BGH 29. November 2023
XII ZB 531/22
BGB §§ 134, 138 Abs. 1, 1408, 1414; FamFG § 113 Abs. 1 S. 2; ZPO § 256 Abs. 2

Inhaltskontrolle von Eheverträgen; Vereinbarung der Gütertrennung gemäß Mustertext des Bundesverwaltungsamts; Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts; Wirkungen einer salvatorischen Klausel; Erfordernis einer subjektiven Imparität

letzte Aktualisierung: 5.2.2024
BGH, Beschl. v. 29.11.2023 – XII ZB 531/22

BGB §§ 134, 138 Abs. 1, 1408, 1414; FamFG § 113 Abs. 1 S. 2; ZPO § 256 Abs. 2
Inhaltskontrolle von Eheverträgen; Vereinbarung der Gütertrennung gemäß Mustertext des
Bundesverwaltungsamts; Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts; Wirkungen einer
salvatorischen Klausel; Erfordernis einer subjektiven Imparität

a) Zur Zulässigkeit eines Zwischenfeststellungsantrags betreffend die Wirksamkeit eines Ehevertrags
in der Folgesache Güterrecht.
b) Zur Inhaltskontrolle von Scheidungsfolgenvereinbarungen.

Gründe:

A.
Die Beteiligten streiten im Rahmen des Scheidungsverbunds in der Folgesache
Güterrecht auf der Auskunftsstufe über die Wirksamkeit eines Ehevertrags
und hierbei insbesondere der Vereinbarung von Gütertrennung.
Der Antragsteller, ein libanesischer Staatsangehöriger, und die Antragsgegnerin,
deutsche Staatsangehörige, schlossen im September 1996 in Deutschland
die Ehe. Zuvor hatten sie in Anwesenheit zweier muslimischer Zeugen einen
notariellen Ehevertrag geschlossen, der weitgehend einem damals vom Bundesverwaltungsamt
veröffentlichten Mustertext entspricht. Der Vertragstext enthält
unter anderem eine Klausel, wonach die Beteiligten nach der Eheschließung ihren
Wohnsitz in Deutschland beibehalten würden. Als Güterstand vereinbarten
die Beteiligten Gütertrennung (Ziffer II. b des Vertrags). Weiter sahen sie eine
Verpflichtung des Antragstellers zur Zahlung einer - teilweise bei Eheschließung
und im Übrigen bei Auflösung der Ehe fälligen - Morgengabe in Höhe von insgesamt
5.000
1.000 DM vor. Zu den Voraussetzungen der Ehescheidung trafen die Beteiligten
unter Ziffer II. d folgende Regelung:
Erschienene zu 1., ermächtige und bevollmächtige hiermit
die Erschienene zu 2. als zukünftige Ehefrau, sich durch Scheidung
aus dem ehelichen Band zu befreien, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen
vorliegen, insbesondere in Fällen des Gesetzes, falls
aa) der Ehemann eine andere Frau nimmt,
bb) der Ehemann länger als drei Monate abwesend ist,
cc) der Ehemann den Unterhalt für die Ehefrau nicht zahlt,
dd) der Ehemann die Ehefrau in einem Grade mißhandelt, daß das
eheliche Zusammenleben unerträglich wird,
ff) der Ehemann die Ehefrau an der Ausübung eines standesgemäßen
Berufs hindert.
Zum nachehelichen Unterhalt enthält der Vertrag unter Ziffer II. f folgende
Regelung:

hienene zu 1., verpflichte mich hierdurch für den Fall
einer Scheidung meiner Ehe mit der Erschienenen zu 2. aus meinem
Verschulden der Erschienenen zu 2. einen standesgemäßen Unterhalt
zu gewähren. Diese Verpflichtung soll eintreten, wenn der Ehemann
die Scheidung veranlaßt oder die Ehefrau die Ehescheidung
aus einem der gesetzlichen und vorstehend vereinbarten in der Person
des Ehemannes liegenden Gründe verlangt.

Zum Sorgerecht für gemeinsame Kinder regelten die Beteiligten unter Ziffer
II. g des Vertrags, dass die Antragsgegnerin im Falle der Auflösung der Ehe
dieses weiterhin innehaben sollte, und zwar für Söhne mindestens sieben Jahre
und für Töchter mindestens neun Jahre nach der Geburt. Weiter heißt es dort:
ehmen der Parteien festgesetzt.

