Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags aufgrund Gesamtbetrachtung
letzte Aktualisierung: 18.06.2020
OLG Hamm, Beschl. v. 23.1.2020 – 4 UF 86/17
BGB § 138
Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags aufgrund Gesamtbetrachtung
1. Auch wenn die ehevertraglichen Einzelregelungen zu einem weitgehenden Ausschluss des
nachehelichen Unterhalts (bis auf den Betreuungsunterhalt) sowie zu einem Ausschluss des
Versorgungsausgleichs und des Zugewinnausgleichs für sich genommen den Vorwurf der
Sittenwidrigkeit noch nicht zu rechtfertigen vermögen, kann das objektive Zusammenwirken aller in
dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines der
Ehegatten abzielen und damit zur objektiven Sittenwidrigkeit führen (im Anschluss an den in
gleicher Sache ergangenen Beschluss des BGH vom 20.03.2019 – XII ZB 310/18 –, FamRZ 2019,
953).
2. Eine subjektive Vertragsimparität des benachteiligten Ehegatten kann sich vor dem Hintergrund
seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit sowie seiner sprachlichen Unterlegenheit im
Beurkundungsverfahren ergeben. Dies gilt insbesondere dann, wenn der benachteiligte Ehegatte im
Falle eines Verzichts auf die Eheschließung zusammen mit dem von ihm betreuten gemeinsamen
Kind, welches sich noch im Säuglings- oder Kleinkindalter befindet, aus wirtschaftlichen Gründen in
sein Heimatland zurückkehren müsste und dort einer ungesicherten wirtschaftlichen Zukunft
entgegensehen würde (im Anschluss an den in gleicher Sache ergangenen Beschluss des BGH vom
20.03.2019 – XII ZB 310/18 –,
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Scheidungsverbund um einen Stufenantrag zum
Zugewinnausgleich und die Wirksamkeit eines Ehevertrages.
Der 1968 geborene Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) und die 1965 geborene
Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) schlossen am 2.10.1995 vor dem Standesamt D
in W/USA die Ehe. Aus dieser sind vier gemeinsame Kinder hervorgegangen, der bereits
vor der Eheschließung am 06.03.1995 geborene Sohn B und drei Töchter, J, geboren am
##.02.1997, M2, geboren am ##.12.1998, und O, geboren am ##.03.2002. Spätestens seit
dem 28.06.2014 leben die Beteiligten getrennt.
Der Ehemann ist deutscher Staatsangehöriger und von Beruf Kaufmann mit einem von
ihm angegebenen monatlichen Nettoeinkommen von 15.000 €. Er ist Geschäftsführer und
Gesellschafter eines aus einem Familienbetrieb hervorgegangenen mittelständischen
Unternehmens. Die Ehefrau ist britische Staatsangehörige. Sie war vor der Ehe in England
als ungelernte Buchhalterin im Speditionsunternehmen ihres Vaters tätig. Im Jahr 1993
gab sie ihre Tätigkeit in England auf und zog zu ihrem Ehemann nach Deutschland. Eine
neue Erwerbstätigkeit nahm sie in Deutschland nicht auf. Ob und inwieweit sie weiterhin
von Deutschland aus für das Unternehmen ihres Vaters arbeitete, ist zwischen den
Parteien streitig. Auch während der gesamten Ehezeit war die Ehefrau nicht erwerbstätig,
sondern betreute die vier gemeinsamen Kinder und führte den Haushalt.
Kurz vor der Eheschließung schlossen die Beteiligten am 25.9.1995 vor dem Notar E in M
zur Urkundsrollennummer ####/1995 einen notariell beurkundeten Ehevertrag. In den
Eingangsbemerkungen der deutschsprachigen Niederschrift hieß es wie folgt:
„Die Erschiene zu 2. erklärte, sie sei der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig. Die
Erschienenen erklärten, sie seien damit einverstanden, dass der Notar den nachfolgenden
Ehevertrag übersetze. Eine vorliegende schriftliche Übersetzung des Ehevertrages wurde
den Beteiligten zur Durchsicht vorgelegt. Diese Übersetzung in englischer Sprache ist
dieser Niederschrift als Anlage beigefügt. Der Notar wies darauf hin, dass auch ein
Dolmetscher hinzugezogen werden könne oder eine gesonderte schriftliche Übersetzung
verlangt werden könne. Die Vertragschließenden erklärten, sie seien mit der Übersetzung
durch den Notar einverstanden.
Der Notar verlas sodann den nachfolgenden Ehevertrag und die als Anlage dieser
Niederschrift beigefügte englische Übersetzung, die beide von den Vertragschließenden
genehmigt und unter der deutschen Fassung unterschrieben wurden.“
In den danach folgenden Vereinbarungen war festgehalten, dass der gewöhnliche
Aufenthalt und Schwerpunkt der ehelichen Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik
Deutschland liegen und für die allgemeinen – insbesondere güterrechtlichen – Wirkungen
der Ehe deutsches Recht gelten solle. In § 2 des Ehevertrages hoben die Beteiligten den
gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft auf und vereinbarten Gütertrennung.
Nach § 3 des Ehevertrages sollten Zuwendungen eines Ehegatten an den anderen
Ehegatten bei Scheidung der Ehe nur bei ausdrücklicher Vereinbarung zurückgefordert
werden können. Die Bestimmung lautete wie folgt:
„Zuwendungen eines Ehegatten an den anderen Ehegatten können bei Scheidung der
Ehe nicht zurückgefordert werden. Die Scheidung der Ehe führt nicht zum Wegfall der
Geschäftsgrundlage für derartige Zuwendungen, unabhängig vom Verschulden am
Scheitern der Ehe. Eine Rückforderung ist nur dann möglich, wenn Sie bei der Zuwendung
ausdrücklich vereinbart wurde.
Soweit wir im Laufe unserer Ehe aus unseren Einkünften Rücklagen bilden, sind wir
darüber einig, dass dieses so gebildete Vermögen zu gleichen Anteilen jedem der
Ehepartner (also je zur Hälfte) zusteht.“
In der englischsprachigen Übersetzung des Ehevertrages, der der notariellen Niederschrift
als Anlage beigefügt wurde, war der letzte Satz dieser Regelung wie folgt übersetzt:
„New property we get in our marriage belongs us half.“
Durch § 4 des Ehevertrages wurde der Versorgungsausgleich ausgeschlossen. § 4 enthält
am Ende folgenden Passus:
„Für die Ehefrau werden Beiträge zur Deutschen Rentenversicherung während der Ehe
eingezahlt.“
In § 5 des Ehevertrages folgte ein wechselseitiger Verzicht auf nachehelichen Unterhalt
einschließlich des Notunterhaltes. § 5 enthält sodann folgende Bestimmung:
„Ausgenommen hiervon ist der Fall, dass ein Ehegatte nach den gesetzlichen Vorschriften
Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes verlangen könnte, (derzeit §§ 1570, 1572 Nr. 2
BGB). Mit dem Abschluss der Kinderbetreuung tritt der Verzicht wieder in Kraft. Im
Anschluss an die Kinderbetreuung kann Unterhalt aus anderen gesetzlichen Gründen
nicht verlangt werden.“
In § 6 des Ehevertrages war geregelt, dass das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn B,
geb. am ##.03.1995 im Falle der Scheidung der Ehe auf die Ehefrau übertragen werden
sollte.
Die Beteiligten erwarben während der Ehe jeweils hälftiges Miteigentum an zwei
Grundstücken, deren Wert sie jeweils mit 400.000 € angeben. Eines der Grundstücke ist
unbebaut, das andere ist mit einem Haus bebaut, in dem sich die Ehewohnung befand und
das weiterhin von der Antragsgegnerin und den gemeinsamen Kindern bewohnt wird.
Weiteres Vermögen haben die Eheleute – bis auf das auf eine Lebensversicherung
angesparte Kapital – nicht gebildet.
Der Scheidungsantrag des Ehemannes wurde der Ehefrau am 14. April 2016 zugestellt.
Die Ehefrau hat die Durchführung des Versorgungsausgleichs beantragt und als
Folgesache mit Stufenantrag (Auskunft, eidesstattliche Versicherung und Zahlung) einen
Antrag auf Zugewinnausgleich anhängig gemacht.
Die Ehefrau hat unter näherer Darlegung die Auffassung vertreten, der Ehevertrag sei
aufgrund der oben dargestellten Abweichung der deutschen und der englischen Fassung
wegen Dissenses nichtig. Jedenfalls sei er wegen Verstoßes gegen die guten Sitten
nichtig; der Vertrag halte weder einer Wirksamkeits- noch einer Ausübungskontrolle stand.
Zumindest in einer Gesamtwürdigung zielten die ehevertraglichen Regelungen auf ihre
einseitige Benachteiligung ab. Weder der Ausschluss von Unterhalt noch der Ausschluss
eines Vermögensausgleichs in jedweder Form rechtfertige sich durch die
Lebensverhältnisse der Beteiligten bei Vertragsschluss, den absehbaren Ehetypus oder
sonstige berechtigte Interessen des Ehemannes. Die Ehefrau hat behauptet, sie sei
wegen der Betreuung und Erziehung der vier Kinder am Aufbau einer eigenen beruflichen
Existenz gehindert gewesen. Bereits bei Schließung der Ehe sei abzusehen gewesen,
dass der Ehemann erhebliches Vermögen aufbauen werde. Zudem sei eine eigene
angemessene Altersvorsorge nicht gesichert gewesen, da sie lediglich
Rentenanwartschaften i.H.v. 96,83 € erworben habe. Die Ehefrau hat die Ansicht
vertreten, auch die Umstände des Vertragsschlusses würden einen Verstoß gegen die
guten Sitten begründen. Hierzu hat sie behauptet, bei der Eheschließung sei sie aufgrund
einer Erkrankung des ältesten Kindes nach der Geburt emotional und psychisch sehr
angegriffen gewesen, was ihre Verhandlungsposition beim Abschluss geschwächt habe.
