Anwendung des § 2087 Abs. 2 BGB bei Verfügungen über einzelne Vermögensgegenstände im Gesamtwert von über ¾ des Nachlasswertes
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Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 8.11.2016
OLG Hamburg, Beschl. v. 6.10.2015 - 2 W 69/15
Anwendung des
im Gesamtwert von über ¾ des Nachlasswertes
1. Durch Zuwendungen über Einzelgegenstände im Gesamtwert von ca. ¾ des Nachlasses
verfügt der Erblasser nicht über sein praktisch gesamtes Vermögen, so dass die Zweifelsregelung
des
Erbeinsetzung verbunden ist, nicht ausgeräumt ist.
2. Will der Erblasser einen bestimmten Vermögensgegenstand zunächst einer Person und nach
deren Tod einer anderen Person zuwenden, kann dies entweder in Form von – teilweise
aufschiebend bedingten – Vermächtnissen oder aber im Rahmen der Anordnung einer Vor- und
Nacherbschaft erfolgen. Trotz des Grundsatzes der Universalsukzession kann eine
gegenständlich beschränkte Vor- und Nacherbschaft im Ergebnis dadurch erreicht werden, dass
dem Vorerben alle übrigen Nachlassgegenstände mit Ausnahme desjenigen, der Gegenstand der
Nacherbschaft werden soll, zugleich – endgültig – im Rahmen von Vorausvermächtnissen
zugewiesen werden. Ob von Vermächtnissen oder einer Vor-/Nacherbschaft auszugehen ist,
entscheidet sich danach, ob der Erblasser dinglich wirkende Verfügungsbeschränkungen der
zunächst bedachten Person festlegen oder es – wie bei Vermächtnissen – bei bloß
schuldrechtlichen Ansprüchen gegen diese Person bzw. deren Erben belassen wollte.
3. Zur Formulierung des Erbscheins in den vorgenannten Fällen.
Gründe:
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat in der Sache
keinen Erfolg, denn im Ergebnis ist sein Erbscheinsantrag zu Recht zurückgewiesen worden.
I.) Die Erblasserin starb am 29.1.2015 und hinterließ ein Testament vom 29.8.2013 sowie ein
weiteres vom 6.10.2014, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Die Erblasserin war mit dem
Beteiligten zu 1) kinderlos verheiratet. Ihre Eltern und Großeltern waren vorverstorben. Des
weiteren war ihre einzige Schwester ohne Hinterlassung von Abkömmlingen am 9.1.2015
vorverstorben. Die Beteiligte zu 2) ist eine entfernte Verwandte der Erblasserin (die Großmutter
der Beteiligten zu 2) und die Mutter der Erblasserin waren Cousinen).
Der Beteiligte zu 1) ist der Ansicht, er sei unbeschränkter, alleiniger Vollerbe geworden, weil das
Testament vom 6.10.2014, welches das frühere Testament vom 29.8.2013 vollständig ersetzt
habe, keine Erbeinsetzung, sondern nur einzelne Zuwendungen enthalte, so dass gesetzliche
Erbfolge eingetreten sei. Weder sei die Beteiligte zu 2) Erbin, noch sei sie Nacherbin. Die
Beteiligte zu 2) legt das Testament hingegen dahin aus, dass der Beteiligte zu 1) lediglich nicht
befreiter Vorerbe geworden sei, die Beteiligte zu 2) Nacherbin.
Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag zurückgewiesen mit der Begründung, die
Erblasserin habe gerade die gesetzliche Erbfolge ausschließen wollen, zumal sie auch kein
Berliner Testament verfasst habe. Vielmehr machten die zugewandten Gegenstände den
Großteil des Nachlasses aus. Wenn über jedenfalls 70 % des Nachlasses testiert werde,
spreche dies gegen die Annahme bloßer Vermächtnisse.
Der Beteiligte zu 1) stützt seine Beschwerde darauf, dass die Erblasserin in dem Testament
über zur Zeit der Testamentserrichtung nachweislich vorhandene Vermögenswerte in Höhe von
mehr als einem Viertel des Nachlasses nicht verfügt habe. Die Erblasserin habe nach ihren
lebzeitigen Äußerungen gerade keine Rechtsgemeinschaft zwischen den Beteiligten entstehen
lassen wollen. Weder habe sie die Beteiligten als Miterben einsetzen wollen, noch insgesamt als
Vor- und Nacherben. Die Regelung bezüglich des Anteils am Objekt B. … sei lediglich als
Nachvermächtnis für die Beteiligte zu 2) anzusehen.
