beklagte habe eine Vorsorgevoll-
macht verwendet, die gefälscht gewesen sei. Sie habe diese Fälschung dazu benutzt,
den Erblasser in einem Hospiz unterzubringen, wodurch dessen Leben verkürzt worden
sei. Die Beklagte sei deshalb erbunwürdig.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt
festzustellen, dass er Alleinerbe des am 18.05.2014 in ... verstorbenen ...[A] ist.
Die Beklagte hat beantragt
die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, dass der Erblasser testierfähig gewesen sei und dies von dem beurkundenden
Notar auch zutreffend so festgestellt worden sei. Es habe dem erklärten
Willen des Erblassers entsprochen, dass der Kläger enterbt werde.

Das Landgericht hat über den Zustand des Erblassers vor der Errichtung des Erbvertrages
Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen ...[B] sowie durch Vernehmung der
Zeugen ...[C], ...[D], ...[E], ...[F], ...[G] und ...[H]. Außerdem hat das Landgericht zur Frage
der Testierfähigkeit des Erblassers Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Wegen des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme
wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. med. ...[J] in der „Anlagenmappe
Gutachten“ und sein in der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2017 mündlich
erstattetes Gutachten (Bl. 275 d.A.) Bezug genommen, außerdem auf die Sitzungsprotokolle
vom 29.11.2016 (Bl. 83 ff. d.A.) und vom 29.08.2017 (Bl. 270 ff. d.A.).

Durch Urteil vom 26.10.2017 hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dass es nach der Beweisaufnahme
die Überzeugung gewonnen habe, dass der Erblasser bei Errichtung des Erbvertrages
testierfähig gewesen und der Erbvertrag auch nicht aus anderen Gründen unwirksam
sei. Der Sachverständige Dr. ...[J], der sein Gutachten auf die vorliegenden
ärztlichen Berichte und die Angaben der zu dem Gesundheitszustand des Erblassers
gehörten Zeugen gestützt habe, habe ausgeführt, dass der Erblasser am 16.05.2018
zwar sterbenskrank gewesen sei und unter starken Schmerzen gelitten habe; sich dies
aber nicht auf seine Testierfähigkeit ausgewirkt habe. Die Schmerzmittel Fentanyl und
Morphium seien lediglich in Dosen verabreicht worden, die auf die Testierfähigkeit keinen
Einfluss gehabt hätten. Das von den Zeugen geschilderte Verhalten des Erblassers
unmittelbar vor Errichtung des Erbvertrages und der von dem Notar ...[B] beschriebene
Eindruck von dem Erblasser bei der Errichtung des Erbvertrages belegten, dass der
Erblasser testierfähig gewesen sei. Soweit sich aus den Aussagen der Zeugen und dem
Inhalt der Krankenakte, insbesondere was den Vortag angehe, Hinweise auf Verwirrtheitszustände
des Erblassers ergäben, könne dies auf ein Delir zurückzuführen sein.

Solche Verwirrtheitszustände könnten durchaus den Charakter einer Störung der Geistestätigkeit,
die die freie Willensbestimmung ausschließe, erreichen. Hierbei handele es
sich jedoch nur um kurzzeitige Erscheinungen. Vor und nach deren Auftreten bestünden
bei den Betroffenen keine psychophathologischen Auffälligkeiten. Ein solcher Zustand -
soweit er am 15.05.2014 vorgelegen habe - lasse daher keine Rückschlüsse auf den
Zustand des Erblassers bei der Errichtung des Erbvertrages am Folgetag zu. Auch der
Umstand, dass der Erblasser am 15.05.2014 auf die Gabe von Fentanyl möglicherweise
mit Schläfrigkeit reagiert habe, spreche nicht dafür, dass dies am 16.05.2014 ebenso
gewesen sein müsse. Das Verhalten des Erblassers, wie es von den Zeugen geschildert
worden sei, spreche vielmehr gegen eine solche Reaktion am 16.05.2014 und dagegen,
dass sich der Erblasser bei Errichtung des Erbvertrages in einem Zustand vorübergehender
Störung der Geistestätigkeit befunden habe.

Das Landgericht hat weiter ausgeführt, dass es aufgrund der Aussage des Zeugen
...[B], der entsprechend bekundet habe, auch davon überzeugt sei, dass der Erblasser
den Erbvertrag eigenhändig unterschrieben habe.

Der Erbvertrag sei auch nicht deshalb unwirksam, weil der Erblasser seinen Willen nicht
mündlich, sondern lediglich körpersprachlich durch Kopfnicken erklärt habe. § 2232
BGB habe zwar in seiner bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung tatsächlich eine mündliche
Erklärung des letzten Willens verlangt, die seit dem 01.01.2002 geltende neue
Fassung der Norm setze dies indessen gerade nicht mehr voraus. Sinn der Gesetzesänderung
sei es gewesen, auch Personen, die nicht (mehr) sprechen können, die Möglichkeit
zu eröffnen, ihren letzten Willen zu erklären. Hierzu genüge aber das von dem
Zeugen ...[B] geschilderte körpersprachlich eindeutige Kopfnicken.

Damit sei im Ergebnis ein wirksamer Erbvertrag zustande gekommen. Die Wirksamkeit
des Erbvertrages scheitere auch nicht an einer Erbunwürdigkeit der Beklagten, denn es
gebe kein rechtskräftiges Urteil, das ihre Erbunwürdigkeit feststelle, § 2342 BGB.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
Er führt aus, dass das Urteil des Landgerichts fehlerhaft sei, da geprüft worden sei, ob
der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages testierfähig gewesen sei.

