OLG Rostock 25. Oktober 2021
3 W 147/20
ZGB DDR §§ 385, 388, 389 Abs. 1, 390 Abs. 2 S. 2, 391 Abs. 2; EGBGB Art. 235 § 2; BGB §§ 1923 Abs. 1, 2069, 2270

Bindungswirkung eines Ehegattentestaments in den neuen Bundesländern nach ZGB/DDR

letzte Aktualisierung: 4.5.2022
OLG Rostock, Beschl. v. 25.10.2021 – 3 W 147/20

ZGB DDR §§ 385, 388, 389 Abs. 1, 390 Abs. 2 S. 2, 391 Abs. 2; EGBGB Art. 235 § 2;
BGB §§ 1923 Abs. 1, 2069, 2270
Bindungswirkung eines Ehegattentestaments in den neuen Bundesländern nach
ZGB/DDR

1. Ist ein Ehegattentestament in den neuen Bundesländern zur Zeit der Geltung des ZGB/DDR
errichtet worden, richtet sich die Beurteilung der Wirksamkeit und der Bindungswirkung für den
überlebenden Ehegatten nach den Regelungen des ZGB/DDR.
2. Auf die Wechselbezüglichkeit kommt es bei einem solchen Testament für die Bindungswirkung
nicht an, da das ZGB/DDR eine Wechselbezüglichkeit nicht kannte.

Gründe

I. Die Erblasserin war mit O. F. S. verheiratet, der 1996 vorverstarb. Die Eheleute
Schumacher hatten einen Sohn – U. S. –, der 1957 geboren wurde und 2011 verstarb.
Weitere Kinder hatten die Eheleute Schumacher nicht. Der Sohn U. Schumacher war
zweimal verheiratet. Aus seiner ersten Ehe stammt die Beteiligte zu 2). Ein weiteres Kind
aus dieser Ehe verstarb im Jahr 2006, ohne Abkömmlinge zu hinterlassen. Mit der
Beteiligten zu 1) war der Sohn in zweiter Ehe verheiratet. Kinder sind aus dieser Beziehung
nicht hervorgegangen.

Am 07.07.1979 errichtete die Erblasserin mit ihrem (vorverstorbenen) Ehemann ein
gemeinschaftliches Testament. In jenem Testament heißt es:

„... Hiermit verfügen wir – die Unterzeichner – daß beim Todesfall eines Ehepartners, der andere
Ehepartner das Erbe des gesamten Vermögens u. Besitzes antritt.
Erst mit dem Tod beider Unterzeichner tritt unser Sohn U. S., geb. am 4.3.1957, die Erbfolge an. ...“.

Am 04.07.2012 und am 07.09.2012 errichtete die Erblasserin notarielle Testamente, wobei
sie in dem Testament vom 04.07.20212 die Beteiligte zu 2) als Alleinerbin einsetzte. Diese
Testamente gab die Erblasserin in die amtliche Verwahrung der Hinterlegungsstelle des
Amtsgerichts Rostock, von der die Erblasserin sie im Februar 2018 wieder entnahm.

Am 18.02.2018 errichtete die Erblasserin ein handschriftliches Testament, in dem sie
sämtliche vorangegangenen letztwilligen Verfügungen widerrief und mit dem sie die
Beteiligte zu 2) zu 30 % und die Beteiligte zu 1) zu 70 % als Erben einsetzte. Gleichzeitig
traf sie eine Teilungsanordnung hinsichtlich des in ihrem Eigentum stehenden Grundstücks
in K. und formulierte eine Pflichtteilsklausel zu Lasten der Beteiligten zu 2), zu deren Inhalt
im Einzelnen auf das in der Akte befindliche Testament (Bl. 9 d.A. IV 54/19) Bezug
genommen wird.

