Erfordernis der Zustimmung des Ehegatten; Einzeltheorie
letzte Aktualisierung: 11.1.2023
OLG München, Beschl. v. 15.9.2022 – 34 Wx 114/22
Erfordernis der Zustimmung des Ehegatten; Einzeltheorie
1. § 1365 BGB ist auf der Basis der sogenannten Einzeltheorie zu interpretieren. Danach ist die
Handlungsfreiheit eines Ehegatten durch die Zustimmungsbedürftigkeit nicht nur eingeschränkt,
wenn sich das Geschäft nach den vertraglichen Erklärungen explizit auf sein ganzes Vermögen
bezieht, sondern auch dann, wenn er über einzelne ihm gehörende Gegenstände verfügt, die jedoch
wirtschaftlich im Wesentlichen oder nahezu sein gesamtes Vermögen ausmachen. Jedenfalls bei
größeren Vermögen ist die Grenze bei 90 % zu ziehen.
2. Zur Anwendung des § 1365 BGB ist erforderlich, dass der Erwerber positiv weiß, dass es sich bei
dem Geschäftsobjekt um das gesamte Vermögen seines Gegenübers handelt, oder dass er zumindest
die Umstände kennt, aus denen sich dies ergibt.
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 1 ist im Grundbuch als Eigentümerin des Grundstücks A-Str. 10 eingetragen. Sie ist mit dem
Beteiligten zu 3 verheiratet. Die Beteiligten zu 1 und 3 leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft,
leben mittlerweile aber getrennt.
Mit notarieller Urkunde vom 8.10.2020 gründeten zwei Kinder - S. Z. und P. Z. - sowie ein Enkel - O. Z. - der
Beteiligten zu 1 und 3 die „Z. A-Str. GbR“, die Beteiligte zu 2. In derselben Urkunde einigten sich die
Beteiligte zu 1 und die Beteiligte zu 2 über den Übergang des Eigentums an dem oben genannten
Grundbesitz auf letztere und bewilligten und beantragten die Eintragung im Grundbuch. In Ansehung der
gesamthänderischen Beteiligung der Kinder der Beteiligten zu 1 am Vermögen des Erwerbers sollte die
Einbringung als Schenkung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolgen.
Im Hinblick auf diese Übertragung erklärte der Beteiligte zu 3 mit Anwaltsschriftsatz vom 29.10.2020, bereits
mit notarieller Urkunde vom 31.3.2020 habe die Beteiligte zu 1 das Grundstück B-Str. 11 schenkungsweise
an die „Z. B-Str. GbR“, voraussichtlich bestehend aus denselben Personen, übertragen. Bei den beiden
Grundstücken handle es sich um nahezu das gesamte Vermögen der Ehefrau i.S. von § 1365 BGB, da diese
neben den genannten Immobilien sowie einer Gewerbeimmobilie in der C-Str. 10 über kein nennenswertes
Vermögen verfüge. Für die A-Str. 10 errechne sich nach dem Vergleichswertverfahren ein Grundstückswert
von circa 11,3 Mio. € und für die B-Str. 11 nach dem Sachwertverfahren ein solcher von etwa 7,2 Mio. €. Es
sei zu befürchten, dass die Ehefrau auch den Grundbesitz in der C-Str. 10 verkaufe, der nach dem
Ertragswertverfahren mit circa 1,5 Mio. € zu bewerten sei. Er habe seine Zustimmung nach § 1365 BGB
nicht erteilt und werde diese auch nicht erteilen. Mit weiterem Anwaltsschriftsatz vom 3.11.2020 trug der
Beteiligte zu 3 ergänzend vor, den Beschenkten sei bekannt, dass es sich bei den Verfügungen nahezu um
das Vermögen im Ganzen handle. Aufgrund der Verträge und der dort angesetzten Werte der Immobilien
B-Str. 11 und A-Str. 10 hätten sie auch Kenntnis über die Bewertung, da sie stets involviert gewesen seien.
Mit Schreiben vom 24.11.2020, eingegangen beim Grundbuchamt am 26.11.2020, hat der Urkundsnotar die
Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch gemäß der Urkunde vom 8.10.2020 beantragt.
Die Beteiligte zu 1 hat mit Anwaltsschriftsatz vom 25.11.2020 die Auffassung vertreten, der übertragene
Grundbesitz entspreche nicht annähernd dem Vermögen im Ganzen i.S. von § 1365 BGB. Es sei Vermögen
in Form des Gewerbegrundstücks im Wert von mindestens 3,4 Mio. € sowie erhebliches Aktivvermögen - u.a.