Voraussetzung für die Errichtung eines Erbvertrages sei aber nicht die Testierfähigkeit,
sondern gemäß § 2275 Abs. 1 BGB allein die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit. Zwischen
beiden Begrifflichkeiten bestünden aber Unterschiede. So könne die Testierfähigkeit
im Gegensatz zur Geschäftsfähigkeit auch dann bejaht werden, wenn trotz krankhafter
Störung der Geistestätigkeit Einsichtsfähigkeit hinsichtlich der abgegebenen Willenserklärung
vorliege. Bei richtiger Anwendung des materiellen Rechts wäre somit ein
abweichendes, die Geschäftsfähigkeit verneinendes, Ergebnis möglich gewesen.

Zudem habe das Landgericht verkannt, dass sich der Erblasser auch am 16.05.2014 -
ebenso wie am Vortag - in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand
seiner Geistestätigkeit befunden habe. Das Landgericht habe nämlich unberücksichtigt
gelassen, dass der Erblasser auch am 16.05.2014 um 10:00 Uhr und um 14:00 Uhr von
der Pflegekraft ...[K] jeweils ein Fentanyl-Pflaster erhalten habe. Dies ergebe sich aus
den Pflegeberichten, die bereits erstinstanzlich vorgelegt worden seien. Zudem werde
Beweis angeboten durch Vernehmung der Zeugin ...[K]. Am Vortag habe der Erblasser
aber gerade auf die Gabe von Fentanyl mit Schläfrigkeit reagiert. Den Bekundungen des
Notars ...[B] als Zeuge komme kein Beweiswert zu. Der Erblasser habe sich lediglich
durch Kopfnicken erklärt, dies erlaube jedoch gar nicht die erforderliche Feststellung der
Geschäftsfähigkeit durch den Notar. Zudem habe der Notar nach eigenen Bekundungen
den Eindruck gewonnen, dass der Erblasser am 15.04.2014 aufgrund der Gabe von
Fentanyl nicht testierfähig gewesen sei, er habe deshalb gerade darum gebeten, vor der
Errichtung des Erbvertrages am 16.04.2014 von der Gabe von Fentanyl abzusehen.

Aufgrund starker Schmerzen habe der Erblasser aber auch am 16.04.2014 vor der Errichtung
des Erbvertrages Fentanyl erhalten. Vor diesem Hintergrund hätte der Notar
Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Erblassers haben müssen. Da sich der Sachverständige
aber auch auf die Angaben des Notars in seiner Zeugenvernehmung gestützt
habe, bestehe Anlass für eine ergänzende Beweisaufnahme. Auch dem eingeholten
Sachverständigengutachten komme kein Beweiswert zu, da der Sachverständige selbst
mitgeteilt habe, dass teilweise Unterlagen aus der Klinik fehlten oder unleserlich seien,
außerdem habe der Sachverständige sowohl die Krankenakte als auch die von dem
Kläger vorgelegten Pflegeberichte des Erblassers unberücksichtigt gelassen.

Das Landgericht habe zudem festgestellt, dass der Erblasser den Erbvertrag eigenhändig
unterschrieben habe und sich insoweit auf die Aussage des Zeugen ...[B] gestützt.

Es sei jedoch nicht zutreffend, dass der Erblasser den Erbvertrag eigenhändig unterschrieben
habe. Bereits erstinstanzlich sei, etwa mit Schriftsatz vom 04.04.2017, vorgetragen
worden, dass die Unterschrift des Erblassers in dem Erbvertrag vom 16.05.2014
im Vergleich mit seiner üblichen Unterschrift nicht unerhebliche Unterschiede aufweise.

Insoweit werde Beweis angeboten durch die Lichtbilder in der Anlage BK2 sowie die
Einholung eines graphologischen Sachverständigengutachtens. Es sei zweifelsfrei zu
erkennen, dass die Originalunterschrift des Erblassers aus gleichmäßig verlaufenden,
runden Linien bestehe. Im Gegensatz hierzu sei die auf dem Erbvertrag vom 16.05.2014
befindliche Unterschrift bereits gar nicht als Name des Erblassers zu entziffern. Die Unterschrift
weise außerdem im Vergleich zur Originalunterschrift des Erblassers einige
Haken auf. Der bereits erstinstanzlich gestellte Antrag des Klägers auf Einholung eines
graphologischen Gutachtens sei übergangen worden, obwohl diese Beweiserhebung
geboten gewesen wäre. Das Urteil beruhe auf diesem Verfahrensfehler, da der Erbvertrag
bei Fehlen einer eigenhändigen Unterschrift des Erblassers unabhängig von der
Frage der Geschäftsfähigkeit unwirksam sei.

Gegen den im Termin vom 26.04.2018 säumigen Kläger hat der Senat auf Antrag der
Beklagten ein Versäumnisurteil erlassen, durch das die Berufung des Klägers gegen
das am 26.10.2017 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts
Koblenz zurückgewiesen wurde und dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens
auferlegt wurden. Gegen dieses, seinem Prozessbevollmächtigten am 09.05.2018
(Bl. 538 d.A.) zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten
vom 23.05.2018, bei dem Oberlandesgericht Koblenz eingegangen am gleichen
Tag (Bl. 544 d.A.) Einspruch eingelegt.