Diese Situation habe der Ehemann ausgenutzt. Zudem sei sie bei Abschluss des
Ehevertrages aufgrund mangelnder Kenntnisse der deutschen Sprache benachteiligt
gewesen. Der Vertrag sei ohne große Verhandlungen wenige Tage vor der Hochzeit
geschlossen worden. Das Thema des Ehevertrages sei von ihrem Ehemann und dessen
Vater erst ein oder zwei Wochen vor der Abreise der Beteiligten in die USA aufgebracht
worden; zu diesem Zeitpunkt sei die Hochzeit bereits gebucht gewesen. Ihr eigener Vater,
der sich allenfalls im englischen Recht ausgekannt habe, habe den deutschen Vertrag
kaum ernsthaft prüfen können. Auch aufgrund des wirtschaftlichen Ungleichgewichts der
Beteiligten bei Eheschließung habe sie sich in einer sozialen Abhängigkeit und damit stark
unterlegenen Position befunden.
Vor dem Amtsgericht hat die Ehefrau in der mündlichen Verhandlung vom 15.03.2017 nur
den Antrag auf erster Stufe zum Zugewinnausgleich gestellt sowie hilfsweise beantragt,
Auskunft über das vom Antragsteller in der Ehezeit neu erworbene Vermögen bzw. über
das in der Ehezeit ganz oder teilweise aus eigenen Einkünften erworbene Vermögen zu
erteilen sowie weiter hilfsweise festzustellen, dass der Ehevertrag vom 25.9.1995
unwirksam sei.
Der Ehemann ist dem entgegengetreten und hat den Ehevertrag für wirksam gehalten. Ein
Dissens habe nicht bestanden, da die englische Übersetzung Anlage des Vertrags
gewesen sei, nicht aber selbst eine Willenserklärung bedeute. Auch würden bei
sachgerechter Auslegung beide Vertragssprachen inhaltlich nicht voneinander abweichen.
Der Vertrag sei auch nicht sittenwidrig. Der Ausschluss des Zugewinns werde nicht vom
sogenannten Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts umfasst. Bei ihm als Selbständigen
sei es legitim, wenn er danach getrachtet habe, die wirtschaftliche Substanz seines
Unternehmens zu erhalten und nicht durch etwaige Ausgleichszahlungen zu gefährden,
zumal das Unternehmen – insoweit unstreitig – die Lebensgrundlage für die Familie
dargestellt habe. Der Vertrag sei nicht durch eine einseitige Dominanz seinerseits
vorgegeben worden. Der Ehemann hat behauptet, die Familie seiner Ehefrau sei
vermögend; sie verfüge über Grundbesitz in London und auf Mallorca. Er hat die Ansicht
vertreten, auch eine Ausübungskontrolle hindere ihn nicht, sich auf die ehevertraglichen
Vereinbarungen zu berufen. Die tatsächliche einvernehmliche Gestaltung der ehelichen
Lebensverhältnisse weiche von der ursprünglichen, dem Vertrag zu Grunde liegenden
Lebensplanung nicht grundlegend ab. Er hat weiter behauptet, ehebedingte Nachteile
seien der Ehefrau nicht entstanden, da sie vor der Ehe lediglich als ungelernte Gehilfin
Büro- und Buchhaltungsarbeiten im Speditionsbetrieb ihres Vaters ausgeführt habe. Dass
sie wegen der Ehe auf ihre eigene berufliche Zukunft verzichtet habe, sei nicht ersichtlich.
Schließlich habe sie jene Tätigkeit im Falle des Scheiterns der Ehe auch wieder
aufnehmen können. Wegen des Lebensversicherungsvertrages habe die Ehefrau
Versorgungsanwartschaften und – unstreitig - zudem Miteigentum an zwei Grundstücken
erworben, was einen Wert von insgesamt 400.000 € bedeute. Der Ausschluss des
Versorgungsausgleichs sei für die Antragsgegnerin nur günstig, da die Eheleute bei
Vertragsschluss von einer selbständigen Tätigkeit des Ehemannes ohne Beiträge in die
gesetzliche Rentenversicherungssysteme sowie einer abhängigen, zumindest
teilschichtigen Tätigkeit der Ehefrau ausgegangen seien.
Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Teilfeststellungsbeschluss die Anträge der
Ehefrau als unzulässig und im Hinblick auf den Feststellungsantrag als unbegründet
zurückgewiesen. Der Vertrag sei weder wegen eines Dissenses unwirksam noch wegen
Sittenwidrigkeit nach
Begründung ausgeführt, dass weder eine Einzelbetrachtung noch eine Gesamtwürdigung
aller zum Nachteil der Ehefrau gereichenden Klauseln zu einer Beurteilung des Vertrages
als sittenwidrig führe. Eine lediglich auf die Einseitigkeit der Lastenverteilung gegründete
tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit lasse sich bei
familienrechtlichen Verträgen nicht aufstellen. Das Verdikt der Sittenwidrigkeit sei in der
Regel nicht gerechtfertigt, wenn sonst außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden
Umstände zu erkennen seien, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der
Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder
intellektueller Unterlegenheit hindeuteten. Solche Umstände vermochte das Amtsgericht
nicht festzustellen, was es im Einzelnen ausgeführt hat. Auch eine Ausübungskontrolle
bedinge nicht, dass sich der Ehemann auf die Klauseln des Ehevertrages nicht berufen
könne. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich im Verlauf der Ehe
unvorhergesehene Dinge ergeben hätten, die Vertragsregelungen nunmehr in einem
anderen Licht erscheinen lassen könnten. Auch dies hat das Amtsgericht im Einzelnen
ausgeführt.
Mit ihrer gegen den Beschluss des Amtsgerichts eingelegten Beschwerde hat die Ehefrau
ihren erstinstanzlich verfolgten Auskunftsantrag zum Güterrecht und den zuvor hilfsweise
gestellten Feststellungsantrag als Hauptanträge weiterverfolgt. Beide Parteien haben ihr
erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.
Der Senat hat der Beschwerde mit am 18.06.2018 erlassenem Beschluss stattgegeben
und die amtsgerichtliche Entscheidung abgeändert. Der Senat hat festgestellt, dass der
zwischen den Beteiligten am 25. September 1995 geschlossene Ehevertrag nichtig sei.
Weiter hat er den Ehemann verpflichtet, der Ehefrau Auskunft über sein gesamtes
Vermögen mit allen Aktiva und Passiva zum 02. Oktober 1995 (Eheschließung), zum 28.
Juni 2014 (Trennungstag) sowie zum 14. April 2016 (Zustellung Scheidungsantrag) zu
erteilen und die wertbildenden Faktoren der zum Vermögen gehörenden Sachen,
Sachgesamtheiten und Rechte, insbesondere Gesellschaftsanteile mitzuteilen. Die
Rechtsbeschwerde hat der Senat zugelassen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt,
der Ehevertrag sei zwar nicht nach § 125 S. 1 BGB i.V.m. § 1410 BGB mangels
formgerechter Beurkundung formnichtig. Allerdings folge die Nichtigkeit des Vertrages
wegen eines Dissenses im Sinne von
Beteiligten hätten sich insoweit tatsächlich nicht über die güterrechtlichen Folgen der Ehe
geeinigt. Zwar sei in § 2 des Vertrages der nach deutschem Recht bestehende gesetzliche
Güterstand der Zugewinngemeinschaft abbedungen worden, in Wirklichkeit sei aber keine
Einigung darüber erzielt worden, wie während der Ehe erworbenes Vermögen zwischen
den Beteiligten verteilt werden sollte. Der versteckte Einigungsmangel führe dazu, dass
der Vertrag nicht zustande gekommen sei. Es könne insbesondere nicht angenommen
werden, dass der Ehevertrag ohne die Bestimmung zum Güterrecht geschlossen worden
wäre. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den am 18.06.2018 verkündeten
Beschluss des Senats (Bl. 448 bis 456 der Akten) verwiesen.
Auf die Rechtsbeschwerde des Ehemannes hat der BGH mit am 20.03.2019 – XII ZB
310/18 - verkündetem Beschluss (veröffentlicht in
Beschluss des Senats vom 18.06.2018 aufgehoben und die Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens
– an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Die Annahme des Senats, der Ehevertrag
sei wegen eines versteckten Einigungsmangels im Sinne von
zustande gekommen, sei rechtsfehlerhaft, was der BGH im Einzelnen ausgeführt hat. Eine
Nichtigkeit des Ehevertrages wegen eines Formmangels gemäß
BGB hat der BGH verneint. Da der Senat in dem angefochtenen Beschluss zu der danach
entscheidungserheblichen Frage der Sittenwidrigkeit des Ehevertrages bislang keine
Feststellungen getroffen hatte, hat der Bundesgerichtshof den angefochtenen Beschluss
aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das
Oberlandesgericht zurückverwiesen. Dabei hat sich der BGH veranlasst gesehen,
Hinweise für das weitere Verfahren zu geben. Der Ehevertrag erweise sich, so der BGH
unter näherer Begründung, im Rahmen einer Gesamtwürdigung als objektiv sittenwidrig.