Forderungen gegenüber dem Ehemann i.H.v. 121.500 € aus einem Spekulationsgeschäft sowie 63.000 € aus
der Vermietung der Gewerbeimmobilie - vorhanden. Die anderen Grundstücke seien im Schriftsatz des
Beteiligten zu 3 exorbitant überbewertet worden. So sei der Wert der A-Str. 10 nach dem
Ertragswertverfahren zu berechnen, derjenige der B-Str. 11 nach dem Vergleichswertverfahren.
Der Beteiligte zu 3 hat mit Anwaltsschriftsatz vom 15.3.2021 die Grundstückswerte nun mit mindestens 11,7
Mio. €, mindestens 8,6 Mio. € bzw. maximal 1,85 Mio. € beziffert und in einem nachgereichten Schriftsatz
vom 18.3.2021 ergänzt, die Immobilie C-Str. 10 sei allerdings unverkäuflich und daher praktisch wertlos.
Über die angebliche Mietforderung der Beteiligten zu 1 sei ein Gerichtsverfahren anhängig.
Der Urkundsnotar hat seinerseits in einem Schreiben vom 16.3.2021 vorgetragen, das Grundstück C-Str. 10
sei im Rahmen der Erklärung über die Schenkungssteuer mit 3.868.800 € bewertet worden.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 18.3.2021 hat die Beteiligte zu 1 weitere Ausführungen zu den
Grundstückswerten getätigt und auszugsweise ein Gutachten vom 4.5.2020 vorgelegt, das für die Immobilie
B-Str. 11 einen Verkehrswert von 6.048.000 € ausweist.
In der Folge sind noch weitere Anwaltsschriftsätze zu den Grundstücksbewertungen ausgetauscht worden.
Schließlich hat das Grundbuchamt am 13.9.2021 eine Zwischenverfügung erlassen. Der beantragten
Eintragung stehe entgegen, dass die Verfügungsbefugnis der Beteiligten zu 1 strittig und daher die
Zustimmung des Ehegatten in der Form des
Anhaltspunkte vor, dass der Gegenstand des Geschäfts nahezu das gesamte Vermögen des verfügenden
Ehegatten ausmachen würden und dass die Vertragspartner dies bei Abschluss des Verpflichtungsvertrags
gewusst hätten. Vertragspartner seien die Kinder der Veräußerin.
Gegen diese Zwischenverfügung hat der Urkundsnotar mit Schreiben vom 21.9.2021 namens und im Auftrag
der an der Urkunde Beteiligten Beschwerde eingelegt.
Die Beteiligte zu 1 hat mit Anwaltsschriftsatz vom 29.9.2021 nochmals Beschwerde eingelegt und beantragt,
die Entscheidung des Grundbuchamts vom 13.9.2021 aufzuheben und die Eintragung auf die Beteiligte zu 2
zu vollziehen. Sie hat u.a. eine von den Beteiligten zu 1 und zu 3 im Zusammenhang mit
Fremdwährungsspekulationen unterzeichnete Vermögensauskunft für die finanzierende H.-Bank vom
24.6.2019 vorgelegt, wonach die Verkehrswerte der Grundstücke B-Str. 11 und C-Str. 10 jeweils 4.120.000 €
und der des Grundstücks A-Str. 10 8.240.000 € betragen würden. Demzufolge mache der Wert des
verbliebenen Grundstücks C-Str. 10 25% des Gesamtwerts der drei Immobilien aus. Die tatbestandlichen
Voraussetzungen des § 1365 BGB lägen daher nicht vor. Zudem fehle es an der Kenntnis des Erwerbers von
den entsprechenden Umständen. Den im Einzelnen dargestellten eigenen Berechnungen der Beteiligten zu
1 zufolge belaufen sich der Grundstückswert für die A-Str. 10 auf 6.528.636 €, für die B-Str. 11 auf 6.048.000
€ und für die C-Str. 10 unter Fortschreibung eines Gutachtens vom 18.2.2004 auf 3.300.409 €. Demnach
habe sie 20,78% ihres Vermögens behalten.