Zur Begründung seines Einspruchs hat der Kläger auf seinen bisherigen Vortrag verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Versäumnisurteil vom 26.04.2018 aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Die Beklagte beantragt,
den Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 26.04.2018 zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass das Gericht im vorliegenden ZPO-Verfahren lediglich den Vortrag
der Parteien zu berücksichtigen habe. Der Kläger habe erstinstanzlich aber vorgetragen,
dass der Erblasser testierunfähig und nicht, dass er geschäftsunfähig gewesen
sei. Die Zeugin ...[K] sei erstinstanzlich nicht benannt worden, der entsprechende Beweisantrag
in der Berufungsinstanz verspätet. Im Übrigen stelle die Testierfähigkeit eine
besondere Art der Geschäftsfähigkeit dar, die Begriffe deckten sich zwar nicht in Einzel-
heiten, aber in wesentlichen Punkten. Das Landgericht habe trotz umfassender Beweisaufnahme
keine Anhaltspunkte für eine Störung der Geistestätigkeit des Erblassers im
Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages feststellen können. Auch wenn die Beweisaufnahme
zur Frage der Testierfähigkeit erfolgt sei, könne das Gericht auch ohne zusätzliche
Beweisaufnahme von einer Geschäftsfähigkeit des Erblassers ausgehen, da
die Ergebnisse identisch seien, so habe auch bereits das BayObLG in einem ähnlichen
gelagerten Fall entschieden (NJW-RR 1996, 1289).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die wechselseitigen
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
1. Der Einspruch des Klägers gegen das in der Berufungsinstanz ergangene Versäumnisurteil
vom 26.04.2018 ist zulässig. Der Einspruch ist gemäß §§ 539 Abs. 3, 338 ZPO
statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 539 Abs. 3, 339 Abs. 1,
340 ZPO.

Durch den zulässigen Einspruch ist der Prozess in die Lage vor dem Eintritt der Säumnis
zurückversetzt worden, §§ 539 Abs. 3, 342 ZPO.

2. Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Erbvertrag vom
16.05.2014 wirksam errichtet worden ist mit der Folge, dass nicht der Kläger, sondern
die Beklagte den Erblasser allein beerbt hat.

a) Der Kläger wendet zutreffend ein, dass gemäß § 2275 BGB Voraussetzung für die
Errichtung eines Erbvertrages die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit des Erblassers ist.
Auf die Testierfähigkeit des Erblassers, die das Landgericht geprüft und hinsichtlich derer
es auch, insbesondere durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens, Beweis
erhoben hat, kommt es dagegen bei der Errichtung eines Erbvertrages nicht an.

Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles liegt hierin jedoch kein Verfahrensfehler,
der eine weitere Beweiserhebung in der Berufungsinstanz durch Einholung
eines (ergänzenden) Sachverständigengutachtens zur Frage der Geschäftsfähigkeit
des Erblassers bei der Errichtung des Erbvertrages erforderlich machen würde.

Die Geschäftsunfähigkeit ist in § 104 Nr. 2 BGB geregelt. Demnach ist geschäftsunfähig,
wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden nicht nur vorübergehenden
Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet.

Die Testierfähigkeit ist nicht explizit normiert. § 2229 IV BGB bestimmt lediglich, dass
testierunfähig ist, wer wegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit nicht in der
Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und
nach dieser Einsicht zu handeln.

An die Annahme der Testierfähigkeit sind dabei nicht grundsätzlich geringere Anforderungen
als an Annahme der Geschäftsfähigkeit zu stellen. Die Testierfähigkeit ist vielmehr
als spezielle Ausprägung der Geschäftsfähigkeit auf dem Gebiet des Erbrechts in
§ 2229 IV BGB geregelt und fasst sachlich die allgemeinen Grundsätze der §§ 104 Nr.
2, 105 BGB zusammen (BGH 4. Zivilsenat, Urteil vom 08.03.2017, Az.: IV ZB 18/16,
zitiert nach juris, abgedruckt in ZEV 2017, 278). Unterschiede gibt es vornehmlich bei
beschränkt Geschäftsfähigen, die bereits mit Vollendung des 16. Lebensjahres testierfähig
sind (vgl. Baumann in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012, § 2229 Rn. 16, 17;
Litzenburger in BeckOK, BGB, 47. Edition, § 2229 Rn. 7).

Sowohl die hier maßgebende Frage der Geschäftsfähigkeit als auch die von dem Landgericht
geprüfte Frage der Testierfähigkeit setzen mithin in jedem Fall eine Störung der
Geistestätigkeit im Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung voraus, die ein Handeln
in freier Willensbestimmung ausschließt (vgl. BayObLG FamRZ 1996, 971; BayObLG
FamRZ 2002, 62).

Da das Landgericht nach der durchgeführten Beweisaufnahme aber in berufungsrechtlich
nicht zu beanstandender Art und Weise die Überzeugung gewonnen hat, dass bei
dem Erblasser am 16.05.2014 keine Störung der Geistestätigkeit vorlag, fehlt es bereits
an der zentralen Voraussetzung für eine mögliche Beeinträchtigung der Geschäftsfähigkeit
des Erblassers.

Wenn kein Zustand des Erblassers festgestellt werden konnte, der die Frage seiner Testierfähigkeit
im Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages berührt hätte, fehlt es auch an
Anhaltspunkten dafür, dass seine Geschäftsfähigkeit beeinträchtigt gewesen sein könnte.
Die insoweit maßgeblichen Tatsachen decken sich. Weiterer Beweiserhebungen bedarf
es bei einer solchen Sachlage nicht (vgl. BayObLG FamRZ 1996, 971).

