Beschwerde des (möglicherweise) Vorkaufsberechtigten gegen Vorbescheid, der eine Fälligkeitsmitteilung zum Gegenstand hat
DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 6.2.2018
BGH, Beschl. v. 9.11.2017 – V ZB 25/17
Beschwerde des (möglicherweise) Vorkaufsberechtigten gegen Vorbescheid, der eine
Fälligkeitsmitteilung zum Gegenstand hat
Ein Vorbescheid, der eine Fälligkeitsmitteilung zum Gegenstand hat, betrifft ausschließlich die
Rechtsbeziehung zwischen Verkäufer und Käufer. (Leitsatz der DNotI-Redaktion)
Gründe:
I.
Im Juli 2015 schlossen der Rechtsvorgänger der Beteiligten zu 3 (Verkäufer)
und der Beteiligte zu 4 (Käufer) einen notariell beurkundeten Kaufvertrag
über ein im Eigentum des Verkäufers stehendes Grundstück. Der Kaufvertrag
sieht als Fälligkeitsvoraussetzung vor, dass die Beteiligte zu 1 auf das Vor-
kaufsrecht gemäß § 57 Schuldrechtsanpassungsgesetz schriftlich verzichtet hat
oder die Ausübungsfrist von zwei Monaten abgelaufen ist.
Der den Kaufvertragsparteien bekannte Hintergrund dieser Regelung ist
ein zwischen dem Gemeinderat und der Großmutter sowie der Mutter der Beteiligten
zu 1 über dieses Grundstück geschlossener Nutzungsvertrag vom 31. Juli
1970. Die Großmutter verstarb bereits 1983. Zugunsten der Mutter wurde gemäß
ihrem Tod im Jahr 2010 wieder gelöscht. Das Nutzungsverhältnis führte der
Verkäufer mit der Beteiligten zu 1 fort. Der Notar informierte die Beteiligte zu 1
mit Schreiben vom 29. Oktober 2015 über den Kaufvertrag. Daraufhin übte
diese mit Schreiben vom 16. Dezember 2015 das Vorkaufsrecht aus.
Mit Vorbescheid vom 18. Dezember 2015 hat der Notar der Beteiligten
zu 1 mitgeteilt, dass ihr seiner Auffassung nach kein Vorkaufsrecht zustehe, so
dass er von der darauf bezogenen Fälligkeitsvoraussetzung absehen werde.
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht den Vorbescheid
mit Beschluss vom 23. Mai 2016 aufgehoben. Nach der Rechtsmittelbelehrung
findet gegen diesen Beschluss die Beschwerde statt. Auf Beschwerde des Käufers
hat das Landgericht die Entscheidung durch Beschluss vom 17. August
2016 geändert und die Beschwerde zurückgewiesen; auch diesem Beschluss
ist eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, die als statthaftes Rechtsmittel die
Beschwerde benennt. Auf die mit Schriftsatz vom 12. September 2016 erhobene
Anhörungsrüge der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht mit weiterem Beschluss
vom 9. Januar 2017 seine letzte Entscheidung mit der Maßgabe aufrechterhalten,
dass die Rechtsbeschwerde zugelassen wird. Nunmehr will die
Beteiligte zu 1 den ursprünglichen Beschluss vom 23. Mai 2016 wiederherstellen
lassen; der Käufer beantragt die Verwerfung der Rechtsbeschwerde.
II.
