Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer beim Erwerb durch Vorkaufsberechtigten
letzte Aktualisierung: 4.4.2025
FG München, Urt. v. 9.10.2024 – 4 K 236/22
GrEStG §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 464
Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer beim Erwerb durch Vorkaufsberechtigten
1. Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist nach § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Bei
einem Kauf gehören nach
Leistungen zur Gegenleistung. Unter einer sonstigen Leistung versteht man alle Verpflichtungen des
Käufers, die zwar nicht unmittelbar Kaufpreis für das Grundstück im zivilrechtlichen Sinne, aber
gleichwohl Entgelt für den Erwerb des Grundstücks sind. Die Übernahme der Verpflichtung setzt
voraus, dass es sich um eine Verpflichtung des Verkäufers handelt und sich der Käufer verpflichtet,
diese zu tragen.
2. Vor Ausübung des Vorkaufrechts hat, soweit wie vorliegend nichts Abweichendes vereinbart ist,
zunächst der Erstkäufer die Kosten für den Abschluss und die Durchführung des Erstvertrages
gem. § 448 Abs. 2 BGB zu tragen. Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt der Kauf zwischen
dem Vorkaufsberechtigten und dem Verpflichteten nach
Bestimmungen zustande, die Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat. Nach Ausübung
des Vorkaufsrechts sind nach h. M. Abschluss- und etwaige Durchführungskosten vom
Vorkaufsberechtigten zu tragen.
3. Unter diesen Umständen sind die vom Vorkaufsberechtigten an die Erstkäuferin erstatteten
Notar- und Grundbuchkosten sowie Maklergebühren keine sonstige Leistung i. S. d. § 9 Abs. 1
Nr. 1 GrEStG und damit nicht Teil der Bemessungsgrundlage, da die Vorkaufsberechtigte keine
Verpflichtungen des Verkäufers übernimmt, sondern eigene Verpflichtungen erfüllt.
4. Hinweis: Zu der Frage, ob Makler-, Notar- und Grundbuchkosten in die grunderwerbsteuerliche Bemessungs-
grundlage einzubeziehen sind, ist die Revision beim BFH anhängig (II R 29/24), ebenso zur Frage der Einbeziehung
von Notarkosten nach Ausübung eines Vorkaufsrechts (II R 28/24).
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)
Entscheidungsgründe
II.
1. Die zulässige Klage ist begründet.
a) Das FA hat zu Unrecht die von der Klägerin an die Maklerin gezahlten Maklergebühren in Höhe von 219.668,04 € sowie die Grundbuchkosten für die Eintragung der Vorurkunden (2.627,50 €) und die Notarkosten für die Vorurkunden (19.540,55 €) in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer miteinbezogen. Es handelt sich um keine sonstigen Leistungen gem.
aa) Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist nach § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt nach
Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur
grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben (BFH, Urt. v. 8.3.2017 II R 38/14, BStBl II 2017, 1005). Der Begriff der Gegenleistung setzt eine kausale Verknüpfung zwischen dem Erwerb des Grundstücks und die Gegenleistung für den Erwerb voraus (BFH, Urt. v. 25.4.2023 II R 19/20, BStBl. II 2023, 1015; BFH, Urt. v. 30.8.2023 II B 45/22). Bei einem Kauf gehören nach
Vor Ausübung des Vorkaufrechts hat grundsätzlich zunächst der Erstkäufer die Kosten für den Abschluss und die Durchführung des Erstvertrages gem. § 448 Abs. 2 BGB zu tragen. Hierzu gehören auch die Notargebühren für den Abschluss des Kaufvertrages vom 19.2.2021. Zwar können die Vertragsparteien durch Vereinbarung von der gesetzlichen Kostenverteilung abweichen. Diesbezüglich ist im Kaufvertrag vom 29.2.2021 aber nichts vereinbart. Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt der Kauf zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Verpflichteten nach
bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall sind die Notar- und Grundbuchkosten aus dem Erstkaufvertrag vom 19.2.2021 keine sonstige Leistung im Sinne des
Etwas Anderes kann auch nicht durch die im Erstkaufvertrag vom 22.7.2020 vorgesehene Bestimmung gelten, wonach der Verkäufer im Falle der Ausübung des
Vorkaufsrechts alle Kosten trägt, soweit nicht der Vorkaufsberechtigte diese dem Käufer erstattet. Danach kommt ein Anspruch gegen den Verkäufer nur in Betracht, wenn eine Erstattung durch die Vorkaufsberechtigte nicht erfolgt. Da jedoch ein Erstattungsanspruch der Erstkäuferin gegen die Klägerin besteht und diese die Kosten an die Erstkäuferin auch bereits erstattet hat, entsteht ein Anspruch gegen den Verkäufer hinsichtlich der Notar- und Grundbuchkosten gar nicht erst. Bei den Notarkosten handelt es sich auch um keine Leistungen, die die Klägerin Dritten für den Verzicht auf das Grundstück gewährt (§ 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG).
cc) Auch die Erstattung der Maklergebühren an die Erstkäuferin ist nicht Teil der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer. Es liegt keine sonstige Leistung nach
Bei der nach der vertraglich vereinbarten Regelung in Abschnitt XII. des notariellen Kaufvertrags vom 22.7.2020 durch die Erstkäuferin zu tragenden Maklerprovision von 6,96 % (inkl. USt) handelt es sich um eine Verbindlichkeit der Erstkäuferin, welche durch die Ausübung des Vorkaufsrechts nach
Bei der kaufvertraglichen Verpflichtung zur Zahlung der Maklerprovision in Höhe von 6,96 % (inkl. USt) handelt es sich um eine sog. Maklerprovisionsklausel, die einen eigenen selbständigen Zahlungsanspruch im Sinne von § 328 Abs. 1 BGB begründet (BGH, Urt. v. 12.03.1998 III ZR 14/97,
Bei der Maklergebühr in Höhe von 6,96 % (inkl. USt) handelt es sich aber um keine Verbindlichkeit des Verkäufers. Dieser schuldet der Maklerin vielmehr aus eigenem Maklervertrag vom 24.7.2019 eine Gebühr von 1,19 % (inkl. USt) des Gesamtkaufpreises. Die Kaufverträge sind auch vor Inkrafttreten des Gesetzes über die Verteilung der Maklerkosten bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser am 23.12.2020, nach der Verkäufer und Käufer jeweils 50 % der Maklerprovision tragen müssen, geschlossen worden. Soweit die Erstkäuferin eine höhere Maklerprovision als der Verkäufer zu erbringen hat, war dies bis zur gesetzlichen Neuregelung in
Ferner handelt es sich auch bei den Maklerkosten um keine Leistung, die die Klägerin Dritten für den Verzicht auf das Grundstück gewährt (§ 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG).
b) Der Gesamtbetrag der Gegenleistung ist daher zur Berechnung der Grunderwerbsteuer um 241.836 € zu reduzieren und der Bescheid vom 16.10.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.1.2022 auf eine Steuerfestsetzung von 110.465 € abzuändern.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.
4. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (
Entscheidung, Urteil
Gericht:FG München
Erscheinungsdatum:09.10.2024
Aktenzeichen:4 K 236/22
Rechtsgebiete:
Grunderwerbsteuer
Maklervertrag
Allgemeines Schuldrecht
Kaufvertrag
Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf
GrEStG §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 464