LG Köln 26. November 2012
11 T 90/12
InsO § 80 Abs. 1 ZPO § 727

Zur Erteilung von Vollstreckungsklauseln im Insolvenzverfahren des Schuldners

Zur Erteilung von Vollstreckungsklauseln im Insolvenzverfahren des Schuldners
(LG Köln, Beschluss vom 26. 11. 2012 – 11 T 90/12, mit Anmerkung von Notar Ingo Schreinert, Wipperfürth, S. 161 in diesem Heft)
InsO § 80 Abs. 1 ZPO § 727
1.    Die Wirksame Freigabe eines Vermögensgegenstandes aus der Insolvenzmasse ist nicht aufgrund Löschung des Insolvenzvermerks im Grundbuch offenkundig.
2.    Gemäß § 727 ZPO ist der Nachweis der Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters und deren Zustellung an den Schuldner durch öffentliche Urkunden erforderlich.
(RNotZ-Leitsätze)
Aus den Gründen:
Im Wohnungs-und Teileigentumsgrundbuch von W. Blatt . . . sind die Bet. zu 2) und 3) als Eigentümer in Errungenschaft italienischen Rechts in Abt. I eingetragen. In Abt. III des Grundbuchs von W. Blatt . . . ist unter lfd. Nr. 1 eine Grundschuld von 81 806,70 E für die Bet. zu 1) eingetragen unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom 29. 1. 1988.
In lfd. Nr. 2 ist eine weitere Grundschuld von 35 790,43 E zugunsten der Bet. zu 1) eingetragen und unter laufender Nr. 3 eine Grundschuld in Höhe von 102 258,38 E zugunsten der Bet. zu 1).
Durch Beschluss des AG K. vom 14. 9. 2011 wurde über das Vermögen der Bet. zu 2) das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde Herr Rechtsanwalt . . . bestellt. Unter dem 23. 9. 2011 beantragte das Insolvenzgericht (AG K.) beim GBA des AG W. die Eintragung eines Insolvenzvermerks betreffend das Wohnungs-und Teileigentumsgrundbuch, Grundbuch des AGW.,Gemarkung. . .,Blatt. . .,Flur. . .,Flurstücke. . .,
deren Eigentümerin unter anderem die Insolvenzschuldnerin, die Bet. zu 2) ist. Die Eintragung des Insolvenzvermerks erfolgte am 30. 9. 2011.
Unter dem 17. 11. 2011 wurde der Bet. zu 1) als Inhaberin von Grundschulden auf den Grundstücken der Insolvenzschuldnerin zum Zwecke der Zwangsvollstreckung wegen des dinglichen Anspruchs, insbesondere zum Zwecke der Zwangsvollstreckung in den belasteten Grundbesitz gegen Herrn Rechtsanwalt . . . in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen von Frau . . . eine vollstreckbare Ausfertigung von Herrn Notar . . . erteilt. Der Notar nahm unter dem
17. 11. 2011 die Umschreibung der Vollstreckungsklausel auf den Insolvenzverwalter, Herrn Rechtsanwalt . . . vor.
Am 1. 12. 2011 beantragte der Insolvenzverwalter, Herr Rechtsanwalt . . ., beim AG K. (Insolvenzgericht) die Löschung des Insolvenzvermerks im Grundbuch des AG W. Zur Begründung wies der Insolvenzverwalter darauf hin, dass die Immobilien wertausschöpfend belastet seien und er sie deshalb gegenüber der Insolvenzschuldnerin aus der Insolvenzmasse freigegeben habe.
Mit Schreiben vom 7. 12. 2011 beantragte das AG K. (Insolvenzgericht) beim GBA des AG W. die Löschung des Insolvenzvermerks im Bezug auf die streitgegenständlichen Grundstücke. Zur Begründung verwies das Insolvenzgericht darauf, dass der Verwalter die Immobilie aus dem Insolvenzverfahren freigegeben habe.
Am 12. 12. 2011 wurde vom GBA des AG W. die Löschung des Insolvenzvermerks betreffend die streitgegenständlichen Grundstücke im Grundbuch eingetragen. Unter dem gleichen Datum hat das GBA des AG
W. den Insolvenzverwalter, Herrn Rechtsanwalt . . ., angeschrieben und bat diesen, den Wortlaut und die Eintragung betreffend die Löschung des Insolvenzvermerks zu überprüfen. Die vollstreckbare Ausfertigung der UR-Nr. . . . des Notars . . . wurde bereits am