Die Beteiligte zu 1) hat mit notarieller Urkunde der Notarin N. aus B. D. vom 13.03.2019
zu deren Urkundenrolle-Nr. 245/2019 einen Erbschein dahingehend beantragt, dass die
Erblasserin von der Beteiligten zu 2) zu 30 % und von der Beteiligten zu 1) zu 70 % beerbt
worden sei. Sie hat sich in diesem Zusammenhang auf das Testament der Erblasserin vom
18.02.2018 berufen und dabei die Auffassung vertreten, dass dieses Testament wirksam
errichtet worden sei. Das gemeinschaftliche Testament der Eheleute S. aus dem Jahr 1979
stehe dem nicht entgegen, da die Erblasserin nicht an dessen Inhalt gebunden sei. Nach
Vorversterben des U. S. sei der dort genannte Schlusserbe weggefallen, ohne dass sich aus
dem Testament die Einsetzung von Ersatzerben ergebe. Eine Schlusserbenstellung der
Beteiligten zu 2) komme allenfalls wegen der gesetzlichen Vermutung des § 2069 BGB in
Betracht. Die Ersatzberufung von Abkömmlingen sei aber nur dann bindend, wenn die
Ersatzberufung nicht nur auf der gesetzlichen Regelung des § 2069 BGB beruhe, sondern
ein darauf gerichteter Wille der Erblasser im Einzelfall feststellbar sei. Hieran fehle es
vorliegend.

Die Beteiligte zu 2) ist dem Antrag entgegengetreten. Sie hat die Auffassung vertreten, dass
es innerhalb der Familie und in der gemeinsamen Vorstellung der Erblasserin und ihres
vorverstorbenen Ehemanns klar gewesen sei, dass sie Alleinerbin werden solle.

Das Amtsgericht – Nachlassgericht – hat in der Anhörung vom 06.03.2020 Beweis erhoben
durch Vernehmung der Zeugen K. L. (Ehemann der Beteiligten zu 2) und I. P. (Mutter der
Beteiligten zu 2) sowie durch schriftliche Vernehmung des Zeugen G. Sch.

Sodann hat das Amtsgericht R. – Nachlassgericht – den Antrag der Beteiligten zu 1) auf den
von ihr begehrten Erbschein zurückgewiesen. Dies hat das Amtsgericht im Wesentlichen
damit begründet, dass die Festlegungen der Eheleute S. im gemeinschaftlichen Testament
vom 07.07.1979 unter Zuhilfenahme einer ergänzenden Auslegung so zu verstehen seien,
dass sie eine Ersatzerbeinsetzung der leiblichen Nachkommen des als Schlusserben
eingesetzten U. S. enthalten würden. Da es sich hierbei um ein wechselbezügliches
Testament der Eheleute S. gehandelt habe, sei die letztwillige Verfügung der Erblasserin mit
Testament vom 13.02.2018 unwirksam. Die Beteiligte zu 2) sei als allein noch lebender
Abkömmling des U. S. nach dessen Vorversterben dementsprechend als Alleinerbin
anzusehen. Wegen der ausführlichen Begründung des Amtsgerichts hierzu wird auf die
amtsgerichtliche Entscheidung vom 04.05.2020 verwiesen.

