BVerfG 06. April 1989
1 BvR 337/89
GG Art. 14; BNotO § 25

Herausgabe eines aufgehobenen Erbertrages

11. Erbrecht/Notarrecht — Herausgabe eines aufgehobenen
Erbvertrages
(BVerfG, Beschluß vom 6.4.1989 —1 BvR 337/89 — mitgeteilt
vom Notar Dr. Anton Moll, Jülich)
GG Art. 14; 6; 3; 2
BNotO §25
Die Bestimmung des § 25 Abs. 2 BNotO, die den Notar zur
Verwahrung und Ablieferung auch aufgehobener Erbverträge verpflichtet, ist verfassungsgemäß.
(Leitsatz nicht amtlich)
Aus den Gründen:
1.Die Rüge der Bf., § 25 Abs. 2 BNotO und die darauf gestützte
angegriffene Entscheidung verletzten ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung, geht fehl. Soweit der Abschluß eines
notariellen Vertrages zur Preisgabe persönlicher Daten führt,
ist das die Folge der freiwilligen Wahl dieses rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmittels durch die Vertragspartner. Den Ausführungen der angegriffenen Entscheidung ist insoweit nichts
hinzuzufügen.
2. Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Die Verfügungsbefugnis
der Bf. über den Tod hinaus als solche wird durch die Notwendigkeit, eine von dem Gesetzgeber vorgeschriebene Form zu
wählen, nicht berührt.
3. Art. 6 Abs.1. GG gibt dem einzelnen ein Abwehrrecht gegen
störende und schädigende Eingriffe des Staates in seine Familie (vgl. BVerfGE 6, 386, 388). § 25 Abs. 2 BNotO ist keine eheund familienbezogene Regelung. Die Vorschrift regelt vielmehr
die Pflichten des Notars, wenn ein Erbvertrag in seine Verwahrung gegeben wird. Auch der Erbvertrag als solcher ist keine
Form der Verfügung von Todes wegen, die speziell auf Ehepaare zugeschnitten wäre. Die Beschwerdeführer haben die Ursache für die nun von ihnen gefürchteten Auswirkungen des Erbvertrages auf das Verhältnis ihrer Kinder untereinander sowohl
durch die Wahl des Mittels (Erbvertrag statt Testament) als
auch durch den Inhalt des Vertrages selbst gesetzt. In der gesetzlichen Regelung, daß das darüber errichtete Dokument
aufzubewahren ist, liegt kein Eingriff in den Schutzbereich der
Familie.
4. Eine Verletzung von Art. 3 GG ist ebenfalls nicht ersichtlich.
Dies hat das Gericht in der angegriffenen Entscheidung mit
überzeugenden Gründen dargetan.
(Vgl. zu dieser Entscheidung die Besprechung von Faßbender,
Zur Vernichtbarkeit eines aufgehobenen Erbvertrages, MittRhNotK 1989, 125 ff.)
12. Erbrecht/Notarrecht— Herausgabe eines aufgehobenen
Erbvertrages
(OLG Hamm, Beschluß vom 4.4.1989-15W 457/88 -- mitgeteilt von Notar Dr. Hermann Josef Faßbender, Alsdorf)
BeurkG §34; 45
BNotO §§25; 51
BGB § 2277
Hat dasAG einen Erbvertrag in amtliche Verwahrung genommen, können die Beteiligten n—a—eT —esnKufhebung vom
AG nicht die Herausgabe der Urgr.Fj verlangen. Offen
bleiboies auch bei Verwahrung des Erbvertrages durch
den Urkundsnotar gilt.
(Leitsatz nicht amtlich)
Zum Sachverhalt:
Die Bet. haben 1964 vor dem inzwischen verstorbenen Notar einen Erbvg geschlossen, der von dem AG in Irtirhe-' wabAing genommen worden ist. Ein Ergänzungserbvertrag der Bot. aus dem Jahr 1981
ist ebenfalls in amtliche Verwahrung genommen worden. Die Bet. haben
sodann einen weiteren Erbvertrag geschlossen, in dem, sie die beiden
erwähnten früheren Erbverträge aufgehoben haben.
Die Bet. haben bei dem AG den Antrag gestellt, ihnen die Erbverträge
aus den Jahren 1964 und 1981 aus der amtlichen Verwahrung auszuhändigen. Diesen Antrag hat der Notar an das AG weitergeleitet und zur
näheren Begründung ausgeführt, daß den Bet. nach der zweirelsfreien
Aufhebung ihrer früheren Erbverträge das Recht eingeräumt werden
müsse, diese Urkunden aus der amtlichen Verwahrung zurückzunehmen. Es sei davon auszugehen, daß der Urkundsnotar auf der Grundlage des verfassungsrechtlich geschützten Rechtes der informationellen