29. 11. 2011 Herrn . . . dem Bet. zu 3), am 12. 12. 2011 Herrn Rechtsanwalt . . . als Insolvenzverwalter und am
13. 1. 2012 Frau . . ., der Bet. zu 2), per Gerichtsvollzieher zugestellt und damit erfolgte die Einleitung des Zwangsvollstreckungsverfahrens.
Die Bet. zu 1) beantragte beim Notar . . . mit Schriftsatz vom 6. 2. 2012, eine vollstreckbare Ausfertigung gegen Frau . . . wegen des in der Urkunde vom 29. 1. 1988 – UR-Nr. . . . des Notars . . . – begründeten Anspruchs auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz, eingetragen im Grundbuch von W. Blatt . . . und . . . zu erteilen.
Durch Beschluss vom 30. 5. 2012 wies der Notar . . . diesen Antrag zurück. Dies begründete er damit, dass am 17. 11. 2011 der Bet. zu 1) zum Zwecke der Zwangsvollstreckung wegen des dinglichen Anspruchs insbesondere zum Zwecke der Zwangsvollstreckung in den belasteten Grundbesitz gegen Herrn . . . in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen von Frau . . . bereits eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt worden sei. Der Insolvenzverwalter habe mit Schreiben vom 13. 4. 2012 erklärt, dass er nicht bereit sei, eine Freigabeerklärung in öffentlich beglaubigter Form abzugeben. Nachdem die Bet. zu 1) auf den fehlenden Nachweis der Rechtsnachfolge hingewiesen worden sei, habe sie mit Schreiben vom 25. 5. 2012 darum gebeten, eine Entscheidung im Wege des Vorbescheides zu erlassen. Zur weiteren Begründung führt der Notar aus, dass bereits bezüglich der Zulässigkeit des Antrags Bedenken bestünden. Eine Umschreibung des Titels sei nicht erforderlich, wenn eine gegen den Insolvenzverwalter zuvor bereits durch Zustellung des Titels eingeleitete Vollstreckung in ihrer Wirkung fortbestehe (vgl. BGH DNotZ 2005, 840). Es sei bereits die gegen den Insolvenzverwalter lautende vollstreckbare Ausfertigung diesem zugestellt worden. Im Übrigen hielt der Notar den Antrag für unbegründet, weil die Freigabe der mit den Grundschulden belasteten Immobilie aus der Insolvenzmasse nicht in öffentlich oder in öffentlich beglaubigter Form nachgewiesen worden sei.
Die Löschung des Insolvenzvermerks im Grundbuch reiche hierfür nicht aus (vgl. LG Berlin Rpfleger 2004, 158; Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde, 3. Aufl. 2010,Rn. 44, 35). Diesen Beschluss stellteder Notar. . . mit Rechtshilfebelehrung der Bet. zu 1) zu. Die Zustellung erfolgte am 4. 6. 2012.
Am 3. 7. 2012 legte die Bet. zu 1) per Telefax Beschwerde beim Notar gegen den Beschluss ein. Sie begründete dies damit, dass die vom Notar zitierte Entscheidung des BGH vom 14. 4. 2005 (DNotZ 2005, 840) vorliegend nicht anwendbar sei. In dem dort entschiedenen Fall habe die Zwangsvollstreckung bereits vor der Insolvenzeröffnung begonnen. Nachdem die Klausel auf den Insolvenzverwalter umgeschrieben worden sei, habe dieser dort die Freigabe des Objekts erklärt. Im vorliegenden Fall sei der Antrag auf Einleitung der Zwangsvollstreckung erst am 30. 1. 2012 und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden. Es sei daher die Umschreibung der Klausel auf den Insolvenzverwalter sehr wohl erforderlich gewesen. Aus diesen Gründen habe das AG W. auch am 30. 1. 2012 den gestellten Zwangsvollstreckungsantrag der Bet. zu 1) auf Vollstreckung aus der in Abt. I bestellten Grundschuld in Höhe von 81 806,70 E abgelehnt.