Der Senat hat mit Beschluss vom 18.11.2021 die Zwischenverfügung aus formalen Gründen aufgehoben und
im Übrigen die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 3 hat mit Anwaltsschriftsatz vom 30.11.2021 insbesondere vorgetragen, die Beschenkten
hätten gewusst, dass es sich bei den beiden Immobilien um nahezu das gesamte Vermögen der Ehegatten
handelte. Aufgrund der im Vorfeld erfolgten Bewertungen der Immobilien durch Haus + Grund im Hinblick auf
die zu erwartende Schenkungssteuer sowie der im Rahmen der Schenkungsverträge angesetzten Werte der
beiden Immobilien B-Str. 11 und A-Str. 10 hätten die Vorbezeichneten auch Kenntnis über den Wert der
Immobilien gehabt. Sie seien stets in alles involviert gewesen. Mit weiterem Anwaltsschriftsatz vom
20.12.2021 hat der Beteiligte zu 3 ergänzend vorgetragen, unter Berücksichtigung von im Einzelnen
aufgeführten Belastungen durch Grundschulden betrage die Quote des verbliebenen Vermögens 2,1%.
Selbst nach den unrealistischen Wertansätzen der Beteiligten zu 1 verblieben nur 10,9%, was nach einem
Urteil des Oberlandesgerichts Köln als Vermögensübertragung im Ganzen anzusehen sei. Aufgrund
zahlreicher beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten auf dem Grundstück C-Str. 10 sei bei dessen
Bewertung ein weiterer Abschlag angezeigt.
Am 21.1.2022 hat das Grundbuchamt einen rechtlichen Hinweis des Inhalts erteilt, dass der beantragten
Eintragung das Erfordernis der Zustimmung des Ehegatten bzw. deren Ersetzung durch gerichtliche
Entscheidung gemäß § 1365 BGB entgegenstehe, und umfangreiche Ausführungen zu den
Grundstückswerten getätigt. Eine abschließende Bewertung der einzelnen Objekte durch das Grundbuchamt
sei nicht möglich. Zur Erfüllung der subjektiven Tatbestandsvoraussetzung hat das Grundbuchamt
ausgeführt, zwar könne davon nicht allein aufgrund der engen Verwandtschaft ausgegangen werden, aber
die Vertragspartner seien laut dem Vorbringen des Beteiligten zu 3 in die Besprechungen des Steuerberaters
über die Vermögenslage eingebunden gewesen und hätten die Beteiligte zu 1 aufgrund ihres Alters erheblich
unterstützt. Laut Vertrag zum Objekt B-Str. 11 hätten die Erwerber auch die Schenkungssteuer zu tragen
gehabt. Der Vermögensstand mit drei Immobilien, die zum Teil wohl auch von den Erwerbern bewohnt
würden, sei nicht derart kompliziert, dass Abkömmlinge hierüber keinen Überblick hätten. Dies wäre
außerhalb jeder Lebenserfahrung.
Mit Beschluss vom 1.3.2022 hat das Familiengericht im Wege der einstweiligen Anordnung der Beteiligten zu
2 untersagt, über das Grundstück A-Str. 10 zu verfügen. Zwar würden die Wertangaben der Beteiligten
erheblich differieren. Im Rahmen der summarischen Prüfung sei jedoch die ernsthafte Möglichkeit, dass die
Berechnungen des Beteiligten zu 3 zutreffen, als ausreichend anzusehen. Zu bejahen sei auch die positive
Kenntnis der Gesellschafter davon, dass die Beteiligte zu 1 über nahezu ihr gesamtes Vermögen verfügte.
Ausreichend sei die Kenntnis, dass dieses nahezu ausschließlich aus den drei Immobilien bestehe, eine
anderweitige Vorstellung der Erwerber über deren Bewertung sei nicht beachtlich. Auf der Grundlage dieses
Beschlusses hat das Grundbuchamt am 9.3.2022 im Grundbuch ein Verfügungsverbot zugunsten des
Beteiligten zu 3 eingetragen.
