OLG Koblenz 07. September 2022
9 UF 123/22
BGB § 1361b

Alleinige Nutzung der Ehewohnung; Nutzungsentschädigungsanspruch; Ehegatteninnengesellschaft

letzte Aktualisierung: 22.2.2023
OLG Koblenz, Beschl. v. 7.9.2022 – 9 UF 123/22

BGB § 1361b
Alleinige Nutzung der Ehewohnung; Nutzungsentschädigungsanspruch; Ehegatteninnengesellschaft

1. Erfolgt die Entscheidung von Ehegatten gegen gemeinsames Miteigentum an einer Immobilie aus
haftungsrechtlichen Überlagerungen, wobei die Vorstellung zu Grunde liegt, dass die betreffende
Immobilie auch bei formal-dinglicher Zuordnung zum Alleinvermögen eines Ehegatten
wirtschaftlich beiden Ehegatten „gehören“ soll, kann eine Ehegatteninnengesellschaft angenommen
werden.
2. Zum Einfluss des Bestehens einer Ehegatteninnengesellschaft auf den Nutzungsentschädigungsanspruch
nach § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB.
3. Beim Auszug des dinglich Alleinberechtigten entspricht eine am vollen Mietwert orientierte
Vergütung regelmäßig der Billigkeit im Sinne von § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB.

Gründe

I.
Die Beteiligten sind getrenntlebende Eheleute. Aus der Ehe sind keine gemeinsamen Kinder
hervorgegangen.

Die Antragstellerin ist alleinige Eigentümerin des mit einem freistehenden Einfamilienhaus
bebauten Grundstücks [...]. Dieses wurde während der Zeit intakter Ehe als Familienheim
genutzt. Die Trennung der Beteiligten erfolgte im Jahr 2015 durch Auszug der Antragstellerin
aus dem vorbezeichneten Haus; der Antragsgegner verblieb in dem Anwesen und bewohnt dies
bis heute. Im vorliegenden Verfahren streiten die Beteiligten über die Verpflichtung des
Antragsgegners zur Zahlung einer Entschädigung für die alleinige Nutzung der Immobilie.

Die Antragstellerin hat in erster Instanz zuletzt beantragt,
1. den Antragsgegner zu verpflichten, ab August 2021 an sie für die Nutzung der Immobilie [...]
eine monatlich laufende Nutzungsentschädigung in Höhe von [...]€ im Voraus fällig, bis zum 3.
Werktag eines jeden Monats zu zahlen;
2. den Antragsgegner zu verpflichten, an sie eine rückständige Nutzungsentschädigung in Höhe
von [...]€ nebst Zinsen [...] zu zahlen;
3. den Antragsgegner zu verpflichten, ihr [...]€ nebst Zinsen hieraus seit dem 07.04.2021 in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
1. den Antrag abzuweisen;
2. die Antragstellerin zu verpflichten, mit ihm einen Mietvertrag unter Beachtung des § 1568a
Abs. 5 BGB dergestalt abzuschließen, dass künftig der ortsübliche Mietzins gezahlt wird.
Das - sachverständig beratene - Familiengericht hat der Antragstellerin mit Beschluss vom 28.
Januar 2022 - berichtigt durch Beschluss vom 17. Februar 2022 - für August 2021 eine
Nutzungsentschädigung in Höhe von [...]€ und ab September 2021 einen Betrag in Höhe von
[...]€ monatlich zugesprochen (Tenor Ziff. 1.). Darüber hinaus hat es rückständige
Nutzungsentschädigungsansprüche für Mai 2018 bis Juli 2021 in Höhe von insgesamt [...]€
(Tenor Ziff. 2.) Ansprüche auf Erstattung antragstellerseits verauslagter Betriebskosten in Höhe
von [...]€ (Tenor Ziff. 3.) sowie jeweils entsprechende Zinsansprüche tituliert. Den
weitergehenden Antrag sowie den Widerantrag insgesamt hat das Familiengericht
zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung wenden sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde sowie die
Antragstellerin mit ihrer Anschlussbeschwerde. Beide Beteiligten streiten weiter um etwaige dem
Antragsgegner gegenüber bestehende Nutzungsentschädigungsansprüche der Antragstellerin.
Der Antragsgegner beantragt,
1. den angefochtenen Beschluss zu Tenor 1, 2 und 3 aufzuheben;
2. die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
1. die Beschwerde zurückzuweisen;
2. den Beschluss des Familiengerichtes Saarburg vom 28.01.2022, Aktenzeichen 3b F 106/21
dahingehend abzuändern, dass der Antragsgegner verpflichtet wird, an die Antragstellerin ab
August 2021 eine monatlich laufende Nutzungsentschädigung in Höhe von [...] € zu zahlen
sowie für den Zeitraum von Mai 2018 bis Juli 2021 über die zuerkannte Nutzungsentschädigung
hinaus eine rückständige Nutzungsentschädigung in Höhe von weiterer [...] € nebst zuerkannter
Zinsen zu zahlen.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen, auf die angefochtene
erstinstanzliche Entscheidung, auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen [...] vom 9.
August 2021 sowie auf die Protokolle der Termine vom 17. November 2021 und vom 6. Juli
2022 Bezug genommen.

