Teilung des Versicherungsselbstbehalts bei Wohnungseigentümern
letzte Aktualisierung: 15.12.2022
BGH, Urt. v. 16.9.2022 – V ZR 69/21
WEG §§ 10 Abs. 2, 16 Abs. 2, 18 Abs. 2 Nr. 1
Teilung des Versicherungsselbstbehalts bei Wohnungseigentümern
1. Kommt es für die Frage, ob eine Verwaltungsmaßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung
entspricht, auf eine umstrittene und höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage an (hier: Verteilung des
Selbstbehalts in einer verbundenen Gebäudeversicherung), ist die Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer berechtigt, durch Mehrheitsbeschluss zu entscheiden, welche Auffassung für
die künftige Verwaltungspraxis maßgeblich sein soll. Ein solcher Beschluss kann mit einer
Beschlussersetzungsklage gerichtlich erzwungen werden.
2a. Tritt in einer Wohnungseigentumsanlage aufgrund einer defekten Wasserleitung ein Schaden ein,
ist ein von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in der verbundenen Gebäudeversicherung
vereinbarter Selbstbehalt, durch den der Versicherer einen bestimmten Teil des ansonsten
versicherten Interesses nicht zu ersetzen hat, wie die Versicherungsprämie nach dem gesetzlichen
bzw. vereinbarten Verteilungsschlüssel zu verteilen. Dies gilt unabhängig davon, ob der
Leitungswasserschaden an dem Gemeinschaftseigentum oder – ausschließlich oder teilweise – an
dem Sondereigentum entstanden ist.
2b. Die Wohnungseigentümer können gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG eine von dem allgemeinen
Umlageschlüssel abweichende Verteilung des Selbstbehalts beschließen.
2c. Ein auf § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG gestützter Anspruch eines Wohnungseigentümers auf
Anpassung der Kostenverteilung für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten ist nur
dann gegeben, wenn zugleich die in § 10 Abs. 2 WEG genannten Voraussetzungen vorliegen
(Fortführung von Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 – V ZR 114/09,
gilt auch bei der Verteilung eines in der verbundenen Gebäudeversicherung vereinbarten
Selbstbehalts.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts scheitert die Beschlussersetzungsklage
schon daran, dass die Beklagten nicht mehr passivlegitimiert sind. Seit der
Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes zum 1. Dezember 2020 müssten
die zu diesem Zeitpunkt bereits anhängigen Beschlussersetzungsklagen gegen
die GdWE und nicht gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichtet werden.
Darüber hinaus stehe der Klägerin kein Anspruch auf die beantragten Beschlussfassungen
zu. Für den ersten Antrag fehle schon die Beschlusskompetenz, weil
der Verband für die Beseitigung von Schäden am Sondereigentum nicht zuständig
sei. Mehrheitsbeschlüsse zur Übernahme der Schadensregulierung im Sondereigentum
seien mangels Beschlusskompetenz nichtig. Unbegründet sei auch
der Antrag zu 2. Zwar könne die Verteilung des Selbstbehalts gemäß § 16
Abs. 2 WEG Gegenstand einer Beschlussfassung sein. Es fehle aber an einer
für die Beschlussersetzung erforderlichen Ermessensreduzierung auf Null. Da
das auf die Sachmängelhaftung bezogene Gerichtsverfahren nicht beendet sei,
erscheine derzeit eine Regelung über die Verteilung des Selbstbehalts nicht angezeigt.
Bei einem günstigen Ausgang des Verfahrens sei wegen einer dann erfolgenden
Mängelbeseitigung nicht mit weiteren Schadensfällen zu rechnen; zudem
seien Schadenersatzleistungen zu erwarten. Außerdem sei fraglich, ob es
ordnungsmäßiger Verwaltung entspreche, die Verteilung des Selbstbehalts von
dem Bereich abhängig zu machen, in dem der Schaden entstanden sei. Für
Schäden am Gemeinschaftseigentum müsse insgesamt die Gemeinschaft aufkommen.
Zudem sei zu beachten, dass die Wohnungseigentümer, anders als
dies bisher praktiziert werde, Schäden im Sondereigentum selbst beseitigen
müssten und der Verband lediglich zur Unterstützung bei der Abwicklung des
Versicherungsfalles verpflichtet sei. Die GdWE müsse daher über die Verteilung
des Selbstbehalts erst entscheiden, wenn sie von einem Sondereigentümer in
Anspruch genommen werde.
II.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der von dem Berufungsgericht
gegebenen Begründung lässt sich die von der Klägerin begehrte Beschlussfassung
nicht ablehnen.
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die beklagten
Wohnungseigentümer weiterhin die richtigen Klagegegner. Zwar ist eine auf Beschlussersetzung
gerichtete Klage eines Wohnungseigentümers gemäß § 44
Abs. 2 Satz 1 WEG in der Fassung des am 1. Dezember 2020 in Kraft getretenen
Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) vom 16. Oktober 2020
(BGBl I 2020 S. 2187) gegen die GdWE zu richten. Für die - wie hier - bis zum
30. November 2020 anhängig gewordenen Verfahren nach § 21 Abs. 8 WEG aF
ist aber - wie der Senat inzwischen, allerdings erst nach Erlass des Berufungsurteils,
entschieden hat - in analoger Anwendung von
geltende Verfahrensrecht anzuwenden und die Klage auch weiterhin gegen die
übrigen Wohnungseigentümer zu richten (näher dazu Senat, Urteil vom 25. Februar
2022 - V ZR 65/21,
2. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Beschlussersetzung, das der Senat
von Amts wegen zu prüfen hat und von dessen Vorliegen auch das Berufungsgericht
unausgesprochen ausgeht, ist gegeben, obwohl die Wohnungseigentümer
bislang über das Begehren der Klägerin noch keinen Beschluss gefasst
haben. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt nämlich trotz fehlender Vorbefassung
nicht, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen
werden kann, dass der Antrag in der Eigentümerversammlung nicht die erforderliche
Mehrheit finden wird, so dass die Befassung der Versammlung eine
unnötige Förmelei wäre (Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 114/09, BGHZ
184, 88 Rn. 15). Hiervon ist auf der Grundlage des Vorbringens der Klägerin,
gegen das die Beklagten keine Einwendungen erhoben haben, auszugehen.