Selbstbestimmung die von ihm verwahrte Urkunde an die Vertragschließenden nach vollständiger Aufhebung des Erbvertrages auszuhändigen habe. Diese Entscheidung müsse anstelle des verstorbenen
Notars das Nachlaßgericht treffen. Die Bet. legten besonderen Wert
darauf zu vermeiden, daß der Inhalt ihrer aufgehobenen Erbverträge
durch Verbleib in den Gerichtsakten und spätere Eröffnung als Verfügung von Todes wegen bekannt werde.
Der Rechtspfleger des AG hat den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen
haben die Bet. Beschwerde eingelegt, der der Rechtspfleger und der
RichterdesAG nicht abgeholfen haben. Das LG hat die Beschwerdezurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die bei dem OLG eingelegte weitere Beschwerde
der Bot.
Aus den Gründen:
Die weitere Beschwerde ist nach § 27 FGG statthaft und gern.
§ 29 Abs.1 S. 3 FGG formgerecht eingelegt.
In der Sache bleibt das Rechtsmittel indessen ohne Erfolg, weil
die Entscheidung des LG nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 FGG).
Das LG hat zutreffend ausgeführt, daß die Vorschriften über die
Verwahrung beurkundeter Erbverträge eine Herausgabe der in
amtlicher Verwahrung befindlichen Urschriften an die Vertragschließenden nicht zulassen. Erbverträge, deren amtliche Verwahrung die Vertragschließenden nach § 34 Abs. 2 BeurkG
ausgeschlossen haben, sind nach näherer Maßgabe der §§ 25
Abs. 2 BNotO; 16 DONot in der Urkundensammlung des Notars
zu verwahren. Schließen die Vertragsparteien in zulässiger
Weise nachträglich die amtliche Verwahrung aus, kann die Urschrift des Erbvertrages nur entweder offen bei den Gerichtsakten weiterverwahrt oder in die Verwahrung durch den Urkundsnotar zurückgegeben werden. Diese Auffassung des LG
stützt sich auf die Entscheidung des Senats (FamRZ 1974, 391
DNotZ 1974, 460). Sie entspricht der einhelligen Auffassung
in der Lit. (Staudinger/Kanzleiter, 12. Aufl., §2277 BGB, Rd.Nr. 3; MünchKomm/Musielak, § 2277 BGB, Rd.-Nr. 9; Soergel/
Wolf, 11. Aufl., § 2277 BGB, Rd.-Nr. 7; RGRK/Johannsen,
12. Aufl., § 2277 BGB, Rd.-Nr. 4; Dittmann/Reimann/Bengel,
Testament und Erbvertrag, 2. Aufl., § 34 BeurkG, Rd.-Nr. 24;
Firsching, Nachlaßrecht, 6. Aufl., 107; Keidel/Kuntze/Winkler,
FG, 12. Aufl., § 34 BeurkG, Rd.-Nr.14).
An dieser Auffassung hält der Senatfest. Entgegen der Ansicht
der weiteren Beschwerde bietet die vorliegende Fallgestaltung
keinen Anlaß zu einer abweichenden Beurteilung. Dabei
braucht der Senat keine Entscheidung zu der Rechtsfrage zu
treffen, inwieweit ein Notar, in dessen Verwahrung sich die Urschrift eines Erbvertrages befindet, über den Wortlaut des § 45
Abs.1 BeurkG hinaus berechtigt oder verpflichtet ist, den Vertragschließenden nach Aufhebung des Erbvertrages die Urschrift aus seiner Urkundensammlung auszuhändigen. Der
Umstand, daß der Notar, der den Erbvertrag der Bet. aus dem
Jahr 1964 beurkundet hat, verstorben ist, steht der Herbeiführung einer Entscheidung über die Aushändigung dieses Erbvertrages nicht entgegen. Gern. § 51 Abs.1 BNotO ist zur Verwahrungseiner Urkunden entweder das AG, in dem der verstorbene Notar seinen Amtssitz hatte, oder ein anderer Notar
zuständig, dem der Präsident des OLG die Verwahrung der Akten und Bücher übertragen hat. Dem AG oder dem vom Präsidenten des OLG dazu berufenen Notar obliegt es daher zunächst, die Urschrift des Erbvertrages aus dem Jahr 1964 zu
der Urkundensammlung des verstorbenen Notars zu nehmen,
wenn die Bet. nunmehr nachträglich die amtliche Verwahrung
gern. § 34 Abs. 2 BeurkG ausschließen. In die Zuständigkeit des
146 Heft Nr. 6 • MittRhNotK Juni 1989


Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BVerfG

Erscheinungsdatum:

06.04.1989

Aktenzeichen:

1 BvR 337/89

Erschienen in:

MittRhNotK 1989, 146

Normen in Titel:

GG Art. 14; BNotO § 25