II.
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet. Die ebenfalls zulässige
Anschlussbeschwerde der Antragstellerin ist hingegen ganz überwiegend begründet.
Die Beschwerde ist zwar zulässig - insbesondere statthaft (§ 58 Abs. 1 FamFG) sowie form-
(§§ 64 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 14d Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 2 Satz 2 FamFG, 130a Absätze 1 bis 3,
Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und fristgerecht (§§ 63 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, 14 Abs. 2 Satz 2 FamFG,
130a Abs. 5 Satz 1 ZPO) eingelegt worden - aber unbegründet. Das Familiengericht hat den
Antragsgegner zu Recht zur Zahlung einer Entschädigung für die alleinige Nutzung der
Ehewohnung - des Anwesens [...] - verpflichtet.

Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner gegenüber nach § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB (vgl.
insoweit BGH, NJW 2017, 2544, 2546, Rdnr. 36, m.w.N.) für die verfahrensgegenständliche
Zeit ab Mai 2018 einen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung zumindest in der
mit dem angefochtenen Beschluss tenorierten Höhe. Die Voraussetzungen eines
entsprechenden Nutzungsentschädigungsanspruchs liegen vor.

So sind dem Antragsgegner entsprechende hinreichende - konkrete und eindeutige -
Zahlungsverlangen der Antragstellerin (vgl. insoweit OLG Celle, FamRZ 2015, 1193, 1195,
m.w.N.; OLG Bamberg, Beschluss vom 22. September 2014 - 2 UF 8/14 -, juris, Rdnr. 12;
OLG Bremen, FamRZ 2014, 1299, 1300; OLG Düsseldorf, FPR 2010, 586, 587; BeckOK
Hau/Poseck-Neumann, BGB, 62. Edition, Stand: 1. Mai 2022, § 1361b, Rdnr. 14; Grandke in:
Scholz/Kleffmann/Doering-Striening, Praxishandbuch Familienrecht, Stand: 41. EL September
2021, Teil D, Rdnr. 24, m.w.N.; Staudinger-Eickelberg, BGB, Neubearb. 2021, § 745, Rdnr. 63;
Kroll-Ludwigs in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 1361b, Rdnr. 13;
Johannsen/Henrich/Althammer-Dürbeck, Familienrecht, 7. Aufl. 2020, § 1361b BGB, Rdnr.
35, m.w.N.; Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger-Faber, jurisPK- BGB, 9. Aufl.
2020, Stand: 15. Oktober 2019, § 1361b, Rdnr. 62; Simon, NZFam 2014, 438, 440) zugegangen.
Die insoweit getroffenen Feststellungen des Familiengerichts hat der Antragsgegner nicht
angegriffen; sie sind auch nicht zu beanstanden.

