Auflösung einer KG durch einfachen Mehrheitsbeschluss
letzte Aktualisierung: 15.9.2021
LG Mannheim, Urt. v. 18.3.2021 – 21 O 1/20
HGB §§ 119, 146;
Auflösung einer KG durch einfachen Mehrheitsbeschluss
1. Die Auflösung einer Kommanditgesellschaft kann mit einfacher Mehrheit beschlossen werden,
auch wenn die gesellschaftsvertragliche Klausel (hier: „Soweit dieser Gesellschaftsvertrag nicht etwas
anderes bestimmt, werden alle Beschlüsse mit Mehrheit der Stimmen aller Gesellschafter gefaßt.
Stimmenthaltungen gelten als nicht abgegebene Stimmen.“) die Auflösung nicht explizit nennt, indes
„alle“ Beschlüsse erfasst.
2. Die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft an sich gehört nicht zu den relativ unentziehbaren
Rechten. Der mit hinreichender Mehrheit gefasste Auflösungsbeschluss trägt damit grundsätzlich
seine Legitimation in sich, sodass die Minderheit den Nachweis einer treupflichtwidrigen
Mehrheitsentscheidung zu führen hat.
Entscheidungsgründe
Die zulässige (I.) Klage ist unbegründet. Die Kläger haben weder Anspruch auf Feststellung, dass die
Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der A. GmbH und Co. KG (nachfolgend: Gesellschaft) vom 16.
Oktober 2019 nichtig sind noch darauf, dass diese für nichtig erklärt werden (II.). Dagegen sind die vom
Beklagten zu 2) erhobenen Hilfswiderklagen 2 und 3 – über die alleine zu entscheiden ist – zulässig (III. 1.)
und begründet (III. 2.), sodass die Kläger zu verurteilen sind, an der Anmeldung der Eintragung der Auflösung
der Gesellschaft (III. 2. a)) sowie an der Anmeldung der Eintragung der Beklagten zu 1) als alleinige und
einzelvertretungsbefugte Liquidatorin der Gesellschaft (III. 2. b)) im Handelsregister des Amtsgerichts M. unter
der Registernummer ... mitzuwirken.
I.
Die Nichtigkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung einer Kommanditgesellschaft wird durch
Feststellungsklage gegen die Mitgesellschafter geltend gemacht, wenn nicht der Gesellschaftsvertrag
bestimmt, dass der Streit mit der Gesellschaft auszutragen ist (BGH, Urteil vom 1. März 2011 – II ZR 83/09 –,
Rn. 19, juris). Für letztere Ausnahme bietet der Gesellschaftsvertrag (Anlage K8) keinen Anhalt. Die Beklagten
sind daher die richtigen Anspruchsgegner.
II.
Die Kläger können weder die Feststellung verlangen, dass die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der
A. GmbH und Co. KG vom 16. Oktober 2019 mit dem Inhalt:
„(aa) Die Gesellschaft wird aufgelöst und liquidiert.
(bb) Zum alleinigen und einzelvertretungsbefugten Liquidator wird die persönlich haftende Gesellschafterin
bestellt. Diese erhält für ihre Tätigkeit eine Vergütung entsprechend der bisherigen Vergütung für die
Geschäftsführertätigkeiten.
(cc) Die Liquidation der unbaren Vermögenswerte der Gesellschaft (insbesondere der verbleibenden
Immobilien sowie der jeweiligen Forderungen aus den Gerichtsverfahren) soll im Wege der Versteigerung
unter den Gesellschaftern erfolgen. Hierzu soll der Liquidator einen Termin bei einem Notar vereinbaren, an
dem alle Gesellschafter zu den einzelnen Vermögenswerten der Gesellschaft jeweils ein Gebot abgeben
können. Die jeweiligen Vermögenswerte sollen dann an den jeweils Meistbietenden veräußert werden."
nichtig sind, noch können diese für nichtig erklärt werden. Denn die Beschlüsse sind formell (2. a)) und
materiell (2. b)) ordnungsgemäß.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfolgt die Prüfung von per Mehrheit zustande
gekommenen Gesellschafterbeschlüssen in zwei Stufen: Die Wirksamkeit der jeweiligen
Mehrheitsentscheidung setzt sowohl eine Prüfung ihrer formellen Legitimation (a)) durch eine Mehrheitsklausel
auf der ersten Stufe als auch eine inhaltliche Prüfung auf der zweiten Stufe (materielle Legitimation, b)) unter
dem Aspekt einer etwaigen Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht der Mehrheit gegenüber der
Minderheit voraus. Das gilt allgemein für alle Beschlussgegenstände, also auch bei sogenannten
„Grundlagengeschäften“ oder Maßnahmen, die in den „Kernbereich“ der Mitgliedschaftsrechte bzw. in absolut
oder relativ unentziehbare Rechte der Minderheit eingreifen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 – II ZR
84/13 –,
juris).
a) Dem sogenannten Bestimmtheitsgrundsatz kommt dabei für die formelle Legitimation einer
Mehrheitsentscheidung keine Bedeutung mehr zu. Die Prüfung der formellen Legitimation auf der ersten Stufe
erfolgt vielmehr im Wege der Auslegung des Gesellschaftsvertrags nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen.
