Gemeindliches Vorkaufsrecht; Vermögensübertragung im Wege der Ausgliederung eines Einzelunternehmens
letzte Aktualisierung: 5.6.2023
OLG Naumburg, Beschl. v. 12.12.2022 – 12 Wx 34/22
BauGB §§ 24, 28 Abs. 1 S. 2; GBO § 29
Gemeindliches Vorkaufsrecht; Vermögensübertragung im Wege der Ausgliederung eines
Einzelunternehmens
Wird das Vermögen eines im Handelsregister eingetragenen Einzelkaufmanns insgesamt auf eine
GmbH übertragen, deren Alleingesellschafter und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der
Einzelkaufmann ist, so besteht kein gemeindliches Vorkaufsrecht nach § 24 BauGB, so dass das
Grundbuchamt für die beantragte Eigentumsumschreibung auf die GmbH nicht die Vorlage eines
Negativattests nach § 28 Abs. 1 Satz 2 BauGB verlangen kann.
Gründe
A.
Im oben genannten Grundbuch ist als Eigentümerin der Grundstücke Flur 6, Flurstück 421,
422, 423 und Flur 3 Flurstück 342 die „S. GbR Dr. E. B. und C. B. “, bestehend aus den
Gesellschaftern Dr. E. B. (geboren am 27. August 1960) und C. B. (geboren am 13. April 1991),
eingetragen.
Im Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) wurde unter HRA ... am 13. November
2020 unter der Firma „Dr. E. B. e.K.“ ein von dem Beteiligten zu 1) betriebenes
Einzelunternehmen eingetragen.
Darüber hinaus ist der Beteiligte zu 1) Alleingesellschafter der Beteiligten zu 2) und zugleich
deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer.
Mit notarieller Urkunde vom 20. August 2021 – Urkundenrolle Nr. 733/2021 – verhandelt vor
dem Verfahrensbevollmächtigten, gliederte der Beteiligte zu 1) das von ihm betriebene
Einzelunternehmen „Dr. E. B. e.K.“ gemäß
vereinbarten die Beteiligten unter § 2 des Vertrages:
„1. Das übertragene Vermögen (Aktiva und Passiva) ergibt sich aus der Bilanz des
Einzelunternehmens zum 31. Januar 2021 als Schlussbilanz nebst Inventarverzeichnis. Sie ist in
beglaubigter Abschrift dieser Niederschrift als Anlage 1 beigefügt (…). Alle auf den
Bilanzstichtag bis zur Eintragung der Ausgliederung vom Einzelkaufmann
hinzuerworbenen/eingegangenen Aktiva und Passiva werden mit übertragen. (…)
2. Im Zuge der Vermögensübertragung überträgt Herr Dr. E. B. die Grundstücke
a. Grundbuchamt Quedlinburg, Grundbuch von N., Blatt ..., Gemarkung N.,
BV lfd. Nr. 1 Flur 006, Flurstück 421,
BV lfd. Nr. 2 Flur 006, Flurstück 422,
BV lfd. Nr. 6 Flur 006, Flurstück 423,
BV lfd. Nr. 8 Flur 003, Flurstück 242,
(…)
c. … nach den Angaben der Beteiligten ist Frau C. B. mit Ablauf des 31. Dezember 2020 aus der
GbR ausgeschieden, das Gesellschaftsvermögen auf Herrn Dr. B. übergegangen.“
Der Punkt § 3 „Gegenleistung“ ist gestrichen.
Am 1. September 2021 wurde die Firma des Unternehmens „Dr. E. B. e.K.“ im Handelsregister
gelöscht, weil das Unternehmen gemäß Ausgliederungsplan vom 20. August 2021 als
Gesamtheit aus dem Vermögen des Inhabers auf die Beteiligte zu 2) ausgegliedert worden war.
Mit notarieller Urkunde – Urkunderolle Nr. 338/2021 – des Verfahrensbevollmächtigten vom 3.
September 2021 teilte C. B. dem Grundbuchamt mit, dass sie aus der S. GbR ausgeschieden sei.
Am 21. September 2021 erklärte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten gegenüber dem
Grundbuchamt die Auflassung:
„Für den von mir vertretenen Dr. E. B., geboren am 27. August 1960 (…) und der I. (…) bin
ich darüber einig, dass das Eigentum an den im Grundbuch von N. Blatt ... verzeichneten
Grundstücken (…) auf die I. (…) übergeht.“
Zugleich beantragte er gemäß seiner Urkunde 338/2021 die Grundbuchberichtigung und
bewilligte und beantragte die Eigentumsumschreibung gemäß der Urkunde 733/2021 auf die
Beteiligte zu 2).