Des Weiteren ist die Antragstellerin bei Trennung der Eheleute - im Jahre 2015 - aus der bis
dahin gemeinsam genutzten Ehewohnung ausgezogen. Der Antragsgegner ist in dem Anwesen
verblieben und hat es weiter als Wohnung genutzt. Dieser Zustand dauert nach wie vor an.
Die Antragstellerin kann nach alledem von dem Antragsgegner jedenfalls für die Zeit ab Mai
2018 eine Nutzungsvergütung verlangen, soweit dies der Billigkeit entspricht (§ 1361b Abs. 3
Satz 2 BGB). Dies ist hier auch zumindest in der seitens des Familiengerichts tenorierten Höhe
der Fall.

Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass eine Nutzungsentschädigung bei dinglicher
Berechtigung des weichenden Ehegatten, der die Ehewohnung oder Teile davon seinem
Ehegatten überlässt, in der Regel der Billigkeit entspricht (vgl. OLG Karlsruhe, NZFam 2019,
211, 213, m.w.N.). So liegt der Fall hier, war und ist die Antragstellerin während des hier
verfahrensgegenständlichen Zeitraums doch unstreitig Alleineigentümerin des
streitgegenständlichen Anwesens.

Auch die antragsgegnerseits behauptete Ehegatteninnengesellschaft lässt vorliegend die Billigkeit
einer Nutzungsentschädigung nicht entfallen. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass das
Zustandekommen und die fortdauernde Existenz einer entsprechenden
Ehegatteninnengesellschaft schlüssig dargetan sind.

Grundsätzlich besteht auch für Ehegatten die Möglichkeit, sich zu einer Gesellschaft
bürgerlichen Rechts zusammenzuschließen. Die Vereinbarung einer solchen sog.
Ehegatteninnengesellschaft durch konkludentes Verhalten setzt - anders als bei ausdrücklicher
Vereinbarung - voraus, dass ein über die Verwirklichung der ehelichen Gemeinschaft
hinausgehender Zweck verfolgt wird, wobei unerheblich ist, ob die Beiträge eines Ehegatten in
Geld- oder Sachleistungen oder in Mitarbeit bestehen. Es kommt vielmehr darauf an, welche
Zielvorstellung die Ehegatten mit der Vermögensbildung verfolgen, insbesondere ob sie in der
Vorstellung handeln, dass das gemeinsam geschaffene Vermögen wirtschaftlich betrachtet nicht
nur dem formell berechtigten, sondern auch dem anderen Ehegatten zustehen soll (vgl. zu allem
Vorstehenden Johannsen/Henrich/Althammer-Kohlenberg, Familienrecht, 7. Aufl. 2020,
§ 1376 BGB, Rdnr. 29). So liegt der Fall hier nach dem Vorbringen des Antragsgegners.
Danach war der Erwerb von Alleineigentum durch die Antragstellerin vornehmlich darin
begründet, dass der Antragsgegner das betreffende Immobilienvermögen dem Zugriff etwaiger
Gläubiger aus seiner beruflichen Tätigkeit entziehen wollte. Die Entscheidung gegen
gemeinsames Miteigentum erfolgte also - nach dem Vorbringen des Antragsgegners - aus
haftungsrechtlichen Überlegungen, wobei gerade die Vorstellung der Parteien zu Grunde lag,
dass die streitgegenständliche Immobilie auch bei formal-dinglicher Zuordnung zum
Alleinvermögen der Antragstellerin wirtschaftlich beiden Ehegatten „gehören“ sollte. Bei einer
derartigen Fallgestaltung kann indes - von den oben dargestellten Grundsätzen ausgehend - eine
Ehegatteninnengesellschaft angenommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2005 -
XII ZR 189/02 -, juris, Rdnr. 17; Urteil vom 30. Juni 1999 - XII ZR 230/96 -, juris, Rdnr. 27,
m.w.N.; KG, Beschluss vom 6. Dezember 2016 - 18 UF 33/16 -, juris, Rdnr. 32).
Das vermeintliche - antragstellerseits in Abrede gestellte - Zustandekommen einer
Ehegatteninnengesellschaft kann vorliegend indes letztlich dahin stehen. Selbst den wirksamen
Abschluss eines entsprechenden Gesellschaftsvertrags unterstellt, entspricht eine
antragsgegnerseits der Antragstellerin zu zahlende Nutzungsentschädigung nämlich der
Billigkeit.