Bei der Auslegung des Gesellschaftsvertrags ist der frühere Bestimmtheitsgrundsatz auch nicht in Gestalt
einer Auslegungsregel des Inhalts zu berücksichtigen, dass allgemeine Mehrheitsklauseln restriktiv
auszulegen sind oder Beschlussgegenstände, die die Grundlagen der Gesellschaft betreffen oder
ungewöhnliche Geschäfte beinhalten, jedenfalls von allgemeinen Mehrheitsklauseln, die außerhalb eines
konkreten Anlasses vereinbart wurden, regelmäßig nicht erfasst werden. Eine solche Auslegungsregel findet
im Gesetz keine Stütze. Da sich die durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags vorzunehmende Feststellung,
ob im konkreten Fall für die formelle Legitimation eines Beschlusses eine Mehrheitsentscheidung genügt, nach
allgemeinen Auslegungsgrundsätzen richtet, kann sich die Mehrheitsbefugnis aus jeder Vereinbarung der
Gesellschafter ergeben, die einer dahingehenden Auslegung zugänglich ist, also von der ausdrücklichen
Anführung des betreffenden Beschlussgegenstands in einem Katalog von Beschlussgegenständen über eine
umfassende oder auslegungsfähige Mehrheitsklausel im (schriftlichen) Gesellschaftsvertrag bis hin zu einer
konkludenten Vereinbarung der Mehrheitszuständigkeit (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 – II ZR 84/13
–,
Staake, jurisPR-HaGesR 12/2020 Anm. 2).
Dabei genügt es, wenn die hier subjektive - bei Publikumspersonengesellschaften dagegen objektive -
Auslegung des Gesellschaftsvertrags, bei der nach Maßgabe der
den Parteien vorgetragenen und vom Gericht gegebenenfalls nach Beweisaufnahme festgestellten
maßgeblichen tatsächlichen Auslegungsstoffs der objektive Sinn der jeweiligen Vertragsbestimmung bei der
gebotenen Gesamtwürdigung des Vertragsinhalts zu ermitteln ist, zu dem Ergebnis führt, dass der betreffende
Beschlussgegenstand von der Mehrheitsklausel erfasst sein soll. Bei der nach
und dem erkennbaren Sinn und Zweck ausgehenden Auslegung gesellschaftsvertraglicher Bestimmungen ist
es auch ohne Bedeutung, ob solche Bestimmungen in zulässiger Weise eine von den gesetzlichen
Vorschriften abweichende Regelung enthalten. Die dispositive gesetzliche Regelung kommt nur dann zur
Anwendung, wenn sich im Wege der Auslegung eine abweichende Vereinbarung der Gesellschafter nicht
feststellen lässt. Der Auslegung des (objektiv) erklärten Willens der Vertragsparteien geht ein abweichender
übereinstimmender Wille der am Abschluss des Vertrages beteiligten Parteien lediglich dann vor, wenn sie
ihren übereinstimmenden Willen einander zu erkennen gegeben haben (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober
2014 – II ZR 84/13 –,
Diese Grundsätze gelten für alle Beschlussgegenstände, da das gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip (§ 709
Abs. 1 BGB,
berührende oder in Rechtspositionen der Gesellschafter eingreifende Maßnahmen - grundsätzlich dispositiv ist
(
sich dahin zu einigen, ob und in welchem Umfang das starre, praktischen Erfordernissen oftmals nicht gerecht
werdende Einstimmigkeitsprinzip durch das Mehrheitsprinzip ersetzt wird (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 –
II ZR 84/13 –,
b) Bei der nach Bejahung der formellen Legitimation des Mehrheitsbeschlusses vorzunehmenden Prüfung der
materiellen Unwirksamkeit auf der zweiten Stufe stellt der Bundesgerichtshof ebenfalls nicht (mehr) darauf ab,
ob ein Eingriff in den sogenannten „Kernbereich“ gegeben ist, weil sich der Kreis der nicht ohne weiteres durch
Mehrheitsbeschluss entziehbaren Rechte nicht abstrakt und ohne Berücksichtigung der konkreten Struktur der
jeweiligen Personengesellschaft und einer etwaigen besonderen Stellung des betroffenen Gesellschafters
umschreiben lässt. Abgesehen von unverzichtbaren und schon deshalb unentziehbaren Rechten - unabhängig
davon, ob und in welchem Umfang man solche überhaupt anerkennen will - kommt es bei Eingriffen in die
individuelle Rechtsstellung des Gesellschafters, d.h. in seine rechtliche und vermögensmäßige Position in der
Gesellschaft, letztlich maßgeblich immer darauf an, ob der Eingriff im Interesse der Gesellschaft geboten und
dem betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwerten Belange zumutbar ist
(vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 – II ZR 84/13 –,
In den Fällen der absolut oder relativ unentziehbaren Rechte ist dabei regelmäßig eine treupflichtwidrige
Ausübung der Mehrheitsmacht anzunehmen, während in den sonstigen Fällen die Minderheit den Nachweis
einer treupflichtwidrigen Mehrheitsentscheidung zu führen hat (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 – II ZR
84/13 –,
Rechtfertigung (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2020 – II ZR 359/18 –, Rn. 17, juris). Der Eingriff in ein relativ
unentziehbares Recht ist rechtmäßig, wenn dies im Interesse der Gesellschaft geboten und für den
betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung der eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist oder er
dem Eingriff zugestimmt hat (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2020 – II ZR 359/18 –, Rn. 21 mwN, juris). Im
Übrigen kommt es darauf an, ob die beanstandete Beschlussfassung als eine treuwidrige Ausübung der
Mehrheitsmacht gegenüber der Minderheit angesehen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 –
II ZR 84/13 –,
2. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind sämtliche gefassten Beschlüsse – entgegen der Auffassung
der Kläger – von der Mehrheitsklausel aus § 7.1 des Gesellschaftsvertrags (Anlage K 8) gedeckt (a)). Da es
sich bei der Auflösung einer Gesellschaft nicht um einen Eingriff in ein unentziehbares Recht handelt, trägt der
formell wirksame gefasste Gesellschafterbeschluss seine materielle Rechtfertigung in sich, sodass die
Minderheit den Nachweis einer treupflichtwidrigen Mehrheitsentscheidung zu führen hat. Daran fehlt es (b)).