Hiergegen hat die Beteiligte zu 1) Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, dass
das gemeinschaftliche Testament der Eheleute S. zwar eine wechselbezügliche Regelung
dahingehend enthalte, dass der gemeinsame Sohn U. S. zum Schlusserben eingesetzt werde,
da dieser jedoch vorverstorben sei, komme es auf diese Wechselbezüglichkeit nicht mehr
an. Deshalb bestehe auch kein Widerspruch zwischen dem Testament vom 07.07.1979 und
dem vom 13.02.2018. Über eventuell berufene Ersatzerben sage das gemeinschaftliche
Testament der Eheleute S. nichts aus. Zum Zeitpunkt der Errichtung jenes Testaments
seien die Abkömmlinge des U. S. noch nicht geboren, so dass die Eheleute S. ganz bewusst
keine Ersatzerbenregung getroffen hätten. Da der Sohn U. zu jenem Zeitpunkt gerade
einmal 22 Jahre gewesen sei, hätten die Eheleute schlicht nicht damit gerechnet, dass dieser
vorversterben könne. Die Eheleute S. hätten seinerzeit vielmehr noch nicht absehen
können, wie sich die Zukunft entwickeln würde, insbesondere auch, weil der Sohn U.
gerade ein Jahr zuvor die Zeugin P. gegen den Wunsch seiner Eltern geheiratet habe und
unklar gewesen sei, ob die Ehe überhaupt Bestand haben und ein Kind hieraus hervorgehen
würde. Die Eheleute S. hätten mit dem Testament vielmehr nur einen Zweck verfolgt,
nämlich alles ihrem Sohn zu hinterlassen. Weitergehende Regelungen hätten sie dagegen
nicht treffen, sondern zunächst abwarten wollen, wie sich die Zukunft entwickelt.
Keinesfalls hätten die Eheleute S. jedoch den gemeinschaftlichen Willen gehabt, die
leiblichen Abkömmlinge ihres Sohnes als Ersatzerben zu berufen. Hätten sie dies gewollt,
so hätten sie nach der Geburt ihrer Enkelkinder bis zum Zeitpunkt des Versterbens des
Ehemanns der Erblasserin 16 Jahre bzw. 11 Jahre lang Zeit gehabt, ihr Testament zu
ergänzen. Die Eheleute S. seien jedoch untätig geblieben. Sei jemandem indes eine Lücke
nicht bewusst, fehle es auch an dem Bewusstsein, eine Lücke schließen zu müssen. Hinzu
komme, dass zu Zeiten der DDR im Jahr 1979 die Errichtung eines Testaments noch recht
bedeutungslos gewesen sei, da kein hohes Barvermögen vorhanden gewesen und ein
Grundstück eher als Belastung empfunden worden sei. Dies habe sich nach der
Wiedervereinigung radikal geändert. Eigentümer von Grundstücken seien plötzlich
vermögend gewesen. Spätestens jetzt hätten die Eheleute S. ihr Testament auf den
Prüfstand gestellt und seien offenbar zu dem Ergebnis gelangt, dass wegen der Enkel keine
Ergänzung des Testaments vorzunehmen sei. Gerade die Geburt des behinderten Kindes S.
sei dabei ein deutliches Zeichen dafür, dass es nicht Wille der testierenden Eheleute
gewesen sei, ihre Enkelkinder als Ersatzerben einzusetzen. Auch einem juristischen Laien
sei nämlich bewusst, dass das ererbte Vermögen eines behinderten Kindes für dessen
notwendige Pflege und Unterbringung aufgezehrt werde. Würde den Eheleuten der Wille
unterstellt, ihren Nachlass ihren Enkeln zu hinterlassen, hätte dies bedeutet, dass die
Eheleute bereit gewesen wären, einen wesentlichen Vermögensteil zu verlieren. Dem
widerspreche jedoch insbesondere auch die Aussage der Zeugin P., die bekundet habe, dass
das Vermögen der Familie in der Familie habe verbleiben sollen. Der Umstand, dass die
Eheleute S. nach der Geburt ihres behinderten Enkels das Testament nicht umgehend
geändert hätten, spreche dafür, dass die Enkelkinder unter keinen Umständen hätten erben
sollen. Soweit die Zeugin Pilgrim darüber hinaus bekundet habe, dass nach Aussagen der
Eheleute S. nur in gerader Linie habe vererbt werden solle, sei darauf hinzuweisen, dass sich
diese Aussage auf die Zeugin selbst bezogen habe. Es habe nämlich verhindert werden
sollen, dass die Zeugin Pilgrim dem U. S. das Haus im Falle der Scheidung wegnehmen
könne. Hieraus ergebe sich, dass es den Eheleuten S. allein um den Schutz ihres Sohnes
gegangen sei. Soweit es die Erblasserin betreffe, sei zudem darauf hinzuweisen, dass gerade
die Errichtung zweier weiterer Testamente dafürspreche, dass keinesfalls nur in direkter
Linie habe vererbt werden sollen. Vielmehr sei es der Erblasserin offenbar wichtig gewesen,
diejenigen zu bedenken, die sich ihr gegenüber besonders ausgezeichnet hätten. Im Übrigen
habe das Nachlassgericht insoweit allein den vermeintlichen Willen des vorverstorbenen
Ehemanns der Erblasserin versucht festzustellen, nicht jedoch den Willen der Erblasserin
selbst. Indizien, dass auch die Erblasserin ihre Enkel als Ersatzerben berufen hätte, lägen
nicht vor.