II.) Die Beschwerde ist unbegründet, weil der Beteiligte jedenfalls nicht unbeschränkter alleiniger
Vollerbe am gesamten Nachlass geworden ist. Ob ein Erbschein in anderer Form erteilt werden
könnte und müsste, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Gegenstand des
Beschwerdeverfahrens ist nämlich allein der tatsächlich gestellte und zurückgewiesene
Erbscheinsantrag. Eine Beschwerde kann nur dann Erfolg haben, wenn gerade der beantragte
Erbschein zu erteilen ist. Hingegen kann ein Antragsteller seinen Erbscheinsantrag nicht erst in
der Beschwerdeinstanz anpassen oder ändern. Verfolgt werden kann nach allgemeiner Meinung
nur der beim Nachlassgericht gestellte Antrag, denn nur insoweit liegt eine Entscheidung erster
Instanz im Sinne von
m.w.N.; der dort erwogene Ausnahmefall liegt hier nicht vor, vgl. auch Rz.144). Auch kann das
Beschwerdegericht das Nachlassgericht nicht etwa anweisen, einen bisher nicht beantragten
Erbschein zu erteilen.
1.) Mit dem Beteiligten geht das Beschwerdegericht davon aus, dass maßgeblich nur das
Testament vom 6.10.2014 ist, denn das neuere Testament wäre inhaltlich nicht als bloße
Ergänzung des früheren Testaments vom 29.8.2013 verständlich.
2.) Hat ein Erblasser nicht ausdrücklich einen oder mehrere Erben eingesetzt, sondern lediglich
Verfügungen über einzelne Nachlassbestandteile getroffen und erschöpfen die
Einzelzuwendungen den Nachlass, ist nach ganz allgemeiner und zutreffender Ansicht davon
auszugehen, dass diese Verfügungen auch eine Erbeinsetzung enthalten, weil nicht
anzunehmen ist, dass der Erblasser überhaupt keinen Erben berufen wollte. Die jeweiligen
Erbquoten können sich dann aus dem Wertverhältnis des zugewendeten Vermögensteils zum
Gesamtnachlass ergeben. Denkbar ist aber eine Auslegung dahin, dass nur eine der bedachten
Personen zum Erben bestimmt ist (etwa wenn der Wert eines zugewendeten Gegenstandes den
Wert der übrigen Zuwendungen ganz erheblich übertrifft) und die übrigen lediglich als
Vermächtnisnehmer zu betrachten sind (statt aller die Nachweise bei Palandt-Weidlich,
72.Auflage, § 2087 Rz.2, 3, 5).
Für die Entscheidung kommt es wesentlich darauf an, ob der Erblasser dem Bedachten
unmittelbar Rechte am Nachlass (als Ganzem oder zu Bruchteilen) und damit eine möglichst
starke Stellung verschaffen will oder ob ein Bedachter nur einen Anspruch gegen andere
Bedachte erwerben soll (a.a.O.). Aus dieser Überlegung folgt zugleich, dass nicht notwendig
jede letztwillige Verfügung eine Erbeinsetzung bezogen auf den gesamten Nachlass enthalten
muss, sondern dass die Auslegung auch ergeben kann, dass nur einzelne Regelungen getroffen
werden (wie etwa die Aussetzung von Vermächtnissen oder Teilungsanordnungen), es aber im
Übrigen bei gesetzlicher Erbfolge bleiben soll.
Wichtiges Indiz für die Frage, wer Erbe sein soll, ist etwa, wer nach dem Willen des Erblassers
den Nachlass zu regeln und die Nachlassschulden zu tilgen hat, insbesondere auch die
Beerdigungskosten oder die Grabpflege zu übernehmen hat, weil nach der Lebenserfahrung der
Erblasser regelmäßig will, dass dies von den eingesetzten Erben wahrgenommen wird. Die
Berufung zum Erben setzt andererseits nicht voraus, dass dem Erben danach noch ein mehr
oder weniger großer oder sogar der größte Teil am Nachlass verbleibt (vgl. die Nachweise
a.a.O., Rz.4).
Gemessen an diesen Kriterien vermag das Beschwerdegericht dem Nachlassgericht nicht darin
zuzustimmen, dass die Verfügung über 70 % des Nachlasswertes als ausreichendes Indiz für
den Willen der Erblasserin anzusehen sei, das gesetzliche Erbrecht des Ehemannes ganz oder
weitestgehend auszuschließen.