a) Die am 16.10.2019 gefassten Beschlüsse unter (aa) bis (cc) sind von der Mehrheitsklausel des § 7 GV
gedeckt und damit formell ordnungsgemäß (vgl. dazu auch Wertenbruch, in Westermann/Wertenbruch,
Handbuch Personengesellschaften, Stand: Februar 2017, Rn. I 1603).
aa) Wie oben geschildert, kommt dem früheren Bestimmtheitsgrundsatz für die formelle Legitimation einer
Mehrheitsentscheidung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Bedeutung mehr zu. Damit
erübrigen sich all die Argumente der Kläger, nach denen allein aus der Nichtnennung der Auflösung der
Gesellschaft (Beschlussgegenstand aa) und der damit in Zusammenhang stehenden Personal-
(Beschlussgegenstand bb) und Verfahrensfragen (Beschlussgegenstand cc) im Gesellschaftsvertrag der
Schluss gezogen werden soll, dass für die Auflösung das - grundsätzlich dispositive (vgl. BGH, Urteil vom 21.
Oktober 2014 – II ZR 84/13 –,
bb) Der Wortlaut der Klausel in § 7 GV ist demgegenüber eindeutig: Danach werden „soweit dieser
Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes bestimmt“ „alle“ Beschlüsse mit Mehrheit der Stimmen aller
Gesellschafter gefasst. Eine anderweitige Regelung für die Auflösung der Gesellschaft – das müssen auch die
Kläger konzedieren (I 27, 326) – gibt es indes nicht. Vielmehr haben sich die Gesellschafter damals sehr wohl
Gedanken gemacht, in welchen konkreten Fällen Abweichungen von der allgemeinen Mehrheitsklausel Platz
greifen sollen: So sollen z.B. nach § 7.1 Abs. 2 GV erst dann, wenn der Beklagte zu 2) nicht mehr
Gesellschafter ist, alle Gesellschaftsgruppen (dazu § 3.3 GV) „gleiches Stimmrecht“ haben. Daraus kann
geschlossen werden, dass dies vor diesem Zeitpunkt – und mangels abweichender Regelung insoweit
sachlich unbeschränkt – nicht der Fall sein sollte.
cc) Nach der bei der vorliegenden Personenhandelsgesellschaft gebotenen subjektiven Auslegung des
Gesellschaftsvertrags ist nicht allein auf den Wortlaut des (schriftlichen) Gesellschaftsvertrags abzustellen,
sondern können auch außerhalb des Vertragstextes liegende Umstände für die Auslegung von Bedeutung
sein wie insbesondere die Entstehungsgeschichte der in Rede stehenden Bestimmungen des
Gesellschaftsvertrags oder ein übereinstimmender Wille der Vertragsparteien (BGH, Urteil vom 21.10.2014 – II
ZR 84/13 –,
Untermauerung ihrer Ansicht herangezogene Regelung in § 11 GV (I 27, 326), wonach jede Verfügung über
einen Geschäftsanteil an einen Nichtgesellschafter einer Dreiviertelmehrheit bedarf, spricht im Gegenteil dafür,
dass die Auflösung von der allgemeinen Mehrheitsklausel erfasst ist. Denn auch wenn es sich bei der Öffnung
der als Familiengesellschaft konzipierten Gesellschaft gegenüber Externen in § 11 GV um einen
grundlegenden Vorgang handelt, kann daraus nicht – wie die Kläger im Wege des argumentum a minore ad
maius (I 27 ff., 326 ff.) meinen – geschlossen werden, dass nunmehr jedweder außergewöhnliche
Beschlussgegenstand und damit auch die Auflösung der Gesellschaft einer solchen qualifizierten Mehrheit
bedürfte. Denn für die Auflösung ist – anders als § 7.1 GV es verlangt und z.B. in § 11 GV auch geschehen –
nichts anderes bestimmt. Damit verbleibt es bei der allgemeinen Mehrheitsklausel. Das hat das Landgericht M
in einem Parallelprozess entgegen der Ansicht der Kläger (I 29) genauso gesehen (Landgericht M., Urteil vom
05.12.2016 – Anlage B1.4, dort S. 13; I 218). Der Bundesgerichtshof hat dies zu einer ähnlichen Klausel erst
jüngst ebenso judiziert (BGH, Urteil vom 13.10.2020 – II ZR 359/18 –, Rn. 1, 11, juris).