Unter Ziffer III. des Ehevertrags ist abschließend geregelt:
1. Sollten einzelne Bestimmungen dieses Ehevertrages unwirksam
sein oder werden, so wird davon die Wirksamkeit des übrigen
Vertragsinhalts nicht berührt.

2. Wir, die Erschienenen zu 1. und 2., entbinden hierdurch den amtierenden
Notar von jeder Haftung aus Nicht- oder Falschanwen-
Die Beteiligten leben seit dem 30. August 2018 getrennt. Der Scheidungsantrag
des Antragstellers ist der Antragsgegnerin am 25. Juli 2019 zugestellt worden.
Die Antragsgegnerin hat einen Stufenantrag zur Folgesache Güterrecht gestellt,
mit dem sie zunächst die Verpflichtung des Antragstellers begehrt, ihr Auskunft
über sein Anfangs-, sein Trennungs- und sein Endvermögen zu erteilen und
die Auskunft zu belegen. Dem ist der Antragsteller unter Hinweis auf die im Ehevertrag
vereinbarte Gütertrennung entgegengetreten.

Das Amtsgericht hat den Auskunftsantrag durch Teilbeschluss abgewiesen.
Hiergegen hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt und ihre Anträge
auf entsprechenden Hinweis des Oberlandesgerichts auf erster Stufe um einen
Zwischenfeststellungsantrag erweitert, mit dem sie die Feststellung begehrt,
dass der Ehevertrag unwirksam sei. Hierauf hat das Oberlandesgericht festgestellt,
dass der von den Beteiligten geschlossene Ehevertrag (insgesamt) unwirksam
ist. Zudem hat es den Teilbeschluss des Amtsgerichts abgeändert und den
Antragsteller auf erster Stufe zur Erteilung der begehrten Auskünfte und Vorlage
von Belegen verpflichtet. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der
Antragsteller die Abweisung des Zwischenfeststellungsantrags und die Wiederherstellung
des amtsgerichtlichen Beschlusses.

B.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung
des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das
Oberlandesgericht.

I.
Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung, die in FamRZ 2023, 927
veröffentlicht ist, wie folgt begründet:

Der von der Antragsgegnerin gestellte Feststellungsantrag sei gemäß
§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Bei dem Ehevertrag
handele es sich um ein der Entscheidung über den Auskunftsanspruch vorgreifliches
Rechtsverhältnis, über das zur Vermeidung einer unzulässigen Teilentscheidung
auf der ersten Stufe des Stufenverfahrens eine Zwischenfeststellung
möglich und geboten sei. Der Ehevertrag sei insgesamt unwirksam. Grund hierfür
sei allerdings nicht ein Verstoß gegen den ordre public, weil auf den Ehevertrag
mangels ausdrücklicher oder stillschweigender Wahl ausländischen Rechts wegen
des gewöhnlichen Aufenthalts beider Beteiligter in Deutschland deutsches
Recht anwendbar sei. Insbesondere sei dem Vertrag, auch wenn dessen Inhalt
im Wesentlichen den Vorstellungen des islamischen Kulturkreises von Ehe und
Familie entspreche und mit der Beteiligung zweier volljähriger männlicher Zeugen
auch islamischen Formerfordernissen Rechnung getragen worden sei, eine
stillschweigende Wahl des libanesischen Rechts nicht eindeutig zu entnehmen.
Nichts anderes gelte wegen des Umstands, dass die Beteiligten den Notar von
- oder Falschanwendung anderen als des Deutschen
n, sie mithin möglicherweise von einer Anwendbarkeit
ausländischen Rechts ausgegangen seien oder dies zumindest für möglich gehalten
hätten. Denn eine eindeutige Bezugnahme auf die Rechtsordnung eines
bestimmten Staates fehle. Damit werde nicht deutlich, dass die Beteiligten die
Geltung des libanesischen Familienrechts insgesamt hätten vereinbaren wollen.
Zu berücksichtigen sei insoweit auch, dass der Mustertext des Bundesverwaltungsamts,
dem der vorliegende Vertrag weitestgehend entspreche, für eine
Eheschließung mit einem ägyptischen, syrischen oder jordanischen Mann und
für den Fall entworfen worden sei, dass das eheliche Zusammenleben zumindest
auch im Heimatland des Mannes stattfinden solle.