Da die Geschäftsfähigkeit die Regel und die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme
bildet, ist der einen Erbvertrag schließende Erblasser solange als geschäftsfähig anzu-
sehen, bis das Fehlen der unbeschränkten Geschäftsfähigkeit zur Gewissheit des Gerichts
nachgewiesen ist. Wer die Geschäftsunfähigkeit des Erblassers bei Abschluss
eines Erbvertrages behauptet und sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit des
Erbvertrages beruft, trägt die Feststellungslast für alle die mögliche Geschäftsunfähigkeit
begründenden tatsächlichen Umstände. Solange die Geschäftsunfähigkeit zweifelhaft
bleibt, ist von der Geschäftsfähigkeit auszugehen (vgl. BayObLG FamRZ 2002, 62).
Den Beweis, dass der Erblasser bei der Errichtung des Erbvertrages am 16.05.2014
geschäftsunfähig war, konnte der Kläger jedoch nicht führen.

Das Landgericht ist auf der Grundlage des eingeholten neurologischen, psychiatrischen
und psychotherapeutischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. ...[J] vielmehr
rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung gelangt, dass bei dem Erblasser am 16.05.2014
keine Störung der Geistestätigkeit vorlag.

Das Gutachten des Sachverständigen ist widerspruchsfrei, schlüssig und nachvollziehbar.
Die relevanten Anknüpfungstatsachen hat der Sachverständige vollständig und
zutreffend seiner Beurteilung zu Grunde gelegt, insbesondere die Aussagen der in den
Terminen vom 29.11.2016 und 29.08.2017 vernommenen Zeugen sowie die von dem
Kläger zu den Akten gereichten Krankenunterlagen des Erblassers in der „Anlagenmappe
Kläger“.

In seinem schriftlichen Gutachten vom 20.06.2017 hat der Sachverständige zunächst
ausgeführt, dass sich aus sämtlichen vorliegenden Anknüpfungstatsachen keine Anhaltspunkte
für eine Geistesschwäche des Erblassers ergäben; demenzielle Symptome,
eine Schizophrene, eine wahnhafte Störung oder eine schwere affektive Symptomatik
lägen nicht vor. Diese generell typischen Ursachen einer fehlenden Testierfähigkeit
könnten im vorliegenden Fall vernachlässigt werden. Im Vordergrund stehe vielmehr
eine mögliche Bewusstseinsstörung oder krankhafte Störung der Geistestätigkeit durch
eine Intoxikation mit psychotropen Substanzen, vornehmlich dem Opiat Fentanyl. Bei
einer Intoxikation seien dabei Grad und Ausmaß der konkreten Symptomatik entscheidend.

Aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen ergebe sich, dass der Erblasser in den
ersten Tagen des Monats Mai 2014 unter Natriummangel, Atemnot und einem Pleuraerguss
gelitten habe, zudem sei eine Pleurapunktion (Punktion des die Lunge umgebenden
Verschiebespaltes bei Flüssigkeitsansammlungen) durchgeführt worden. Diese
Befunde seien, vor allem bei geschwächten und sehr kranken alten Menschen, grundsätzlich
geeignet, ein Delir auszulösen.

In den Unterlagen befinde sich weiter eine „Epikrise“ des …[L]krankenhauses betreffend
den Zeitraum zwischen dem 07.04, und dem 18.05.2014. Hier ergebe sich das Bild eines
schwer erkrankten 77jährigen Mannes mit Herz- und Nierenversagen. Ursache seien
vielfältige Erkrankungen des Herzens und der Gefäße. Hinweise auf eine psychopathologische
Symptomatik des Erblassers folgten hieraus jedoch nicht, eine psychische
Diagnose werde auch nicht erwähnt. Die aufgeführten internistischen Diagnosen seien
aber grundsätzlich geeignet, vorübergehende Störungen der Geistestätigkeit oder auch
eine Bewusstseinsstörung im Sinne eines Delirs auszulösen. Aus dem Dokument ergebe
sich weiter, dass das Fehlen weiterer Therapiemöglichkeiten und die heikle Frage
der Begrenzung der Versorgung auf palliative Maßnahmen besprochen worden sei.

Auch in diesem Zusammenhang fehle jeder Hinweis auf eine psychopathologische
Symptomatik bei dem Erblasser.

Nachdem in den ebenfalls vorliegenden Pflegeberichten unter dem 13.05.2014 eine
Verschlechterung des Allgemeinbefindens und Atemnot beschrieben worden sei, finde
sich am 14.05.2014 um 5:00 Uhr der Eintrag: „Patient in der Nacht zeitlich nicht orientiert,
will ständig seine Ehefrau anrufen, ist nachmittags ja erst eingeliefert worden, ruft
ständig statt zu klingeln“.

Am 15.05.2014 sei erneut morgens um 5:00 Uhr vermerkt worden: „Patient sehr unruhig
gewesen, weder zeitlich noch örtlich orientiert“.

Zu diesen Einträgen sei aus gutachterlicher Sicht anzumerken, dass zeitliche Desorientierung,
vor allem in der Nacht, sowie auch situative Desorientiertheit und Unruhe typische
Symptome eines Delirs seien. Ein solches Delir trete bei älteren, schwer erkrankten
Menschen im Laufe eines stationären Aufenthalts in bis zu 50% der Fälle auf, sei
also gar nicht ungewöhnlich. Ein solcher psychopathologische Zustand sei im Verlauf oft
komplett reversibel und bilde sich rasch zurück.

So fänden sich auch weder am 14. noch am 15.05.2014 tagsüber Einträge zu möglichen
psychopathologische Auffälligkeiten.