Die Beteiligte zu 2) verteidigt die Entscheidung des Amtsgerichts

Das Amtsgericht R. – Nachlassgericht – hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese
dem Oberlandesgericht R. zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die nach §§ 58, 63 FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) zu Recht zurückgewiesen,
da die Beteiligte zu 2) aufgrund des bindenden Testaments vom 07.07.1979 Alleinerbin der
Erblasserin ist.

Bei dem gemeinschaftlichen Testament der Eheleute S. vom 07.07.1979 handelt es sich um
ein gemeinschaftliches Ehegattentestament gem. §§ 388, 391 Abs. 2, 385 ZGB/DDR, durch
das die Ehegatten sich zunächst gegenseitig zu Erben und ihren Sohn U. S. nach dem Tode
des Letztversterbenden zum Schlusserben berufen haben.

Da das gemeinschaftliche Testament der Eheleute S. vor dem Beitritt errichtet wurde, gilt,
soweit es die Wirksamkeit des Testaments und die Bindung der nachverstorbenen
Erblasserin hieran betrifft, gemäß Art. 235 § 2 EGBGB das Recht des ZGB/DDR (vgl. u.a.
OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 04.10.2006 - 10 Wx 4/06 -, zit. n. juris, Rn. 38).

An der Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung der Eheleute S. bestehen keine Bedenken.
Diese konnten sich gemäß § 389 Abs. 1 S. 1 ZGB/DDR insbesondere zunächst gegenseitig
zu Erben und gemäß § 389 Abs. 1 S. 2 ZGB/DDR sodann ihren gemeinsamen Sohn U. S.
als Schlusserben einsetzen. Die nachverstorbene Erblasserin war gemäß § 390 ZGB/DDR
an das gemeinschaftliche Testament gebunden und testamentarische Verfügungen von ihr
als überlebende Ehegattin, die – wie hier – dem gemeinschaftlichen Testament
widersprechen, sind nach § 390 Abs. 2, S. 2 ZGB/DDR nichtig.

Auf die vom Amtsgericht und den Beteiligten aufgeworfene Problematik der
Wechselbezüglichkeit der letztwilligen Verfügung von Todes wegen kommt es dabei
vorliegend nicht an, da das Erbrecht der DDR im ZGB keine Wechselbezüglichkeit analog
§ 2270 BGB kannte (vgl. OLG Sachsen-Anhalt, a.a.O., Rn. 44 m.w.N.). Die vom
Amtsgericht und den Parteien zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH,
Beschluss vom 16.01.2002 - IV ZB 20/01, BGHZ 149, 363) ist daher vorliegend ohne
Relevanz, da diese rechtlich eine (andere) Fallkonstellation betrifft. Der vom
Bundesgerichtshof entschiedene Fall beurteilte sich nämlich insoweit nicht nach DDRRecht.

Der als Schlusserbe eingesetzte Sohn U. S. hat indes den Erbfall, für den er berufen war,
nicht mehr erlebt (§ 1923 Abs. 1 BGB). Was seine Einsetzung angeht, widerspricht das
handschriftliche Testament der Erblasserin vom 18.02.2018 daher dem gemeinschaftlichen
Testament der Ehegatten S. vom 07.07.1979 nicht (vgl. hierzu: BGH, Beschluss v.
16.01.2002 – IV ZB 20/01 –, zit. n. juris, Rn. 9). Fraglich ist allein, ob für den
vorverstorbenen Sohn U. S. Ersatzerben eingesetzt sind. Dazu bedarf das gemeinschaftliche
Testament vom 07.07.1979 der Auslegung. Soweit es – wie hier – um den Inhalt, die
Auslegung und die materielle Wirkung der letztwilligen Verfügung geht, unterliegt dies dabei
nicht Art 235 § 2 EGBGB, sondern dem Erbstatut, bei Erbfällen nach dem 03.10.1990 also
dem BGB (vgl. BGH, Beschluss v. 02.04.2003 - IV ZB 28/02 -, zit. n. juris, Rn. 9; OLG
Dresden, Beschluss v. 10.09.2009 – 3 W 673/09 –, zit. n. juris, Rn. 27; Staudinger-Rauscher,
BGB (2016), Artikel 235 § 2 EGBGB Rn. 14).