Mit dem Testament vom 6.10.2014 hat die Erblasserin nicht über sämtliche
Vermögensgegenstände verfügt, die sich zur Zeit der Testamentserrichtung in ihrem Eigentum
befanden. Unerwähnt geblieben ist die unstreitig seit 2007 in ihrem Alleineigentum stehende
Ferienwohnung im Schwarzwald (Wert € 95.000,-). Es fehlen auch jegliche Anhaltspunkte dafür,
die Erblasserin könnte die Anlagen bei der Union Investment Service Bank AG (Wert €
78.947,37) erst in ihren letzten drei Lebensmonaten erworben haben. Gleiches gilt für die
Position „Hausrat, Kfz, Sonstiges“ des Nachlassverzeichnisses (Wert € 20.000,-).
Im Hinblick auf einen Gesamtnachlasswert vom € 747.643,28 geht das Beschwerdegericht
deshalb davon aus, dass die Zweifelsregelung des § 2087 Abs.2 BGB Geltung beansprucht. Bei
einem Wertverhältnis von 74 % zu 26 % kann nicht davon gesprochen werden, der Erblasser
habe mit den Einzelzuwendungen „praktisch über sein gesamtes Vermögen verfügt“ oder mit
den Einzelzuwendungen den Nachlass „erschöpft“ und somit Erbeinsetzungen im
entsprechenden Wertverhältnis verfügt.
Auch die in Bezug auf den Miteigentumsanteil B. als höchstem Einzelwert des Nachlasses (€
450.000,-) getroffene Verfügung spricht nicht notwendig gegen eine alleinige Vollerbenstellung
des Antragstellers, weil sie sich auch ohne Weiteres als bedingtes Vermächtnis zugunsten der
Beteiligten zu 2) deuten ließe.
Zugleich fehlt es an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, die Erblasserin habe mit ihren
Einzelverfügungen die Erbeinsetzung der beiden Beteiligten zu einer bestimmten Quote
gewünscht, weil im Hinblick auf die unterlassene Verfügung über erhebliche weitere
Nachlassbestandteile nicht ausreichend deutlich wird, ob die Erblasserin sich eine Anwachsung
dieser Bestandteile nach dem Wertverhältnis der ausdrücklichen Zuwendungen vorgestellt hat.
3.) Vor diesem Hintergrund könnte der Beteiligte zu 1) in der Tat Alleinerbe geworden sein,
nämlich im Wege gesetzlicher Erbfolge: Sind weder Verwandte der ersten oder der zweiten
Ordnung noch Großeltern vorhanden, so erbt der überlebende Ehegatte die ganze Erbschaft (§
1931 Abs.2 BGB). Die Voraussetzungen sind auch mit eidesstattlicher Versicherung
ausreichend glaubhaft gemacht (
1991 gestorben und die Mutter der Erblasserin starb 2013 im Alter von 103 Jahren. Dass die
Großeltern nicht mehr lebten, stellt dann eine Selbstverständlichkeit dar.
4.) Gleichwohl kann ein Erbschein, der den Beteiligten zu 1) als Alleinerben ausweist, nicht
erteilt werden, denn die Auslegung des ersten Abschnitts des Testaments ergibt, dass die
Erblasserin teilweise Vor- und Nacherbschaft angeordnet hat, die in einem Erbschein
Berücksichtigung finden muss (
angeordnet ist, wer Nacherbe ist und unter welchen Voraussetzungen die Nacherbfolge eintritt.
a) Für die Auslegung der Verfügung der Erblasserin stellt sich die Frage, wie die von ihr
gegenständlich gedachte Zuwendung des hälftigen Anteils am Objekt B. an die Beteiligte zu 2)
im Rahmen der möglichen erbrechtlichen Gestaltungsformen zu erfassen ist, damit die von der
Erblasserin gewünschte Wirkung eintreten kann (
aa) Dabei scheidet eine gegenständlich beschränkte Vor- und Nacherbfolge in den
Grundstücksanteil wegen des das Erbrecht beherrschenden Grundsatzes der
Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) aus. Mit dem Erbfall geht das Vermögen des
Erblassers rechtlich zwingend insgesamt und ungeteilt „als Ganzes“ auf den/die Erben über.