Mit Zwischenverfügung vom 20. Oktober 2021 wies das Grundbuchamt darauf hin, dass der
beantragten Berichtigung und Umschreibung folgende Hindernisse entgegenstünden und setzte
zugleich eine Frist zur Beseitigung von sechs Wochen:
Durch das Ausscheiden der Mitgesellschafterin aus der GbR sei deren Anteil an dem
Grundstück dem Mitgesellschafter angewachsen, damit habe zugleich ein Rechtsträgerwechsel
stattgefunden, was gemäß
weshalb für die Grundbuchberichtigung die Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung
gemäß § 22 GrEStG vorzulegen sei.
Gleiches gelte für die Auflassung des Grundstückes durch den Beteiligten zu 1) an die Beteiligte
zu 2. Darüber hinaus fehle für diesen Übertragungsakt eine Genehmigung bzw.
Negativbescheinigung gemäß §§ 24 ff. BauGB.
Mit Schreiben vom 15. November 2021 teilte der Verfahrensbevollmächtigte mit, dass die
Unbedenklichkeitsbescheinigungen beim Finanzamt angefordert seien. Er halte allerdings die
Vorlage eines Negativzeugnisses nicht für erforderlich und lege deshalb gegen diese Auflage
Beschwerde ein. Es läge kein Kauf oder einem Kauf gleichstehendes Rechtsgeschäft vor. Die
Grundstücke seien Betriebsvermögen der S. GbR gewesen. Diese sei aufgelöst worden. Damit
seien die Grundstücke dem Beteiligten zu 1) angewachsen und dadurch dem Einzelunternehmen
„Dr. B. e.K.“ zuzuordnen. Dies sei auch aus dem Inventarverzeichnis des (Einbringungs-)
Abschlusses des Einzelunternehmens „Dr. B. e.K.“ per 31. Januar 2021 erkennbar. Dort seien
die Grundstücke unter der Inventarnummer 85001 aufgeführt. Mit Schreiben vom 9. Dezember
2021 übersandte der Verfahrensbevollmächtigte dem Grundbuchamt als Anlage 1 zu seiner
Urkunde 733/2021 die Bilanz „Dr. E. B. e.K.“ zum Stichtag 31. Januar 2021 in einfacher Kopie.
Dort findet sich keine Inventarnummer 85001, sondern unter dem Punkt AKTIVA, I.
Sachanlagen 1. ist verzeichnet:
„Grundstück, grundstücksgleiche Rechte und Bauten einschließlich der Bauten auf fremden
Grundstücken – wirtschaftliches Eigentum, Eigentümer Grundbuch W. Straße 11a privat“
Das Grundbuchamt teilte dem Verfahrensbevollmächtigten daraufhin am 4. Januar 2022 mit,
dass diese Unterlagen zum einen nicht der Form des
auch nicht geeignet seien, um den Rechtsübergang eines Grundstückes im Wege der
Ausgliederung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG nachzuweisen, weil die ausgegliederten
Grundstücke in der vorgelegten Anlage nicht gemäß
bezeichnet worden seien. Das Grundbuchamt gehe deshalb davon aus, dass der Beteiligte zu 1)
erst mit Auflassung vom 21. September 2021 die Grundstücke auf die Beteiligte zu 2) übertragen
habe. Für diesen Übertragungsakt fehle weiterhin das angeforderte Negativzeugnis.
In seinem Schreiben vom 1. Februar 2022 widersprach der Verfahrensbevollmächtigte dieser
Auffassung. Der Beteiligte zu 1) sei identisch mit dem „Dr. E. B. e.K.“ und habe als solcher sein
Vermögen, insbesondere die verfahrensgegenständlichen Grundstücke auf die Beteiligte zu 2) im
Wege der Ausgliederung übertragen.
Mit Beschluss vom 6. Juli 2022 half das Grundbuchamt der Beschwerde nicht ab, teilte jedoch
gleichzeitig mit, dass die Vorlage eines Negativzeugnisses nur solange erforderlich sei, bis der
Verfahrensbevollmächtigte die Auflassung zurücknehme. Im Übrigen seien die Grundstücke im
notariell beurkundeten Ausgliederungsvertrag gemäß
so dass dieses Formerfordernis kein Hindernis mehr darstelle. Der Verfahrensbevollmächtigte
reagierte darauf bisher nicht.