Der danach gemäß § 138 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Wirksamkeitskontrolle
halte der Ehevertrag in der Gesamtschau nicht stand. Bereits die Regelung
über die Scheidungsvoraussetzungen unter Ziffer II. d des Ehevertrags sei
aufgrund der damit verbundenen Einschränkung der unabdingbaren negativen
Eheschließungsfreiheit wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 GG, §§ 1364 ff.
BGB gemäß § 138 Abs. 1 und § 134 BGB unwirksam. Die Regelung ziele, auch
wenn darin auf die gesetzlichen Voraussetzungen einer Ehescheidung Bezug
genommen werde, wegen der im Einzelnen genannten Fallkonstellationen als
Scheidungsvoraussetzung auf einen teilweisen Ausschluss des Scheidungsrechts
der Ehefrau und damit eine Benachteiligung der Antragsgegnerin ab.
Auch die Unterhaltsregelung unter Ziffer II. f des Ehevertrags sei nach § 138
Abs. 1 BGB nichtig, weil sie eine einseitige und unzumutbare Lastenverteilung
zwischen den Beteiligten bewirke. Denn die Antragsgegnerin werde durch sie
gegenüber der gesetzlichen Lage in §§ 1569 ff. BGB erheblich schlechter gestellt,
weil ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt von einem Verschulden des
Antragstellers an der Ehescheidung oder vom Vorliegen eines der in Ziffer II. d
des Vertrags angeführten Gründe abhängig gemacht werde. Durch die vereinbarte
Morgengabe von 2.500 DM und die vom Antragsteller zu zahlende Abstandssumme
von 1.000 DM werde dies nicht kompensiert. Die Regelung zum
Sorgerecht widerspreche ebenfalls zum Nachteil der Antragsgegnerin der Gesetzeslage.
Dieser sei schon nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit zu entnehmen,
dass der Antragsteller während der Mindestdauer der elterlichen Sorge Betreuungsunterhalt
für die Antragsgegnerin und Kindesunterhalt zu leisten habe.

Auch in anderen Regelungen, die allerdings nicht den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts
beträfen, komme die mit Art. 3 Abs. 2 GG unvereinbare
Grundkonzeption zum Ausdruck, dass die Ehefrau ihre Rechte vom Ehemann
ableite, was die Einseitigkeit der vertraglichen Bestimmungen bestätige.
Die Nichtigkeit der Regelungen über die Voraussetzungen der Ehescheidung,
den nachehelichen Unterhalt und die elterliche Sorge führe trotz der im
Ehevertrag enthaltenen salvatorischen Klausel zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags,
weil die Gesamtwürdigung ergebe, dass dieser für die Antragsgegnerin
ausnahmslos nachteilig sei. Damit sei auch die darin getroffene Regelung über
die Gütertrennung unwirksam. Die Antragsgegnerin könne daher Auskunft vom
Antragsteller über sein Anfangs-, Trennungs- und Endvermögen verlangen.

II.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Der Zwischenfeststellungsantrag ist nach § 113 Abs. 1 FamFG
iVm § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Dies gilt unabhängig davon, ob die vom Ober-
landesgericht mit Blick auf das Gebot der Widerspruchsfreiheit angestellten Erwägungen
zur Erforderlichkeit eines solchen Antrags zutreffen (vgl. dazu etwa
BGHZ 189, 79 = NJW 2011, 1815 Rn. 17 f.).