Dies geschieht kraft Gesetzes gemäß
gesamte Vermögen und nicht in einzelne Gegenstände (dem entspricht § 2087 Abs.2 BGB). Die
Erbfolge in einzelne Nachlassgegenstände (Sondererbfolge) ist mit dem Grundsatz der
Gesamtrechtsnachfolge unvereinbar und deshalb nur in gesetzlich besonders angeordneten
Ausnahmefällen möglich (etwa: Gesellschaftsrecht, Höfeordnung; vgl. Palandt-Weidlich, § 1922
Rz.10, 11 ff m.w.N.; § 2100 Rz.4).
Um dem zu Tage getretenen Willen der Erblasserin Rechnung zu tragen, sind aber mehrere
rechtlich wirksame Wege denkbar (vgl. zum Folgenden OLG Hamm vom 11.5.2015, ZErb 2015,
288, 289 f).
In Betracht kommt eine Auslegung dahin, dass die Erblasserin es bei der gesetzlichen
Alleinerbenstellung des Beteiligten zu 1) als Ehemann belassen wollte und der Beteiligten zu 2)
den Grundstücksanteil im Wege eines aufschiebend bedingten Vermächtnisses zuwenden
wollte, und zwar als schuldrechtlichen Anspruch gemäß
des Grundstücksanteils, also gegen den Beteiligten zu 1) im Falle des Verkaufs des
Grundstücks bzw. gegen den Erben des Beteiligten zu 1) nach dessen Tod.
Denkbar ist ferner die Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge. Den Nacherbfall kann der
Erblasser im Wesentlichen frei bestimmen, also auch ein bestimmtes Ereignis oder einen
Willensentschluss als Nacherbfall definieren (vgl. Palandt-Weidlich, § 2100 Rz.9). § 2106
Abs.1BGB enthält insofern nur eine Zweifelsregelung (Nacherbfall nach dem Tode des
Vorerben).
Bei der Anordnung von Vor- und Nacherbschaft bestehen wiederum zwei Möglichkeiten: Zum
einen kann der Erblasser Vor- und Nacherbschaft nur in Höhe einer bestimmten Quote am
Nachlass anordnen. Dabei wird die Nacherbeneinsetzung auf einen Erbteil bzw. den Bruchteil
eines Erbteils beschränkt, so dass der eingesetzte Erbe nur zu einem Teil des Nachlasses
Vollerbe und im Übrigen Vorerbe wird (Nachweise bei Kroll-Ludwigs,
Bestimmung der Bruchteile könnte dann vorliegend an dem Wertverhältnis der Vermögenswerte
orientiert werden, die dem Beteiligten zu 1) einerseits als Vorerben, andererseits als Vollerben
zugedacht sind. Zum anderen kann eine „gegenständlich beschränkte Nacherbfolge“ auch
dadurch erreicht werden, dass der Person, die zum Vorerben berufen wird, alle
Nachlassgegenstände mit Ausnahme derjenigen, für die die Vor- und Nacherfolge gewollt ist, als
Vorausvermächtnis zugewendet werden (Nachweise bei Kroll-Ludwigs, a.a.O., S.388). Die
Auslegung gI. dann dahin, dass dem Beteiligten zu 1) alle übrigen (nicht anderweitig
zugewandten) Vermögensbestandteile als Vorausvermächtnis zufallen sollten und sich das
Recht der Beteiligten zu 2) als Nacherbin nur auf den Grundstücksanteil B. bezieht. Das
Vorausvermächtnis unterliegt als solches nicht der Nacherbfolge (vgl. §§ 2150, 2110 Abs.2, 2174 BGB).
bb) Für die abschließende Auslegung der letztwilligen Verfügung maßgeblich ist, ob die
Erblasserin es bei einem schuldrechtlichen Anspruch der Beteiligten zu 2) belassen wollte, oder
ob sie den Beteiligten zu 1) in der Verfügung über den Grundstücksanteil zugunsten der
Beteiligten zu 2) binden wollte (OLG Hamm, a.a.O., S.290). Nur der Vorerbe (ob befreit gemäß
wäre gehindert, das Grundstück einfach insgesamt zu verschenken (§ 2113 Abs.2 BGB).
Ein Vermächtnis ginge nach der hier von der Erblasserin getroffenen
Regelung im Falle einer unentgeltlichen Weggabe des Grundstücks ins Leere (vgl. § 2169 Abs.1 BGB).