Die Bet. zu 1) hat den Notar aufgefordert, der Beschwerde abzuhelfen und die Klausel wie beantragt auf die Schuldnerin umzuschreiben.
Der Notar hat durch Beschluss vom 13. 7. 2012 der Beschwerde nicht abgeholfen. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Beschwerde sei zwar zulässig, aber in der Sache unbegründet. Dabei hat er sich auf die Gründe in seinem Beschluss vom 30. 5. 2012 berufen. Im Übrigen hat der Notar ergänzend noch geltend gemacht, dass unabhängig von der Frage der Erforderlichkeit der Umschreibung der Antrag der . . . auf Umschreibung der Vollstreckungsklausel in erster Linie deshalb zurückgewiesen worden sei, weil die Freigabe des von der Zwangsvollstreckung betroffenen Grundstücks aus der Insolvenzmasse vom Insolvenzverwalter nicht in öffentlich beglaubigter Form nachgewiesen worden sei. Da dieser Nachweis auch im Beschwerdeverfahren nicht erbracht worden sei, sei der Beschwerde nicht abzuhelfen und diese dem LG zur Entscheidung vorzulegen. Der Notar hat noch darauf hingewiesen, dass der Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt . . ., nicht bereit gewesen sei, in öffentlich beglaubigter Form die Freigabeerklärung abzugeben, was zwischen den Bet. unstreitig ist.
Die gemäß § 54 BeurkG i. V. m. den §§ 63, 71 FamFG statthafte Beschwerde der Bet. zu 1) hat in der Sache selbst keinen Erfolg.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat der Notar . . . die Erteilung einer erneuten vollstreckbaren Ausfertigung gegen die Bet. zu 2) wegen des in der Urkunde vom 29.1.1988 – UR-Nr. ... – des Notars ... begründeten Anspruchs auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz, eingetragen im Grundbuch von W. . . . und . . . zu erteilen, zurückgewiesen.
Die Rechtsnachfolge i. S. d. § 727 ZPO auf Schuldnerseite vom Insolvenzverwalter auf die Insolvenzschuldnerin und Bet. zu 2) ist weder in ausreichender Form nachgewiesen noch offenkundig (vgl. BGH DNotZ 2005, 840 ff.).
Zwar handelt es sich bei dem Wechsel in der Verfügungsbefugnis vom Insolvenzschuldner auf den Insolvenzverwalter und nach Freigabe erneut auf den Insolvenzschuldner nicht um eine Rechtsnachfolge im eigentlichen Sinne, da die Rechtsinhaberschaft während des gesamten Insolvenzverfahrens bei dem Insolvenzschuldner verbleibt. Nach gefestigter, auch höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH a.a.O.) ist § 727 ZPO jedoch auf diese Fälle zumindest entsprechend anzuwenden, so lange noch keine Zwangsvollstreckungsmaßnahme gegen den Verfügungsbefugten eingeleitet worden ist. Bei der Freigabe eines Vermögensgegenstandes aus der Insolvenzmasse ist es im Rahmen des § 727 ZPO notwendig, die Wirksamkeit der Freigabe seitens des Insolvenzverwalters als „Rechtsnachfolger“ im Sinne der Rückübertragung der Verfügungsbefugnis auf die Bekl. zu 2) in der entsprechenden Form nachzuweisen. Die Wirksamkeit der Freigabe tritt jedoch erst durch Zugang der Erklärung bei dem Schuldner ein. Der Nachweis der wirksamen Freigabe erfordert daher den Nachweis der Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters sowie ihres Zugangs in öffentlich beglaubigter Form bzw. in öffentlicher Urkunde. Bei der Freigabe eines Vermögensgegenstandes aus der Insolvenzmasse ist es im Rahmen des § 727 ZPO notwendig, die Wirksamkeit der Freigabe als „Rechtsnachfolge“ in der entsprechenden Form nachzuweisen. Erst mit dem Zugang der Erklärung bei dem Schuldner wird der Insolvenzbeschlag aufgehoben und der Vermögensgegenstand gelangt in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners.