3. In der Sache ist die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Voraussetzungen
für eine gerichtlich zu ersetzende Beschlussfassung verneint, von
Rechtsfehlern beeinflusst.
a) Die Beschlussersetzungsklage dient der gerichtlichen Durchsetzung
des Anspruchs des Wohnungseigentümers auf ordnungsmäßige Verwaltung gemäß
Rn. 9 f.; Urteil vom 4. Mai 2018 - V ZR 203/17,
zu § 21 Abs. 4 WEG aF); durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz
haben sich insoweit keine Änderungen ergeben. Die Klage ist daher begründet,
wenn der klagende Wohnungseigentümer einen Anspruch auf den seinem
Rechtsschutzziel entsprechenden Beschluss hat, weil nur eine Beschlussfassung
ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht (vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 82
zu § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG). Abzustellen ist auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen
Tatsachenverhandlung (vgl. Senat, Urteil vom 4. Mai 2018 - V ZR 203/17,
aaO Rn. 26) und damit auch in Übergangsfällen - wie hier - auf das neue materielle
Recht (vgl. Senat, Urteil vom 25. Februar 2022 - V ZR 65/21,
Rn. 23).
b) Hat der klagende Wohnungseigentümer einen Anspruch auf eine Beschlussfassung
und verbleibt den Wohnungseigentümern bei der Auswahl der zu
treffenden Maßnahmen - wie dies regelmäßig etwa bei der Instandhaltung des
Gemeinschaftseigentums der Fall ist (vgl. Senat, Urteil vom 14. Juni 2019
- V ZR 254/17,
Beschlussersetzungsklage das den Wohnungseigentümern zustehende Ermessen
durch das Gericht ausgeübt. Prozessual wird der gerichtlichen Ermessensausübung
dadurch Rechnung getragen, dass - anders als nach der allgemeinen
Vorschrift des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO - die Angabe des Rechtsschutzziels
genügt (vgl. Senat, Urteil vom 24. Mai 2013 - V ZR 182/12,
Rn. 23). An den Wortlaut eines konkreten Klageantrages ist das Gericht daher
nicht gebunden und abweichend von diesem ermächtigt, diejenigen Maßnahmen
anzuordnen, die nach billigem Ermessen notwendig sind, um dem Rechtsschutzziel
des klagenden Eigentümers zu entsprechen (vgl. Suilmann in Jennißen,
WEG, 7. Aufl., § 44 Rn. 134). Auch wenn beispielsweise der klagende Wohnungseigentümer
keinen Anspruch auf Durchführung einer mit der Klage konkret
verlangten Sanierungsmaßnahme hat, können die Voraussetzungen für die Er-
setzung eines so genannten Grundlagenbeschlusses vorliegen, nach dem zusoll,
während das
der Ausgestaltung durch die Wohnungseigentümer vorbehalten bleibt (vgl.
zu einem Grundlagenbeschluss Senat, Urteil vom 4. Mai 2018 - ZR 203/17, NJW
2018, 3238 Rn. 8, 29). Eine Beschlussersetzungsklage ist deshalb nicht nur dann
begründet, wenn das Ermessen der Wohnungseigentümer in dem Sinne auf
formulierten Inhalt ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht (unzutreffend daher
LG Köln,
c) Gemessen hieran rechtfertigt die Begründung des Berufungsgerichts
die Abweisung der Klage nicht.
aa) Das Berufungsgericht übersieht bereits im Ausgangspunkt, dass die
Klägerin mit ihren beiden Beschlussersetzungsanträgen der Sache nach dasselbe
Rechtsschutzziel verfolgt. Sie will nämlich die derzeitige Verwaltungspraxis
- soweit es um die Kostenverteilung geht - ändern lassen, nach der sie wegen
des im Versicherungsfall verbleibenden Selbstbehalts (anteilig) an den Kosten
der Schadensbeseitigung im Sondereigentum der Beklagten beteiligt wird. Sie
meint, dass zu der Erreichung dieses Ziels - entsprechend ihren Anträgen - mehrere
ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechende Maßnahmen in Betracht
kämen. Die Klage ist deshalb begründet, wenn die Klägerin überhaupt einen Anspruch
auf eine Beschlussfassung hat, die ihrem Rechtsschutzziel Rechnung
trägt. Eine Bindung an die konkreten Klageanträge besteht nicht. Insoweit muss
das Ermessen nicht auf null reduziert sein.
bb) Die Beschlussersetzung scheitert auch nicht an der fehlenden Beschlusskompetenz
der Wohnungseigentümer. Diese ist nicht nur für den zweiten
von der Klägerin formulierten Klageantrag gegeben, wovon das Berufungsgericht
im Ergebnis zutreffend ausgeht (vgl. dazu näher unten unter IV.1.), sondern
ebenfalls für den ersten Antrag.