Für das Bestreben der Erblasserin, die Beteiligte zu 2) im Hinblick auf den Grundstücksanteil B.
durch eine Stellung als Nacherbin abzusichern, spricht, dass die Erblasserin gerade und nur in
diesem Regelungszusammenhang die Begriffe „vererbe ich“ / „Erbschaft“ zugunsten der
Beteiligten zu 2) benutzt. Im Zusammenhang mit dem Vermögen bei der PSD-Bank formuliert
sie nur, nach dem Tode der Schwester solle das noch vorhandene Vermögen je zur Hälfte an
die Beteiligten „gehen“. Im Zusammenhang mit dem aus dem Verkauf des Hauses in
Barsinghausen gezogenen Erlös spricht sie ebenfalls von „übergehen“. Den Begriff „übergehen“
hatte die Erblasserin auch in ihrem früheren Testament vom 29.8.2013 verwandt, während sie
von den Kindern der Beteiligten zu 2) als „Nachfolge-Erben“ sprach. Auch im Hinblick darauf,
dass der hälftige Grundstücksanteil B. den größten Einzelwert des Nachlasses darstellt, geht der
Senat davon aus, dass der Wille der Erblasserin dahin ging, die Beteiligte zu 2) durch
Anordnung einer Vor- und Nacherbenstellung besonders zu sichern. Dies wird noch besonders
deutlich durch den Umstand, dass die Erblasserin den Verkauf des Hause B. als einen der
Nacherbfälle definiert hat. Damit stellt sie sicher, dass bei einem Entschluss des Beteiligten zu
1), die Immobilie insgesamt zu verkaufen, er den Anteil als solchen verliert und nicht nur einen
Geldbetrag an die Beteiligte zu 2) zu zahlen hat.
Bei dieser Auslegung aber kann der beantragte Erbschein, der den Beteiligten zu 1) als
unbeschränkten alleinigen Vollerben ausweisen soll, nicht erteilt werden, weil er der Rechtslage
nicht entspricht (
b) In welcher Form der Erbschein für den Vorerben in einer Konstellation wie der vorliegenden
zu fassen ist, bedarf dann für die Zwecke des hiesigen Beschwerdeverfahrens keiner
abschließenden Entscheidung.
Soweit ersichtlich werden folgende Möglichkeiten erörtert:
Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG 1965, 457, 464 ff) hat insoweit Hinweise
gegeben: Weil eine Nacherbfolge nur hinsichtlich des ganzen Nachlasses oder eines
quotenmäßigen Bruchteils angeordnet werden könne, nicht aber hinsichtlich eines einzelnen
Nachlassgegenstandes, sei der Satz „Bezüglich des Hauses ... ist Nacherbschaft angeordnet“
mindestens ungenau. Die auf Anordnung des Erblassers beruhenden Beschränkungen müssten
im Erbschein vollständig angegeben sein, aber andererseits nur insoweit, als sie sich auf die
Verfügungsbefugnis des Erben auswirken. Im Falle eines Vorausvermächtnisses sei im
Erbschein kenntlich zu machen, dass sich das Recht des Nacherben auf diesen Gegenstand
nicht erstrecke. Solle sich der dem Nacherben zugewandte Bruchteil des Nachlasses nach der
Anordnung des Erblassers in einem einzelnen Nachlassgegenstand erschöpfen, so müsse aus
2 W 69/15 - Seite 6 -
dem Erbschein hervorgehen, dass der (Vor-)Erbe hinsichtlich der übrigen Nachlassgegenstände
in der Verfügung nicht beschränkt sei, sich also das Recht des Nacherben auf diese nicht
erstrecke. Dagegen, dass diese Angabe nicht in negativer, sondern in positiver Form erfolge,
bestünden keine Bedenken. Gebilligt hat das Gericht sodann eine Fassung dahin „Der Erblasser
... ist beerbt worden von ... (Ehegatte) allein. Bezüglich eines Xtels des Nachlasses ist
Nacherbfolge angeordnet. Das Recht der Nacherben erstreckt sich nur auf das Anwesen Z ...“
Das OLG Hamm (a.a.O.) hat eine Fassung etwa dahin „Alleinerbe der ... ist ... Hinsichtlich des
Anteils von 1/2 am Hausgrundstück ... in ... ist Vor- und Nacherbschaft angeordnet. Nacherbe ist
...“ nicht kritisiert.