dd) Etwas anderes folgt auch nicht aus dem (einer historischen Auslegung zuzurechnenden) Umstand, dass
zur Zeit des Abschlusses des Gesellschaftsvertrags im Jahr 1997 die Leitentscheidung des
Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2014 (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 – II ZR 84/13 –,
noch nicht bekannt war und deshalb – so die Kläger (I 25, 325) – weiterhin bei der Auslegung auf den
Bestimmtheitsgrundsatz oder jedenfalls auf den vor dem Hintergrund der damals vorgeblich noch
bestehenden Notwendigkeit einer katalogmäßigen Aufzählung der einer einfachen Mehrheitsentscheidung
zugänglichen Gegenstände gebildeten Willen der Parteien abzustellen wäre. Denn sowohl das Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 21.10.2014 (II ZR 84/13 –,
359/18 – juris) hatten beide Klauseln aus Gesellschaftsverträgen zum Gegenstand, die – wie hier – weit vor
dem Entscheidungszeitpunkt erstellt wurden; derjenige, der der letztgenannten Entscheidung zugrunde lag,
stammt sogar aus dem Jahr 1976 (!) und damit aus einer Zeit, als die sog. Zwei-Stufen-Theorie noch nicht
existierte. Dennoch wurde das zweistufige Prüfkonzept auch hier angewandt und die Geltung des
Bestimmtheitsgrundsatzes ausdrücklich negiert.
Dass die im Jahr 1997 noch geschäftlich weitgehend unerfahrenen Kläger – die damals zudem keine auf
vertiefte juristische Kenntnisse hinweisende Berufsausbildung besaßen – allein im Vertrauen auf die
Weitergeltung des jedenfalls grundlegende Mehrheitsentscheidungen im Personengesellschaftsrecht
prägenden gesellschaftsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes gehandelt hätten (AS 25, 326), widerspricht
jedweder Lebenserfahrung (ebenso bereits Landgericht M., Urteil vom 05.12.2016 – Anlage B1.4, dort S. 13).
ee) Dass sich die Gesellschaft durch die Auflösung von einer aktiv werbenden in eine passiv zu liquidierende
Gesellschaft wandelt, ändert nichts (anders I 29). Denn die formelle Legitimation einer auf eine
Mehrheitsklausel gestützten Mehrheitsentscheidung ist auch bei einem ein außergewöhnliches oder ein
„Grundlagengeschäft“ betreffenden Beschluss gegeben, wenn die Auslegung des Gesellschaftsvertrags – wie
hier – ergibt, dass der betreffende Beschlussgegenstand einer Mehrheitsentscheidung unterworfen sein soll
(vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 – II ZR 84/13 –,
über die Auflösung einer Mehrheitsentscheidung zugänglich (so ausdrücklich BGH, Urteil vom 11.10.2011 – II
ZR 242/09 –, Rn. 40, juris; ferner Oetker/Lieder, 6. Aufl.,
ff) Ist nach alledem schon die unter (aa) beschlossene Auflösung selbst von der allgemeinen Mehrheitsklausel
erfasst, gilt das erst Recht für den unter (bb) gefassten Beschluss, wonach „zum alleinigen und
einzelvertretungsbefugten Liquidator ... die persönlich haftende Gesellschafterin bestellt [wird]“. Denn die
konkrete Ausgestaltung der Liquidation ist ein Minus im Vergleich zum Ob der Auflösung.
Zudem wird man bei einer personenidentischen GmbH & Co. KG (Identität von Kommanditisten und GmbHGesellschaftern)
auch ohne ausdrückliche Vertragsregelung davon auszugehen haben, dass Kontinuität der
Geschäftsleitung in der Liquidation (nach dem Vorbild des
Aufl., § 146 Rn. 14). Sofern man nicht mit der herrschenden Ansicht in der Literatur auch ohne ausdrückliche
Regel im Gesellschaftsvertrag die Komplementär-GmbH als alleinige Liquidatorin ansehen und dies einer
stillschweigenden Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag entnehmen will (dazu BeckOK HGB/Lehmann-
Richter, 30. Ed. 15.10.2020, § 146 Rn. 8 mwN), wurde die Regelung des
die Liquidation (nur dann) durch sämtliche Gesellschafter als Liquidatoren erfolgt, wenn nichts anderes
vereinbart wurde, jedenfalls durch Beschluss der Gesellschafter abbedungen.
gg) Gleiches gilt für den unter (cc) gefassten Beschluss zur konkreten Ausgestaltung der Liquidation im Wege
der Versteigerung unter den Gesellschaftern. Die Gesellschafter können die Modalitäten der Liquidation
weitgehend selbst bestimmen und auch im Wege des Mehrheitsbeschlusses regeln (MüKoHGB/Schmidt, 4.
