Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Mehrheit der übrigen Wohnungseigentümer; Auslegung der Gemeinschaftsordnung; Zustimmungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
letzte Aktualisierung: 24.3.2025
KG, Beschl. v. 30.1.2025 – 1 W 21/24
WEG §§ 9b, 12;
Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Mehrheit der übrigen Wohnungseigentümer;
Auslegung der Gemeinschaftsordnung; Zustimmungsbefugnis der Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer
Ein in einer vor dem 1. Dezember 2020 vereinbarten Gemeinschaftsordnung enthaltener Zustimmungsvorbehalt
zugunsten „der Mehrheit der übrigen Wohnungseigentümer“ zur Veräußerung
eines Wohnungseigentums ist ergänzend dahin auszulegen, dass nicht die Wohnungseigentümer
individuell, sondern die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zustimmungsbefugt sind.
Öffentlich beglaubigte Zustimmungserklärungen einer Mehrheit, aber nicht aller Wohnungseigentümer
genügen dann zum Nachweis der Wirksamkeit einer Auflassung gegenüber dem Grundbuchamt
nicht.
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 1 ist Eigentümerin des im Beschlusseingang näher bezeichneten
Wohnungseigentums. Zur Wohnungseigentumsanlage gehören daneben die in den
Grundbüchern von XXX Blätter XXX bis XXX, XXX und XXX gebuchten
Wohnungseigentumsrechte. In den Bestandsverzeichnissen ist ein Zustimmungsvorbehalt bei
der Veräußerung wie folgt eingetragen:
„Der Wohnungseigentümer bedarf zur Veräußerung und Vermietung des Wohnungseigentums
der Zustimmung der Mehrheit der übrigen Wohnungseigentümer.“
Dazu heißt es weiter in der im Grundbucheintrag in Bezug genommenen Bewilligung vom
16. November 1971, UR-Nr. XXX des Notars XXX XXX in Berlin:
„Die Zustimmung darf nur aus wichtigem Grund versagt werden. Als wichtiger Grund gelten
begründete Zweifel an der Erfüllung der dem Wohnungseigentümer obliegenden finanziellen
Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft oder an einer reibungslosen Einfügung in die
Gemeinschaft der Miteigentümer.“
Am 4. Oktober 2023 einigten sich die Beteiligten zur UVZ-Nr. G XXX des Notars XXX XXX
XXX in Berlin über die Auflassung des Wohnungseigentums an die Beteiligte zu 2. U.a. die
Eigentümer der Wohnungseigentumsrechte Blätter XXX, XXX und XXX erklärten am
16. Oktober 2023 bzw. 6. Dezember 2023 ihre Zustimmung hierzu, UVZ-Nr. G XXX des
Notars XXX XXX XXX in Berlin.
Unter dem 9. Januar 2024 hat der Notar die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch
beantragt. Das Grundbuchamt hat am 16. Januar 2024 unter Fristsetzung darauf hingewiesen,
die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer könne nur aufgrund eines Beschlusses in
einer Eigentümerversammlung oder – einstimmig – im schriftlichen Verfahren erfolgen. Es
seien deshalb entweder die Zustimmungserklärungen aller anderen Wohnungseigentümer –
Blätter XXX und XXX – oder die Niederschrift der Beschlussfassung einer
Eigentümerversammlung vorzulegen. Dagegen wendet sich die Beschwerde vom 19. Januar
2024, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 29. Januar 2024 nicht abgeholfen hat.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig,
Der Notar hat in seiner Beschwerde keinen Beschwerdeführer namentlich benannt. In einem
solchen Fall sind als Beschwerdeführer alle Antragsberechtigten anzusehen (Demharter, GBO,
33. Aufl., § 15, Rdn. 20, § 71, Rdn. 63) und berechtigt, den Antrag auf Umschreibung des
Eigentums zu stellen, sind beide Beteiligte, vgl. § 13 Abs. 1 S. 2 GBO.
2. Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
a) Das von dem Grundbuchamt aufgezeigte Eintragungshindernis besteht, so dass Veranlassung
für die angefochtene Zwischenverfügung gegeben ist, § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO.
aa) Als Inhalt des Sondereigentums kann vereinbart werden, dass ein Eigentümer zur
Veräußerung seines Wohnungseigentums der Zustimmung anderer Wohnungseigentümer oder
eines Dritten bedarf, § 12 Abs. 1 WEG. Das Grundbuchamt hat eine solche im Grundbuch
eingetragene Veräußerungsbeschränkung von Amts wegen zu beachten. Das folgt aus § 20
GBO, wonach im Falle der Auflassung eines Grundstücks die Eintragung nur erfolgen darf,
wenn die erforderliche Einigung des Berechtigten und des anderen Teils erklärt ist. In diesem
Rahmen haben die Beteiligten dem Grundbuchamt die Wirksamkeit der zur UVZ-Nr. G XXX
erklärten Auflassung nachzuweisen. Sie ist es nicht, solange die erforderliche Zustimmung fehlt,
bb) Wer die Zustimmung zu erteilen hat, bestimmt sich in erster Linie nach den in der
Teilungserklärung getroffenen Regelungen. Rechtlich zulässig ist eine Vereinbarung, die die
Zuständigkeit hierfür der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zuweist. Nichts spricht aber
auch dagegen, sie den anderen Wohnungseigentümern individuell zu übertragen (Skauradszun,
in: beckOGK,
In der vorliegenden Teilungserklärung ist nicht eindeutig geregelt, welche dieser Alternativen
gemeint ist. „Mehrheit der übrigen Wohnungseigentümer“ kann sich sowohl auf die für einen
Beschluss in der Wohnungseigentümerversammlung erforderliche Mehrheit beziehen. Es kann
aber auch die Mehrheit der übrigen Eigentümer – individuell – gemeint sein.