a) Bei dem mit dem Zwischenfeststellungsantrag zur Überprüfung gestellten
Ehevertrag handelt es sich, wovon auch das Oberlandesgericht zutreffend
ausgegangen ist, um ein für die Entscheidungen über den geltend gemachten
Auskunftsanspruch und einen Anspruch der Antragsgegnerin auf Zugewinnausgleich
vorgreifliches Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 2 ZPO (vgl. Senatsbeschluss
BGHZ 221, 308 = FamRZ 2019, 953 Rn. 18 mwN). Denn die geltend
gemachten güterrechtlichen Ansprüche wären nach der vereinbarten Gütertrennung
ausgeschlossen, wenn diese Vereinbarung wirksam wäre. Demgegenüber
könnten die Ansprüche bestehen, wenn - wie die Antragsgegnerin festzustellen
begehrt - der von den Beteiligten geschlossene Ehevertrag und damit die
darin vereinbarte Gütertrennung nichtig wäre. Dass die Entscheidung zum Güterrecht
die Rechtsbeziehungen der Beteiligten im Hinblick auf den Ehevertrag
nicht erschöpfend regelt, weil dessen Wirksamkeit auch für andere Scheidungsfolgen
und nacheheliche Rechtsbeziehungen der Beteiligten relevant ist, hindert
die Zulässigkeit des Zwischenfeststellungsantrags der Antragsgegnerin nicht,
weil nur durch die Überprüfung des Ehevertrags auf seine Gesamtnichtigkeit eine
abschließende und einheitliche Klärung dieser Streitfrage erreicht werden kann
(vgl. Senatsbeschluss BGHZ 221, 308 = FamRZ 2019, 953 Rn. 18 mwN).

b) Der Zulässigkeit des Antrags steht - anders als die Rechtsbeschwerde
meint - auch nicht entgegen, dass er erstmals im Beschwerdeverfahren gestellt
wurde. Insbesondere wird dem Antragsteller hierdurch nicht etwa unzulässigerweise
eine Tatsacheninstanz genommen (vgl. BGHZ 169, 153 = NJW 2007,
82 Rn. 10). Zudem hatte das Oberlandesgericht, das im Beschwerdeverfahren
als volle zweite Tatsacheninstanz entscheidet (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 225;
Sternal/Weber FamFG 21. Aufl. § 117 Rn. 1 mwN), den Vortrag der Beteiligten
- auch zu den subjektiven Voraussetzungen einer Gesamtnichtigkeit des Ehevertrags
nach § 138 Abs. 1 BGB und den Umständen des Vertragsschlusses - nach
Maßgabe von § 115 FamFG zu berücksichtigen.

2. Die Würdigung des Ehevertrags und damit auch der darin getroffenen
Vereinbarung über die Gütertrennung als sittenwidrig iSd § 138 Abs. 1 BGB hält
rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Oberlandesgericht allerdings zunächst
davon ausgegangen, dass auf den vorliegenden Sachverhalt mangels
eindeutiger und damit wirksamer Rechtswahl zu Gunsten ausländischen Rechts
deutsches Sachrecht Anwendung findet. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen
und wird auch von den Beteiligten im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr in
Frage gestellt.

b) Ebenfalls richtig ist die Annahme des Oberlandesgerichts, dass die von
den Beteiligten getroffene Vereinbarung der Gütertrennung bei isolierter Betrachtung
keinen Wirksamkeitsbedenken unterliegt, weil das Güterrecht nicht dem
Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts zuzuordnen ist und der Zugewinnausgleich
daher - auch wegen der gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen verschiedenen
Güterstände - ehevertraglicher Gestaltung am weitesten zugänglich ist
(grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 602 ff.; vgl. auch
Senatsbeschlüsse vom 20. Juni 2018 - XII ZB 84/17 - FamRZ 2018, 1415 Rn. 18
und vom 17. Januar 2018 - XII ZB 20/17 - FamRZ 2018, 577 Rn. 14 mwN).
c) Bedenkenfrei und im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats ist
das Oberlandesgericht überdies davon ausgegangen, dass sich die Unwirksamkeit
einer Vereinbarung über die Gütertrennung, auch wenn sie bei isolierter Betrachtung
den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht zu rechtfertigen vermag, trotz
einer im Vertrag (hier unter Ziffer III.1. des Ehevertrags) enthaltenen salvatorischen
Klausel gemäß § 139 BGB daraus ergeben kann, dass sich der Ehevertrag
im Rahmen der nach § 138 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Gesamtwürdigung als
insgesamt sittenwidrig erweist (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom
27. Mai 2020 - XII ZB 447/19 - FamRZ 2020, 1347 Rn. 28, 38 mwN und vom
17. Januar 2018 - XII ZB 20/17 - FamRZ 2018, 577 Rn. 23 mwN).