Eine Ehegatteninnengesellschaft wird nämlich in der Regel - wenn auch nicht zwingend (vgl.
BGH, Urteil vom 28. September 2005 - XII ZR 189/02 -, juris, Rdnr. 28) - mit dem Scheitern
der Ehe aufgelöst, weil die Beendigung der Zusammenarbeit meistens mit der Trennung der
Ehegatten zusammenfällt (vgl. BGH, NJW 1999, 2962, 2967; OLG Hamm, Urteil vom 11. Juli
2012 - 8 U 192/08 -, juris, Rdnr. 43; BeckOK Hau/Poseck-Hahn, BGB, 62. Edition, Stand: 1.
Mai 2022, § 1356, Rdnr. 28, m.w.N.). Denn ab diesem Zeitpunkt kann regelmäßig nicht mehr
von einer gemeinsamen Vermögensbildung ausgegangen werden (vgl. BGH, a.a.O.; OLG
Hamm, a.a.O., m.w.N.).

In diesem Fall wäre die Ehegatteninnengesellschaft bereits vor Beginn des im Streitfall
maßgeblichen Zeitraums beendet worden und könnte schon aus diesem Grunde der Billigkeit
einer Nutzungsentschädigung nicht entgegen stehen. Ob dies hier der Fall war, kann indes
ebenfalls offen bleiben. Denn selbst eine fortbestehende Ehegatteninnengesellschaft ließe die
hier in Rede stehende Nutzungsentschädigung nicht als unbillig erscheinen.

Zum einen ist das Objekt - worauf das Familiengericht zu Recht abgestellt hat - nämlich
aufgrund der formalen Rechtsposition der Antragstellerin als Alleineigentümerin des Anwesens
im Zugewinnausgleich zu berücksichtigen. Der Antragsgegner profitiert bereits über diesen Weg
an ihm.

Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die antragsgegnerseits zu zahlenden
Nutzungsentschädigungen in rechtlicher Hinsicht Erträge der Ehegatteninnengesellschaft
darstellen. Denn diese betreffen den Kern des Gesellschaftsvermögens - die
streitgegenständliche Immobilie - und sind damit dem Erreichen des Gesellschaftszwecks
gewidmet (vgl. insoweit Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann-Preisner, beckonline.
GROSSKOMMENTAR, Stand: 1. Mai 2022, § 1372 BGB, Rdnr. 110, m.w.N.). Ein
weiterer Ausgleich nicht nur des Werts der Immobilie, sondern gerade auch der vereinnahmten
Nutzungsentschädigungen - nach der im Innenverhältnis geltenden Beteiligungsquote der
Eheleute an der Gesellschaft - erfolgt mithin über den mit Beendigung der Gesellschaft
entstehenden Ausgleichsanspruch.