B.
Die nach
Sache Erfolg. Die Beschwerde ist begründet. Das vom Verfahrensbevollmächtigten gerügte
Hindernis besteht nicht.
I. Das Grundbuchamt darf nach § 28 Abs. 1 Satz 2 BauGB zwar bei Kaufverträgen den Käufer
als Eigentümer nur dann in das Grundbuch eintragen, wenn ihm die Nichtausübung oder das
Nichtbestehen des Vorkaufsrechts durch ein Negativzeugnis in der Form des
nachgewiesen ist. Allerdings kann das Grundbuchamt die Vorlage eines Zeugnisses nicht
verlangen, wenn der Gemeinde überhaupt kein Vorkaufsrecht zustehen kann. Dies hat das
Grundbuchamt selbständig und eigenverantwortlich zu prüfen (vgl. Demharter,
Grundbuchordnung, 32. Aufl., § 20 Rn. 52).
II. Nach dieser Maßgabe hat das Grundbuchamt zu Unrecht die Vorlage eines
Negativzeugnisses im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 2 BauGB verlangt.
1. Der Umstand, dass vorliegend der Gemeinde nach § 24 BauGB oder ggf. § 25 BauGB kein
Vorkaufsrecht zusteht, ergibt sich bereits aus den seitens des Verfahrensbevollmächtigten
eingereichten Unterlagen. Die Vorlage eines Negativattestes gemäß § 28 BauGB ist nicht
erforderlich. Es liegt keine Veräußerung des Grundstücks vor, die ein Vorkaufsrecht der
Gemeinde auslösen würde. Der Verfahrensbevollmächtigte hat den Nachweis für einen
Rechtsübergang im Wege des § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG in der Form des
dem weder ein Kauf noch ein kaufähnliches Geschäft im Sinne des
zugrunde liegt.
a. Eigentümer der o.g. Grundstücke war durch die gemäß
der S. GbR unbeschadet der Ausübung eines eingetragenen einzelkaufmännischen
Unternehmens und unabhängig davon, ob sie dem Privatvermögen des Beteiligten zu 1) - oder
dem Betriebsvermögen des unter HRA ... unter der Firma „Dr. E. B. e.K.“ Einzelunternehmens
zuzuordnen ist, ein und dieselbe natürliche Person, der Beteiligte zu 1).
b. Fraglich kann daher nur sein, ob eine Ausgliederung aus dem Vermögen eines
Einzelkaufmanns auch dann möglich ist, wenn der fragliche Vermögensgegenstand dessen
Privatvermögen zuzuordnen ist, und – daran ggf. anschließend – weiter, ob die Voraussetzungen
einer Ausgliederung und der Aufnahme durch die Beteiligte zu 2) in Bezug auf das Eigentum
vorliegen. Beides ist zu bejahen:
aa. Gemäß § 152 Satz 1 UmwG kann die Ausgliederung des von einem Kaufmann betriebenen
Unternehmens, dessen Firma im Handelsregister eingetragen ist, oder von Teilen desselben aus
dem Vermögen dieses Kaufmanns unter anderem zur Aufnahme dieses Unternehmens oder von
Teilen dieses Unternehmens durch Kapitalgesellschaften erfolgen. Obwohl die Vorschrift als
Ausgliederungsgegenstand nur das Unternehmen oder Teile desselben benennt, besteht
Einigkeit darüber, dass der Kaufmann auch Teile seines Privatvermögens auf die
Kapitalgesellschaft ausgliedern kann (Semler/Stengel/Leonard/ Seulen, 5. Aufl. 2021, UmwG §
152 Rn. 67 m.N.). Die Einbeziehung in die Ausgliederung erfolgt in diesem Fall durch
Umwidmung des Privatvermögens in das Unternehmensvermögen
(Semler/Stengel/Leonard/Seulen a. a. O.), die sich hier aus der ausdrücklichen Benennung der
Grundstücke gemäß
dem notariell beurkundeten (§§ 6, 125 Abs. 1 Satz 1 UmwG, § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO)
Ausgliederungsvertrag - Urkundenrolle 733/21 - vom 20.August 2021 ergibt.