d) Die Würdigung des Vertrags als sittenwidrig hält indes auf der Grundlage
der getroffenen Feststellungen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

aa) Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle hat der Tatrichter zunächst zu
prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig
zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt,
dass ihr - und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und
ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung
der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass
an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB). Erforderlich
ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse beim
Vertragsschluss abstellt, insbesondere also auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse,
den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe
sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und etwaige Kinder. Subjektiv
sind sodann die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die
sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die die Ehegatten dazu bewogen
haben, den Ehevertrag zu schließen. Das Verdikt der Sittenwidrigkeit wird dabei
regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus
dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls
zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen
Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonde-
ren Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp
oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt
wird (vgl. Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 606; Senatsbeschluss
vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 - FamRZ 2014, 629 Rn. 17 mwN;
vgl. auch Senatsbeschluss vom 27. Mai 2020 - XII ZB 447/19 - FamRZ 2020,
1347 Rn. 19 mwN).

Das Gesetz kennt keinen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen
zugunsten des berechtigten Ehegatten, so dass auch aus dem objektiven
Zusammenspiel einseitig belastender Regelungen nur dann auf die weiter erforderliche
verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden
kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen
Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige
Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität
widerspiegelt. Eine lediglich auf die Einseitigkeit der Lastenverteilung
gegründete tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit
lässt sich bei familienrechtlichen Verträgen indes nicht aufstellen. Ein unausgewogener
Vertragsinhalt mag zwar ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition
des belasteten Ehegatten sein. Gleichwohl wird das Verdikt
der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt sein, wenn außerhalb
der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf
eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage,
sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit,
hindeuten könnten (Senatsbeschluss vom 27. Mai 2020 - XII ZB 447/19 -
FamRZ 2020, 1347 Rn. 29 mwN).

Bei Vorliegen derartiger Umstände würde indes auch die hier in den Vertrag
aufgenommene salvatorische Klausel bei Nichtigkeit einzelner Vertragsklau-
seln nichts an der Gesamtnichtigkeit des Ehevertrags und der damit einhergehenden
Unwirksamkeit der Vereinbarung über die Gütertrennung ändern. Zwar
ist eine salvatorische Klausel für die Beurteilung der Frage, ob ein Ehevertrag
auch ohne einzelne sittenwidrige und daher nichtige Vertragsbestandteile geschlossen
worden wäre, nicht von vornherein ohne Bedeutung. Wenn sich das
Verdikt der Sittenwidrigkeit aus der Gesamtwürdigung eines einseitig belastenden
Ehevertrages ergibt, erfasst die Nichtigkeitsfolge aber notwendig den gesamten
Vertrag, ohne dass eine Erhaltungsklausel hieran etwas ändern könnte.
Denn in diesem Falle spiegelt sich auch in der Vereinbarung der Erhaltungsklausel
selbst eine etwa auf ungleichen Verhandlungspositionen beruhende Störung
der Vertragsparität zwischen den Ehegatten wider (Senatsbeschlüsse vom
27. Mai 2020 - XII ZB 447/19 - FamRZ 2020, 1347 Rn. 38 mwN und vom 17. Januar
2018 - XII ZB 20/17 - FamRZ 2018, 577 Rn. 23 mwN). Nichts anderes gilt,
wenn sich die Nichtigkeit von Einzelregelungen aus § 134 BGB ergibt und der
Vertragsschluss Ausdruck einer Störung der Vertragsparität ist.

bb) Die Würdigung des Ehevertrags durch das Oberlandesgericht als insgesamt
sittenwidrig und damit nichtig iSd § 138 Abs. 1 BGB kann danach auf der
Grundlage der getroffenen Feststellungen keinen Bestand haben. Denn es fehlt,
wie die Rechtsbeschwerde zu Recht beanstandet, an jeglichen Feststellungen zu
den Voraussetzungen einer subjektiven Imparität, etwa aufgrund ungleicher Verhandlungspositionen
der Beteiligten und sonstiger Randumstände bei Vertragsschluss,
sowie an einer diesbezüglichen rechtlichen Würdigung.