Höchstrichterlich ist geklärt, dass die Prüfung und Erteilung bzw. Nichterteilung der
Zustimmung zu einer Veräußerung eine Maßnahme der Verwaltung des gemeinschaftlichen
Eigentums darstellt, die wahrzunehmen im Innenverhältnis der Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer obliegt (BGH,
Veräußerung von der Zustimmung „der anderen Wohnungseigentümer“ abhängig mache, sei
deshalb dahin auszulegen, nicht die einzelnen Wohnungseigentümer seien zustimmungsbefugt,
sondern die – rechtsfähige, § 9a Abs. 1 S. 1 WEG - Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
Das gelte auch für vor dem 1. Dezember 2020 getroffene Vereinbarungen, die dementsprechend
ergänzend auszulegen seien.
Nichts Anderes kann vorliegend gelten. Die hier maßgebliche Regelung der Teilungserklärung
unterscheidet sich von der vorgenannten lediglich durch die zusätzliche Bestimmung eines
Quorums: „der Mehrheit der übrigen Wohnungseigentümer“. Daraus lässt sich aber ebenso
wenig auf eine individuelle Zustimmungsbefugnis der Wohnungseigentümer schließen (vgl.
OLG Hamm,
Grziwotz, in: Jennißen, WEG, 8. Aufl., §, Rdn. 18; Suilmann, in: Bärmann, WEG, 15. Aufl.,
§ 12, Rdn. 24). Auch der hier getroffene Zustimmungsvorbehalt dient allein dem Interesse der
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Das wird nicht zuletzt durch die beispielhaft
aufgezählten Gründe für die Versagung der Zustimmung unter Teil B I. 2. der Teilungserklärung
deutlich: „begründete Zweifel an der Erfüllung der dem Wohnungseigentümer obliegenden
finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft oder an einer reibungslosen
Einfügung in die Gemeinschaft der Miteigentümer“.
b) Das Grundbuchamt hat in der angefochtenen Zwischenverfügung im Ergebnis auch die
zutreffenden Mittel zum Nachweis der Hebung des Eintragungshindernisses aufgezeigt.
aa) Entscheidungen über die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erfolgen regelmäßig
durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Wohnungseigentümer, §§ 19 Abs. 1, 23
Abs. 1 S. 1 WEG. Bei der Beschlussfassung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen,
Ob bereits ein solcher Beschluss rechtsgestaltende Außenwirkung hat (vgl. BGH, NJW 2012,
3232, 3233) oder nicht vielmehr hierzu noch der Umsetzung durch Erklärung gegenüber den
Beteiligten bedarf (Wobst, a.a.O., Rdn. 70), weil es sich bei der Zustimmung um eine einseitige
empfangsbedürftige Willenserklärung handelt (vgl. BGH,
entschieden werden. Zwar ist die Zustimmung gegenüber dem Grundbuchamt in der Form des
§ 29 Abs. 1 S. 1 GBO nachzuweisen. Dazu genügt aber entsprechend § 26 Abs. 4 WEG die
Vorlage der Niederschrift über die Beschlussfassung, § 24 Abs. 6 S. 1 WEG, in der die nach § 24
Abs. 6 S. 2 WEG erforderlichen Unterschriften öffentlich beglaubigt sind (BayObLGZ 1961,
392, 396; Demharter, a.a.O., § 29, Rdn. 10, 11; Hügel/Elzer, GBO, 4. Aufl., Rdn. 46). Der
Nachweis einer ggf. einen solchen Beschluss im Außenverhältnis wirksam machenden Erklärung
gegenüber den Beteiligten, ist nicht erforderlich. Dabei handelt es sich um einen Nebenumstand,
der von § 29 Abs. 1 GBO nicht erfasst wird (Demharter, a.a.O., Rdn. 17; Volmer, in:
Keller/Munzig, GBO, 9. Aufl., § 29, Rdn. 31).
Das Grundbuchamt ist mit Recht von diesen Grundsätzen ausgegangen. Die von ihm erforderte
Vorlage eines entsprechenden Beschlusses ist ein zur Hebung des Eintragungshindernisses
geeignetes Mittel.
bb) Außerhalb einer Versammlung ist ein Beschluss gültig, wenn alle Wohnungseigentümer ihre
Zustimmung zu diesem Beschluss in Textform erklären, § 23 Abs. 3 S. 1 WEG. Gegenüber dem
Grundbuchamt genügen solche Erklärungen aber nur, wenn sie jeweils unterschrieben und die
Unterschriften öffentlich beglaubigt sind, § 29 Abs. 1 S. 1 GBO (Demharter, a.a.O., Rdn. 10).
Dem genügen die vorliegenden Erklärungen nicht, weil sie nicht von allen Wohnungseigentümer
abgegeben worden sind.
Auch hierauf hat das Grundbuchamt mit Recht hingewiesen und die erforderlichen
Abhilfemittel aufgezeigt.
cc) Die vorliegenden – formgerechten, § 29 Abs. 1 S. 1 GBO - Erklärungen eines Teils der
Wohnungseigentümer konnten schließlich auch nicht für und gegen die Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer wirken. Hat die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer keinen
Verwalter, wird sie durch die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten, § 9b Abs. 1 S. 2
WEG. Dann müssen aber alle an der Vornahme des Rechtsgeschäfts mitwirken (Becker, in:
Bärmann, § 9b, Rdn. 106), woran es hier fehlt.
3. Die Festsetzung des Verfahrenswerts folgt aus
Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu,
Entscheidung, Urteil
Gericht:Kammergericht
Erscheinungsdatum:30.01.2025
Aktenzeichen:1 W 21/24
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Kostenrecht
WEG
WEG §§ 9b, 12; BGB § 925; GBO §§ 20, 29