In dem angefochtenen Beschluss vom 17. August 2016 meint das Landgericht,
der Beschwerdeführerin stehe entgegen seiner zunächst in dem Beschluss
vom 23. Mai 2016 vertretenen Auffassung kein Vorkaufsrecht gemäß
aus
VermG erloschen. Die Anhörungsrüge habe insoweit Erfolg, als die Kammer
nunmehr die Zulassung der Rechtsbeschwerde für geboten halte, und zwar
wegen der schwierigen Rechtsfragen sowie des Umstands, dass die Änderung
des Beschlusses vom 23. Mai 2016 ohne ausreichende Anhörung der Beschwerdeführerin
und aufgrund eines Irrtums über die Statthaftigkeit der Beschwerde
des Käufers erfolgt sei. Im Hinblick darauf habe der Erlass des Beschlusses
vom 17. August 2016 den Anspruch der Beschwerdeführerin auf
Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Inhaltlich sei die dort vertretene
Rechtsauffassung aber richtig gewesen.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil sie in Ermangelung einer
wirksamen Zulassung nicht statthaft ist.
1. In dem angefochtenen Beschluss vom 17. August 2016 hat das Landgericht
die Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.
Die auf die Anhörungsrüge nachträglich erfolgte Zulassung bindet den
Senat nicht.
a) Eine Anhörungsrüge führt nur dann zu einer wirksamen, das Rechtsbeschwerdegericht
gemäß
BNotO) bindenden Zulassung der Rechtsbeschwerde, wenn das Verfahren aufgrund
einer Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß
wird und sich erst aus dem anschließend gewährten rechtlichen Gehör ein Zulassungsgrund
ergibt. Mit einer verfahrensrechtlich nicht vorgesehenen nachträglichen
Zulassungsentscheidung kann das Gericht die Bindung an seine eigene
Endentscheidung gemäß
zum Revisionsverfahren Senat, Urteil vom 4. März 2011 - V ZR 123/10,
147 Rn. 5; BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - IX ZR 70/10, NJW-RR 2012,
306 Rn. 7).
b) Daran gemessen durfte die Rechtsbeschwerde nicht nachträglich zugelassen
werden.
aa) Die Voraussetzungen des
Einen entscheidungserheblichen Verstoß gegen den Anspruch der Beteiligten
zu 1 auf Gewährung rechtlichen Gehörs, der darin besteht, dass auf die Zulassungsentscheidung
bezogener Vortrag verfahrensfehlerhaft übergangen worden
ist (vgl. Senat, Urteil vom 4. März 2011 - V ZR 123/10,
Rn. 6), nimmt das Beschwerdegericht selbst nicht an; mit den aus seiner Sicht
entscheidungserheblichen, auf das Bestehen des Vorkaufsrechts bezogenen
Rechtsfragen hatte es sich bereits in den vorangegangenen Beschlüssen
auseinandergesetzt. Maßgeblich begründet hat es die Nachholung
der Zulassung vielmehr damit, dass es fälschlicherweise die Beschwerde des
Käufers für statthaft gehalten habe. Ein solcher Rechtsirrtum rechtfertigt eine
nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht, weil er für sich genom-
men nicht gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verstößt; dass
das Beschwerdegericht auf die Zulassungsentscheidung bezogenen Vortrag
der Beschwerdeführerin übergangen hat, hat es nicht festgestellt und ist auch
nicht ersichtlich.
bb) Ob das Beschwerdegericht mit dem Beschluss vom 17. August 2016
- wie die Rechtsbeschwerde meint - seinerseits die Bindung an seinen eigenen
Beschluss vom 23. Mai 2016 gemäß
- wie es in der Erwiderung vertreten wird - wegen der fehlenden verfahrensgestaltenden
Wirkung des ersten Beschlusses, mit dem der Vorbescheid ohne
eine positive Anweisung an den Notar aufgehoben wurde, zu der Änderung befugt
war, kann dahinstehen. Jedenfalls begründete ein etwaiger Verfahrensfehler
keinen Verstoß gegen
der Beschwerdeführerin übergangen worden ist.