Im Falle des OLG München (ZErb 2014, 306) hatte der Beschwerdeführer den erteilten
Erbschein beanstandet mit der Begründung, die darin angegebenen Quoten seien nicht
nachvollziehbar (nach juris Rz.2, 5, 7). Das Gericht meinte, mit der Angabe, „Das Recht des
Nacherben erstreckt sich nur auf das Anwesen H.“ sei zum Ausdruck gebracht, dass der
eingesetzte Alleinerbe das übrige Vermögen im Wege des Vorausvermächtnisses unbeschwert
durch die Nacherbfolge erworben habe. Dabei sei das Wertverhältnis aber nicht anzugegen: Es
bestehe regelmäßig kein Anlass, für die Gegenstände eines Vorausvermächtnisses, auf die sich
das Recht des Nacherben nicht erstrecke, zusätzlich deren wertmäßigen Anteil am
Gesamtnachlass zu berechnen und im Erbschein auszuweisen. Bei einem Vorausvermächtnis
einerseits und der Beschränkung der Nacherbfolge auf einen Bruchteil des Nachlasswertes
handele es sich um zwei Fallgestaltungen, die nicht vermengt werden dürften. Es genüge, den
Umfang des Vorausvermächtnisses positiv oder negativ zu bezeichnen (a.a.O., nach juris Rz. 2
f, 10, 14, 15, 16).
K.-L. (
Ansicht, der vom BayObLG entwickelte Vorschlag könne nicht überzeugen. Das OLG München
habe zu Recht herausgearbeitet, dass es sich bei der Aussetzung eines Vorausvermächtnisses
einerseits und der Beschränkung der Nacherbfolge auf eine Quote um zwei völlig
unterschiedliche Gestaltungen handele, was sich insbesondere bei der
Verfügungsbeschränkung des Vorerben zeige. Während er über das Vorausvermächtnis frei
verfügen könne (§ 2110 Abs.2 BGB), unterliege er bei der Anordnung der Vor- und
Nacherbschaft hinsichtlich einer Quote vor Teilung des Nachlasses hinsichtlich des gesamten
Nachlasses der Verfügungsbeschränkung gemäß
Erbschein nichts bezeugen, was rechtlich nicht möglich sei. Wenn sich aber eine Anordnung der
Nacherbschaft zu einem Bruchteil und das Vorausvermächtnis gegenseitig ausschlössen, sei es
nicht möglich, im Erbschein die Vor- und Nacherbschaft in Quoten auszudrücken und
gleichzeitig zu bestimmen, dass sich die Nacherbschaft ausschließlich auf einen bestimmten
Vermögensgegenstand erstrecken solle (a.a.O., S.388). Andererseits wendet sie sich gegen die
Ansicht des OLG München, wonach eine positive und eine negative Formulierung
gleichermaßen möglich seien. Ihrer Meinung nach widerspricht eine positive Formulierung dem
Grundsatz, wonach eine Sondererbfolge in einen Einzelgegenstand gerade nicht zulässig ist.
Vorzugswürdig sei deshalb in Übereinstimmung mit der überwiegenden Meinung in der Literatur
eine negative Formulierung dahin „Von der Nacherbfolge ausgenommen ist das gesamte
Vermögen mit Ausnahme von ...“ (a.a.O., S.389 m.w.N.).
Im Rahmen des hiesigen Beschwerdeverfahrens sieht sich der Senat nicht veranlasst, insoweit
eine abschließende Stellungnahme abzugeben. Wie ausgeführt, ist die Beschwerde jedenfalls
unbegründet, weil das Nachlassgericht im Ergebnis zu Recht den Antrag auf Erteilung eines
Erbscheins, der den Beteiligten zu 1) als uneingeschränkten Alleinerben ausweist,
zurückgewiesen hat.
III.) Der Geschäftswert ist gemäß § 40 Abs.1 S.1 GNotKG entsprechend der eingereichten
Nachlassaufstellung festgesetzt worden. Gemäß S.2 der Vorschrift abziehbare „vom Erblasser
herrührende Verbindlichkeiten“ sind nicht genannt und auch sonst nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf
der Beschwerdeführer die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Erstattung
außergerichtlicher Kosten der Gegenseite entspräche nicht der Billigkeit, weil die Beteiligte zu 2)
im Beschwerdeverfahren nicht in Erscheinung zu treten brauchte.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Hamburg
Erscheinungsdatum:06.10.2015
Aktenzeichen:2 W 69/15
Rechtsgebiete:Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Normen in Titel:BGB § 2087 Abs. 2