Aufl., § 145 Rn. 11, 46; EBJS/Hillmann, 4. Aufl., HGB, § 145 Rn. 16 mwN).
b) Die gefassten Beschlüsse sind auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Da es sich bei der durch
die Auflösung der Gesellschaft betroffenen Mitgliedschaft per se weder um ein Sonderrecht noch um ein
relativ unentziehbares Recht handelt (aa), kommt es auf der zweiten Stufe nicht darauf an, ob der Eingriff im
Interesse der Gesellschaft geboten und dem betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen
schutzwerten Belange zumutbar ist (dazu BGH, Urteil vom 13.10.2020 – II ZR 359/18 –, Rn. 21ff., juris).
Vielmehr trägt der formell wirksame Auflösungsbeschluss grundsätzlich seine Legitimation in sich. Den
Klägern als Minderheit ist der Nachweis einer treupflichtwidrigen Mehrheitsentscheidung nicht gelungen (bb).
aa) Bei der durch die Auflösung einer Gesellschaft tangierten Mitgliedschaft als solcher handelt es sich zum
einen nicht um ein Sonderrecht im Sinne des
nämlich nur Rechtspositionen, die individuell einem Gesellschafter oder einer Gesellschaftergruppe durch die
Satzung eingeräumt und zudem als unentziehbare Rechte ausgestaltet sind, nicht jedoch eine Rechtsstellung,
die allgemein mit der Mitgliedschaft verbunden ist (BGH, Urteil vom 13.10.2020 – II ZR 359/18 –, Rn. 12, juris).
Damit ist auch die Mitgliedschaft selbst kein Sonderrecht (vgl. nur Lieder,
Die Mitgliedschaft per se, die durch die Auflösung in fundamentaler Weise berührt wird, stellt zum anderen
auch kein relativ unentziehbares Recht dar, dessen Entziehung einer besonderen Rechtfertigung bedürfte und
nur dann rechtmäßig ist, wenn dies im Interesse der Gesellschaft geboten und für den betroffenen
Gesellschafter unter Berücksichtigung der eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist oder er dem Eingriff
zugestimmt hat (dazu BGH, Urteil vom 13.10.2020 – II ZR 359/18 –, Rn. 17ff., juris). Dazu zählen nämlich nur
die individuellen, dem Gesellschafter nach Gesetz und Gesellschaftsvertrag zustehenden wesentlichen
Gesellschafterrechte, die seine Stellung in der Gesellschaft maßgeblich prägen wie z.B. das Informations-, das
Stimm-, das Gewinn-, die Geschäftsführungs-/Vertretungsbefugnis sowie das Recht auf Beteiligung am
Liquidationserlös (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.1994 – II ZR 18/94 –, Rn. 8, juris und BGH, Urteil vom
13.10.2020 – II ZR 359/18 –, Rn. 16). Es müssen gerade Maßnahmen in Rede stehen, welche die
gesellschaftsvertraglichen Grundlagen berühren (sog. "Grundlagengeschäft") oder in den "Kernbereich" der
Mitgliedschaftsrechte eingreifen (so BGH, Urteil vom 24.11.2008 – II ZR 116/08 –,
ist bei der Auflösung nicht der Fall und zwar selbst dann nicht, wenn mit der Auflösung – wie hier – zugleich
eine bestimmte Art der Auseinandersetzung beschlossen wird (vgl. Schäfer in: Staub, HGB, 5. Aufl., § 131,
Rn. 22 mwN; MüKoHGB/Enzinger, 4. Aufl., § 119 Rn. 70ff. sowie BGH, Urteil vom 12.11.1952 – II ZR 260/51 –,
werbende Gesellschaft). Denn die durch die Auflösung beendete Mitgliedschaft ist gerade Voraussetzung für
die – hier nicht in Rede stehende – Einräumung und spätere Beschränkung von Gesellschafterrechten. Die
Versagung der Einstufung als unentziehbares Recht leuchtet auch deshalb ein, weil die Auflösung einer
Gesellschaft kaum jemals in deren Interesse (nicht: im Interesse der Gesellschafter) liegen kann und damit –
wäre sie ein unentziehbares Recht – nach der oben zitierten Leitlinie des Bundesgerichtshofs so gut wie nie
von der Mehrheit beschlossen werden könnte (selbst bei ausdrücklicher Mehrheitsklausel und Vereinbarung
z.B. einer qualifizierten Mehrheit). Das kann nicht sein.
bb) Der mit hinreichender Mehrheit gefasste Auflösungsbeschluss trägt damit grundsätzlich seine Legitimation
in sich (MüKoHGB/Schmidt, 4. Aufl., § 131 Rn. 20; BGH, Urteil vom 28.01.1980 – II ZR 124/78 –, BGHZ 76,
352 Rn. 6 zur GmbH; BGH, Urteil vom 01.02.1988 – II ZR 75/87 –,
die Minderheit den Nachweis einer treupflichtwidrigen Mehrheitsentscheidung zu führen (BGH, Urteil vom
21.10.2014 – II ZR 84/13 –,
– Liquidation (dazu (1)), Person des Liquidators (dazu (2)), Liquidationsverfahren (dazu (3)) – gelungen.