Denn bei einer Beendigung der Innengesellschaft findet keine gegenständliche
Auseinandersetzung statt (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2005 - XII ZR 189/02 -, juris,
Rdnr. 19). Es besteht vielmehr ein Ausgleichsanspruch in Form eines schuldrechtlichen
Anspruchs auf Zahlung des Auseinandersetzungsguthabens, der sich nach den §§ 738 ff. BGB
sowie einzelnen Vorschriften der §§ 730 ff. BGB bestimmt (vgl. BGH, a.a.O., m.w.N.; NJW
1999, 2962, 2967; Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann-Preisner, a.a.O., Rdnr. 107, m.w.N.;
BeckOK Hau/Poseck-Scheller/Sprink, BGB, 62. Edition, Stand: 1. Mai 2022, § 1372, Rdnr. 61
f.; BeckOK Hau/Poseck-Hahn, BGB, 62. Edition, Stand: 1. Mai 2022, § 1356, Rdnr. 28;
Johannsen/Henrich/Althammer/Kohlenberg, 7. Aufl. 2020, BGB § 1376 Rn. 29;
Scholz/Kleffmann-Kohlenberg, Praxishandbuch Familienrecht, Stand: 41. EL September 2021,
Teil B., Rdnr. 60, m.w.N.). Dieser Anspruch besteht neben einem solchen auf
Zugewinnausgleich (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2005 - XII ZR 189/02 -, juris, Rdnr.
21 und Rdnr. 30; Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann-Preisner, a.a.O., Rdnr. 120, m.w.N.;
Johannsen/Henrich/Althammer/Kohlenberg, a.a.O.).

Im Hinblick auf einen entsprechenden Ausgleichsanspruch des Antragstellers steht dem
verfahrensgegenständlichen Nutzungsentschädigungsverlangen der Antragstellerin auch nicht
der Einwand dolo agit qui petit quod statim redditurus est entgegen. Nach diesem ist als
rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) einzustufen, wenn der geforderte Leistungsgegenstand
alsbald wieder zurückgegeben werden muss und kein schutzwürdiges Interesse daran besteht,
ihn zwischenzeitlich zu behalten (vgl. Staudinger-Looschelders/Olzen, BGB, Neubearb. 2019,
§ 242, Rdnr. 279, m.w.N.). So liegt der Fall hier aber nicht. Denn es steht gerade noch nicht fest,
dass die Antragstellerin die verfahrensgegenständliche Nutzungsentschädigung dem
Antragsgegner - über den oben dargestellten Ausgleichsanspruch - alsbald wieder
zurückzugewähren hat.

Dies folgt aus dem Umstand, dass ein aus der Beendigung einer Ehegatteninnengesellschaft
folgender Ausgleichsanspruch des einen gegen den anderen Ehegatten grundsätzlich eine
Gesamtabrechnung voraussetzt, aus der sich ergibt, dass der andere Ehegatte aus der
Innengesellschaft per Saldo größere Gewinne erzielt oder geringere Verluste erlitten hat als er
selbst (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2003 - XII ZR 95/01 -, juris, Rdnr. 2, m.w.N.;
Urteil vom 30. Juni 1999 - XII ZR 230/96 -, juris, Rdnr. 34; Johannsen/Henrich/Althammer-
Kohlenberg, Familienrecht, 7. Aufl. 2020, § 1376 BGB, Rdnr. 29). An einer solchen
Ausgleichsbilanz fehlt es jedoch im vorliegenden Fall. Denn es ist nicht erschöpfend
vorgetragen, welche Gewinne jeder der Ehegatten erzielt und welche Verbindlichkeiten er im
Ergebnis getragen hat. Dem entsprechend kann auch der Umfang eines entsprechenden
Ausgleichsanspruchs vorliegend nicht festgestellt werden.

Die antragsgegnerseits behaupteten und antragstellerseits bestrittenen Beiträge des
Antragsgegners zum Hausbau lassen - ihren Bestand unterstellt - auch im Übrigen - unabhängig
von dem Zustandekommen einer Ehegatteninnengesellschaft - die Billigkeit der
verfahrensgegenständlichen Nutzungsentschädigung nicht entfallen (vgl. insoweit auch OLG
Zweibrücken, NJW-RR 2021, 1156, 1157, Rdnr. 21). Die antragsgegnerseits behaupteten
Investitionen in das ehemalige Familienheim sind mithin hier nicht von Relevanz. Denn der
entsprechende Vortrag des Antragsgegners sagt nichts über das Wirtschaften der Eheleute und
infolgedessen auch nichts darüber aus, ob es sich bei den vermeintlichen Investitionen um
unausgeglichene Zuwendungen handelt. Im Übrigen profitiert der Antragsgegner - wie schon
erwähnt - bereits über den Zugewinnausgleich von den entsprechenden Aufwendungen; denn
insoweit wird der auf den betreffenden Investitionen beruhende Wert der Immobilie
beziehungsweise dessen investitionsbedingte Steigerung ausgeglichen werden (vgl. zu allem
Vorstehenden auch Senat, Beschluss vom 29. Januar 2020 - 9 UF 432/19 -).