Die Beteiligte zu 1 hat mit Anwaltsschriftsatz vom 7.3.2022 zwei Gutachten vom 25.2.2022 vorgelegt, die für
das Grundstück A-Str. 10 einen Verkehrswert von 11.100.000 € und für das Grundstück C-Str. 10 einen
solchen von 3.950.000 € ausweisen. Hieraus ergebe sich eine Quote von 26% des bei der Beteiligten zu 1
verbleibenden Grundstücks. Überdies seien die Indizien für eine etwaige Bindung an die Zustimmung des
Ehepartners nicht erfüllt, da die Übertragung an eine andere Personengesellschaft nicht in zeitlichem und
zugleich sachlichem Zusammenhang stünde. Weiter hat die Beteiligte zu 1 u.a. jeweils als „Eidesstattliche
Versicherung“ bezeichnete Erklärungen der S. Z. und des P. Z. vorgelegt, wonach sie am 8.10.2020 der
Meinung gewesen seien, dass die Immobilie A-Str. 10 einen Wert von 8.240.000 € und die Immobilie B-Str.
11 einen Wert von 4.120.000 € hätte. Diese Wertannahmen hätten auf plausiblen Werteinschätzungen des
Beteiligten zu 3 gegenüber der H.-Bank 2019 beruht, denen sie Glauben geschenkt hätten.
Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 9.3.2022 den Antrag zurückgewiesen. Die im rechtlichen Hinweis
vom 21.1.2022 aufgezeigten Eintragungshindernisse seien in der gesetzten Frist nicht behoben worden.
Inzwischen sei vom Beteiligten zu 3 beim Amtsgericht auch ein gerichtliches Verfügungsverbot hinsichtlich
des Vertragsgegenstands erwirkt worden.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 29.3.2022 hat die Beteiligte zu 1 wiederum Beschwerde eingelegt mit dem
Antrag, die Entscheidung des Grundbuchamts vom 9.3.2022 aufzuheben. Das Verfügungsverbot hindere die
Eintragung im Hinblick auf
dem Vortrag des Beteiligten zu 3 auseinander und fasst das bisherige Vorbringen der Beteiligten zu 1
nochmals zusammen. Hierzu hat die Beteiligte zu 1 noch eine Bewertung durch den Haus- und
Grundbesitzerverein vom 21.7.2020 vorgelegt, die zu Beträgen von 6.990.447 € für die Immobilie A-Str. 10
und 6.547.200 € für die Immobilie B-Str. 11 kommt.
Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 26.7.2022 der Beschwerde nicht abgeholfen. Mit gerichtlichem
Hinweis vom 21.1.2022 sei die Zustimmung des Ehegatten bzw. deren Ersetzung durch gerichtliche
Entscheidung gemäß § 1365 BGB angefordert worden. Vorgelegt worden sei weder eine Zustimmung noch
eine Ersetzung. Allerdings habe das Familiengericht mit Beschluss vom 1.3.2022 im Wege der einstweiligen
Anordnung ein Verfügungsverbot zugunsten des Beteiligten zu 3 erlassen. Dieses sei auch bereits im
Grundbuch eingetragen. Die vollständigen Gutachten seien erst nach Erlass des
Zurückweisungsbeschlusses vorgelegt worden. Eine rechtzeitige Vorlage hätte allerdings auch keine andere
Entscheidung zur Folge gehabt, da das Verfügungsverbot schon bestanden habe. Die Zweifel an der
tatsächlichen Werthaltigkeit des verbleibenen Grundstücks in der C-Str. 10 hätten aber auch durch das
Gutachten nicht beseitigt werden können. Die im rechtlichen Hinweis aufgeführten wertmindernden Punkte
wie fehlende Mietzahlungen, unklare Mietverhältnisse, bestünden wohl nach wie vor. Ob der aufgeführte
Ertragswert tatsächlich erzielt werden könne, sei deshalb fraglich. Der Kauf des Objekts im Jahr 2005 sei
weit unter dem im früheren Gutachten angesetzten Wert erfolgt. Da die Beteiligte zu 1 ihren weiteren
Grundbesitz übertragen habe und sie laut ihren Angaben kein weiteres Vermögen habe, verbleibe ihr nur
noch das Grundstück in der C-Str. 10 zur Sicherung des Lebensunterhalts und etwaigen Zahlung von
Zugewinnansprüchen. In Frage käme deshalb auch ein Ansatz des Liquidationswerts für dieses Objekt.