Aus dem objektiven Zusammenspiel einseitig belastender Regelungen könne aber nur
dann auf die weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten
geschlossen werden, wenn die Annahme gerechtfertigt sei, dass sich in dem
unausgewogenen Vertragsinhalt eine subjektive Imparität widerspiegele als eine auf
ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten. Als
außerhalb der Vertragsurkunde liegende Anhaltspunkte für eine unterlegene
Verhandlungsposition der Ehefrau hat der BGH dabei auf zwei Aspekte abgestellt, und
zwar eine mögliche wirtschaftliche Abhängigkeit und auf eine sprachliche Unterlegenheit
der Ehefrau. Insoweit bedürfe es allerdings im Hinblick auf eine wirtschaftliche
Abhängigkeit weiterer Feststellungen, ob die Ehefrau aufgrund ihres familiären
Vermögenshintergrundes genügend finanzielle Unabhängigkeit besessen habe, um dem
Ansinnen des Ehemannes auf Abschluss des Ehevertrages entgegenzuwirken oder auf
die Gestaltung des Ehevertrages maßgeblich Einfluss nehmen zu können. Dabei sei auch
von Bedeutung, ob die Ehefrau im Falle des Scheiterns der Beziehung mit dem Kind nach
England hätte zurückkehren und ihre vor der Übersiedlung nach Deutschland ausgeübte
Berufstätigkeit im familiären Unternehmen neben der Kinderbetreuung hätte fortsetzen
können.
Nach dieser Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht
haben beide Eheleute insbesondere zur subjektiven Imparität – über den bereits erfolgten
und Beschwerdeverfahren vertieften Vortrag hinaus – ergänzend vorgetragen.
Die Ehefrau behauptet, im Zeitpunkt des Ehevertrages sei eine Rückkehr in die im Jahr
1993 aufgegebene und zuvor ausgeübte kaufmännische Tätigkeit im Familienbetrieb des
Vaters nicht möglich gewesen. Nach dem Umzug nach M habe sie anfänglich zwar noch
für einen gewissen Zeitraum Buchhaltungsarbeiten für ihren Vater erledigt. Mit der
Schwangerschaft des ältesten Kindes habe sie diese Tätigkeit aber eingestellt. Ihr Vater
habe ihre Stelle dann mit einem neuen Mitarbeiter besetzt; er habe nämlich gut ein Jahr
nach ihrem Ausscheiden aus dem Betrieb einen neuen Mitarbeiter für sie eingestellt. Ihr
Vater habe ihr die alte Stelle daher nicht wiedergeben können und aufgrund ihrer
familiären Situation als Mutter mit einem Säugling auch nicht wiedergeben wollen. Sie
selbst habe über keinerlei Einkommensmöglichkeiten verfügt. Eine finanzielle
Unterstützung durch ihre Eltern im Sinne eines Einzugs in das Elternhaus und ein
Unterhalt durch ihre Eltern wäre aus ihrer Sicht eine „persönliche Katastrophe“ gewesen.
Ersparnisse oder Immobilienvermögen habe sie im Jahr 1995 nicht besessen. Eine ihr
vormals gehörende 2-Zimmer Wohnung in London sei auf Betreiben der Bank verwertet
worden. Bei Rückkehr nach London wäre sie obdachlos gewesen oder hätte ihre Eltern
um Aufnahme bitten müssen, die zwar nicht unvermögend, aber auch nicht so reich seien,
dass diese sie finanziell hätten umfassend auffangen können. Letzteres sei zudem für sie
keine ernsthafte Option als Alternative zu einer Eheschließung mit Ehevertrag gewesen.
Die Ehefrau beantragt,
1. den Antragsteller zu verpflichten, ihr in der ersten Stufe in einer
zusammenhängenden und aus sich heraus verständlichen Aufstellung Auskunft über sein
gesamtes Vermögen mit allen Aktiva und Passiva zum 02.10.1995 (Anfangsvermögen
Eheschließung), 14.04.2016 (Stichtag Zustellung des Scheidungsantrags), sowie
02.06.2014 (Trennungstag) zu erteilen und in der Auskunft die wertbildenden Faktoren der
zum Vermögen gehörenden Sachen, Sachgesamtheiten und Rechte, insbesondere
Gesellschaftsanteile mitzuteilen;
2. hilfsweise den Antragsteller zu verpflichten, ihr Auskunft zu erteilen über ihr
gesamtes in der Ehezeit neu erworbenes Vermögen,
3. weiter hilfsweise Auskunft zu erteilen über das in der Ehezeit ganz oder teilweise
aus eigenen Einkünften erworbene Vermögen,
4. außerdem festzustellen, dass der zwischen den Beteiligten am 25.09.1995 vor dem
Notar E in M zur Urkundsrollennummer ####/1994 geschlossene Ehevertrag unwirksam
ist.
Der Ehemann beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er behauptet ergänzend, seine Ehefrau, die über eine vergleichbare Ausbildung wie er
verfüge, hätte unschwer nach England zurückkehren oder auch in Deutschland leben
können. Ihr eigener Unterhalt und der Kindesunterhalt wären durch seine
Unterhaltszahlungen sichergestellt gewesen. Auch habe die Ehefrau nach der
Übersiedlung nach Deutschland im Home Office noch nach Abschluss des Ehevertrages,
und zwar bis zur Geburt des zweiten Kindes, für die Firma ihres Vaters als Buchhalterin
gearbeitet. Sie habe ihre Tätigkeit auch nach der Eheschließung von Deutschland aus
fortsetzen oder nach London zurückkehren können, was der Ehemann im Einzelnen
ausführt. Vor diesem Hintergrund sei die Eheschließung für den ökonomischen Rückhalt
der Ehefrau nicht erforderlich gewesen. Auch habe sie aufgrund ihres familiären
Vermögenshintergrundes genügend finanzielle Unabhängigkeit besessen, um dem
Abschluss des Ehevertrages entgegentreten zu können oder maßgeblich auf seinen Inhalt
Einfluss zu nehmen. Die Familie der Ehefrau sei vermögend, was im Einzelnen ausgeführt
wird. Bei dem Speditionsunternehmen handele es sich um ein mittelständisches
Unternehmen mit einem Verkehrswert von mehreren Millionen Euro. Der finanzielle
Hintergrund der Ehefrau sei bei Vertragsschluss besser gewesen als sein eigener. Weiter
macht der Ehemann geltend, auf Verlangen seiner Frau sei nach Überprüfung des
Vertragsentwurfes die Regelung in § 6 – was zwischen den Parteien unstreitig ist – in den
Vertrag aufgenommen worden. Aus diesem Umstand folgert der Ehemann, dass eine
sachkundige Prüfung des Vertrages stattgefunden und die Ehefrau Einfluss auf die
Vertragsgestaltung gehabt habe. Weiter behauptet der Ehemann, die Väter der Beteiligten
hätten ausführlich über den Vertragsentwurf gesprochen. Eine sprachliche Unterlegenheit
der Ehefrau, die sich auf den Ehevertrag ausgewirkt hätte, habe nicht vorgelegen. Die
Ehefrau habe auch Gelegenheit gehabt, den Ehevertrag vorher durch einen Rechtsanwalt
überprüfen zu lassen, und habe hiervon auch Gebrauch gemacht. Darüber hinaus greift
der Ehemann die Ausführungen des Bundesgerichtshofs an. Er ist der Ansicht, der BGH
habe seinen Hinweisen einen zum Teil unrichtigen Sachverhalt, insbesondere eine
unvollständige Wiedergabe des Ehevertrages zugrunde gelegt, was bereits bei der
Prüfung des objektiven Tatbestandes des
Tatsächlich sei bereits die objektive Sittenwidrigkeit zu verneinen. Auch die Hinweise zur
subjektiven Imparität würden nicht überzeugen, was im Einzelnen ausgeführt wird.
Der Senat hat die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung angehört und Beweis
erhoben durch Vernehmung der Zeugen X und T. Wegen der Einzelheiten wird auf das
Sitzungsprotokoll vom 07.10.2019 und vom 23.01.2020 sowie die jeweiligen
Berichterstattervermerke vom gleichen Tage Bezug genommen.
II.
Die nach § 58 ff., 117 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde der Ehefrau hat in der Sache
Erfolg.
1.
Der nach
Ehefrau (Beschwerdeantrag zu Ziffer 4.) ist begründet. Es ist festzustellen, dass der am
25.09.1995 zwischen den Beteiligten geschlossene Ehevertrag nichtig ist.
a.
Der Ehevertrag vom 25.09.1995 ist allerdings nicht – wie vom Senat in seinem Beschluss
vom 18.06.2018 vertreten - wegen eines versteckten Einigungsmangels im Sinne von §
155 BGB nicht wirksam zustande gekommen. Der BGH hat mit am 20.03.2019
verkündetem Beschluss auf die Rechtsbeschwerde des Ehemannes den Beschluss des
Senats vom 18.06.2018 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung zurückverwiesen. Nach § 74 Abs. 6 S. 4 FamFG entfaltet diese
Entscheidung Bindungswirkung im Hinblick auf die für die Aufhebung und
Zurückverweisung durch das Rechtsbeschwerdegericht ursächliche, d.h. diese unmittelbar
herbeiführende, rechtliche Beurteilung (vgl. BGH Beschluss vom 10.02.2011 – V ZB
318/10 -, Rn. 7, juris; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 19. Auflage, § 74 Rn. 93). Danach steht
vorliegend bindend fest, dass der Feststellungsantrag zulässig ist, der Ehevertrag aber
nicht wegen eines versteckten Einigungsmangels im Sinne von
zustande gekommen ist.
Soweit der BGH außerhalb der seine Entscheidung tragenden Begründung Hinweise für
das weitere Verfahren gegeben hat und zwar zu einer Sittenwidrigkeit des Ehevertrages
nach
Entscheidungsinhalt (vgl. BGH, Urteil vom 18.10.1989 – IVb ZR 84/88 –, juris Rn. 9).
b.
Der Ehevertrag ist auch nicht in Folge einer von der Ehefrau (konkludent) erklärten
Anfechtung nichtig, § 142 Abs. 1 BGB. Denn eine mögliche Anfechtung scheitert in jedem
Fall an der Ausschlussfrist des § 121 Abs. 2 BGB. Nach Art. 229 § 6 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1
und Abs. 4 EGBGB endete diese spätestens am 31.12.2011.
c.
