OLG Brandenburg 25. September 2019
13 UF 160/19
VersAusglG §§ 6, 7, 8; FamFG § 38 Abs. 3 S. 3

Zur Umsetzung einer Vereinbarung über den Versorgungsausgleich

letzte Aktualisierung: 6.12.2019
OLG Brandenburg, Beschl. v. 25.9.2019 – 13 UF 160/19

VersAusglG §§ 6, 7, 8; FamFG § 38 Abs. 3 S. 3
Zur Umsetzung einer Vereinbarung über den Versorgungsausgleich

Anordnungen zum Versorgungsausgleich können nur durch eine gerichtliche Entscheidung getroffen
werden. Vereinbarungen der Eheleute zum Versorgungsausgleich bedürfen daher der Anordnung durch
ein Gericht. (Leitsatz der DNotI-Redaktion)

Gründe

Neben der nicht angefochtenen Scheidung der Ehe der Antragstellerin und des Antragsgegners
ist allein die Versorgungsausgleichssache Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

Nach den eingeholten Auskünften der beteiligten Versorgungsträger erwarb die Antragstellerin
während der Ehezeit Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Antragsgegner
erwarb Versorgungsanwartschaften als Landesbeamter.

Die Eheleute schlossen in der mündlichen Verhandlung über die Scheidung und die
Folgesachen einen vom Amtsgericht protokollierten Vergleich: Sie seien darüber einig, das
Anrecht des Antragsgegners mit dem Anrecht der Antragstellerin zu verrechnen, so dass das
Anrecht des Antragsgegners „gekürzt“ werde. Zu dessen Lasten werde ein im Vergleich
beziffertes Anrecht der Antragstellerin begründet, während der Ausgleich ihrer Anrechte
unterbleibe. Auf das Protokoll des Amtsgerichts vom 19. Juni 2019 (Seite 3 = Bl. 37) wird
verwiesen.

Das Amtgericht hat - neben der Scheidung der Ehe - ausgesprochen: „Ein
Versorgungsausgleich findet nach der geschlossenen Vereinbarung statt.“
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie meint, das Amtsgericht habe nicht
auf den Vergleich verweisen dürfen, sondern es hätte die Einigung i
m vollen Wortlaut oder
sinngemäß in die Entscheidunsformel übernehmen müssen.
Wegen des weiteren Vortrages der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und auf die Anlagen
verwiesen.

Der Senat entscheidet - wie angekündigt (Vfg. v. 9. August 2019, Bl. 64) - ohne mündliche
Verhandlung (§ 68 III 2 FamFG). Die Beteiligten hatten Gelegenheit, zu der Beschwerde
Stellung zu nehmen. Von einer mündlichen Verhandlung ist ein Erkenntnisfortschritt nicht zu
erwarten.

Die Beschwerde führt zur Aufhebung des Ausspruches, der den Versorgungsausgleich betrifft.
Insoweit wird die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen, weil es in der Sache noch nicht
entschieden hat (§ 69 I 2 FamFG).

Anordnungen zum Versorgungsausgleich können allein durch eine gerichtliche Entscheidung
getroffen werden. Das Gericht überträgt oder begründet Anrechte (§§ 10 I, 14 I VersAusglG),
oder es stellt fest, der Versorgungsausgleich finde insgesamt nicht statt oder bestimmte
Anrechte würden nicht ausgeglichen (§ 224 III FamFG), um auf diese Weise die Reichweite der
Rechtskraft der Entscheidung deutlich werden zu lassen. Eine Verfügung der Beteiligten über
die bei der Scheidung auszugleichenden Anrechte ist nicht möglich. Die Vereinbarung über den
Versorgungsausgleich (§ 6 VersAusglG) bedarf der formellen (§ 7 VersAusglG) und materiellen
(§ 8 VersAusglG) Überprüfung durch das Gericht, das sodann - gebunden an eine wirksame
Vereinbarung (§ 6 II VersAusglG) - den Ausgleich anordnet. Die Übertragung oder Begründung
von Anrechten geschieht entgegen dem missverständlichen Wortlaut des § 8 II VersAusglG
nicht durch die Vereinbarung, sondern auf Grund der Vereinbarung durch die Entscheidung des
Gerichts. Anders könnte der Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle und dem Ausschluss
übervorteilender Manipulationen nicht Geltung verschafft werden. Die Vereinbarung der
Eheleute bedarf jedenfalls der Umsetzung durch die gestaltende Anordnung des Gerichts (OLG
Frankfurt a.M., NJOZ 2019, 759, Rdnr. 16; OLG Koblenz, BeckRS 2017, 136342, Rdnr. 10;
BeckOGK-VersAusglG-Reetz, Stand: Aug. 2019, § 8 Rdnr. 133; BeckOK-BGB-Bergmann,
Stand: Aug. 2019, § 6 VersAusglG Rdnr. 16; MüKo-FamFG-Stein, 3. Aufl. 2018, § 224 Rdnr. 7).

Ob für Anrechte außerhalb öffentlich-rechtlicher Sicherungssysteme etwas anderes gelten kann
(so Erman-Norpoth/Sasse, BGB, 15. Aufl. 2017, § 6 Rdnr. 9), bedarf hier keiner Entscheidung,
weil allein öffentlich-rechtlich geregelte Anrechte Gegenstand des Verfahrens geworden sind,
nämlich Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus der Beamtenversorgung.
Das Amtsgericht hat mit seinem Verweis auf die Vereinbarung, die zudem in den Gründen der
Entscheidung nicht wiedergegeben wird, die ihm obliegende Entscheidung über die Übertragung
oder Begründung von Anrechten oder über das Absehen von solchen Anordnungen gerade
nicht getroffen. Es hat nicht nur die Prüfungen unterlassen, die es nach den §§ 7 und 8
VersAusglG hätte anstellen müssen, sondern es hat die inhaltlich bestimmte, zur Vollstreckung
geeignete hoheitliche Verfügung über die Anrechte der Eheleute nicht vorgenommen.

Diese Sachentscheidung wird es nachzuholen haben. Der Senat übt das Aufhebungs- und
Zurückverweisungsermessen (§ 69 I 2 FamFG) so aus, dass das Amtsgericht die ihm
obliegende Entscheidung nach einem dahin führenden Verfahren in eigener Verantwortung
treffen kann, ohne den Beteiligten eine Instanz zu nehmen. Der Senat lässt sich durch das
Unterlassen einer Sachentscheidung weder das erstinstanzlich zu führende Verfahren
überbürden, noch trägt er zur Beschränkung des Instanzenzuges bei, der den Beteiligten eine
Entscheidung und eine Überprüfung dieser Entscheidung zugesteht. Das von der Antragstellerin
geltendgemachte Interesse an einer vorzeitigen Rechtskraft des Scheidungsausspruches
können die Beteiligten - wie geschehen - durch geeignete Verfahrenserklärungen verfolgen.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wird das Amtsgericht mit der
neuen Sachentscheidung zu treffen haben. Allein die Nichterhebung der Gerichtskosten wegen
fehlerhafter Sachbehandlung (§ 20 I 1 FamGKG) kann der Senat vorwegnehmen.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 II FamFG), besteht nicht.

Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):

Übergabe an die Geschäftsstelle
am 25.09.2019.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Brandenburg

Erscheinungsdatum:

25.09.2019

Aktenzeichen:

13 UF 160/19

Rechtsgebiete:

Versorgungsausgleich
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

VersAusglG §§ 6, 7, 8; FamFG § 38 Abs. 3 S. 3