(1) Insoweit hat das Berufungsgericht das Rechtsschutzziel der Klägerin
nicht richtig erfasst. Die Revision rügt zu Recht, dass die Klägerin keine Beschlussfassung
herbeiführen möchte, nach der die GdWE für eine Schadensbeseitigung
im Bereich des Sondereigentums zuständig ist, aber die betroffenen
Sondereigentümer die Kosten zu tragen haben. Sie stützt ihre Anträge ausdrücklich
darauf, dass die Beklagten die Schäden an ihrem Sondereigentum auf eigene
Kosten zu beseitigen hätten, und begehrt eine Beschlussfassung, die dieser
Rechtslage im Hinblick auf den im Versicherungsvertrag vereinbarten Selbstbehalt
bei Schäden am Sondereigentum entspricht. Dass es ihr allein um die Umlage
des Selbstbehalts geht, ergibt sich daraus, dass die über den Selbstbehalt
hinausgehenden Schäden von der Versicherung erstattet werden. Auch wenn die
Sondereigentümer die Schäden im Bereich ihres Sondereigentums selbst beheben
müssten, wie es das Berufungsgericht für richtig hält, wäre die Frage der
Verteilung des Selbstbehalts nicht obsolet. Die Wohnungseigentümer könnten
dann beschließen, wie die GdWE mit auf den Selbstbehalt bezogenen Erstattungsverlangen
umgeht. Da der Regelungsbedarf angesichts der Streitigkeiten
derzeit besteht, muss sich die Klägerin entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
nicht darauf verweisen lassen, spätere Prozesse der Sondereigentümer
gegen die GdWE abzuwarten.
(2) Wird das Rechtsschutzziel der Klägerin interessengerecht in diesem
Sinne ausgelegt, lässt sich die Beschlusskompetenz nicht verneinen. Auf die
nachgelagerte Frage, ob der Selbstbehalt zu den Kosten des § 16 Abs. 2
Satz 1 WEG zählt (vgl. dazu unten unter III. 3.), kommt es in diesem Zusammenhang
nicht an.
(a) Um eine bloße Klarstellung, die nach der Rechtsprechung des Senats
Gegenstand eines Beschlusses sein kann, wenn dieser keine Zweifel an der
Rechtslage aufkommen lässt (vgl. Senat, Urteil vom 28. Oktober 2016
- V ZR 91/16,
Frage, ob die Wohnungseigentümer im Hinblick auf Themen, die sich rechtlich
nicht sicher beurteilen lassen und über die sie sich nicht einig sind, ihre zukünftige
Verwaltung durch Beschluss festlegen können. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen,
wenn es für die Frage, ob eine Verwaltungsmaßnahme ordnungsmäßiger
Verwaltung entspricht, auf eine umstrittene und höchstrichterliche ungeklärte
Rechtsfrage ankommt (hier: Verteilung des Selbstbehalts in einer verbundenen
Gebäudeversicherung, vgl. näher zum Streitstand unten unter III.1. und 2.). In
diesem Fall ist die GdWE berechtigt, durch Mehrheitsbeschluss zu entscheiden,
welche Auffassung für die künftige Verwaltungspraxis maßgeblich sein soll. Ein
solcher Beschluss entfaltet gemäß § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG, wenn er nicht nichtig
ist, ohne weiteres Wirkung und bildet für das Verwaltungshandeln die Grundlage,
an die sich auch und insbesondere der Verwalter zu halten hat. Er bietet gegenüber
einer Feststellungsklage (vgl. dazu Senat, Urteil vom 13. Mai 2016
- V ZR 152/15,
kann, ohne das Ergebnis eines unter Umständen langwierigen und aufwändigen
Gerichtsverfahrens zu einer für die Verwaltungspraxis bedeutsamen
Frage abwarten zu müssen.
(b) Dies bedeutet allerdings nicht, dass mit einem solchen Beschluss die
Rechtslage - vergleichbar mit einem rechtskräftigen Urteil - abschließend verbindlich
festgeschrieben wird. Möglich bleibt eine Beschlussmängelklage. Wird
der Beschluss bestandskräftig und klärt sich später, dass die zuvor beschlossene
Praxis rechtswidrig ist, weil es eine von der Praxis abweichende höchstrichterliche
Rechtsprechung gibt, muss ein abändernder Beschluss gefasst werden, was
notfalls mit der Beschlussersetzungsklage durchgesetzt werden kann.
(c) Haben die Wohnungseigentümer aber die Kompetenz, einen entsprechenden
Beschluss zu fassen, kann dieser auch - wie hier von der Klägerin erstrebt
- mit einer Beschlussersetzungsklage erzwungen werden. In diesem Verfahren
ist dann zu klären, ob die bisherige oder die verlangte neue Praxis rechtmäßig
ist. Einen neuen Beschluss können die Wohnungseigentümer nur unter
Beachtung der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung treffen (vgl. zu den
Wirkungen eines Gestaltungsurteils Senat, Urteil vom 11. Februar 2018
- V ZR 148/17,
cc) Nicht zutreffend ist schließlich die weitere Überlegung des Berufungsgerichts,
dass der Regelungsbedarf für die Beschlussersetzungsklage deshalb
nicht gegeben ist, weil der Rechtsstreit gegen das Unternehmen, das die Kupferrohrleitungen
verlegt hatte, noch nicht abgeschlossen ist. Hierauf muss sich die
Klägerin nicht verweisen lassen, zumal die Dauer des Verfahrens nicht absehbar
ist.
III.
Soweit es um den Klageantrag zu 1 geht, erweist sich die Entscheidung
aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Insoweit ist die Revision zurückzuweisen.
Die in der GdWE derzeit praktizierte Verteilung des Selbstbehalts bei
einem Leitungswasserschaden nach Miteigentumsanteilen ist rechtmäßig, so
dass die Klägerin nicht verlangen kann, dass ein ihrer Rechtsauffassung entsprechender
Beschluss durch das Gericht ersetzt wird. Hierauf zielt sie mit ihrem Antrag
zu 1. Die Behandlung eines in der verbundenen Gebäudeversicherung vereinbarten
Selbstbehalts ist in Rechtsprechung und Literatur allerdings umstritten.