bb. Die am 1. September 2021 erfolgte Eintragung der Ausgliederung in das Handelsregisterblatt
des Einzelunternehmens „Dr. E. B. e.K.“ hat gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG hat bewirkt,
dass dessen Vermögen in seiner Gesamtheit auf die Beteiligte zu 2) übergegangen ist. Da diese
Universalsukzession nach dem Vorgesagten auch das Eigentum an den
verfahrensgegenständlichen Grundstücken umfasste, bedarf es keiner gesonderten Verfügung
zum Nachweis des Inhaberwechsels (so auch Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss
vom 8. August 2013 – 5 W 84/13 –, juris).
cc) Bei der hier gegenständlichen Übertragung des Grundstücks im Wege der
Universalsukzession handelt es sich auch nicht um einen Erwerbsvorgang, der ein
Vorkaufsrecht der Gemeinde gemäß § 24 BauGB begründet, so dass auch die Vorlage eines
Negativzeugnisses gemäß
(1) Gemäß
Grundstücken zu. Ein Grundstückskauf wird maßgeblich durch die Verkäuferpflicht der Besitzund
Eigentumsverschaffung an einem Grundstück und die Pflicht des Käufers zur
Kaufpreiszahlung bestimmt (vgl. § 433 BGB). Dies ist hier nicht der Fall. Die Ausgliederung
erfolgte ohne Gegenleistung.
(2) Bei der hier erfolgten Ausgliederung handelt es sich aus diesem Grund auch nicht um ein
kaufähnliches Umgehungsgeschäft, das ebenfalls ein gemeindliches Vorkaufrecht im Sinne der
§§ 24 ff. BauGB auslösen kann. Dies ist dann der Fall, wenn der jeweilige Vertrag in seiner
Gesamtbetrachtung einem Kaufvertrag nahezu gleichkommt und in den deshalb die Gemeinde
zur Wahrung ihrer Erwerbs- und Abwehrinteressen „eintreten“ kann, ohne die vom
vorkaufsrechtsverpflichteten Eigentümer ausgehandelten Konditionen der Veräußerung zu
beeinträchtigen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 1991 - V ZR 127/90 -
Maßgeblich für die Bewertung als kaufähnliches Geschäft ist, ob ein interessengerechtes
Verständnis der gewählten Vertragsgestaltung zu dem Ergebnis führt, dass allen formellen
Vereinbarungen zum Trotz der Wille der Vertragsschließenden auf eine Eigentumsübertragung
(auch) der vorkaufsbelasteten Sache gegen Zahlung eines bestimmten Preises gerichtet war
(BGH, Versäumnisurteil vom 27. Januar 2012 - V ZR 272/10 -
das ist hier nicht der Fall. Unabhängig davon, ob der Beteiligte zu 1) sein Privatvermögen, wie
hier angenommen, umgewidmet und seinem Einzelunternehmen zukommen gelassen hat,
dessen Betriebsvermögen ausweislich der vorgelegten Bilanz maßgeblich aus dem Grundstück
mit der aufstehenden Photovoltaikanlage bestand als es in die Beteiligte zu 2) ausgegliedert
wurde, oder ob der Beteiligte zu 1) das Grundstück erst mit der durch seinen
Verfahrensbevollmächtigten erklärten Auflassung direkt an die Beteiligte zu 2) übertragen
wollte, war die damit verbundene Grundstücksübertragung nicht auf die Zahlung eines
bestimmten Preises gerichtet, sondern erfolgte ausweislich der vorgelegten Vertragsunterlagen,
in denen der Punkt der „Gegenleistung“ ausdrücklich gestrichen worden war, unentgeltlich.
2. Da das Grundstück bereits im Wege der Universalsukzession auf die Beteiligte zu 2)
übergegangen ist, ging die zeitlich danach, am 21. September 2021, erklärte Auflassung des
Beteiligten zu 1) ins Leere und stellt damit ebenfalls kein Hindernis dar, das der
Eigentumsumschreibung entgegensteht. Denn zu diesem Zeitpunkt war das Eigentum an den
Grundstücken bereits gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG an die Beteiligte zu 2) übergegangen.
Ein Widerruf der Auflassungserklärung hätte zwar klarstellende Wirkung, ist allerdings kein
Hindernis für die beantragte Umschreibung.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81, 84 FamFG. Die Festsetzung des Werts für das
Beschwerdeverfahren beruht auf
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Naumburg
Erscheinungsdatum:12.12.2022
Aktenzeichen:12 Wx 34/22
Rechtsgebiete:
Grunderwerbsteuer
Grundbuchrecht
Umwandlungsrecht
Kostenrecht
Kaufvertrag
Öffentliches Baurecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BauGB §§ 24, 28 Abs. 1 S. 2; GBO § 29