Der Ehevertrag ist allerdings wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1
BGB nichtig.
aa.
Nach ständiger höchstrichterlichen Rechtsprechung unterliegen die gesetzlichen
Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn und Versorgungsausgleich
grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten; einen unverzichtbaren
Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zu Gunsten des berechtigten Ehegatten kennt das
geltende Recht nicht (BGH, Urteil vom 11. 02.2004 – XII ZR 265/02 –, juris Rn. 35). Die
grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen darf indes nicht dazu führen, dass der
Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig
unterlaufen werden kann. Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und
durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte
Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten - bei
angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines
Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede - bei verständiger Würdigung des
Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Die Belastungen des einen Ehegatten wiegen
dabei umso schwerer und die Belange des anderen Ehegatten bedürfen umso genauerer
Prüfung, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den
Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift. Zu diesem Kernbereich gehört in erster
Linie der Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB). Im Übrigen wird man eine Rangabstufung
vornehmen können, die sich vor allem danach bemisst, welche Bedeutung die einzelnen
Scheidungsfolgenregelungen für den Berechtigten in seiner jeweiligen Lage haben (vgl, zu
allem BGH, Beschluss vom 29.01.2014 – XII ZB 303/13 –, Rn. 16 juris, m.w.N.).
Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle hat der Tatrichter dabei zunächst zu prüfen, ob die
Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart
einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - und zwar losgelöst von
der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes
gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der
Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs.
1 BGB) (BGH, Beschluss vom 29.01.2014 – XII ZB 303/13 –, Rn. 16, juris). Selbst wenn
die ehevertraglichen Einzelregelungen zu den Scheidungsfolgen jeweils für sich
genommen den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht zu rechtfertigen vermögen, kann sich ein
Ehevertrag nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Rahmen einer
Gesamtwürdigung als insgesamt sittenwidrig erweisen, wenn das Zusammenwirken aller
in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung
eines Ehegatten abzielt (BGH, Beschluss vom 17.01.2018 – XII ZB 20/17 -, Rn. 17, juris;
Beschluss vom 15.03.2017 – XII ZB 109/16 -, Rn. 38, juris jeweils m.w.N.).
bb.
Nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen ist der Senat bei der gebotenen
Gesamtschau von folgenden Erwägungen ausgegangen:
(1)
Die objektiven Voraussetzungen für das Verdikt der Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1
BGB sind zu bejahen. Dabei vermögen in objektiver Hinsicht vorliegend zwar die
vertraglichen Einzelregelungen zu den Scheidungsfolgen bei isolierter Betrachtungsweise
für sich den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht zu rechtfertigen, im Rahmen einer
Gesamtwürdigung erweist sich der Ehevertrag jedoch als insgesamt sittenwidrig, da das
objektive Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf
die einseitige Benachteiligung der Ehefrau abzielt.
(a)
Wie angeführt, rechtfertigen die ehevertraglichen Einzelregelungen zu den
Scheidungsfolgen für sich genommen den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht.
Hierzu im Einzelnen:
(aa)
Die in § 5 des Ehevertrages zum Unterhalt getroffenen Vereinbarungen, wonach die
Eheleute im Falle der Scheidung gegenseitig auf nachehelichen Unterhalt einschließlich
Notunterhalt mit Ausnahme des Betreuungsunterhaltes und möglicherweise des
Anschlusskrankenunterhalts (vgl. dazu weiter unten) verzichten, stellen sich für die
Ehefrau zwar durchweg als nachteilig dar, vermögen aber isoliert betrachtet nicht den
Vorwurf der Sittenwidrigkeit zu begründen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang
zunächst, dass entgegen der Ansicht des Ehemannes der Altersunterhalt gem. § 1571 Nr.
3 BGB nach dem eindeutigen Wortlaut der Urkunde durch den Ehevertrag ausgeschlossen
worden ist. In § 5 des Ehevertrages wird von dem Verzicht nur der Fall ausgenommen,
dass ein Ehegatte nach den gesetzlichen Vorschriften Unterhalt wegen Betreuung eines
Kindes verlangen könnte, „(derzeit §§ 1570, 1572 Nr. 2 BGB)“. Die Norm des § 1571 Nr. 3
BGB wird im Vertragstext nicht benannt. Dass auch diese Norm – wie von dem Ehemann
eingewandt – von der Ausnahmeregelung erfasst sein sollte, findet in der Urkunde
keinerlei Andeutung. Nichts anderes gilt im Übrigen für die anderen Alternativen des §
1571 BGB.
Nach der vom BGH entwickelten Rangfolge der Scheidungsfolgen gehört zu deren
Kernbereich in erster Linie der Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB), der schon im Hinblick
auf seine Ausrichtung am Kindesinteresse nicht der freien Disposition der Ehegatten
unterliegt. Freilich ist auch er nicht jeglicher Modifikation entzogen (vgl. BGH, Beschluss
vom 15.03.2017 – XII ZB 109/16 -, Rn. 31, juris m.w.N.). Die Eheleute haben den
Betreuungsunterhalt im vorliegenden Fall in § 5 des Ehevertrages gerade nicht
ausgeschlossen oder dem Grunde nach eingeschränkt, sondern diesen vom
Unterhaltsausschluss ausgenommen.
Die Unterhaltsansprüche wegen Alters und Krankheit (§§ 1571, 1572 BGB) sind nach
ständiger Rechtsprechung des BGH zwar ebenfalls dem Kernbereich der
Scheidungsfolgen zuzurechnen; ihr Ausschluss begegnet allerdings für sich genommen
unter dem Gesichtspunkt des § 138 Abs. 1 BGB keinen Bedenken, wenn im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses noch nicht absehbar ist, ob, wann und unter welchen wirtschaftlichen
Gegebenheiten ein Ehegatte wegen Alters oder Krankheit unterhaltsbedürftig werden
könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2017 – XII ZB 109/16 -, Rn. 32, juris; Urteil
vom 31.10.2012 – XII ZR 129/10 -, Rn. 20, juris). Vorliegend war im maßgeblichen
Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vorhersehbar, dass die zum Zeitpunkt des
Vertragsschlusses 30 Jahre alte Ehefrau wegen Alters oder Krankheit unterhaltsbedürftig
werden würde.
Ob der Anschlusskrankenunterhalt im Anschluss an die Kindesbetreuung gem. § 1572 Nr.
2 BGB durch § 5 des Ehevertrages ebenfalls ausgeschlossen werden sollte, wird nach
dem Wortlaut der notariellen Urkunde nicht deutlich. Einerseits wird die Vorschrift in § 5
Abs. 2 S. 1 des Ehevertrages zur Erläuterung des vom Verzicht ausgenommenen
Betreuungsunterhalts neben § 1570 BGB ebenfalls genannt. Andererseits sprechen die
Sätze 2 und 3 des fraglichen Absatzes der Vertragsklausel deutlich dafür, dass der
Verzicht auf nachehelichen Unterhalt sich uneingeschränkt auf alle gesetzlichen
Unterhaltstatbestände mit Ausnahme des Betreuungsunterhalts erstrecken sollte. Selbst
wenn man davon ausginge, dass der Anschlusskrankenunterhalt (ab Beendigung der
Betreuung) nicht ausgeschlossen werden sollte, war dieser aber für die Ehefrau nicht von
großem Wert, auch wenn nach der seinerzeitigen Rechtslage eine vollschichtige
Erwerbsobliegenheit erst einsetzte, wenn das Kind 15 bis 16 Jahre alt war.
(bb)
Die Eheleute haben in § 4 des Ehevertrages den gesetzlichen Versorgungsausgleich
ausgeschlossen. Ein Ausschluss des dem Kernbereich der Scheidungsfolgen
zuzuordnenden Versorgungsausgleichs ist nach § 138 Abs. 1 BGB für sich genommen
unwirksam, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte aufgrund des bereits beim
Vertragsschluss geplanten (oder zu diesem Zeitpunkt schon verwirklichten) Zuschnitts der
Ehe über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot
ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom
29.01.2014 – XII ZB 303/13 –, Rn. 20, juris). Das ist dann der Fall, wenn sich ein Ehegatte,
wie schon beim Vertragsschluss geplant oder verwirklicht, der Betreuung der
gemeinsamen Kinder gewidmet und deshalb auf eine versorgungsbegründende
Erwerbstätigkeit in der Ehe verzichtet hat. In diesem Verzicht liegt ein Nachteil, den der
Versorgungsausgleich gerade auf beide Ehegatten gleichmäßig verteilen will und der ohne
Kompensation nicht einem Ehegatten allein angelastet werden kann, wenn die Ehe
scheitert (vgl. BGH, Beschluss vom 29.01.2014 – XII ZB 303/13 –, Rn. 20, juris). Zwar war
bereits bei Abschluss des Ehevertrages zu erwarten oder lag zumindest im Bereich des
Möglichen, dass die Ehefrau die Kinder für einen längeren Zeitraum betreuen und daher
auf eine versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit zumindest zeitweise verzichten würde.
Allerdings ist unstreitig, dass zur Zeit des Vertragsschlusses auf Seiten des Ehemannes zu
erwarten war, dass dieser keine Anwartschaften aufbauen würde, die dem
Versorgungsausgleich unterfallen würden. Die Altersvorsorge sollte von ihm vielmehr im
Wesentlichen durch seine Unternehmensbeteiligungen und ggf. auch durch den Abschluss
von Kapitallebensversicherungen erfolgen. Im Zeitpunkt des für die Sittenwidrigkeit
maßgeblichen Vertragsschlusses war daher zu erwarten, dass die Ehefrau von der
Durchführung eines Versorgungsausgleichs nicht profitieren würde. Aus diesem Grund
vermag der Ausschluss des Versorgungsausgleichs als solches für sich nicht die
Sittenwidrigkeit zu begründen.