Die ergänzende Auslegung setzt voraus, dass das Testament eine planwidrige
Regelungslücke aufweist, die durch den festzustellenden Willen des Erblassers zu schließen
ist. Dabei muss aus dem Gesamtbild des Testaments selbst eine Willensrichtung des
Erblassers erkennbar sein, die tatsächlich in Richtung der vorgesehenen Ergänzung geht.
Durch sie darf kein Wille in das Testament hingetragen werden, der darin nicht
andeutungsweise ausgedrückt ist. Durch ergänzende Testamentsauslegung kann also die
durch den Wegfall des Bedachten entstandene Lücke nur dann geschlossen werden, wenn
die für die Zeit der Testamentserrichtung anhand des Testaments oder unter Zuhilfenahme
von Umständen außerhalb des Testaments oder der allgemeinen Lebenserfahrung
festzustellende Willensrichtung des Erblassers dafür eine genügende Grundlage bietet. Nach
der Willensrichtung des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung muss
anzunehmen sein, dass er die Ersatzerbeneinsetzung gewollt hätte, sofern er
vorausschauend die spätere Entwicklung bedacht hätte. Anhaltspunkte dafür, dass die
Eheleute S. bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments an die Möglichkeit des
vorzeitigen Wegfalls des eingesetzten Schlusserben gedacht haben, sind nicht ersichtlich. Es
ist daher zu prüfen, was die Ehegatten gewollt hätten, wenn sie die weiteren Umstände
bedacht hätten.

Das Amtsgericht – Nachlassgericht – ist im Rahmen dessen zu dem Ergebnis gelangt, dass
die Eheleute S., hätten sie ein Vorversterben ihres Sohnes U. in ihre Überlegungen bei der
Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments mit einbezogen, dessen Nachkommen als
Ersatzschlusserben eingesetzt hätten. Der Senat sieht keine Veranlassung, von der
rechtlichen Würdigung des Amtsgerichts insoweit abzuweichen, und nimmt vielmehr
ausdrücklich hierauf Bezug. Der Senat folgt dabei insbesondere der Auffassung des
Amtsgerichts darin, dass sich aus der Beweisaufnahme ergeben hat, dass die Eheleute S.
seinerzeit Wert darauf gelegt haben, dass nur in direkter Linie vererbt wird. Die
Einwendungen der Beteiligten zu 1) sind nicht geeignet, hieran etwas zu ändern.
Insbesondere verkennt die Beteiligte zu 1), dass in diesem Zusammenhang allein der Wille
der Testierenden zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments maßgeblich ist. Das
Argument, dass die Erblasserin die Beteiligte zu 1) in ihrem Testament vom 13.02.2018
besonders habe bedenken wollen, weil diese sich (später) um sie gekümmert habe, geht
deshalb ins Leere. Dass die Eheleute Schumacher nach der Geburt ihrer Enkelkinder ihr
gemeinschaftliches Testament nicht geändert und diese ausdrücklich als Ersatzerben hieran
benannt haben, spricht dabei zur Überzeugung des Senats zumindest nicht gegen eine
Ersatzerbenberufung. Denn wenn die Eheleute von Anfang an gewollt haben, dass etwaige
Kinder des eingesetzten Schlusserben als dessen Ersatzerben fungieren sollen, dann braucht
dies bei deren Geburt nicht noch einmal ausdrücklich festgehalten werden. Dass die
Erblasserin nach dem Versterben ihres Ehemanns und sodann ihres Sohnes U. Schumacher
zunächst in einem weiteren Testament vom 04.07.2012 die Beteiligte zu 2) als Alleinerbin
eingesetzt hat (s.o.), spricht nicht hiergegen, da dies aufgrund dessen zum einen allein der
Klarstellung gedient haben kann bzw. der Erblasserin nicht die (Bindungs-) Wirkung des
gemeinschaftlichen Testaments bekannt gewesen ist. Auch dem Vortrag, die Geburt des
behinderten (und früh verstorbenen) Sohnes von U. S. mache deutlich, dass die Kinder des
U. S. nicht als Ersatzerben hätten fungieren sollen, da die Eheleute S. dann das Testament
geändert hätten, weil davon auszugehen sei, dass diese nicht gewollt hätten, dass ihr
Nachlass für die Pflege und Betreuung des behinderten Kindes aufgezehrt werde, vermag
der Senat nicht zu folgen. Dass die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann bei
Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments derartige Gedanken verfolgt haben sollen
und für diesen Fall als Großeltern ein krankes Enkelkind als Ersatzerben hätten
ausschließen wollen, erschließt sich dem Senat bereits nicht, zumal das behinderte Kind
ihres Sohnes bereits im Jahr 1980 – und damit zu DDR-Zeiten – geboren wurde und das
damalige Eigentum der Eheleute S. im Wesentlichen aus dem Wohngebäude bestand,
welches, wie die Beteiligte zu 1) in anderem Zusammenhang selbst ausführt, zur damaligen
Zeit keinen besonders hohen Wert darstellte. Hätte der Sohn U. S. – wie vorgesehen –
geerbt, wäre im Übrigen auch sein behindertes Kind gesetzlicher Erbe mit den vermeintlich
befürchteten Konsequenzen geworden. Hätten die Eheleute S. ihr behindertes Enkelkind
tatsächlich als Ersatzerben etc. ausschließen wollen, wäre es nach Auffassung des Senats
deshalb naheliegend gewesen, dies auch testamentarisch zu dokumentieren. Dies ist indes
nicht erfolgt. Richtig ist zwar, dass sich die amtsgerichtliche Beweiswürdigung vornehmlich
mit dem Willen des vorverstorbenen Ehemanns der Erblasserin auseinandersetzt, dass
dieser aber nicht auch dem Willen der Erblasserin selbst entsprochen haben soll, ist weder
vorgetragen noch ersichtlich.