1. Nach verbreiteter Ansicht soll ein in der verbundenen Gebäudeversicherung
vereinbarter Selbstbehalt unabhängig davon, ob im Schadensfall das
Gemeinschafts- oder das Sondereigentum betroffen ist, als ein Teil der von der
Gemeinschaft zu tragenden Kosten anzusehen sein; da alle Wohnungseigentümer
von den Prämienvorteilen aufgrund des Selbstbehaltes profitierten, müssten
sie auch die finanziellen Folgen im Schadensfall gemeinschaftlich tragen (vgl. LG
Karlsruhe,
Lemgo,
BeckOGK/Karkmann, WEG [1.3.2020], § 21 Rn. 99; juris-PK-BGB/Reichel-Scherer,
9. Aufl. [23.9.2019], § 21 WEG Rn. 341; MüKoBGB/Rüscher, 8. Aufl., § 19
WEG nF Rn. 41; Sauren/Sauren, WEG, 6. Aufl., § 27 Rn. 37; Sommer/Heinemann
in Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 19 Rn. 139; Deckert/Blankenstein, ETW,
Abramenko,
2015, 341, 348; ders.,
Selbstbehalt zu übernehmen. Dies ergebe sich, wenn die Mitversicherung des
Sondereigentums vereinbart ist, bereits aus der Gemeinschaftsordnung (vgl. AG
Saarbrücken,
Verband und den Mitgliedern bestehenden Treuepflicht (vgl. LG Karlsruhe, ZWE
2019, 324 Rn. 37; Dötsch,
ähnlich Abramenko,
2. Nach der Gegenauffassung, auf welche sich die Klägerin beruft, kommt
es für die Verteilung des Selbstbehalts darauf an, ob der Schaden am Gemeinschaftseigentum
oder am Sondereigentum eingetreten ist. Begründet wird diese
Ansicht damit, dass die Vereinbarung eines Selbstbehaltes eine bewusste Unterversicherung
darstelle und zur Folge habe, dass jeder Wohnungseigentümer den
bei ihm eingetretenen und nicht von der Versicherungsleistung abgedeckten
Schaden selbst tragen müsse (vgl. BeckOK WEG/Elzer [1.1.2022], § 19 Rn. 128;
Armbrüster,
einer auch das Sondereigentum umfassenden Gebäudeversicherung werde das
versicherte Risiko lediglich in dem Umfang des vereinbarten Versicherungsschutzes
auf den Versicherer übertragen (vgl. Nußbaum,
verbleibe im Übrigen bei den einzelnen Wohnungseigentümern, ohne dass diesen
gegenüber der Pflichtenkreis der GdWE erweitert werde (vgl. OLG Köln,
Handbuch WEG, 2. Aufl., § 6 Rn. 202) oder Ansprüche gegen die GdWE
begründet würden (vgl. Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 19 Rn. 129). Werde nur das
Sondereigentum beschädigt, müsse der Sondereigentümer den Selbstbehalt alleine
tragen. Werden Sonder- und Gemeinschaftseigentum beschädigt, sei eine
verhältnismäßige Verteilung des Selbstbehalts nach den betroffenen Schadenbereichen
vorzunehmen (vgl. Bärmann/Armbrüster, WEG, 14. Aufl. 2018, § 1
Rn. 253; Bärmann/Suilmann, WEG, 14. Aufl. 2018, § 14 Rn. 32; Hügel/Elzer,
WEG, 3. Aufl., § 19 Rn. 130; Grüneberg/Wicke, BGB, 81. Aufl., § 19 WEG Rn. 19;
Vandenhouten in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, WEG, 13. Aufl.
2020, § 21 Rn. 130).
3. Die zuerst genannte Auffassung ist zutreffend. Tritt in einer Wohnungseigentumsanlage
aufgrund einer defekten Wasserleitung ein Schaden ein, ist ein
von der GdWE in der verbundenen Gebäudeversicherung vereinbarter Selbstbehalt,
durch den der Versicherer einen bestimmten Teil des ansonsten versicherten
Interesses nicht zu ersetzen hat, wie die Versicherungsprämie nach dem gesetzlichen
bzw. vereinbarten Verteilungsschlüssel (§ 16 Abs. 2 Satz 1 WEG) zu
verteilen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Leitungswasserschaden an dem
Gemeinschaftseigentum oder - ausschließlich oder teilweise - an dem Sondereigentum
entstanden ist.
a) Auf die Streitfrage kommt es für die Begründetheit der Beschlussersetzungsklage
an. Hierfür kann offenbleiben, in welchem Umfang Wasserleitungen
im Sondereigentum oder im Gemeinschaftseigentum stehen.
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats gehören die Leitungen zu dem
im Gemeinschaftseigentum stehenden Versorgungsnetz nicht nur bis zu ihrem
Eintritt in den räumlichen Bereich des Sondereigentums, sondern jedenfalls bis
zu der ersten für die Handhabung durch den Sondereigentümer vorgesehenen
Absperrmöglichkeit (Senat, Urteil vom 9. Dezember 2016 - V ZR 124/16, WuM
2017, 224 Rn. 11; Urteil vom 26. Oktober 2012 - V ZR 57/12,
Rn. 20 f.). Offen gelassen hat der Senat bisher, ob die Versorgungsleitungen
nach der ersten Absperrmöglichkeit - in diesem Bereich sollen die Leckagen nach
dem Vortrag der Klägerin bislang entstanden sein - sondereigentumsfähig sind.
Dies wird unterschiedlich beurteilt (siehe zum Streitstand BeckOGK/Monreal,
WEG [1.12.2021], § 5 Rn. 103). Auch wenn man dies verneinte, also die gesamten
Leitungen als dem Gemeinschaftseigentum zugehörig ansähe (so
würde sich die Frage, wie ein Selbstbehalt zu verteilen ist, nicht erledigen. Da
nämlich auch in diesem Fall nicht ausschließlich Schäden am Gemeinschaftsei-
gentum in Rede stünden, sondern ebenfalls Schäden am Sondereigentum möglich
bzw. naheliegend wären (z.B. Wasserschäden an Innentüren, Tapeten, Fliesen,
Parkett etc.), käme es nach der von der Klägerin für richtig gehaltenen Auffassung
zu einer Quotierung des Selbstbehalts. Der Sondereigentümer hätte jedenfalls
anteilig den Selbstbehalt alleine zu tragen, während nach der von dem
Senat für richtig gehaltenen Auffassung alle Wohnungseigentümer für den
Selbstbehalt nach dem in der Gemeinschaft maßgeblichen Verteilungsschlüssel
aufkommen müssten. Eine nur teilweise Auferlegung des Selbstbehalts auf den
Sondereigentümer würde - als ein bloßes Weniger - von dem Rechtsschutzziel
der Klägerin umfasst. Dem steht nicht entgegen, dass sie mit ihrem ersten Klageantrag
den Selbstbehalt vollständig dem Sondereigentümer zuweisen möchte,
weil sie erkennbar davon ausgeht, dass die Leitungen nach der ersten Absperreinrichtung
im Sondereigentum stehen und deshalb ein Schaden am Gemeinschaftseigentum
nicht vorliegt. Bei einer Quotierung des Selbstbehalts würde
sich der Anteil der Klägerin jedenfalls reduzieren.