(cc)
Der Ausschluss des Zugewinns durch die Vereinbarung der Gütertrennung in § 2 des
Ehevertrages rechtfertigt für sich nicht die Sittenwidrigkeit des Vertrages. Der
Zugewinnausgleich wird vom Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts nicht umfasst; er
erweist sich - auch wegen der vom Gesetz ausdrücklich zur Verfügung gestellten
verschiedenen Güterstände - ehevertraglicher Gestaltung am weitesten zugänglich (vgl.
BGH,
auch für Unternehmerehen festgehalten, in denen der selbständig erwerbstätige Ehegatte
seine Altersvorsorge nicht durch die Bildung von Vorsorgevermögen im Sinne des § 2
VersAusglG, sondern im Wesentlichen durch die Ansammlung privaten Vermögens
aufbaut. Ein vertraglicher Ausschluss des Zugewinnausgleichs ist auch dann nicht im
Rahmen der Wirksamkeitskontrolle zu korrigieren, wenn bereits bei Vertragsschluss
absehbar gewesen ist, dass sich der andere Ehegatte ganz oder teilweise aus dem
Erwerbsleben zurückziehen würde und ihm deshalb eine vorhersehbar nicht kompensierte
Lücke in der Altersversorgung verbleibt. Vielmehr hat der BGH ein überwiegendes
legitimes Interesse des erwerbstätigen Ehegatten anerkannt, das Vermögen seines
selbständigen Erwerbsbetriebes durch die Vereinbarung der Gütertrennung einem
möglicherweise existenzbedrohenden Zugriff seines Ehegatten im Scheidungsfall zu
entziehen und damit nicht nur für sich, sondern auch für die Familie die Lebensgrundlage
zu erhalten (vgl. BGH, Beschluss vom 15.03.2017 – XII ZB 109/16 – Rn. 36, juris; BGH,
(b)
Im Rahmen einer Gesamtwürdigung erweist sich der Ehevertrag allerdings als objektiv
sittenwidrig, da das objektive Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen
Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung der Ehefrau abzielt.
Der BGH ist in seinem Beschluss vom 20.03.2019 – XII ZB 310/18 – in objektiver Hinsicht
im vorliegenden Fall von einer solcherart einseitigen vertraglichen Lastenverteilung zum
Nachteil der Ehefrau ausgegangen. Diese Ausführungen binden den Senat zwar nicht, in
der Sache schließt sich dieser jedoch den überzeugenden Ausführungen des BGH nach
eigener Prüfung vollumfänglich an.
Danach gilt hier Folgendes:
(aa)
Wie bereits ausgeführt, wurden durch den Ehevertrag der Alters- und Krankheitsunterhalt
(möglicherweise abgesehen von § 1572 Nr. 2 BGB) ausgeschlossen. Bei diesen handelt
es sich um Unterhaltstatbestände, die dem Kernbereich der Scheidungsfolgen zuzuordnen
sind. Insoweit war schon bei Vertragsschluss mit höherer Wahrscheinlichkeit auf Seiten
der Ehefrau - als dem Ehegatten mit den potentiell geringeren Verdienstmöglichkeiten -
eine spezifische Bedürfnislage absehbar (BGH, Beschluss vom 20.03.2019 – XII ZB
310/18 –, Rn. 37, juris).
(bb)
Die Ehefrau betreute im Zeitpunkt der Eheschließung bereits ein aus der Beziehung
hervorgegangenen Säugling; auch nach den Angaben des Ehemanns haben sich die
Beteiligten seinerzeit zumindest die Geburt eines weiteren gemeinsamen Kindes vorstellen
können. Das von den Beteiligten in der Folgezeit tatsächlich verwirklichte Ehemodell, in
dem sich die Ehefrau unter vollständigem Verzicht auf eine versorgungsbegründende
Erwerbstätigkeit für längere Zeit allein der Kinderbetreuung und Haushaltsführung
widmete, lag somit schon bei Abschluss des Ehevertrags jedenfalls im Bereich des
Möglichen. Unter diesen Umständen war mit ehebedingten Versorgungsnachteilen von
vornherein allein auf Seiten der Ehefrau zu rechnen. Selbst wenn der Ausschluss des
Versorgungsausgleichs wegen einer aufseiten des Ehemanns ausschließlich auf Bildung
von Privatvermögen gerichteten Altersvorsorgestrategie aus der maßgeblichen Sicht bei
Vertragsschluss für die Ehefrau in beschränktem Ausmaß vorteilhaft gewesen sein mag,
ändert dies nichts daran, dass durch die Übernahme der Familienarbeit vorhersehbare
Versorgungsnachteile zu erwarten waren, denen wegen der vereinbarten Gütertrennung
keine Teilhabe an dem vom Ehemann gebildeten und seiner Altersversorgung dienenden
Vermögen gegenüberstehen würde (BGH, Beschluss vom 20.03.2019 – XII ZB 310/18 – ,
Rn. 38, juris)..
(cc)
Das Verdikt einer objektiv einseitigen Lastenverteilung wird in der Gesamtbetrachtung
auch durch die im Vertrag enthaltenen Regelungen zur Einzahlung von Beiträgen in die
gesetzliche Rentenversicherung und zur gemeinsamen Vermögensbildung aus
Einkommensrücklagen nicht in Frage gestellt (BGH, Beschluss vom 20.03.2019 – XII ZB
310/18 –, Rn. 39, juris).
Sofern man § 4 des Ehevertrags entnehmen könnte, dass für die Ehefrau - was tatsächlich
zu keinem Zeitpunkt erfolgt ist - durch Entrichtung freiwilliger Beiträge während der Ehezeit
ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung gebildet werden sollte, fehlt es bereits
an jeder verbindlichen und konkreten Festlegung zur Höhe der Beitragszahlung. Insoweit
hätte den vertraglichen Regelungen daher schon durch die Zahlung von Mindestbeiträgen
Genüge getan werden können. Die Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für die
freiwillige Versicherung betrug nach der Rechtslage im Zeitpunkt des Vertragsschlusses
ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (§ 167 SGB VI in der seit dem 01.01.1992
geltenden Fassung). Nach den Rechengrößen für die Sozialversicherung im Jahr 1995
(vgl.
Bemessungsgrundlage von 580 DM (1/7 * 4.060 DM) ein monatlicher Mindestbeitrag in
Höhe von 107,88 DM, was einer jährlichen Beitragszahlung von 1.294,56 DM entspricht.
Mit dieser Beitragsleistung hätte im Jahr 1995 ein Rentenanrecht in Höhe von 0,1365
Entgeltpunkten erworben werden können (1.294,56 DM * 0,0001054764
Umrechnungsfaktor Beiträge in Entgeltpunkte). Es ist evident, dass ein Anrecht in dieser
Größenordnung zur Kompensation von Versorgungsnachteilen aufgrund des Verzichts auf
eine eigene versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit gänzlich unzureichend gewesen
wäre (BGH, Beschluss vom 20.03.2019 – XII ZB 310/18 –, Rn. 40, juris).
Der Regelung in § 3 des Ehevertrags über die gemeinsame Vermögensbildung aufgrund
von Rücklagen aus dem Einkommen lässt sich von vornherein keine Verpflichtung des
Ehemanns zur Erbringung bestimmter Kompensationsleistungen entnehmen, zumal die
Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche Einkommensbestandteile während der
Ehezeit zur gemeinsamen Vermögensbildung verwendet werden, einer späteren
Beschlussfassung der Eheleute - und damit auch dem Mitbestimmungsrecht des
Ehemanns - vorbehalten bleiben (BGH, Beschluss vom 20.03.2019 – XII ZB 310/18 – ,Rn.
41, juris).
(dd)
Der Ehemann wendet sich gegen die Erwägungen des BGH, mit denen dieser eine
objektive Sittenwidrigkeit begründet hat, mit umfassenden Ausführungen. In diesem
Zusammenhang rügt er auch, die Argumentation des BGH zu § 4 Abs. 3 des Ehevertrages
trage dem Sachverhalt und der bisherigen Rechtsprechung keine Rechnung. Der
Umstand, so der Einwand des Ehemannes, dass die Begründung von gesetzlichen
Rentenanwartschaften nicht möglich gewesen sei, hätte nicht im Rahmen des
sondern erst gemäß § 242 BGB bei der Ausübungskontrolle berücksichtigt werden
können. Die Annahme, dass die Parteien nur Mindestbeträge geleistet hätten, entbehre
jeglicher tatsächlicher Grundlage. Auch habe sich der BGH nicht mit der bisherigen
Rechtsprechung auseinander gesetzt, wonach nur ehebedingte Versorgungsanteile
auszugleichen seien und die Übertragung von Immobilien und ggf. Lebensversicherungen
(wie geschehen) eine zureichende Kompensation für einen Verzicht auf
Versorgungsausgleich darstellen könne. Diese Einwendungen des Ehemannes vermögen
ebenso wie die weiteren Angriffe gegen die Begründung der objektiven Sittenwidrigkeit
nicht zu überzeugen. Der Regelung des § 4 Abs. 3 des Ehevertrages, die der Ehefrau
einen Vorteil einräumen soll, kommt (nur) für die Frage Bedeutung zu, ob diese ggf. im
Zusammenwirken mit weiteren vertraglichen Regelungen geeignet ist, die (bestehenden)
vertraglichen Regelungen zum Nachteil der Ehefrau zu kompensieren. Unter diesem
Gesichtspunkt ist die Regelung des § 4 Abs. 3 des Ehevertrages auch vom BGH
beleuchtet worden. Eine Kompensation, die womöglich geeignet ist, bei einer
Gesamtbetrachtung trotz bestehender nachteiliger Regelungen eine Sittenwidrigkeit des
Ehevertrages zu verneinen, kann aber nur in dem Umfang einer vertraglichen
Verpflichtung des Ehemannes bzw. eines vertraglichen Anspruchs der berechtigten
Ehefrau bejaht werden. Insbesondere kann in diesem Zusammenhang nicht auf spätere
Umstände - wie den Abschluss der Lebensversicherung im Jahr 2002 oder die
Übertragung der Miteigentumsanteile an den Grundstücken abgestellt werden.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage der Sittenwidrigkeit ist der Zeitpunkt des
Abschlusses des Ehevertrages. Nur wenn eine Sittenwidrigkeit des Ehevertrages nach §