3. Die Entscheidung ist auch nicht aus anderen Gründen richtig (§ 74
Abs. 2 FamFG), etwa weil - wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint - sich
die Gesamtnichtigkeit des Ehevertrags bei Nichtigkeit einzelner Regelungen
nach § 134 BGB bereits aus § 139 BGB und der bei Aufnahme mehrerer Regelungen
in eine einheitliche Vertragsurkunde grundsätzlich geltenden Vermutung
für einen Einheitlichkeitswillen der Vertragsschließenden (vgl. dazu Senatsbeschluss
vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 - FamRZ 2014, 629 Rn. 50 mwN)
ergäbe. Denn diese Vermutung greift vorliegend nicht ein, weil die Beteiligten
durch Aufnahme der salvatorischen Klausel in den Vertrag eindeutig zu verstehen
gegeben haben, dass im Zweifel keine Gesamtnichtigkeit des Vertrags gewollt
ist. Die Gesamtnichtigkeit des Ehevertrags folgt insbesondere auch nicht
allein aus einem etwaigen Anliegen der Beteiligten, der gelebten Ehe einen von
islamischen Rechtsgrundsätzen geprägten, mit deutschen Rechtsvorstellungen
unvereinbaren Rahmen zu geben. Auch ein solches Motiv der Beteiligten würde
nämlich der Wirksamkeit und isolierten Geltung einer mit deutschem Recht vereinbaren
und in § 1414 BGB vom deutschen Recht gerade als Alternative zum
gesetzlichen Güterstand vorgesehenen Gütertrennung aufgrund der salvatorischen
Klausel grundsätzlich nicht entgegenstehen.

III.
Die angefochtene Entscheidung ist daher gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2
FamFG aufzuheben und die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Die Zurückverweisung der Sache gibt dem Oberlandesgericht Gelegenheit,
bei der Auslegung des Vertrags zu überprüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit
die ehevertraglichen Vereinbarungen nach den Vorstellungen der Beteiligten
neben das deutsche Gesetzesrecht treten sollten, etwa für den Fall, dass
ein mit der Ehescheidung der Beteiligten oder einer sonstigen Auslegung des
Ehevertrags befasstes Gericht libanesisches Recht anwendet (vgl. hierzu
Aiwanger FamRZ 2023, 931; Finger FamRB 2023, 352, 354). Daneben wird es
gegebenenfalls auch genauer in den Blick zu nehmen haben, inwieweit beiderseitige
Unterhaltsansprüche ausgeschlossen sind und wie die Sorgerechtsregelung
zu verstehen ist.

Falls das Oberlandesgericht bei der Auslegung der Vereinbarung zu den
Scheidungsvoraussetzungen zu dem gleichen Auslegungsergebnis wie in der
angefochtenen Entscheidung kommt, ist zutreffend, dass die Regelung mit den
zwingenden Scheidungsvoraussetzungen nach §§ 1564 ff. BGB unvereinbar
wäre. Wegen des damit verbundenen Eingriffs in die in Art. 6 Abs. 1 GG verankerte
negative Eheschließungsfreiheit verstieße sie dann gegen ein gesetzliches
Verbot iSd § 134 BGB und wäre nicht nur mit einer einseitigen Benachteiligung
der Antragsgegnerin verbunden, sondern nach deutschem Recht unwirksam. Mit
Blick auf die Sorgeregelung unter Ziffer II. g des Ehevertrags wird zudem zu berücksichtigen
sein, dass eine Vereinbarung der Eltern über die elterliche Sorge,
die ohne Rücksicht auf das Wohl der gemeinsamen Kinder getroffen wird, gegen
die guten Sitten verstoßen kann (vgl. Senatsurteil BGH Urteil vom 15. Januar
1986 - IVb ZR 6/85 - FamRZ 1986, 444, 445 mwN). Hinsichtlich der Vereinbarung
der Gütertrennung wird sich das Oberlandesgericht schließlich die Frage
vorzulegen haben, ob diese für die Antragsgegnerin vor dem Hintergrund der
seinerzeit erwarteten beidseitigen Vermögensentwicklung der Beteiligten überhaupt
nachteilig war.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

29.11.2023

Aktenzeichen:

XII ZB 531/22

Rechtsgebiete:

Ehegatten- und Scheidungsunterhalt
Ehevertrag und Eherecht allgemein
Eheliches Güterrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

BGB §§ 134, 138 Abs. 1, 1408, 1414; FamFG § 113 Abs. 1 S. 2; ZPO § 256 Abs. 2