Am Abend und in der Nacht des 15.05.2014 sei dann ein tiefer Schlaf des Patienten
vermerkt worden.

Am 15.05.2014 sei u.a. „Fentanyl 25 mcg/Stunde-Pflaster“ sowie Morphin 10 mg (Sevredol)“
bei Bedarf ärztlich verordnet worden.

Um 10:00 Uhr am 16.05.2014 sei in den Pflegeberichten eingetragen worden, dass der
Patient überwiegend wach und ansprechbar sei, getrunken habe und unter Schmerzen
bei Bewegung leide. Er habe ein Fentanyl-Pflaster 12 mcg erhalten. Um 14:00 Uhr sei
dann vermerkt worden, dass der Patient starke Schmerzen habe und ein weiteres 12
mcg Fentanyl-Pflaster erhalten habe, außerdem um 15:00 Uhr 5 mg Morphin subkutan.
Schließlich sei um 19:00 Uhr festgehalten worden, dass der Patient sehr schläfrig sei
und weiter Schmerzen habe.

Somit habe der Erblasser im unmittelbaren Umfeld der Testamentserrichtung am
16.05.2014 zwei Fentanyl-Pflaster bei starken Schmerzen und zusätzlich um 15:00 Uhr
noch 5 mg Morphin erhalten. Neben der Wirkung auf die Schmerzen sei eine sedierende
oder schlafanstoßende Wirkung, wie sie offenbar bei dem Betroffenen habe beobachtet
werden können, eine erwünschte Wirkung der Opiate. Hinweise auf eine Intoxikation
- also eine Überdosierung mit erheblichen Einschränkungen des Bewusstseins
oder gar einer resultierenden krankhaften Störung der Geistestätigkeit - fänden sich hingegen
in den Einträgen nicht. Es handele sich bei den Medikamentengaben um übliche
Dosen zweier Opiate, wie sie bei schweren Schmerzen und vor allem in der Palliativmedizin
verabreicht würden. Aus den Unterlagen gingen keine weiteren Verordnungen hervor,
die aus gutachterlicher Sicht geeignet wären, unvorhergesehene, insbesondere
verstärkte, Wirkungen der Opiate zu begünstigen.

Schließlich liege noch ein schlecht lesbarer „ärztlicher Verlauf“ aus dem
…[L]krankenhaus mit Eintragungen zwischen dem 11. und 15.05.2014 vor. Hier sei -
soweit entzifferbar - unter dem 15.05.2014 vermerkt: „Notar des Ehepaares möchte Testament
errichten. Patient ist aufgrund des Fentanyl-Pflasters nur schwer erweckbar (...)
Erneut Pflaster ab für Testamentserrichtung am 16.05.2014, anschließend erneut
Fentanyl-Pflaster.“

Aus gutachterlicher Sicht beschreibe dieses Dokument die Schläfrigkeit des Patienten
aufgrund des Opiats. Es fänden sich aber keine Hinweise auf weitere psychopathologische
Auffälligkeiten.

Weiter befinde sich in der Akte eine E-Mail des Notars ...[B], aus der hervorgehe, dass
der Notar am Tag vor der Testamentserrichtung mit dem behandelnden Arzt vereinbart
habe, das Morphin abzusetzen, damit der Betroffene am folgenden Vormittag testierfä-
hig sei. Dies sei so vereinbart worden, weil der Betroffene am Vortag wegen der Gabe
von Morphin eindeutig nicht testierfähig gewesen sei.

Aus gutachterlicher Sicht, so der Sachverständige, gehe hieraus nicht hervor, inwiefern
der Betroffene aufgrund der Gabe von Morphin tatsächlich nicht testierfähig gewesen
sei. Eine prinzipielle Testierunfähigkeit unter psychotropen Substanzen wie Opiaten sei
aus gutachterlicher Sicht die Ausnahme und nur bei akuten Intoxikationen anzunehmen,
wobei in der Literatur keine Grenzwerte hinsichtlich der Testierfähigkeit vorlägen. Der
Eindruck des Notars könne als Folge eines vorangehenden nächtlichen Delirs oder einfach
als Schläfrigkeit als Opiat-Nebenwirkung zu erklären sein.

Aus den Angaben der Zeugen, die von dem Gericht zum Zustand des Erblassers während
seines Krankenhausaufenthaltes vernommen worden seien, ergäben sich ebenfalls
keine Hinweise auf psychophathologische Auffälligkeiten. So habe die Zeugin ...[E] bekundet,
dass sie einige Tage vor der Errichtung des Erbvertrages bei dem Erblasser im
Krankenhaus gewesen sei und sich ganz normal mit ihm habe unterhalten können. Der
Zeuge ...[M] habe berichtet, dass er den Erblasser am Tag vor der Errichtung des Erbvertrages
schlafend angetroffen habe. Am Tag der Errichtung des Erbvertrages sei der
Erblasser relativ „gut drauf“ gewesen und habe auch Späße gemacht. Man habe sich
mit ihm unterhalten können. Der Enkel des Erblassers, der Zeuge ...[F], habe bekundet,
dass er am 16.05.2014 bei dem Großvater im Zimmer gewesen sei, bevor der Notar dort
gewesen sei. Er sei allein bei dem Großvater gewesen und habe sich mit ihm unterhalten.