138 BGB zu verneinen ist, kommt man in einem nächsten Schritt zu der sog.
Ausübungskontrolle. Mit dieser Prüfungsfrage hat sich der BGH in dem Beschluss vom
20.03.2019 – XII ZB 310/18 -, folgerichtig nicht auseinandergesetzt. Auch die übrigen
Einwände des Ehemannes, der BGH trage seiner bisherigen Rechtsprechung keine
hinreichende Rechnung und weiche von dieser ab, fußen in weiten Teilen auf einer
unzureichenden Differenzierung und Vermengung einzelner Prüfungsstufen, vornehmlich
der Abgrenzung einer Wirksamkeitskontrolle nach
nach § 242 BGB für den Fall, dass die Vereinbarung nicht schon nach
sittenwidrig und damit unwirksam ist. Mögliche im Verlauf der Ehe eingetretene
Vermögenskompensationen der Ehefrau durch den Erwerb von Miteigentumsanteilen oder
sonstigen Vermögenswerten mögen im Rahmen einer Ausübungskontrolle als mögliche
Kompensationen der durch den Vertrag geschaffenen Nachteile der Ehefrau von Relevanz
sein; für eine derartige Ausübungskontrolle ist vorliegend - wie ausgeführt - aber kein
Raum, da der Vertrag bereits einer Wirksamkeitskontrolle nicht standhält und wegen
Sittenwidrigkeit nach
wird.
(2)
Auch das subjektive Element der Sittenwidrigkeit ist vorliegend zu bejahen. Mit der
höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 20.03.2019 – XII ZB
310/18 -, Rn. 42; Beschluss vom 17.01.2018 – XII ZB 20/17 – Rn. 19, juris jeweils m.w.N.)
geht der Senat davon aus, dass aus dem objektiven Zusammenspiel einseitig belastender
Regelungen nur dann auf die weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des
begünstigten Ehegatten geschlossen werden kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist,
dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen
Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine
Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt. Ein unausgewogener Vertragsinhalt
mag zwar ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten
Ehegatten sein. Gleichwohl wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht
gerechtfertigt sein, wenn außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände
zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität hindeuten, insbesondere infolge der
Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder
intellektueller Unterlegenheit (vgl. vgl. BGH, Beschluss vom 20.03.2019 – XII ZB 310/18 -,
Rn. 42; Beschluss vom 17.01.2018 – XII ZB 20/17 -, Rn. 19, juris; Beschluss vom
15.03.2017 – XII ZB 109/16 -, Rn 39, juris jeweils m.w.N.).
Vorliegend ist die Annahme einer subjektiven Imparität zu Lasten der Ehefrau bei
Abschluss des Ehevertrages im Ergebnis zu bejahen.
(a)
Eine solche unterlegene Verhandlungsposition der Ehefrau kann allerdings nicht schon
aus dem Gang der Vertragsverhandlungen, ihrer physischen und psychischen Konstitution
bei Vertragsschluss und den äußeren Gegebenheiten des Beurkundungstermins gefolgert
werden. So wurde der Ehefrau der Vertragsentwurf vor dem Notartermin in einem
hinreichenden zeitlichen Abstand zum Beurkundungstermin zur Verfügung gestellt und ihr
damit jedenfalls die Möglichkeit einer Prüfung – auch durch eine fachkundige Beratung –
eröffnet. Auf ihr Verlangen kam es dann zu der Ergänzung des Vertrages durch Einfügen
des § 6 (Übertragung des Sorgerechts für das gemeinsame Kind auf die Ehefrau), wobei
sich diese Ergänzung nicht auf die wirtschaftlichen Folgen einer Ehescheidung bezog.
Dass sich die Ehefrau bei Vertragsschluss in einer physischen oder psychischen
Ausnahmesituation befand, die Auswirkungen auf ihre Verhandlungsposition hatte,
vermochte der Senat ebenfalls nicht festzustellen. Auch wenn sich diese aufgrund von
gesundheitlichen Beeinträchtigungen Bs kurz nach der Geburt weiter vordringlich um
dessen Wohlergehen sorgte mit der Folge einer erheblichen Beeinträchtigung des eigenen
körperlichen und seelischen Wohlbefindens, so vermag dies nicht eine Zwangslage bei
Vertragsschluss zu begründen. Auch vermochte der Senat nicht festzustellen, dass B beim
Beurkundungstermin zugegen war und die Ehefrau den Beurkundungstermin daher
möglichst schnell hinter sich bringen wollte (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 15.03.2017
– XII ZB 109/16 – Rn. 43, juris). Die Beteiligten haben im Verhandlungstermin vor dem
Senat hierzu unterschiedliche Angaben gemacht. Die Ehefrau hat insoweit angegeben, B
sei zugegen gewesen, was der Ehemann allerdings in Abrede gestellt hat. Der Senat hat
keine Anhaltspunkte dafür, den Angaben der Ehefrau mehr Glauben zu schenken als
denen des Ehemannes.
(b)
Die Annahme einer subjektiven Vertragsimparität rechtfertigt sich vorliegend aber vor dem
Hintergrund einer wirtschaftlichen Abhängigkeit der Ehefrau im Rahmen der
Eheschließung und des Abschlusses des Ehevertrages sowie deren sprachlicher
Unterlegenheit im Beurkundungsverfahren.
(aa)
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestehen Anhaltspunkte für eine
unterlegene Verhandlungsposition regelmäßig dann, wenn der mit dem Verlangen auf
Abschluss eines Ehevertrages konfrontierte Ehegatte erkennbar ohne den ökonomischen
Rückhalt der Ehe einer ungesicherten wirtschaftlichen Zukunft entgegensehen würde (vgl.
BGH, Beschluss vom 20.03.2018 – XII ZB 310/18; Beschluss vom 29.01.2014 – XII ZB
303/13, juris jeweils m.w.N.).
So liegt der Fall hier.
Im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages im September 1995 ging die Ehefrau
keiner bezahlten Erwerbstätigkeit nach und bezog mithin kein eigenes
Erwerbseinkommen. Insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Ehefrau nach
der Übersiedlung von Großbritannien nach Deutschland hier keine neue Erwerbstätigkeit
aufnahm. Darüber hinaus steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur
Überzeugung des Senats fest, dass sie die vormals für ihren Vater ausgeübte Tätigkeit
jedenfalls bei Abschluss des Ehevertrages nicht mehr ausübte.
Die Ehefrau hat hierzu im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Senat angegeben, noch einige
Zeit für ihren Vater von Deutschland aus die Buchhaltung gemacht zu haben, nachdem sie
im Jahr 1993 nach Deutschland gekommen sei, wobei sie diesen Zeitraum in ihrer
Anhörung am 07.10.2019 mit circa einem Jahr, in der Anhörung am 23.01.2020 mit ein
paar Monaten beziffert hat. Ob sie hierfür ein Entgelt erhielt, vermochte die Ehefrau nicht
mehr genau zu erinnern. Der Zeuge X, der Vater der Ehefrau, hat die Angaben seiner
Tochter im Kern bestätigt. Er hat bei seiner Zeugenvernehmung vor dem Senat ausgesagt,
seine Tochter habe noch bis zur Einstellung einer Ersatzkraft in seiner Firma ca. zwei bis
vier Monate nach der Übersiedlung nach Deutschland für sein Unternehmen von
Deutschland aus gearbeitet. Ein Entgelt habe sie für diese Tätigkeit nicht erhalten. Im
Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages im Jahr 1995 sei ihre Tätigkeit für sein
Unternehmen in jedem Fall beendet gewesen.
Die Angaben des Zeugen X erachtet der Senat als glaubhaft. Sie waren in sich schlüssig
und widerspruchsfrei. Der Zeuge X hat im Einzelnen umfassende und detaillierte Angaben
zur Tätigkeit seiner Tochter für sein Unternehmen, zum familiären Vermögenshintergrund,
zu einer möglichen Rückkehr seiner Tochter nach England und in sein Unternehmen im
Falle des Scheiterns der Beziehung sowie zu Gesprächen über den Vertragsentwurf
gemacht. Dass der Zeuge dabei – ebenso wie die Ehefrau - Einzelheiten nicht mehr genau
zu erinnern vermochte und beispielsweise den Zeitraum der Fortführung der Tätigkeit für
das Unternehmen von Deutschland aus nicht exakt angeben konnte, spricht nicht gegen
die Glaubhaftigkeit der Aussage. Dieser Umstand ist vielmehr angesichts des langen
Zeitablaufs erklärbar und plausibel. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht,
dass der Zeuge X aufgrund der familiären Verbundenheit in einem besonderen
Näheverhältnis zu seiner Tochter steht und dementsprechend ein Interesse an deren
Obsiegen in dem vorliegenden Verfahren hat. Dieser Umstand ist für sich betrachtet ohne
das Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte jedoch nicht geeignet, Zweifel an der
Glaubwürdigkeit des Zeugen zu begründen oder die Glaubhaftigkeit der Aussage in Frage
zu stellen. Aussageimmanente Kriterien, die auf eine bewusste oder unbewusste
Falschaussage hindeuten, vermochte der Senat nicht zu erkennen. Nach dem Eindruck
des Senats war der Zeuge X bei seiner Vernehmung auch erkennbar bemüht, die Fragen
des Senats – soweit erinnerlich – erschöpfend und wahrheitsgemäß zu beantworten.