2. Die nachträgliche Zulassung kann auch nicht als Entscheidung über
eine analog
verstanden werden.
a) Ob eine unterlassene Zulassung der Rechtsbeschwerde als Verstoß
gegen andere Verfahrensgrundrechte in analoger Anwendung von
gerügt werden kann, hat der Bundesgerichtshof bislang offen gelassen; es bedarf
auch hier keiner Entscheidung dieser Rechtsfrage. In Betracht kommen
könnte dies nämlich allenfalls dann, wenn die ursprüngliche Entscheidung, den
Zugang zum Bundesgerichtshof nicht zu eröffnen, objektiv willkürlich gewesen
wäre oder den Instanzenzug unzumutbar und in sachlich nicht zu rechtfertigender
Weise verkürzt hätte (vgl. für das Revisionsverfahren Senat, Urteil vom
4. März 2011 - V ZR 123/10,
1. Dezember 2011 - IX ZR 70/10,
auszugehen.
b) Das Beschwerdegericht hat diese Voraussetzungen nicht ausdrücklich
festgestellt. Selbst wenn seine Ausführungen zu seinem Irrtum über die Statthaftigkeit
der (erfolgreichen) Beschwerde des Käufers so zu verstehen sein sollten,
dass es seine Verfahrensweise als objektiv willkürlich ansah, könnte dies
die nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht rechtfertigen. Dies
folgt schon daraus, dass die Rüge - ihre Statthaftigkeit unterstellt - jedenfalls
unbegründet war, was das Rechtsbeschwerdegericht wie bei einer Anhörungsrüge
von Amts wegen zu überprüfen hätte (vgl. für das Revisionsverfahren Senat,
Urteil vom 16. September 2016 - V ZR 3/16,
Urteil vom 14. April 2016 - IX ZR 197/15, ZinsO 2016, 1389 Rn. 8 ff.). Es fehlt
nämlich bereits an der Entscheidungserheblichkeit eines etwaigen Verstoßes
gegen Verfahrensgrundrechte. Eine Rechtsbeschwerde könnte von vornherein
keinen Erfolg haben, weil das Beschwerdegericht im Ausgangspunkt nicht erkannt
hat, dass die Beschwerde der Beteiligten zu 1 unzulässig ist. Sie ist nicht
beschwerdeberechtigt, weil sie durch den Vorbescheid nicht, wie in § 59 Abs. 1
FamFG vorausgesetzt, in ihren Rechten beeinträchtigt wird. Eine solche
Rechtsbeeinträchtigung setzt voraus, dass unmittelbar nachteilig in die Rechtsstellung
des Beschwerdeführers eingegriffen wird (vgl. Arndt/Lech/Sandkühler,
BNotO, 8. Aufl., § 15 Rn. 99 mwN), woran es fehlt. Die Fälligkeitsmitteilung, die
der Vorbescheid zum Gegenstand hat, betrifft ausschließlich die Rechtsbeziehung
zwischen Verkäufer und Käufer. Die Rechtsstellung der Beteiligten zu 1
verändert sie auch dann nicht unmittelbar, wenn ihr ein Vorkaufsrecht zustehen
sollte. Welche Fälligkeitsvoraussetzungen die Kaufvertragsparteien vereinbaren,
und ob sie diese einhalten, kann ein Vorkaufsberechtigter nicht beeinflussen.
Denn durch die Ausübung des Vorkaufsrechts tritt er nicht in den Kaufver-
trag ein, sondern es kommt ggf. ein neuer selbständiger Kaufvertrag zwischen
den Parteien des Vorkaufs zustande (vgl.
10. Juli 1986 - III ZR 44/85,
maßgebliche Frage danach, ob ein solcher Kaufvertrag zwischen ihr und dem
Verkäufer zustande gekommen ist, ggf. in einem Zivilrechtsstreit mit dem Verkäufer
klären lassen. Das Verfahren der Notarbeschwerde ist zur Durchsetzung
ihrer möglichen Ansprüche aus dem Vorkauf weder bestimmt noch geeignet.
IV.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus
von Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren sieht der Senat gemäß
GNotKG mit 10 % des Kaufpreises bemessen worden.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:09.11.2017
Aktenzeichen:V ZB 25/17
Rechtsgebiete:
Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
FamFG § 59; BGB § 464