bb) Durch das Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes
hat sich der auf den Selbstbehalt bezogene Meinungsstreit nicht erledigt.
Stünden die Leitungen insgesamt im Gemeinschaftseigentum, stellte sich zwar
die Frage, ob die GdWE bei einem Leitungsschaden nunmehr nach § 14 Abs. 3
WEG verschuldensunabhängig für die im Sondereigentum eingetretenen, nicht
versicherten Folgeschäden Ausgleich in Geld zu leisten hätte. Während unter der
Geltung des bisherigen Rechts bei faktischen Einwirkungen, die vom Gemeinschaftseigentum
ausgehen, der Sondereigentümer gegen die GdWE weder einen
Entschädigungsanspruch aus § 14 Nr. 4 Halbs. 2 WEG aF hatte noch einen
nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung von
21. Mai 2010 - V ZR 10/10,
nach der Neufassung des
Grundsatz für möglich gehalten (vgl. BeckOGK/Falkner, WEG [1.3.2022], § 14
Rn. 167 f.; BeckOK WEG/Müller [1.3.2022], § 14 Rn. 136; MüKoBGB/Scheller,
8. Aufl., § 14 WEG nF Rn. 46; Dötsch/Schultzky/Zieschack, WEG-Recht 2021,
Kap. 4 Rn. 54; aA Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 1374). Ob
dem zu folgen ist, hält der Senat für zweifelhaft, bedarf aber keiner Entscheidung.
Jedenfalls müsste die vorgelagerte Frage geklärt werden, wie der Selbstbehalt
zwischen den Wohnungseigentümern zu verteilen ist.
b) Nach versicherungsrechtlichen Maßstäben stellt die Vereinbarung eines
Selbstbehalts im Versicherungsvertrag, bei dem der Versicherer einen bestimmten
Betrag des versicherten Schadens nicht ersetzen muss, einen Fall der
bewussten Unterversicherung dar (vgl. Langheid/Wandt/Halbach, VVG, 2. Aufl.
§ 75 Rn. 9; Looschelders/Pohlmann/von Koppenfels-Spies, VVG, 3. Aufl., § 75
Rn. 14; Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 31. Aufl., § 75 Rn. 9). Das könnte für eine
Verteilung des Selbstbehalts allein nach Schadensbereichen und bei Schäden
ausschließlich am Sondereigentum gegen eine Verteilung nach dem allgemeinen
(§ 16 Abs. 2 WEG) oder einem vereinbarten Verteilungsschlüssel sprechen. Eine
solche Sichtweise wird aber der Interessenlage der Wohnungseigentümer bei
Abschluss einer verbundenen Gebäudeversicherung nicht hinreichend gerecht.
aa) Schließt eine Wohnungseigentümergemeinschaft für das gesamte Gebäude
eine Gebäudeversicherung ab, handelt es sich - mit Ausnahme von etwaigem
Verbandseigentum - um eine Versicherung auf fremde Rechnung. Versicherungsnehmer
ist der gemäß § 9a Abs. 1 Satz 1 WEG rechtsfähige Verband,
während Versicherte die einzelnen Wohnungseigentümer sind, und zwar sowohl
für ihren ideellen Anteil am Gemeinschaftseigentum als auch für ihr Sondereigentum
(Senat, Urteil vom 16. September 2016 - V ZR 29/16,
Rn. 6). Eine Gebäudeversicherung wird von der GdWE in der berechtigten Erwartung
der Wohnungseigentümer abgeschlossen, dass ihnen die versicherten
Risiken abgenommen werden. Aus Sicht der Wohnungseigentümer schützt sie
der von allen über das Hausgeld finanzierte Versicherungsvertrag im Versicherungsfall
unabhängig von dem Bereich der Schadensursache vor den wirtschaftlichen
Folgen der Beschädigung des Gemeinschafts- und des Sondereigentums.
bb) Eine im Versicherungsvertrag getroffene Vereinbarung eines Selbstbehalts
ändert daran nichts.
(1) Die Entscheidung für einen Selbstbehalt im Versicherungsvertrag ist
regelmäßig damit verbunden, dass der Verband als Versicherungsnehmer eine
herabgesetzte Prämie zu zahlen hat (vgl. LG Frankfurt a.M.,
525; Looschelders/Pohlmann/von Koppenfels-Spies, VVG, 3. Aufl., § 75 Rn. 14;
Staudinger/Halm/Wendt/Schneider, Versicherungsrecht, 2. Aufl., § 75 VVG
Rn. 10). Das ist für die Wohnungseigentümer wegen der damit einhergehenden
Verringerung des Hausgeldes wirtschaftlich sinnvoll. Grundlage der Entscheidung
zugunsten eines Selbstbehaltes ist dabei die Erwartung der Wohnungseigentümer,
dass das durch Mehrheitsentscheidung eingegangene Risiko in Höhe
des Selbstbehalts für alle vom Versicherungsumfang erfassten Sachen gemeinschaftlich
getragen wird. Müsste der betroffene Wohnungseigentümer den im
Versicherungsvertrag mit der GdWE vereinbarten Selbstbehalt bei Schäden an
seinem Sondereigentum, für die auch die Gemeinschaft nicht einstandspflichtig
ist, allein tragen, stünden ihm Versicherungsleistungen regelmäßig nicht oder nur
in deutlich reduziertem Umfang zu. Er hätte damit im Schadensfall zugunsten der
übrigen Wohnungseigentümer in Höhe des Selbstbehalts ein Sonderopfer zu tragen
(vgl. Abramenko,
aufgrund der Herabsetzung der von allen getragenen Versicherungsprämie übermäßig
belastete. Auf ein derartiges Risiko würde sich vernünftigerweise kein
Wohnungseigentümer einlassen (vgl. AG Saarbrücken,
MüKoBGB/Rüscher, 8. Aufl., § 19 WEG nF Rn. 41). Zudem blieben bei einer
solchen Sichtweise die Belange der vermietenden Wohnungseigentümer unberücksichtigt,
die regelmäßig den Anteil an der Versicherungsprämie gemäß § 556
Abs. 1 Satz 2, 3 BGB, § 2 Nr. 13 BetrKV auf einen Mieter umlegen können (vgl.