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass der Senat die Angabe des Zeugen X,
nach circa zwei bis drei Monaten nach dem Umzug seiner Tochter nach Deutschland eine
Ersatzkraft für sie im Unternehmen eingestellt zu haben, auch als lebensnah erachtet. So
war letztere unstreitig zuvor vollschichtig für das Unternehmen tätig. Dass sie diese
Tätigkeit neben der Betreuung eines Säuglings von Deutschland aus nicht fortführen
konnte, scheint naheliegend.
Die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen X wird nicht durch die Angaben des
Ehemannes und des Zeugen T erschüttert. Der Ehemann hat im Rahmen seiner Anhörung
vor dem Senat zwar angegeben, seine Frau habe selbst nach einem Umzug in ein
angemietetes Haus Mitte 1995 noch für ihren Vater gearbeitet. Zum genauen Umfang
vermochte er hingegen keine Angaben zu machen, dies bedingt durch die eigene
arbeitsbedingte Abwesenheit. Er hat insoweit angegeben, seine Frau habe regelmäßig
Faxe bekommen, sie habe oft gesessen und gearbeitet, wenn der Sohn geschlafen habe
und auch abends habe sie gesessen und gearbeitet. Zu dem Inhalt der Faxe hat der
Ehemann keine Angaben gemacht. Auch vermochte er keine Angaben zu einem
möglichen Verdienst für diese Arbeiten zu tätigen. Aus den vorgenannten Angaben des
Ehemannes vermag der Senat – deren Richtigkeit unterstellt – nicht den Schluss zu
ziehen, dass die Ehefrau noch im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages die
Buchhaltung für die Firma ihres Vaters machte und ihre bisherige Tätigkeit in dem
Unternehmen fortführte. Es mag zwar sein und es ist auch naheliegend, dass sie weiterhin
im Austausch mit ihrem Vater stand und für diesen gelegentlich auf freiwilliger Basis noch
tätig war. So hat der Zeuge X auf erneute Nachfrage selbst angegeben, seine Tochter
habe hier und da mal freiwillig und ohne Bezahlung geholfen, wenn sie Fragen gehabt
hätten. Dies rechtfertigt aber nicht die Annahme einer Fortführung ihrer vormals
ausgeübten Erwerbstätigkeit. Entsprechendes gilt für die Angaben des Zeugen T, der
ausgesagt hat, seine Schwiegertochter habe im Jahr 1997 noch Tätigkeiten für ihren Vater
erledigt und in der Firma seien Unterlagen für sie per Fax aus England angekommen,
wobei auch der Zeuge T keine Angaben zu dem Inhalt der Unterlagen tätigen konnte.
Auch aus dieser Aussage kann nicht geschlussfolgert werden, dass die Ehefrau weiterhin
die Buchhaltung für das Unternehmen des Vaters beständig fortführte, zumal der Zeuge T
selbst angegeben hat, er habe nicht verstanden, was seine Schwiegertochter da mache;
als Buchhaltung habe er das nicht erkennen können.
Nach Maßgabe des Vorgenannten war die Ehefrau im Zeitpunkt des Abschlusses des
Ehevertrages selbst nicht erwerbstätig, sondern kümmerte sich um die Betreuung des
gemeinsamen knapp sieben Monate alten Säuglings und den Haushalt, während der
Ehemann durch seine Erwerbstätigkeit für den Lebensunterhalt der Familie sorgte. Ohne
die Eingehung der Ehe hätte ihr als ledige Mutter neben dem Anspruch auf
Kindesunterhalt für den gemeinsamen Sohn lediglich ein Unterhaltsanspruch aus Anlass
der Geburt nach
Zeitpunkt noch geltenden Gesetzesfassung des
19.08.1969) spätestens ein Jahr nach der Entbindung,
nach der Gesetzesfassung ab 01.10.1995 (Fassung vom 21.08.1995) endete der
Unterhaltsanspruch spätestens drei Jahre nach der Entbindung und war damit eher
schwach ausgeprägt.
Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass
die Ehefrau auch nicht über eine hinreichende finanzielle Unabhängigkeit verfügte, um
dem Ansinnen ihres Ehemannes auf Abschluss des Ehevertrages entgegenzutreten oder
auf die Gestaltung in finanzieller Hinsicht maßgeblich Einfluss zu nehmen, sondern
vielmehr aus ökonomischen Gründen in Anbetracht ihrer geschilderten Lebenssituation in
erhöhtem Maß auf die Eingehung der Ehe angewiesen war. So verfügte die Ehefrau bei
Abschluss des Ehevertrages selbst über keine eigenen Vermögenswerte und finanziellen
Ressourcen. Nach den Angaben der Ehefrau im Rahmen der Anhörung vor dem Senat
war eine in ihrem Eigentum stehende Eigentumswohnung in London im Jahr 1994/ 1995
aufgrund der hohen Hypothekenzinsen veräußert worden. Einen Erlös erzielte sie aus
diesem Verkauf nach Abzug der Verbindlichkeiten nicht. Auch darüber hinaus besaß die
Ehefrau keine Vermögenswerte, insbesondere hatten ihre Eltern ihr bislang keine
Vermögensanteile oder Anrechte übertragen. Aus ihrer vormaligen Berufstätigkeit im
Unternehmen des Vaters standen ihr in Großbritannien lediglich Anrechte für die
Altersversorgung mit einem Kapitalwert in Höhe von 20.000 Pfund zu. Diese Angaben zu
den finanziellen Verhältnissen der Ehefrau hat der Zeuge X bestätigt, der insbesondere
klargestellt hat, dass sein Vermögen und das seiner Ehefrau (erst) im Falle des Todes
aufgeteilt werde; die Antragsgegnerin sei neben deren vier weiteren Geschwistern als
Erbe eingesetzt.
Auch wäre es der Ehefrau nach der Überzeugung des Senats nicht möglich gewesen, bei
einem Scheitern der Beziehung nach Großbritannien zurückzukehren und dort ihre
vormals ausgeübte Berufstätigkeit im familiären Unternehmen neben der Kinderbetreuung
fortzusetzen. Die Antragsgegnerin hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung
angegeben, ihr Vater habe bereits vor Abschluss des notariellen Ehevertrages eine
Ersatzkraft für sie in Vollzeit eingestellt, eine Rückkehr in die alte Arbeitsstelle sei vor
diesem Hintergrund nicht möglich gewesen. Diese Angaben hat der Zeuge X bestätigt.
Letzterer hat glaubhaft ausgesagt, seine Tochter habe – bei einem Scheitern der
Beziehung bei einer Verweigerung des Abschlusses des Ehevertrages - nicht wieder in
seinem Unternehmen arbeiten können, da er bereits einen neuen Mitarbeiter eingestellt
hatte, den er nach englischem Recht nicht einfach wieder hätte entlassen können. Darüber
hinaus hat der Zeuge X glaubhaft deutlich gemacht, dass eine Wiedereinstellung seiner
Tochter für ihn auch vor dem Hintergrund der Kinderbetreuung nicht in Betracht
gekommen wäre.
Bei einer Rückkehr nach England im Fall des Scheiterns der Beziehung hätte die Ehefrau
daher weder ihre alte berufliche Tätigkeit im Unternehmen des Vaters aufnehmen können,
noch hätte sie in England eine bestehende eigene Unterkunft vorgefunden, da ihre
Eigentumswohnung – wie ausgeführt – bereits veräußert war. Auch wäre es ihr nicht
möglich gewesen, dauerhaft in ihrem Elternhaus Unterkunft zu erlangen, ungeachtet der
Tatsache, dass eine derartige Lebensgestaltung nach dem nachvollziehbaren Vortrag der
Ehefrau nicht ihrem Lebenskonzept entsprochen hätte. Insoweit hat der Zeuge X glaubhaft
angegeben, dass er und seine Ehefrau die Tochter und den Enkel bei einer Rückkehr nach
England sicherlich unterstützt hätten, jedoch nicht mit großen finanziellen Mitteln hätten
helfen können und dass eine dauerhafte Aufnahme in ihrem Haushalt nicht in Betracht
gekommen wäre. Der Senat erachtet es unter Berücksichtigung der vorstehenden
Ausführungen sowie vor dem Hintergrund der beruflichen Qualifikation der Ehefrau als
ungelernte Buchhalterin und der bestehenden Betreuungssituation als unwahrscheinlich,
dass diese in England oder in Deutschland einen Arbeitsplatz gefunden hätte, der
auskömmlich und mit der Betreuung eines Säuglings oder kleinen Kindes vereinbar
gewesen wäre. Dies gilt auch dann, wenn sie entweder durch Dritte oder mit Hilfe von
Familienmitgliedern B zumindest teilweise hätte fremdbetreuen lassen. Jedenfalls besaß
sie vor dem Hintergrund der dargestellten Umstände keine hinreichende finanzielle
Unabhängigkeit, um dem Ansinnen des Ehemannes auf Abschluss eines Ehevertrags mit
der einhergehenden Gefahr eines Scheiterns der Beziehung entgegenzutreten. Ohne den
ökonomischen Rückhalt der Ehe sah sie vielmehr einer ungesicherten wirtschaftlichen
Zukunft entgegen. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die Eltern
der Ehefrau bereits bei Abschluss des Ehevertrages wirtschaftlich zumindest gut situiert
waren. An der getroffenen Wertung vermag dies hingegen nichts zu ändern. Selbst
unterstellt, die Eltern hätten die Ehefrau im Rahmen des Möglichen unterstützt und ihr
notfalls Obdach gewährt, so wäre letztere gegenüber ihren Eltern als Bittstellerin
aufgetreten und von deren Wohlwollen abhängig gewesen. Eine hinreichende finanzielle
Unabhängigkeit der Ehefrau lässt sich daher nicht auf den Vermögensstand der Eltern
gründen, zumal die Ehefrau insoweit nicht zumutbar auf ein ihren Vorstellungen nicht
entsprechendes Lebenskonzept hätte verwiesen werden können.