Dieser liege in der Regel aber unter dem Verkehrswert.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß
2. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
a) Gemäß
wird. Da sich die verfahrensrechtliche Bewilligungsberechtigung von der sachenrechtlichen
Verfügungsberechtigung ableitet, hat das Grundbuchamt somit von Amts wegen zu prüfen, ob der
Bewilligende Verfügungsbeschränkungen unterliegt. Eine solche Beschränkung enthält die Vorschrift des §
1365 Abs. 1 Satz 1 BGB (OLG Frankfurt a.M. NJOZ 2018, 90/91). Danach kann sich ein im Güterstand der
Zugewinngemeinschaft lebender Ehegatte nur mit Zustimmung des anderen Ehegatten verpflichten, über
sein Vermögen im Ganzen zu verfügen. Wenn insoweit aufgrund bestimmter Anhaltspunkte begründete
Zweifel an der Wirksamkeit der Verfügung auftauchen, die sich allerdings nicht nur aus den vorliegenden
Eintragungsunterlagen zu ergeben brauchen, sondern auch sonst bekanntgeworden sein oder auf der
Lebenserfahrung beruhen können, so ist das Grundbuchamt zur Beanstandung berechtigt und verpflichtet.
Denn es ist seine Aufgabe, nach Möglichkeit eine Unrichtigkeit des Grundbuchs zu verhindern (BGHZ 35,
135/139 f.).
b) Ob hier zunächst Anlass zu Zweifeln an der Wirksamkeit der Verfügung der Beteiligten zu 1 bestand, sei
dahingestellt, weil diese zumindest im weiteren Verfahrensverlauf ausgeräumt wurden.
aa) Nach allgemeiner Ansicht ist § 1365 BGB auf der Basis der sogenannten Einzeltheorie zu interpretieren.
Danach ist die Handlungsfreiheit eines Ehegatten durch die Zustimmungsbedürftigkeit nicht nur
eingeschränkt, wenn sich das Geschäft nach den vertraglichen Erklärungen explizit auf sein ganzes
Vermögen bezieht, sondern auch dann, wenn er über einzelne ihm gehörende Gegenstände verfügt, die
jedoch wirtschaftlich im Wesentlichen oder nahezu sein gesamtes Vermögen ausmachen. Jedenfalls bei
größeren Vermögen wie hier ist die Grenze bei 90% zu ziehen (BGH
Saarbrücken
562/563; OLG Jena
4/5; Grüneberg/Siede BGB 81. Aufl. § 1365 Rn. 6; MüKoBGB/Koch 9. Aufl. § 1365 Rn. 31). Mehrere
Rechtsgeschäfte, die in ihrer Gesamtheit den Tatbestand des Gesamtvermögensgeschäfts erfüllen, je für
sich betrachtet jedoch unbedenklich sind, bleiben zustimmungsfrei auch dann, wenn sie in einem nahen
zeitlichen Zusammenhang stehen. Alle Geschäfte sind dagegen gebunden, wenn sie nicht nur in zeitlichem,
sondern zugleich auch in sachlichem Zusammenhang stehen und wirtschaftlich einen einheitlichen
Lebensvorgang bilden (OLG Brandenburg
bb) Ob nach dieser Maßgabe hier objektiv ein zustimmungspflichtiges Geschäft vorlag, kann allerdings
offenbleiben, da es jedenfalls am subjektiven Tatbestand fehlt.
Denn zur Anwendung des § 1365 BGB ist weiter erforderlich, dass der Erwerber positiv weiß, dass es sich
bei dem Geschäftsobjekt um das gesamte Vermögen seines Gegenübers handelt, oder dass er zumindest
die Umstände kennt, aus denen sich dies ergibt (BGH
2019, 772/774; OLG Frankfurt a.M. NJOZ 2018, 90/91; Senat vom 10.9.2009, 34 Wx 59/09 = NJW-RR 2010,
523/524; OLG Jena
2005, 104/105; BayObLG
8). Insoweit kommt es auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts an (BGHZ 106,
253/257; OLG Frankfurt a.M. NJOZ 2018, 90; OLG Jena
265; Grüneberg/Siede § 1365 Rn. 10; MüKoBGB/Koch § 1365 Rn. 38). Bei engen Verwandten liegt, sofern
sie in Kontakt miteinander stehen, eine entsprechende Kenntnis nahe (BGH
Saarbrücken
Demnach mag die Tatsache, dass es sich vorliegend beim Erwerber der Z. A-Str. GbR um eine Gesellschaft
bürgerlichen Rechts handelt, die mit S. Z., P. Z. und O. Z. aus zwei Kindern und einem Enkel der Beteiligten
zu 1 besteht, einen konkreten Anhaltspunkt für eine Kenntnis von den Vermögensverhältnissen der
Veräußerin liefern, zumal die beiden Kinder der Beteiligten zu 1 auch die Gesellschafter der Z. B-Str. GbR
sind, die von dieser das Grundstück B-Str. 11 erworben hatte, und sie laut dem unbestrittenen Vorbringen
des Beteiligten zu 3 in die Besprechungen mit dem Steuerberater über die Vermögenslage eingebunden
waren und die Beteiligte zu 1 aufgrund ihres Alters erheblich unterstützten.