(1) Wie sich aus der in den Schriftsätzen der Prozessbevollmächtigten der Parteien in großer Detailfülle
beschriebenen Historie und den zwischen den Parteien in der Vergangenheit und auch aktuell noch geführten
mannigfaltigen und mit mehreren hunderttausend Euro an Rechtsanwaltskosten pro Jahr zu Buche
schlagenden (I 177, 182) Rechtsstreitigkeiten – ohne dass es auf die von den Parteien kontrovers diskutierte
„Schuld“ daran ankäme (vgl. BGH, Urteil vom 28.01.1980 – II ZR 124/78 –,
das Verhältnis zwischen den familiär verbundenen Gesellschaftern zerrüttet. Das konzedieren auch die Kläger
(I 34 303, 317, 324). Damit liegt die ohnehin erhebliche Schwelle einer
treuwidrigen Ausnutzung der Mehrheitsmacht noch höher, weil mit den angefochtenen
Gesellschafterbeschlüssen gerade eine Beendigung der Streitigkeiten jedenfalls zu diesem
Verfahrenskomplex zu erwarten ist. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang hingegen der zwischen den
Parteien streitige Umstand, ob und inwiefern der Beklagte zu 2) im Vorfeld der Gründung der KG zivilrechtlich
als „Schenker“ auftrat (AS 79, 347, 362, 393) und ob und inwiefern die Kläger eigenes Vermögen zum Erwerb
ihrer Gesellschaftsanteile eingesetzt haben (AS 312), wobei die – nicht jedermann offen stehende –
Möglichkeit des Eintritts in eine werthaltige Gesellschaft mit all ihren (hier durch den Verkauf an die S.-Gruppe
auch realisierten) Gewinnmöglichkeiten einzig und allein auf den Beklagten zu 2) zurückzuführen ist (vgl. dazu
schon das Landgericht M. in seinem Urteil vom 05.12.2016 – Anlage B1.4, dort S. 14 sowie AS 313). Vor
diesem Hintergrund sind die nachfolgenden Ausführungen zu sehen.
(a) Soweit die Kläger anführen (I 34 ff.), sie würden als Minderheitengesellschafter unter Umgehung der
Anforderungen des
Treuepflichtverletzung des Beklagten zu 2) zu begründen. Dabei wird schon übersehen, dass das
Ausschließungsverfahren hinsichtlich eines Gesellschafters nach
dass ein Auflösungsgrund nach
die Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung gerichtet ist. Im vorliegenden Fall sind indes alle
Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag übereingekommen, die Auflösung der Gesellschaft per
Mehrheitsbeschluss zu gestatten. Eine derart konsensuale – wenn auch gegen die Stimmen der
Minderheitsgesellschafter ergangene – Entscheidung ist zu respektieren. Sie kann nicht mittels Anwendung
der
Gesellschaftsvertrag vorgesehen sind. Der mit einer Auflösung der Gesellschaft zwangsläufig einhergehende
Verlust der Stellung als Gesellschafter als solcher ist bloße reflexhafte Folge der Auflösung einer Gesellschaft
und reicht alleine nicht aus, einen Missbrauch der Mehrheitsmacht zu begründen.
(b) Soweit die Kläger (I 35, 324) argumentieren, der Beklagte zu 2) möchte sich mit der Auflösung der
Gesellschaft einem im (noch nicht rechtskräftigen) Urteil des Landgerichts H. vom 22.05.2019 (Anlage K7)
bereits festgestellten Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen ihn entziehen, genügt auch das nicht
für einen Verstoß gegen
der Beklagte zu 2) bei der Versteigerung der unbaren Vermögenswerte den gegen ihn gerichteten
Schadensersatzanspruch der Gesellschaft erwirbt – zu einer Konfusion und damit zum Wegfall des Anspruchs
wegen Gläubiger- und Schuldneridentität (vgl. nur BGH, Urteil vom 24.08.2016 – VIII ZR 100/15 –, BGHZ 211,
331 Rn. 21) kommen. Das hat jedoch mit dem Auflösungsbeschluss unter (aa) nur mittelbar zu tun und kann
durch die anderen Gesellschafter, die selbst mitbieten können, verhindert werden. Die aufgelöste Gesellschaft
bleibt dagegen aktiv und passiv parteifähig, sodass Prozesse bis zur Beendigung der aufgelösten Gesellschaft
weiterlaufen (vgl. nur MüKoHGB/Schmidt, 4. Aufl., § 145 Rn. 22 mwN). Eine Beeinträchtigung der
Rechtsstellung der Minderheitsgesellschafter – nur darauf kommt es an – ist damit nicht verbunden.