Auch die Höhe der regelmäßig monatlich zu entrichtenden Benutzungsvergütung muss der
Billigkeit entsprechen (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 19. Februar 2013 - 3 UF 95/12 -,
juris, Rdnr. 50; OLG Hamm, FamRZ 2011, 481, 482; Staudinger-Voppel, BGB, Neubearb.
2018, § 1361b, Rdnr. 78). Ihre Höhe und Fälligkeit setzt das Gericht im Rahmen seines
pflichtgebundenen Ermessens fest (vgl. Staudinger-Voppel, a.a.O.). Einen Anhaltspunkt für eine
billige Benutzungsvergütung der Höhe nach bietet der Mietwert des betreffenden Objekts (vgl.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 19. Februar 2013 - 3 UF 95/12 -, juris, Rdnr. 50, m.w.N.;
OLG Hamm, FamRZ 2011, 892, 892; 481, 483; Gsell/Krüger/Lorenz/Rey- mann-Erbarth,
beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 1. Juni 2022, § 1361b BGB, Rdnr. 281;
Johannsen/Henrich/Althammer-Dürbeck, Familienrecht, 7. Aufl. 2020, § 1361b, Rdnr. 38,
m.w.N.; Staudinger-Voppel, a.a.O.). Die ortsübliche Miete einer vergleichbaren Wohnung stellt
die Obergrenze des Nutzungsentgelts dar (vgl. BeckOK Hau/Poseck-Neumann, BGB,
62. Edition, Stand: 1. Mai 2022, § 1361b, Rdnr. 15; Staudinger-Voppel, a.a.O., m.w.N.). Beim
Auszug des dinglich Alleinberechtigten - wie hier des Antragstellers - entspricht eine am
Mietwert orientierte Vergütung sogar regelmäßig der Billigkeit (vgl. OLG München, FamRZ
2008, 695, 696; Weber-Monecke in: MünchKomm, BGB, 9. Aufl. 2022, § 1361b, Rdnr. 21,
m.w.N.).

Der danach in erster Linie zur Bemessung der geschuldeten Nutzungsentschädigung
heranzuziehende objektive Mietwert des streitgegenständlichen Objekts betrug im Jahr 2018
zunächst [...]€, im Jahr 2019 dann [...]€, im Jahr 2020 dann [...]€ und ab dem Jahr 2021
schlussendlich [...]€. Die entsprechenden Feststellungen des Familiengerichts sind im
Beschwerdeverfahren von keinem der Beteiligten angegriffen worden; sie sind auch nicht zu
beanstanden.

Im Streitfall entspricht eine Nutzungsentschädigung in Höhe des vollen objektiven Mietwerts
zudem über die gesamte verfahrensgegenständliche Zeit hinweg der Billigkeit. Dies folgt aus
dem Umstand, dass die Antragstellerin Alleineigentümerin der antragsgegnerseits allein
bewohnten Immobilie ist, sowie aus dem Sinn und Zweck der einschlägigen
Anspruchsgrundlage.