Indes reicht für die Erfüllung des subjektiven Tatbestands des
jedenfalls S. Z. und P. Z. wussten, dass die Beteiligte zu 1 außer den drei Immobilien kein wesentliches
Vermögen besaß. Die Kenntnis der das Vorliegen eines Gesamtvermögensgeschäfts im Sinne dieser
Vorschrift begründenden Umstände setzt darüber hinaus voraus, dass auch eine entsprechende Vorstellung
von den tatsächlichen Wertverhältnissen bestand (vgl. OLG Saarbrücken
Ansonsten käme es in den einschlägigen Konstellationen letztlich doch nur auf die gegebenenfalls sogar erst
nachträglich ermittelte objektive Situation an, während das einschränkende subjektive Kriterium der Kenntnis
faktisch leerliefe. Auch im Hinblick auf eine solche Kenntnis bedarf es allerdings konkreter Anhaltspunkte,
bloße Vermutungen und Unterstellungen genügen nicht (BGH
34 Wx 59/09 =
Vorliegend existieren jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass insbesondere S. Z. und P. Z.
zum maßgeblichen Zeitpunkt, dem 8.10.2020, über die hiernach erforderliche Vorstellung verfügten. Bis
dahin lag nur Folgendes vor: Die vom Beteiligten zu 3 selbst mitunterzeichnete Vermögensauskunft vom
24.6.2019, die einen Immobiliengesamtvermögensstand von 16.480.000 € auswies, wovon 4.120.000 € auf
das nunmehr verbleibende Grundstück C-Str. 10 entfielen; weiter das Gutachten vom 4.5.2020, das das
Grundstück B-Str. 11 mit 6.048.000 € bewertete; schließlich eine Berechnung der Werte der Grundstücke
A-Str. 10 und B-Str. 11 zum Zwecke der Ermittlung der Schenkungssteuer vom 21.7.2020, die zu Beträgen
von 6.990.447 € bzw. 6.547.200 € gelangt. Alles andere ist spekulativ und liefert keine konkreten
Anhaltspunkte für einen abweichenden Wissensstand zur fraglichen Zeit. Der Notar schließlich setzte bei der
Beurkundung am 8.10.2020 für die Immobilie A-Str. 10 einen Wert von 6.666.666 € an. Die Berechnungen
durch den Beteiligten zu 3 hingegen liegen erst nach diesem Zeitpunkt und können somit von vornherein
nicht herangezogen werden, um eine Kenntnis der S. Z. und des P. Z. zu begründen, die den subjektiven
Tatbestand des
braucht deshalb hier nicht entschieden zu werden. Legt man demgemäß die bis zum Beurkundungszeitpunkt
bekannten Werte zugrunde, so ist selbst bei Annahme eines einheitlichen Lebensvorgangs im Hinblick auf
die Übergabe der Grundstücke A-Str. 10 und B-Str. 11 die Wertgrenze von 90% keinesfalls erreicht.
c) Das Verfügungsverbot vom 1.3.2022 steht der begehrten Eintragung ebenfalls nicht entgegen. Denn
gemäß § 878 BGB wird eine von dem Berechtigten nach
dadurch unwirksam, dass dieser in der Verfügung beschränkt wird, nachdem die Erklärung für ihn bindend
geworden und der Antrag auf Eintragung bei dem Grundbuchamt gestellt worden ist. Vorliegend trat die
Bindung mit der Beurkundung der Auflassung am 8.10.2020 ein, der Eintragungsantrag war mit Eingang
beim Grundbuchamt am 26.11.2020 gestellt. Ob mit der Eintragung des Verfügungsverbots am 9.3.2022
zudem gegen
Klärung.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG, die Geschäftswertfestsetzung auf §§ 79
Abs. 1 Satz 1, 61 Abs. 1 Satz 1, 46 Abs. 2 Nr. 2 GNotKG.
2. Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG München
Erscheinungsdatum:15.09.2022
Aktenzeichen:34 Wx 114/22
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Eheliches Güterrecht
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BGB § 1365 BGB