dazu BGH, Urteil vom 6. Juni 2018 - VIII ZR 38/17,
den Selbstbehalt hingegen nach ganz überwiegender Ansicht in voller Höhe
allein tragen müssten (vgl. MükoBGB/Zehelein, 8. Aufl., § 2 BetrKV Rn. 61 mwN).
(2) Soweit demgegenüber darauf abgestellt wird, der betroffene Wohnungseigentümer
sei für sein Sondereigentum selbst verantwortlich und habe
- nach dem Grundsatz casum sentit dominus - den Schaden allein zu tragen (vgl.
Armbrüster,
Wohnungseigentümer aufgrund der Versicherung des gesamten Gebäudes
nicht allein über das von ihm zu tragende Risiko entscheiden und das aufgrund
der Mehrheitsentscheidung hinzunehmende Risiko regelmäßig nicht anderweitig
versichern kann (vgl. LG Frankfurt a.M.,
Deckert/Köhler, ETW, Stand September 2004, Gruppe 9 Rn. 59; Dötsch, NZM
2018, 353, 367). Eine solche Lösung führte auch zu ungerechten und zufälligen
Ergebnissen, wenn die Regelung in dem Versicherungsvertrag einen Selbstbehalt
erst ab einer bestimmten Häufung von Schadensfällen im Versicherungsjahr
vorsieht (vgl. Greiner,
unterscheidet sich die Vereinbarung eines Selbstbehalts maßgeblich von
anderen Fällen der Unterversicherung, in denen eine Versicherung nicht eintritt
und die Fehlbeträge von den geschädigten Sondereigentümern alleine zu tragen
sind. Während es nämlich bei der Vereinbarung eines Selbstbehalts bei der gebotenen
typisierten Betrachtungsweise um ein für die Wohnungseigentümer
überschaubares Risiko geht, widerspricht es regelmäßig den Grundsätzen ordnungsmäßiger
Verwaltung, wenn eine Gebäudeversicherung mit einem erkennbar
unzureichenden Höchstbetrag abgeschlossen wird und infolgedessen erhebliche
und nicht kalkulierbare Schäden von vornherein nicht abgedeckt sind. Dass
- auch in diesem Fall - eine geringere Prämie zu zahlen ist, steht in keinem Verhältnis
zu dem eingegangenen Risiko.
(3) Der (generellen) Zuordnung des Selbstbehalts zu den Gemeinschaftskosten
kann die Revision auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Versicherung
des gesamten Gebäudes erweitere nicht den gesetzlichen Aufgabenkreis der
GdWE. Richtig ist zwar, dass die Schadensbeseitigung am Sondereigentum nicht
Aufgabe der GdWE ist. Die Zuständigkeit für bauliche Maßnahmen am Sondereigentum
verbleibt nämlich bei dem betroffenen Wohnungseigentümer, und die
GdWE kann hierzu nur unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 WEG Beschlüsse
fassen. Die rechtliche Behandlung des Selbstbehalts betrifft aber nicht
die Verantwortlichkeit des Verbandes für die Schadensbeseitigung, sondern die
Verteilung des nach der Regulierung verbleibenden Fehlbetrags auf die Wohnungseigentümer
auf der Grundlage des von der GdWE abgeschlossenen Versicherungsvertrags,
der bei der verbundenen Gebäudeversicherung insgesamt
in die gemeinschaftliche Verwaltung fällt (vgl. Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl.
2018, § 21 Rn. 134 mwN). Den Selbstbehalt wie die Versicherungsprämie als
Teil der Kosten der Gemeinschaft anzusehen, entspricht dabei auch einem praktischen
Bedürfnis, weil Schwierigkeiten bei der Quotelung vermieden werden,
wenn verschiedene Eigentumsbereiche betroffen sind (vgl. LG Frankfurt a.M.,
nicht sicher aufklärbar ist.
(4) Die Interessenlage der Wohnungseigentümer ist allerdings eine andere,
wenn - wie hier - in einer schadengeneigten Wohnungseigentumsanlage
nach einem Versicherungsfall die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses von
dem Versicherer an die Vereinbarung eines Selbstbehaltes geknüpft wird. Dies
ändert aber nichts an dem Ergebnis. Die GdWE hat den Selbstbehalt regelmäßig
zur Vermeidung einer Kündigung des Versicherungsvertrages gemäß § 92
Abs. 1 VVG zu akzeptieren, da es ihr wegen der bisherigen Schäden angesichts
der Anzeigepflicht des § 19 Abs. 1 VVG meist nicht möglich sein wird, bei einem
anderen Versicherer eine Gebäudeversicherung (ohne Selbstbeteiligung) abzuschließen
(vgl. Nußbaum in Festschrift Deckert 2002, S. 291, 301). Die Vereinbarung
eines Selbstbehalts kommt auch in diesem Fall allen Wohnungseigentümern
zugute, da andernfalls deren Anspruch gegen die Gemeinschaft auf angemessene
Versicherung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Neuwert (§ 19
Abs. 2 Nr. 3 WEG) nicht erfüllt werden könnte. Im Umkehrschluss sind die sich
daraus ergebenden Risiken nicht von dem im Schadensfall zufällig betroffenen
Wohnungseigentümer allein, sondern von der GdWE und - nach der Verteilung -
grundsätzlich von allen Wohnungseigentümern zu tragen.