Nachdem der Notar wieder gegangen sei, sei er noch einmal zusammen mit seinem
Vater und seiner Großmutter im Zimmer gewesen. Er wisse noch, dass er die Großmutter
extra angerufen habe, damit diese auch komme, weil der Großvater klar gewesen
sei. Zuvor habe er aus der Familie gehört, dass der Großvater sonst meist schläfrig gewesen
sei. Er, der Zeuge, habe sich mit dem Großvater über das Grundstück in …[Z]
und verschiedene Dinge aus der Vergangenheit unterhalten. Die Themen habe jeweils
der Großvater angesprochen, einzelnes habe auch er, der Zeuge, angesprochen.

Insbesondere aus den Angaben des Enkels ergebe sich, so der Sachverständige, dass
bei dem Erblasser am 16.05.2014 keine psychopathologischen Auffälligkeiten zu erkennen
gewesen seien. Der Erblasser sei offensichtlich auch nicht schläfrig gewesen.
Im Ergebnis ließen sich für den 16.05.2014 somit keine Anhaltspunkte dafür eruieren,
dass im Verlauf des hellen Tages bei dem Erblasser ein Delir vorgelegen haben könnte.
Soweit dies in den Nächten zuvor der Fall gewesen sei, habe sich das Delir wieder zurückgebildet,
was auch, wie beschrieben, gerade typisch sei. Es hätten sich weiter auch
keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Gaben von Fentanyl und Morphium, ggf.
auch kombiniert, zu einer Intoxikation, also zu einer über die normale Wirkung hinausgehenden
„Vergiftung“ des Erblassers geführt haben könnte. Allein Schläfrigkeit oder
tiefer Schlaf könnten nicht in diesem Sinne interpretiert werden. Psychopathologische
Auffälligkeiten, die auf eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit oder eine Bewusstseinsstörung
hindeuteten, hätten sich insgesamt nicht feststellen lassen.

Nach Eingang dieses schriftlichen Gutachtens hat das Landgericht am 28.08.2017 eine
weitere mündliche Verhandlung durchgeführt, in der es zuerst den Notar ...[B] als Zeuge
vernommen und sodann den Sachverständigen - unter Berücksichtigung der Bekundungen
des Notars - sein Gutachten hat mündlich erläutern lassen. Der Zeuge ...[B] hat
ausgesagt, dass der Erbvertrag der Eheleute bereits über einen Zeitraum von zwei Jahren
vor dem Tod des Erblassers immer wieder Thema gewesen sei. Es sei immer vorgesehen
gewesen, dass sich die Eheleute gegenseitig zu Erben einsetzen, unklar geblieben
sei aber noch die Aufteilung der Grundstücke unter den Kindern. Am 15.05.2014
sei einem Mitarbeiter in seinem Notariat von dem …[L]krankenhaus mitgeteilt worden,
dass der Betroffene zweifelsfrei geschäftsfähig sei, er habe auch die erforderlichen Einwilligungen
in Behandlungen selbst erteilt. Er, der Notar, sei dann in das Krankenhaus
gefahren und sei gegen 18:00 Uhr bis 19:00 Uhr dort gewesen. Als er den Erblasser
gesehen habe, sei er zu der Überzeugung gelangt, dass dieser nicht testierfähig sei, da
er nicht ansprechbar gewesen sei. Der Arzt habe dann mitgeteilt, dass der Erblasser ein
starkes Schmerzmittel erhalten habe. Er, der Notar, habe dann angekündigt, dass er am
folgenden Vormittag die Beurkundung vornehmen wolle und deshalb darum gebeten,
dass der Betroffene keine starken Schmerzmittel mehr bekomme. Dies sei auch zugesagt
worden. Er sei dann am nächsten Tag gegen 11:15 Uhr wieder in das Krankenhaus
gekommen. Der Fuß des Betroffenen sei aufgeplatzt gewesen und es sei klar gewesen,
dass der Betroffene unter sehr starken Schmerzen leide. Er habe dem Betroffenen einen
Guten Morgen gewünscht und dieser habe auch zurück gegrüßt. Er habe dem Betroffenen
dann erklärt, dass man die Sache wegen seines Zustands jetzt vorziehen
müsse, ohne dass letzte Fragen geklärt seien. Er habe den Eindruck gehabt, dass der
Betroffene verstehe, um was es gehe. Nach Vorlesen des Textes habe er, der Notar,
den Betroffenen gefragt, ob dies sein Wille sei. Der Betroffene habe dazu bejahend mit
dem Kopf genickt. Er habe dann in seiner, des Zeugen, Anwesenheit unterschrieben. Er
habe den Eindruck gehabt, dass der Betroffene geschäftsfähig sei und deshalb die Beurkundung
durchgeführt. Der Betroffene habe einmal geäußert, dass er Schmerzen habe.
Ihm, dem Zeugen, sei nicht bekannt gewesen, dass der Betroffene
auch am 16.05.2014 vor der Beurkundung ein Schmerzmittel bekommen habe. Er habe
den Eindruck gehabt, dass der Betroffene ihn erkannt habe, als er das Krankenzimmer
betreten habe. Der Betroffene habe gepresst gesprochen, aber nicht verwaschen. Während
des Vorlesens habe er, der Zeuge, immer wieder aufgesehen, um zu schauen, ob
der Betroffene ihm auch folge. Er habe dabei den Eindruck gehabt, dass der Betroffene
ihm habe folgen können und ihm auch gefolgt sei. Der Betroffene habe ungeduldig gewirkt.
Es habe keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Betroffene eine Person
nicht erkannt habe oder nicht gewusst habe, wovon die Rede gewesen sei. Er, der Zeuge,
habe erläutert, dass es um die gegenseitige Erbeinsetzung gehe und das habe der
Betroffene auch so aufgenommen.