(c) Ähnlich verhält es sich mit dem Vorwurf (I 35ff.), der Beklagte zu 2) wolle mit der Auflösung die dritte im
Gesellschaftsvermögen verbliebene Immobilie – Erste I. – versteigern und dabei selbst erwerben, nachdem
die Gerichte (vgl. Urteil des OLG K. vom 04.10.2017, Anlage K5) einen Verkauf der ersten beiden Immobilien
als Pflichtverletzung in seiner Rolle als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) angesehen hätten. Es mag sein,
dass ein Motiv des Beklagten zu 2) unter vielen sein mag, am Ende die ertragreichste Gewerbeimmobilie
selbst zu erwerben. Das hat indes mit dem unter (aa) getroffenen Auflösungsbeschluss erneut nur mittelbar zu
tun. Den Makel einer treuwidrigen Ausnutzung seiner Mehrheitsmacht vermag die Auflösung auch unter
Berücksichtigung des von den Klägern unterstellten Motivs nicht zu begründen. Die Kläger haben nämlich
schlicht keinen Anspruch darauf, dass die auf unbestimmte Zeit gegründete Gesellschaft (entgegen §§ 161
Abs. 2, 131 Abs. 1 Nr. 2 HGB) auf immer und ewig fortbesteht, zumal sie an der verfahrenen Situation und der
über Jahre angewachsenen Zerrüttung der Gesellschafter nicht unbeteiligt waren. Die Verwertung des
Gesellschaftsvermögens und damit auch der letzten Immobilie ist gesetzliche Folge einer Auflösung (vgl. §§
161 Abs. 2, 149 HGB) und kann – ohne hier fehlende weitere Anhaltspunkte – schon deshalb keinen
Treuepflichtverstoß der Mehrheit begründen. Denn dieser Nachteil ist nur eine zwangsläufige Folge der durch
Gesetz oder Satzung gerade zugelassenen Auflösung und kann daher nicht als Grund dafür herhalten, der
Auflösung die Wirksamkeit abzusprechen (so schon BGH, Urteil vom 28.01.1980 – II ZR 124/78 –, BGHZ 76,
352 Rn. 8f.).
(2) Der Einsatz der Beklagten zu 1) als alleinige Liquidatorin führt nicht zur materiellen Unwirksamkeit des
Gesellschafterbeschlusses unter (bb).
(a) Im Kern werfen die Kläger dem Beklagten zu 2) als einem von drei Geschäftsführern der Beklagten zu 1)
vor, dass er die Beklagte zu 1) insgeheim steuere und diese das Liquidationsverfahren daher nicht neutral und
ohne Bevorzugung des Beklagten zu 2) führen werde (I 36, 330). Selbst wenn man den Aussagen des
Beklagten zu 2) (I 190, 248), die Geschäftsführung der Beklagten zu 1) erfolge im Innenverhältnis
ausschließlich durch alle Geschäftsführer gemeinsam und es sei zwischen den Geschäftsführern schon im
Vorfeld besprochen, dass die Liquidationsgeschäftsführung allein durch den Geschäftsführer M. E. erfolgen
werde, keinen Glauben schenken und man nicht mit der herrschenden Ansicht in der Literatur auch ohne
ausdrückliche Regel im Gesellschaftsvertrag die Komplementär-GmbH als alleinige Liquidatorin ansehen und
dies einer stillschweigenden Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag entnehmen will (dazu BeckOK
HGB/Lehmann-Richter, 30. Ed. 15.10.2020, § 146 Rn. 8 mwN), ist die Regelung des § 146 Abs. 1 Satz 1
HGB, wonach die Liquidation (nur dann) durch sämtliche Gesellschafter als Liquidatoren erfolgt, wenn nichts
anderes bestimmt wird, dispositiv.
(b) Der Umstand, dass der angefochtene Beschluss bestimmt, die mit den Verhältnissen der Gesellschaft
vertraute und deren Geschicke derzeit leitende Komplementärin bleibe auch im Liquidationsprozess an
vorderster Stelle eingebunden, macht aus Sicht der Gesellschaft und der bestmöglichen Verwertung deren
Vermögens Sinn. Dadurch, dass sie wegen ihrer Stellung als Liquidatorin einem strengen Pflichten- und
Haftungsregime unterliegt, wird den Bedenken der Minderheitsgesellschafter hinreichend Rechnung getragen.
Denn für die Haftung eines Gesellschafters als Liquidator gilt grundsätzlich dasselbe wie für einen
geschäftsführenden Gesellschafter. Durch rechtswidrige Liquidationsmaßnahmen, z.B. durch unzulässige und
schädigende Verfolgung von Eigeninteressen, macht sich der Liquidator gegenüber der Gesellschaft
schadensersatzpflichtig (vgl. MüKoHGB/Schmidt, 4. Aufl., § 149 Rn. 58 mwN). Vor diesem Hintergrund kann
die Sicherstellung der Kontinuität in der Führung vor und nach Auflösung der Gesellschaft per se keinen
Treuepflichtverstoß begründen.