Im vorliegenden Verfahren liegt die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters als solche mit dem Nachweis ihres Zugangs nicht in öffentlich beglaubigter Form bzw. in öffentlicher Urkunde vor. Vielmehr hat der Insolvenzverwalter ausdrücklich erklärt, er sei nicht bereit, in öffentlich beglaubigter Form die Freigabeerklärung abzugeben.
Die Freigabe seitens des Insolvenzverwalters ist auch nicht offenkundig. Soweit teilweise in der notarrechtlichen Literatur (vgl. Wolfsteiner a.a.O.) eine Offenkundigkeit der Rechtsnachfolge für den Fall angenommen wird, dass der Insolvenzvermerk im Grundbuch gelöscht wurde, vermag sich die Kammer dieser Auffassung nicht anzuschließen. Der Umstand der Löschung als solche mag ausweislich des Grundbuchs zwar offenkundig sein. Daraus folgt aber nach Auffassung der Kammer nicht, dass damit auch die wirksame Freigabe durch den Insolvenzverwalter offenkundig wäre. Die Wirksamkeit der Freigabe tritt mit Zugang der Erklärung bei dem Schuldner ein. Die Löschung des Insolvenzvermerks im Grundbuch hat lediglich deklaratorischen Charakter. Insoweit schließt sich die Kammer der Auffassung des LG Berlin an, nach der die Funktion des Insolvenzvermerks in Abt. II des Grundbuches sich darauf beschränkt, den nach § 892 Abs. 1 S. 2 BGB geschützten öffentlichen Glauben des Grundbuchs an die unbeschränkte Verfügungsmacht des eingetragenen Eigentümers zu zerstören. Aus dem Fehlen des Vermerks folgt nicht, dass die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters nicht oder nicht mehr besteht.
Denn die Verfügungsbefugnis geht gemäß § 80 Abs. 1 InsO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Verwalter über, ohne dass es dazu einer Eintragung im Grundbuch bedarf (vgl. LG Berlin a.a.O.). Für die Rechtsnachfolge auf der Gläubigerseite hat der BGH entschieden, dass der Nachweis der Rechtsnachfolge in der qualifizierten form des § 727 Abs. 1 ZPO dann entbehrlich ist, wenn der Schuldner als Ag. die Rechtsnachfolge zugesteht (§ 288 ZPO) und der bisherige Gläubiger der Erteilung der Vollstreckungsklausel an den Rechtsnachfolger zustimmt. Dies ist aber vorliegend nicht der Fall, weil die Bet. zu 2) sich ausdrücklich darauf berufen hat, dass eine Freigabe in der Form des § 727 Abs. 1 nicht vorliegt und sie mit der Entscheidung in dieser Form nicht einverstanden sei. Damit hat die Bet. zu 2) zumindest als Schuldnerin und Ag. die Rechtsnachfolge nicht zugestanden. Im Übrigen ist es Sache der Bet. zu 1), die Rechtsnachfolge darzulegen. Aus der Anwendung des § 288 ZPO im Rahmen des § 727 Abs. 1 ZPO folgt nicht, dass der Notar von Amts wegen verpflichtet wäre, die vorgenannten Erklärungen abzufordern oder auf deren Vorlage hinzuwirken. Außerdem hat der Insolvenzverwalter, Herr Rechtsanwalt . . ., ausdrücklich erklärt, dass er eine Freigabe in öffentlich beglaubigter Form nicht abgebe, so dass insoweit die Rechtsnachfolge sowie die mangelnde Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters nicht nachgewiesen ist.
Nach alledem hat der Notar daher die Umschreibung der Klausel zu Recht abgelehnt.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

LG Köln

Erscheinungsdatum:

26.11.2012

Aktenzeichen:

11 T 90/12

Rechtsgebiete:

Insolvenzrecht
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Erschienen in:

RNotZ 2013, 175-177

Normen in Titel:

InsO § 80 Abs. 1 ZPO § 727