c) Im Ergebnis stellt daher der im Schadensfall in der verbundenen Gebäudeversicherung
verbleibende Selbstbehalt bei wertender Betrachtung wie die
Versicherungsprämie einen Teil der Gemeinschaftskosten gemäß § 16 Abs. 2
Satz 1 WEG dar. Er fällt der GdWE zur Last. Entweder beseitigt sie den Schaden
und trägt die Kosten, die sie wegen des Selbstbehalts von der Versicherung nicht
ersetzt bekommt, oder der betroffene Wohnungseigentümer hat Aufwendungen,
die ihm die GdWE erstattet, wobei der in Höhe des Selbstbehalts nicht von der
Versicherung gedeckte Schaden wiederum aus dem Gemeinschaftsvermögen
entnommen werden muss. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Gemein-
schafts- oder Sondereigentum beschädigt wurde, und ob der Entschädigungsbetrag
von der GdWE (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 16. September 2016
- V ZR 29/16,
im Versicherungsvertrag abbedungen wurde, von dem betroffenen
Sondereigentümer eingezogen wird. Der Fehlbetrag, der sich in dem einen wie
dem anderen Fall in Höhe des Selbstbehalts auf dem Gemeinschaftskonto ergibt,
ist durch eine zu beschließende Sonderumlage oder mit der Jahresabrechnung
auf alle Wohnungseigentümer nach dem allgemeinen oder einem gemäß § 16
Abs. 2 Satz 2 WEG zu beschließenden Verteilungsschlüssel umzulegen (vgl. LG
Karlsruhe,
Beschluss über Nachschüsse gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG zu fassen.
IV.
Dass hiernach die von der Klägerin für richtig gehaltene Verteilung des
Selbstbehalts nicht den derzeit in der GdWE zu beachtenden Regeln entspricht,
bedeutet aber lediglich, dass sie keinen Anspruch auf Ersetzung eines Beschlusses
entsprechend dem von ihr formulierten Klageantrag zu 1 hat. Von ihrem
Rechtsschutzziel, bei einem Leitungswasserschaden im Bereich der Wohneinheiten
nicht anteilig an dem durch den Selbstbehalt entstehenden Fehlbetrag beteiligt
zu werden, wird aber auch die Ersetzung eines Beschlusses erfasst, durch
den der derzeit maßgebliche Verteilungsschlüssel für die Zukunft geändert wird.
Dies ergibt sich aus dem von ihr formulierten und von dem Berufungsgericht
ebenfalls abgewiesenen Klageantrag zu 2, der für den Fall maßgeblich sein soll,
dass sich die Klägerin mit ihrer vorrangig vertretenen Rechtsauffassung nicht
durchsetzen kann und dem ungeachtet des gleichen Rechtsschutzziels ein eigenständiger
Streitgegenstand zugrunde liegt. Insoweit erweist sich das angegriffene
Urteil nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Ob die Klägerin
unter diesem Aspekt einen Anspruch auf eine entsprechende Beschlussfassung
hat, lässt sich auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts
nicht abschließend beurteilen.
1. Da entsprechend den obigen Ausführungen der Selbstbehalt wertungsmäßig
zu den Gemeinschaftskosten i.S.d. § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG zu zählen ist,
können die Wohnungseigentümer folgerichtig gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG
eine von dem allgemeinen Umlageschlüssel abweichende Verteilung des Selbstbehalts
beschließen (so zum Wohnungseigentumsgesetz in der bis zum 30. November
2020 geltenden Fassung auch BeckOGK/Karkmann, WEG [1.3.2020],
§ 21 Rn. 99; Dötsch,
Abramenko,
2. Dass hiernach eine Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer gegeben
ist, ist aber nicht gleichbedeutend mit einem Anspruch eines Wohnungseigentümers
auf eine entsprechende Beschlussfassung.
a) Der Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Durchsetzung einer für
ihn günstigen Kostenverteilung durch Beschluss besteht nur, wenn zugleich die
Voraussetzungen vorliegen, nach denen der Abschluss oder die Änderung einer
Vereinbarung gemäß § 10 Abs. 2 WEG verlangt werden kann. Der Senat hat dies
zu der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes
entschieden (vgl. Senat, Urteil vom 15. Januar 2010
- V ZR 114/09,
2010 - V ZR 131/10,
ist auch für das neue Wohnungseigentumsgesetz festzuhalten.
aa) Den Wohnungseigentümern ist bei Änderungen des Umlageschlüssels
- wie auch nach § 16 Abs. 3 WEG aF (vgl. dazu Senat, Urteil vom 16. September
2011 - V ZR 3/11,
der Gemeinschaft ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt.
Der Beschluss über eine Kostenverteilung muss, wie dies grundsätzlich in
gilt, lediglich ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen (vgl. Jennißen in Jennißen,
WEG, 7. Aufl., § 16 Rn. 74; MüKoBGB/Scheller, 8. Aufl.,
Rn. 44). Denn der Gesetzgeber hat bei der Neufassung des § 16 Abs. 2 Satz 2
WEG aufgrund der Vielgestaltigkeit möglicher Beschlüsse über die Kostenverteilung
bewusst auf besondere inhaltliche Vorgaben verzichtet (BT-Drucks.
19/18791 S. 56).
bb) Der Anspruch eines Wohnungseigentümers, eine für ihn günstige Kostenverteilung
durchzusetzen, besteht jedoch nicht schon dann, wenn der begehrte
Verteilungsschlüssel dem Grundsatz ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.