§ 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB soll dem Ehegatten, in dessen Eigentum die Ehewohnung steht,
nämlich die Möglichkeit eröffnen, eine Entschädigung (auch) für die ihm sonst mögliche
anderweitige Verwertung der Wohnung zu verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2006 -
XII ZR 202/03 -, juris, Rdnr 23). Der Entschädigungsanspruch des weichenden Ehegatten soll
insoweit eine angemessene Kompensation für das die Trennung überdauernde Besitzrecht des
anderen Ehegatten bieten, das dem Herausgabeanspruch des weichenden Ehegatten aus § 985
BGB entgegensteht (vgl. BGH, a.a.O.). Beim Auszug des dinglich Alleinberechtigten - wie hier -
entspricht deshalb eine am vollen Mietwert orientierte Vergütung regelmäßig der Billigkeit (vgl.
OLG Frankfurt am Main, NJOZ 2022, 712, 713, Rdnr. 15; BeckOK Hau/Poseck-Neumann,
BGB, 62. Edition, Stand: 1. Mai 2022, § 1361b, Rdnr. 15; Weber-Monecke in: MünchKomm,
BGB, 9. Aufl. 2022, § 1361b, Rdnr. 24; Schulz/Hauß-Schulz/Hauß,
Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 7. Aufl. 2022, 5. Kapitel, Rdnr. 83;
Kaiser/Schnitzler/Schilling/Sanders-Friederici/Cremer, Familienrecht, 4. Aufl. 2021, § 1361b
BGB, Rdnr. 30; Johannsen/Henrich/Althammer-Dürbeck, Familienrecht, 7. Aufl. 2020,
§ 1361b, Rdnr. 38).

Nach alledem ist eine Nutzungsentschädigung wie folgt zuzusprechen. Dabei sind die aus den
jeweiligen Zahlungsaufforderungen und Anträgen folgenden Beschränkungen zu beachten:

[...]
Für August 2021 kann die Antragstellerin noch nicht eine Nutzungsentschädigung in Höhe von
[...]€ verlangen. Denn das entsprechend bezifferte (konkludente) Zahlungsverlangen ist erst am
24. August 2021 erfolgt. Insoweit wird ergänzend auf die entsprechenden - nach wie vor
zutreffenden - Ausführungen des Familiengerichts in den Gründen der angefochtenen
Entscheidung Bezug genommen.

Die verfahrensgegenständlichen Rückstände berechnen sich mithin wie nachfolgend dargestellt:

[...]
Darüber hinaus ist der Antragsgegner der Antragstellerin gegenüber zur Erstattung der
verfahrensgegenständlichen verauslagten Betriebskosten des streitgegenständlichen Anwesens in
Höhe von insgesamt [...]€ verpflichtet. Der entsprechende Anspruch folgt ebenfalls aus einer
zumindest analogen Anwendung von § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB (vgl. Senat, Beschluss vom
29. Januar 2020 - 9 UF 432/19 -; OLG Saarbrücken, FPR 2010, 576, 576 f.; OLG Frankfurt am
Main, Beschluss vom 17. September 2008 - 6 UFH 1/08 -, BeckRS 2011, 22174). Denn in einem
Falle wie dem vorliegend liegt es von Vornherein auf der Hand, dass durch die Nutzung einer
Wohnung auch Betriebskosten anfallen, die von der Kaltmiete verschieden sind und die
irgendjemand tragen muss (vgl. Senat, a.a.O.; OLG Frankfurt am Main, a.a.O.). Wenn der
Familienrichter eine Nutzungsvergütung nach § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB nach Billigkeit
festsetzt, kann sich diese Entscheidung deshalb sinnvollerweise nicht darauf beschränken,
lediglich einen subjektiven oder objektiven Kaltmietanteil zu bestimmen und im Übrigen
ungeregelt zu lassen, wer die Nebenkosten zu tragen hat (vgl. Senat, a.a.O.; OLG Frankfurt am
Main, a.a.O.). Neben der Nutzungsvergütung hat der in der Wohnung verbleibende Ehegatte -
hier die Antragsgegnerin - mithin regelmäßig auch sämtliche - und damit nicht nur die
verbrauchsabhängigen - Betriebskosten zu tragen, die ein Vermieter nach der
Betriebskostenverordnung (BetrKV) auf einen Mieter umlegen kann (vgl. Senat, a.a.O.;
Krenzler/Borth-Caspary/Hauß, Anwalts-Handbuch Familienrecht, 2. Aufl. 2012, Kapitel 7,
Rdnr. 103).