Selbst wenn man alles dies indes anders sehen würde, ergibt sich nach Auffassung des
Senats im Rahmen der individuellen Auslegung jedenfalls nicht, dass die Enkelkinder keine
Ersatzerben des als Schlusserben eingesetzten U. S. hätten sein sollen. Lässt sich jedoch ein
widersprechender Erblasserwille aus dem Inhalt des gemeinschaftlichen Testaments vom
07.07.2019 nicht entnehmen, dann greift die Zweifelsregelung (Auslegungsregel) des § 2069
BGB ein. Hat der Erblasser danach – wie hier – einen seiner Abkömmlinge bedacht und
fällt dieser nach Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen
Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle
treten würden. Diese Voraussetzung ist (allein) bei der Beteiligten zu 2) erfüllt. Die neue
Rechtsprechung des BGH (Beschl. v. 16.01.2002 – IV ZB 20/01) bezweifelt auch
keineswegs die Anwendbarkeit des § 2069 BGB auf Erbeinsetzungen in gemeinschaftlichen
Testamenten, sondern betrifft nur die Wechselbezüglichkeit der ersatzweisen Berufung (vgl.
Staudinger-Otte, BGB (2019), § 2069 Rn. 24).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

IV. Für den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens ist § 61 Abs. 1 GNotKG maßgeblich.
Zur Bestimmung des Gegenstandswertes ist dementsprechend auf den umstrittenen Teil
der Nachlassbeteiligung der Beschwerdeführerin abzustellen (vgl. OLG Hamm, Beschluss v.
05.08.2015 – 15 W 341/14 –, zit. n. juris Rn. 7; OLG Dresden, Beschluss v. 19.01.2016 –
17 W 1275/15 –, zit. n. juris Rn. 6; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.01.2016 – 3 Wx
20/15 –, zit. n. juris, Rn. 26). Vorliegend ist der reine Nachlasswert von der Beteiligten zu 2)
mit 750.000,- € angegeben. Ausgehend von ihrem Erbscheinsantrag hätten ihr hiervon
525.000,- € zugestanden, so dass dieser Betrag als Geschäftswert festzusetzen ist.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Rostock

Erscheinungsdatum:

25.10.2021

Aktenzeichen:

3 W 147/20

Rechtsgebiete:

Gemeinschaftliches Testament
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Gesetzliche Erbfolge
Erbrechtliches Sonderrecht der neuen Bundesländer

Erschienen in:

NotBZ 2022, 436-438

Normen in Titel:

ZGB DDR §§ 385, 388, 389 Abs. 1, 390 Abs. 2 S. 2, 391 Abs. 2; EGBGB Art. 235 § 2; BGB §§ 1923 Abs. 1, 2069, 2270