Daraus folgt nicht zugleich, dass der bisherige Umlageschlüssel ordnungsmäßiger
Verwaltung widerspricht. Innerhalb der Bandbreite einer ordnungsmäßigen
Verwaltung sind nämlich in der Regel mehrere Kostenverteilungsschlüssel
denkbar (vgl. BeckOK WEG/Bartholome [1.1.2022], § 16 Rn. 129).
cc) Der für den Anspruch auf Abschluss oder Änderung einer Vereinbarung
geltende Maßstab des § 10 Abs. 2 WEG ist auch weiterhin für den Anspruch
auf eine Änderung der Kostenverteilung durch Beschluss heranzuziehen. Nach
dieser Vorschrift, die § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG aF entspricht, kann jeder Wohnungseigentümer
bei Vorliegen der näher beschriebenen Voraussetzungen generell
eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer
Vereinbarung verlangen. Der Gesetzgeber hat durch die Schaffung des Anspruchs
insbesondere die Möglichkeit einer durchsetzbaren Änderung der Kostenverteilung
schaffen wollen (BT-Drucks. 16/887 S. 18 f.). Für die erzwungene
Änderung der Kostenverteilung können aber keine unterschiedlichen Voraussetzungen
gelten, je nachdem, ob sie für einzelne Kosten bzw. bestimmte Arten von
Kosten oder generell Bestand haben soll (vgl. BeckOK WEG/Bartholome
[1.1.2022], § 16 Rn. 132; Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 16 Rn. 90; Jennißen in
Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 16 Rn. 271 f.; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEGRecht
2021, Kapitel 7 Rn. 87; aA BeckOGK/Falkner, WEG [1.12.2021], § 16
Rn. 239).
dd) Die Geltung des von § 10 Abs. 2 WEG vorgegebenen Maßstabs stellt
zudem sicher, dass ein Anpassungsanspruch nur besteht, wenn eine bestimmte
Eingriffsschwelle erreicht wird. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass der Gesetzgeber
mit dem allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel in § 16 Abs. 2 Satz 1
WEG zugunsten einer praktikablen Verwaltung eine pauschalierende und
Rechtsklarheit schaffende Regelung getroffen hat, wobei Unbilligkeiten im Einzelfall
hingenommen wurden (vgl. MüKoBGB/Scheller, 8. Aufl. 2021,
nF Rn. 30). Geringfügige Mehrbelastungen einzelner Wohnungseigentümer hat
der Gesetzgeber damit bewusst in Kauf genommen, so dass diese nicht zugleich
einen Anspruch auf Anpassung begründen können. Ein auf § 16 Abs. 2 Satz 2
WEG gestützter Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Anpassung der Kostenverteilung
für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten ist daher nur
dann gegeben, wenn zugleich die in § 10 Abs. 2 WEG genannten Voraussetzungen
vorliegen. Dies gilt auch bei der Verteilung eines in der verbundenen Gebäudeversicherung
vereinbarten Selbstbehalts.
b) Ob die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch der Klägerin hier
bestehen, kann der Senat mangels hinreichender Feststellungen nicht beurteilen.
V.
Hiernach kann das Berufungsurteil, soweit der auf Beschlussersetzung
gerichtete Antrag zu 2 abgewiesen worden ist, keinen Bestand haben. Es ist gemäß
§ 562 Abs. 1 ZPO teilweise aufzuheben. Da es im Hinblick auf diesen Antrag
weiterer Feststellungen bedarf und die Sache deshalb nicht entscheidungsreif ist,
ist die Sache (nur) insoweit gemäß
zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes
hin:
1. Ob schwerwiegende Gründe nach § 10 Abs. 2 WEG vorliegen, hängt
von einer Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls ab (vgl. dazu Senat,
Urteil vom 17. Dezember 2010 - V ZR 131/10,
11. Juni 2010 - V ZR 174/09,
sind neben einer erheblichen Mehrbelastung des klagenden Eigentümers
auch die Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer einzubeziehen
(vgl. Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 114/09,
Rn. 31).
2. Eine hiernach - im Vergleich zu den übrigen Eigentümern - unbillige
Belastung der Klägerin könnte in Betracht kommen, wenn die Ursache für das
(alleinige bzw. jedenfalls überwiegende) Auftreten der Leitungswasserschäden
im Bereich der Wohneinheiten in dem Leitungsnetz selbst angelegt wäre. Dann
wären die Risiken, die durch die Gebäudeversicherung abgedeckt werden sollen,
unterschiedlich verteilt. Dies könnte - unabhängig von den Eigentumsverhältnissen
an den Leitungen - ein Ansatzpunkt für einen Anspruch auf eine Änderung
des allgemeinen Kostenverteilungsschlüssels sein, soweit es um den Selbstbehalt
in einem Schadensfall geht und auch die weiteren Voraussetzungen des § 10
Abs. 2 WEG vorliegen. Für einen Anspruch genügte es aber nicht, wenn die Ursache
bei gleicher Leitungsqualität in einem unterschiedlichen Nutzungsverhalten
läge. Wie es sich hier verhält, wird von dem Berufungsgericht zu klären sein.
3. Sollte das Berufungsgericht dem Grunde nach einen Anspruch der Klägerin
nach
Praxis abweichende Verteilung des Selbstbehalts bejahen, ist es nicht darauf be-
schränkt, nur einen Beschluss mit dem Inhalt zu ersetzen, den die Klägerin mit
ihrem Klageantrag zu 2 formuliert hat (vgl. oben Rn. 9). Nicht ausgeschlossen ist
insbesondere, dass die Klägerin den Selbstbehalt nur mit einem geringeren Anteil
als bislang zu tragen hat.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:16.09.2022
Aktenzeichen:V ZR 69/21
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
WEG
Miete
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
NJW 2023, 63-70
Normen in Titel:WEG §§ 10 Abs. 2, 16 Abs. 2, 18 Abs. 2 Nr. 1