Die verfahrensgegenständlichen Zinsansprüche folgen aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin ist ebenfalls zulässig - insbesondere statthaft
(§ 66 Satz1 Hs. 1 FamFG) sowie form- (§§ 66 Satz 1 Hs. 2, 14d Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 2 Satz 2
FamFG, 130a Absätze 1 bis 3, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO) eingelegt worden - aber zum ganz
überwiegenden Teil begründet. Insoweit wird - zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen - in
vollem Umfang auf die obigen Ausführungen zur (Un-)Begründetheit der Beschwerde Bezug
genommen. Danach ist das Anschlussrechtsmittel lediglich hinsichtlich eines kleinen Teils des
Nutzungsentschädigungsverlangens für August 2021 unbegründet.

Diesbezüglich ist lediglich ergänzend zu bemerken, dass Zinsansprüche nicht Gegenstand der
Anschlussbeschwerde sind. Denn die Antragstellerin hat insoweit lediglich die Titulierung
(bereits) „zuerkannter Zinsen“ beantragt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 Abs. 1, 84 FamFG. Dabei ist im vorliegenden
Antrags- und Streitverfahren, in welchem sich die Beteiligten als Gegner gegenüberstehen und
daher eine gewisse Ähnlichkeit zum Zivilprozess besteht, das Maß des Obsiegens
beziehungsweise Unterliegens durchgreifendes Billigkeitskriterium (vgl. insoweit BGH, NJW-RR
2014, 898, 899, Rdnr. 16, m.w.N.; Keidel-Weber, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 81, Rdnr. 33;
MünchKomm-Schindler, FamFG, 3. Aufl. 2018, § 81, Rdnr. 12 f., m.w.N.; Musielak/Borth-
Borth/Grandel, FamFG, 6. Aufl. 2018, § 81, Rdnr. 3).

Die Festsetzung der Verfahrenswerte beider Instanzen folgt aus §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1
Hs. 1 FamGKG. Insoweit war zu beachten, dass es sich gemäß § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG um
eine Ehewohnungssache handelt.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass das Gericht gemäß § 48 Abs. 3 FamGKG auch einen
höheren als den in § 48 Abs. 1 Hs. 1 FamGKG bestimmten Wert festsetzen kann, wenn dieser
nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist. Denn diese Voraussetzungen liegen
hier (noch) nicht vor.

Besondere Umstände, die danach eine vom Regelfall abweichende Bewertung rechtfertigen, sind
dann gegeben, wenn der zu entscheidende Einzelfall in Umfang und Schwierigkeit oder seiner
Bedeutung für die Beteiligten, auch im Hinblick auf deren soziale und finanzielle Verhältnisse,
erheblich von den sonst zu entscheidenden Fällen abweicht (vgl. OLG Hamburg, Beschluss
vom 15. Oktober 2019 - 12 WF 148/19 -, juris, Rdnr. 11). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Umfangreicher wechselseitiger streitiger Vortrag sowie das Erfordernis einer Beweisaufnahme
durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Mietwert und der daraus folgenden
Verfahrensdauer sind in Nutzungsentschädigungsverfahren gemäß §§ 48 Abs. 1 Hs. 1
FamGKG, 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB nicht derart (erheblich)
außergewöhnlich, dass eine Heraufsetzung des Verfahrenswerts gerechtfertigt wäre. Auch ist die
Rechtslage vorliegend jedenfalls nicht in erheblichem Maße außergewöhnlich schwierig.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Koblenz

Erscheinungsdatum:

07.09.2022

Aktenzeichen:

9 UF 123/22

Rechtsgebiete:

Ehegatten- und Scheidungsunterhalt
Sachenrecht allgemein
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
Ehevertrag und Eherecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Eheliches Güterrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB § 1361b