Nach der Vernehmung des Notars hat der Sachverständige im Termin vom 29.08.2017
vor dem Landgericht sein Gutachten erläutert und dabei ausgeführt, dass die Vernehmung
des Zeugen ...[B] ihm keinen Anlass gebe, von dem Ergebnis des schriftlichen
Gutachtens abzuweichen. Auch der Zeuge ...[B] habe bezogen auf dem 16.05.2014 keine
psychopathologischen Umstände geschildert, die geeignet wären, die Testierfähigkeit
des Erblassers in Zweifel zu ziehen. Er, der Sachverständige, wolle noch darauf
hinweisen, dass die vorgelegten Krankenunterlagen, die er in seinem Gutachten verwertet
habe, hinsichtlich der zeitlichen Kontinuität und dem Ort der Behandlung nicht ganz
eindeutig seien, teilweise seien die Unterlagen auch nicht ganz lesbar gewesen. Da jedoch
der Kläger selbst diese Unterlagen vorgelegt habe, sei nicht davon auszugehen,
dass diese eine andere Person in einem anderen Krankenhaus beträfen. Aus dem Umstand,
dass am 15.05.2014 ein Fentanyl-Pflaster verwendet worden sei und der Notar in
der Folge die Testierfähigkeit verneint habe, könne sicher nicht der Schluss gezogen
werden, dass der Betroffene auch am 16.05.2014 nicht testierfähig gewesen sei, weil er
auch an diesem Tag vormittags ein Fentanyl-Pflaster erhalten habe. Die Verabreichung
von Fentanyl habe keinen unmittelbaren Einfluss auf die Testierfähigkeit. Selbst wenn
eine Person auf das Medikament an einem Tag mit Schläfrigkeit reagiere, lasse sich
daraus nicht folgern, dass dies an einem anderen Tag auch so sein müsse. Im Übrigen
sei es so, dass selbst sehr starke Schmerzen die Geschäftsfähigkeit nicht beeinträchtigten.

Auf der Grundlage dieses widerspruchsfreien und schlüssigen Gutachtens, in dem alle
relevanten Anknüpfungstatsachen berücksichtigt wurden, hat sich das Landgericht zu
Recht die Überzeugung gebildet, dass der Erblasser am 16.05.2014 nicht unter einer
Störung der Geistestätigkeit litt.

Soweit der Kläger einwendet, dass der Sachverständige nicht berücksichtigt habe, dass
der Betroffene auch am 16.05.2014 ein Fentanyl-Pflaster erhalten habe und hierzu in
zweiter Instanz Beweis durch Vernehmung der Zeugin ...[K] angeboten hat, ist dies nicht
zutreffend. Der Sachverständige hat alle Medikamente berücksichtigt, die der Betroffen
ausweislich der Krankenunterlagen am 16.05.2014 erhalten hat, insbesondere auch die
Gabe von Fentanyl vormittags um 10:00 Uhr vor dem Besuch des Notars, und nachvollziehbar
dargelegt, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass hier eine Intoxikation
vorgelegen habe, die zu einer Störung der Geistestätigkeit des Erblassers geführt habe.

Auch der Einwand des Klägers, dass der Sachverständige nicht alle relevanten Kranken-
und Pflegeberichte berücksichtigt habe, ist nicht zutreffend; der Sachverständige
hat nachvollziehbar dargelegt, dass er alle in den Akten befindlichen relevanten Unterlagen
in seine Beurteilung einbezogen habe. Der Umstand, dass der Kläger die Krankenunterlagen
möglicherweise nicht vollständig vorgelegt hat, kann zu keiner anderen
Bewertung führen. Der Kläger trägt die Darlegungs- und Beweislast für die von ihm behauptete
Geschäftsunfähigkeit des Erblassers. Im Übrigen stützt der Sachverständige
seine Beurteilung auch nicht lediglich auf die Krankenunterlagen, sondern auch auf die
Bekundungen der vernommenen Zeugen, die am 16.05.2014 mit dem Erblasser im
Krankenhaus Kontakt hatten.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist dem beweisbelasteten Kläger der Nachweis,
dass der Erblasser bei der Errichtung des Erbvertrages geschäftsunfähig war,

nicht gelungen. Damit ist aber von der Geschäftsfähigkeit des Erblassers auszugehen.
b) Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Willensbekundung des Erblassers
nicht notwendig mündlich, sondern auch körpersprachlich durch Kopfnicken erfolgen
kann. Der Erbvertrag ist in derselben Form zu errichten wie ein öffentliches Testament
(vgl. Hoeren in Schulze, BGB, 9. Aufl., § 2276 Rn. 5). Bei einem öffentlichen Testament
nach § 2232 BGB kann die erforderliche Erklärung vor dem Notar aber auch
durch Gebärden oder Zeichen erfolgen, eine mündliche Erklärung ist nach der geltenden
Neufassung der Norm nicht mehr erforderlich; gerade auch Taubstummen sollte es
ermöglicht werden, ein Testament zu errichten (vgl. Stürner in Jauernig, BGB, 17. Aufl.,
§ 2232 Rn. 2).

c) Das Landgericht hat zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass kein rechtskräftiges
Urteil vorliegt, das eine Erbunwürdigkeit der Beklagten feststellt, § 2342 BGB.
d) Soweit der Kläger rügt, dass sein bereits erstinstanzlich gestellter Antrag auf Einholung
eines graphologischen Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache,
dass der Erblasser den Erbvertrag nicht eigenhändig unterschrieben habe, verfahrensfehlerhaft
übergangen worden sei, vermag auch dieses Vorbringen der Berufung nicht
zum Erfolg zu verhelfen.