(bb)
Die im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages unterlegene Verhandlungsposition
der Ehefrau spiegelt sich neben der wirtschaftlichen Abhängigkeit zudem in einer
bestehenden sprachlichen Unterlegenheit bei Vertragsschluss wider.
Im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages war die Ehefrau der deutschen
Urkundssprache nicht mächtig, weshalb ihr unstreitig bereits im Vorfeld der Beurkundung
eine englischsprachige Fassung des Vertrages zur Verfügung gestellt wurde und eine
solche auch bei der Beurkundung vorlag. Allerdings stimmten die Erklärungen in § 3 des
Vertrages in der deutschen und der englischen Version in einem wesentlichen Punkt nicht
überein. Während in der englischsprachigen Version ohne weitere Einschränkungen davon
die Rede ist, dass in der Ehe erworbenes neues Vermögen beiden Beteiligten je zur Hälfte
zustehen sollte, findet sich in der deutschsprachigen Version eine erhebliche
Einschränkung. Hiernach sollte lediglich das Vermögen den Beteiligten je zur Hälfte
zustehen, soweit aus den Einkünften Rücklagen gebildet worden seien. Hiermit war nach
dem insoweit unstreitigen Erklärungswillen des Ehemannes gemeint, dass nur private
Vermögenszuwächse hälftig geteilt werden sollten, nicht aber etwa Vermögenszuwächse
im Hinblick auf das vom Antragsteller gehaltene Geschäfts- bzw. Firmenvermögen. Diese
erhebliche Einschränkung findet allerdings in der englischen Version des Vertragstextes
nicht ansatzweise Anklang. In der englischen Fassung ist – worauf der
Verfahrensbevollmächtigte der Ehefrau zutreffend hingewiesen hat – hinsichtlich des
Zugewinns ein Automatismus festgelegt, während es sich in der deutschen Fassung um
eine Option handelt bzw. ein weiterer Willensakt dergestalt erforderlich ist, dass zunächst
Vermögen angelegt und gebildet wird und die Rücklagen dann durch einen gemeinsamen
Beschluss gebildet werden. Die im Ehevertrag enthaltene Klausel über die mögliche
Bildung gemeinsamen Vermögens aus Einkommensrücklagen wurde damit bei der
Beurkundung des Ehevertrages sinnentstellend übersetzt, was dazu führte, dass die
Ehefrau falsche Vorstellungen über den zu erwartenden Vermögenserwerb in der Ehe
hatte. So ging diese davon aus, dass der gesamte Zugewinn nach der Hochzeit zur Hälfte
geteilt werden sollte. Im Gegensatz hierzu hat der Ehemann angegeben, dass mit der
Formulierung in § 2 des Ehevertrages private Rücklagen wie Bargeld, Kontenstände oder
Immobilien gemeint gewesen seien, die am Ende geteilt werden sollten, die Firma
allerdings geschützt werden sollte. Ist aber der mit dem Verlangen auf Abschluss eines
Ehevertrages konfrontierte Ehegatte – wie vorliegend die Ehefrau – der deutschen
Urkundssprache nicht mächtig, ist sie zur Herstellung der Verhandlungsparität im
Beurkundungsverfahren im besonderen Maße auf eine fachkundige Übersetzung
angewiesen (BGH, Beschluss vom 20.03.2019 – XII ZB 310/18 -, Rn. 46). Vorliegend
führte die sinnentstellende Übersetzung der im Ehevertrag enthaltenen Klausel über die
mögliche Bildung gemeinsamen Vermögens aus Einkommensrücklagen in die englische
Sprache dazu, dass die Ehefrau wegen der so hervorgerufenen falschen Vorstellungen
über den zu erwartenden Vermögenserwerb in der Ehe die wirtschaftliche Tragweite des
von ihr erklärten Verzichts auf die gesetzlichen Scheidungsfolgen nicht zutreffend
einzuschätzen vermochte. Auf die Frage, ob der Ehemann aufgrund seiner eigenen
Sprachkunde und seines rechtlichen Erkenntnisvermögens die Unzuträglichkeiten der
vorliegenden englischen Übersetzung des Ehevertrages bemerken konnte, kommt es
dabei nicht entscheidend an (BGH, Beschluss vom 20.03.2019 – XII ZB 310/18 -, Rn. 46).
Maßgeblich ist allein, dass die konkrete Verhandlungssituation, in der sich die Ehefrau im
Beurkundungsverfahren befand, allein auf Veranlassung des Ehemannes entstanden ist
(BGH, Beschluss vom 20.03.2019 – XII ZB 310/18 -, Rn. 46).
Der dargestellten unterlegenen Verhandlungsposition steht nicht entgegen, dass die
Ehefrau vor Vertragsschluss mit ihrem Vater über den Vertrag gesprochen hat und dieser
auch zwischen ihrem Vater und dem Schwiegervater thematisiert worden ist, wobei der
Umfang dieser Gespräche zwischen den Parteien streitig ist. Die beschriebene sprachliche
Unterlegenheit der Ehefrau hätte sich allenfalls dann nicht ausgewirkt, wenn sie den
Vertrag vor Abschluss durch einen sach- und fachkundigen Dritten hätte prüfen lassen und
dieser ihr auf der Grundlage der deutschen Fassung des Vertragstextes die wirtschaftliche
Tragweite der abzugebenden Willenserklärung hätte vermitteln können. Dies war aber
vorliegend nicht der Fall. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist der Senat
überzeugt, dass der Vater der Ehefrau den Vertragsentwurf lediglich bei Gelegenheit
seinem für sein englisches Unternehmen tätigen „Rentenberater“ vorgelegt hat. Dieser
vermochte allerdings den Inhalt des Vertrages nicht zu erfassen, weshalb er von der
Unterzeichnung abriet. Eine Prüfung durch einen Rechtsanwalt oder einen rechtskundigen
Dritten mit einer anschließenden Beratung fand hingegen nicht statt. Aus den gleichen
Gründen vermögen auch Gespräche zwischen den Vätern der Eheleute über den
Vertragsentwurf im Vorfeld der Beurkundung die unterlegene Verhandlungsposition der
Ehefrau nicht in Frage zu stellen, ungeachtet der Frage, inwieweit aufgrund der
Sprachbarrieren ein Austausch über den komplexen Vertragsinhalt überhaupt möglich war.
Denn derartigen Gesprächen käme allenfalls dann maßgebliche Bedeutung zu, wenn sich
die Väter der Beteiligten konkret über § 3 des Ehevertrages ausgetauscht, der Zeuge X
Inhalt und Tragweite dieser Klausel erfasst und dies an seine Tochter weitergegeben hätte.
Dies steht aber nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht fest, dementsprechende
Erklärungen haben insbesondere weder der Zeuge X noch der Zeuge T abgegeben.
(cc)
Auch wenn subjektiv die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die
sonstigen Beweggründe für den Abschluss des Ehevertrages zu berücksichtigen sind (vgl.
BGH
des Familienunternehmens im Rahmen einer Gesamtschau zu keiner anderen Bewertung.
Dem durch den Vertrag begünstigten Ehemann waren auch die zur objektiven und
subjektiven Imparität führenden Umstände – abgesehen von der Unzuträglichkeit der
englischen Übersetzung – auch im Wesentlichen bekannt; jedenfalls hat er sich dieser
Erkenntnis aber leichtfertig verschlossen. Es lag für ihn auch auf der Hand, dass der
Schutz des Unternehmens weder einen (weitgehenden) Unterhaltsverzicht (vgl. BGH,
Beschluss vom 15.03.2017 – XII ZB 109/16 – Rn. 45, juris) noch den Ausschluss des
Zugewinnausgleichs hinsichtlich des Privatvermögens rechtfertigen konnte. Auch war
ersichtlich, dass die Ehefrau nach dem Vertrag weder bestimmte Vermögenswerte noch
die Zahlung bestimmter Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen
konnte.
(c)
Ergibt sich, wie hier, die Sittenwidrigkeit der getroffenen Abreden aus der
Gesamtwürdigung des Vertrages, so erfasst die Nichtigkeitsfolge den gesamten Vertrag
(vgl. BGH,
22).
2.
Da der Ehevertrag vom 25.09.1995 nichtig ist, sind sämtliche Scheidungsfolgesachen
nach den gesetzlichen Vorschriften zu regeln. Der Ehefrau hat daher, da gemäß § 1363
Abs. 1 BGB der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft besteht, gegen den
Ehemann den mit dem Hauptantrag zu 1.) geltend gemachten Auskunftsanspruch für die
Stichtage Eheschließung, Trennung und Zustellung des Scheidungsantrags gemäß § 1379
BGB. Der Senat hat in geringfügiger Abweichung vom Antrag der Ehefrau den jedenfalls
nach den amtsgerichtlichen Feststellungen unstreitigen Trennungstag 28.06.2014
zugrunde gelegt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 Abs. 4 S. 1 FamFG und die Wertfestsetzung hat
ihre Rechtsgrundlage in § 40 Abs. 1 S. 1 FamFG.
IV.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 70
Abs. 2 FamFG). Entgegen der Ansicht des Ehemannes liegt eine Abweichung des BGH
von seiner bisherigen Rechtsprechung nicht vor.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Hamm
Erscheinungsdatum:23.01.2020
Aktenzeichen:4 UF 86/17
Rechtsgebiete:
Ehegatten- und Scheidungsunterhalt
Versorgungsausgleich
Ehevertrag und Eherecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Eheliches Güterrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BWNotZ 2020, 176-189
Normen in Titel:BGB § 138