Da der Erbvertrag in derselben Form wie ein öffentliches Testament zu errichten ist, ist
nach § 13 Abs. 1 S. 1 BeurkG die eigenhändige Unterschrift des Erblassers unter der
Niederschrift des Notars erforderlich. Die entsprechende Überzeugung des Landgerichts
gründet darauf, dass der Notar ...[B] als Zeuge bekundet hat, dass der Erblasser den
Erbvertrag in seiner Anwesenheit unterschrieben habe.

Der Erbvertrag ist eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 415 ZPO, der formelle Beweiskraft
dahingehend zukommt, dass die in der Urkunde enthaltene Erklärung auch
von der in der Urkunde namentlich bezeichneten Person stammt. Die Echtheit der Urkunde
wird vermutet, § 437 BGB. Zwar ist gemäß § 292 ZPO der Beweis des Gegenteils
zulässig; der Kläger hat nach den konkreten Umständen des hier zu beurteilenden Einzelfalles
jedoch mit der Einholung eines graphologischen Sachverständigengutachtens
ein ungeeignetes Beweismittel benannt, da es an geeigneten Anknüpfungstatsachen für
die Einholung des beantragten Gutachtens fehlt.

Erstinstanzlich (Bl. 4 d.A.) hatte der Kläger mit Schriftsatz vom 28.11.2015 lediglich vorgetragen:
„Der Schriftzug ist der Handschrift des Erblassers wesensfremd. Seine charakteristischen
Schriftzüge kommen in der Unterschrift nicht zum Ausdruck. Beweis:

Gutachten eines vom Gericht bestimmten Sachverständigen“ und mit Schriftsatz vom
04.04.2017 (Bl. 193 d.A.), außerdem argumentiert, dass die Unterschrift entweder nicht
von dem Erblasser stamme oder aber dieser sich in einem so stark sedierten Zustand
befunden habe, dass er gar nicht mehr wie gewohnt habe schreiben können.

In der Berufungsinstanz hat der Kläger sein Vorbringen vertieft, indem er nunmehr ausführt:
“Wie bereits die Prozessbevollmächtigten des Klägers in der ersten Instanz unter
anderem mit Schriftsatz vom 04.04.2017 vorgetragen haben, weist die Unterschrift des
Erblassers im Erbvertrag vom 16.05.2014 im Vergleich zu seiner üblichen Unterschrift
nicht unerhebliche Unterschiede auf. Beweis: 1. Lichbilder als Anlage BK2, 2. Einholung
eines graphologischen Sachverständigengutachtens. Diesbezüglich ist zweifelsfrei zu
erkennen, dass die Originalunterschrift des Erblassers aus gleichmäßig verlaufenden
runden Linien besteht. Im Gegensatz dazu ist die auf dem Erbvertrag vom 16.05.2014
befindliche Unterschrift bereits nicht als Name des Erblassers (...[A]) zu erkennen. Ferner
weist die Unterschrift im Vergleich zur Originalunterschrift einige Haken auf. Beweis:
wie vor“ (Bl. 384 – 385 d.A.).

Mit der Anlage BK2 (Bl. 389 d.A.) hat der Kläger erstmals in der Berufungsinstanz eine
Kopie vorgelegt, auf der sich zwei nicht datierte Unterschriften befinden. Angaben dazu,
wann und unter welchen Umständen die Vergleichsunterschrift des Erblassers entstanden
sein soll, hat der Kläger nicht gemacht.

Dieselbe Kopie legt der Kläger jedoch als Anlage zu einer späteren Eingabe im Berufungsverfahren
vom 26.06.2018 erneut vor (Bl. 597 d.A.). Hierzu führt er nunmehr aus,
dass die Vergleichsunterschrift aus dem Ehevertrag des Erblassers aus dem Jahr 1969
stamme.

Somit hat der Kläger als Grundlage für die Einholung eines graphologischen Sachverständigengutachtens
lediglich eine fast 50 Jahre alte Vergleichsunterschrift vorgelegt.

Eine schlüssige sachverständige Aussage ist aber nur auf der Grundlage repräsentativen
Vergleichsmaterials möglich. Dabei muss bei in Betracht kommenden altersund/
oder krankheitsbedingten Schriftveränderungen das Vergleichsmaterial möglichst
zeitnah vor der strittigen Unterschriftsleistung erstellt worden sein. Hier liegt jedoch als
Vergleichsmaterial nur eine einzige Unterschrift aus dem jungen Erwachsenenalter des
Erblassers vor, der bei Errichtung des Erbvertrages fast 50 Jahre später bereits 77Jahre
alt war und schwer krank und unter Schmerzen leidend in einem Krankenhausbett lag.
Auf dieser Grundlage kann aber kein graphologisches Gutachten erstellt werden. Das
von dem Kläger angebotene Beweismittel ist daher ungeeignet und eine entsprechende
Beweiserhebung nicht veranlasst.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711,
709 S. 3 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen,
§ 543 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 800.000 EUR festgesetzt.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Koblenz

Erscheinungsdatum:

15.11.2018

Aktenzeichen:

1 U 1198/17

Rechtsgebiete:

Erbvertrag
Beurkundungsverfahren
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Kaufvertrag
Pflichtteil
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Testierfähigkeit
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
Testamentsform

Normen in Titel:

BeurkG § 13 Abs. 1 S. 1; BGB §§ 104 Nr. 2, 437, 2229 Abs. 4, 2342, 2275