(c) Der mit Schriftsatz vom 07.12.2020 (I 391) nunmehr als Anlage B1.6 vorgelegte Geschäftsverteilungsplan
über die interne Zuständigkeit der einzelnen Geschäftsführer der Beklagten zu 1) tut ein Übriges, um der von
den Klägern befürchteten mittelbaren Steuerung des Liquidationsverfahrens alleine durch den Beklagten zu 2)
oder dessen jetzige Ehefrau entgegenzuwirken. Denn er bestimmt, dass der Geschäftsführer E. alleine für die
Veräußerung von Vermögenswerten, einzeln oder zwecks Liquidation der Gesellschaft zuständig sein soll und
von dieser Regelung nur mit Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung abgewichen werden kann.
(3) Das im Gesellschafterbeschluss unter (cc) vorgegebene Liquidationsverfahren stellt ebenfalls keine
treuwidrige Ausnutzung der Mehrheitsmacht des Beklagten zu 2) dar.
(a) Denn die Gesellschafter können die Modalitäten der Liquidation weitgehend selbst bestimmen und auch im
Wege des Mehrheitsbeschlusses regeln (MüKoHGB/Schmidt, 4. Aufl., § 145 Rn. 11). Die Unwirksamkeit des
Beschlusses kann daher nicht auf den Eintritt der gesetzlich vorgesehenen Liquidationswirkungen als solche
gestützt werden, wozu im Grundsatz auch die – hier im Wege der Versteigerung angedachte – Veräußerung
des Unternehmens an einzelne Gesellschafter gehört (vgl. Schäfer in: Staub, HGB, 5. Aufl., § 131 Rn. 23).
Die Kläger argumentieren denn auch mehr mit den möglichen Imponderabilien eines derartigen
Versteigerungsverfahrens: Eine rein interne Versteigerung der unbaren Vermögenswerte könne – z.B. bei
einem Angebot von lediglich einem Euro – dazu führen, dass nicht der bestmögliche Preis erzielt werde (I 37).
Die Möglichkeit der Abgabe lediglich eines Gebots und die Beteiligung auch der Beklagten zu 1) am
Versteigerungsverfahren sei ungewöhnlich und treuwidrig (I 38). Diese Bedenken greifen nicht durch:
(b) Denn auch die Kläger führen mehrfach aus, dass die Gesellschaft als Familiengesellschaft gegründet
worden und deren Ziel gewesen sei, das insbesondere in den drei Grundstücken verkörperte Vermögen im
Familienbesitz zu behalten. Vor diesem Hintergrund sind auch die auf Rückübertragung der beiden vom
Beklagten zu 2) verkauften Grundstücke an die Gesellschaft gerichteten Prozesse zu sehen. Dann kann es
aber nicht treuwidrig sein, wenn der unter (cc) gefasste Beschluss die Versteigerung eben jener
Vermögensgegenstände allein unter den Familienangehörigen vorsieht und so ein Zerfallen des
Familienbesitzes gerade zu verhindern sucht. Dass die mehr als werthaltigen Grundstücke tatsächlich zu
Schleuderpreisen veräußert werden, ist mit Blick auf die sehr gute Solvenz sämtlicher Bieter und deren
gemeinsame, auch von Neid und Missgunst geprägte Geschichte (vgl. dazu die Ausführungen I 193) ohnehin
nicht zu erwarten. Es spielt aber für die Frage der Treuwidrigkeit auch keine Rolle, da die Liquidatoren schon
wegen der sie treffenden Haftung bei Pflichtverletzungen (dazu oben bb)) dazu angehalten sind, möglichst
hohe Erlöse zugunsten der Gesellschaft zu bewerkstelligen. Die Treuwidrigkeit des Beschlusses zu (cc)
alleine aus der – nur die Liquidatoren treffenden und – angeblich (und erst in Zukunft überhaupt) verletzten
Pflicht zur bestmöglichen Verwertung des Gesellschaftsvermögens herzuleiten (so I 330), ist daher verfehlt.
(c) Selbst der Umstand, dass ein die Auflösung betreibender Gesellschafter eher als der andere wirtschaftlich
in der Lage ist, das Betriebsvermögen aus der Liquidationsmasse anzukaufen und zu verwerten, vermag seine
Stimmrechtsausübung im allgemeinen noch nicht zu einer sittenwidrigen oder treuwidrigen Ausnutzung der
Mehrheitsmacht zu stempeln. Durch die Auflösung der Gesellschaft erhalten alle Gesellschafter, freilich nur im
Rahmen ihrer finanziellen Mittel, die Chance, das Gesellschaftsvermögen oder Teile davon gegen ein
wertentsprechendes Angebot aus der Liquidationsmasse zu erwerben und mit deren Hilfe den Betrieb allein
fortzuführen. Wird einem Minderheitsgesellschafter diese Möglichkeit nach der Auflösung aus Gründen, die
nicht in seinem Privatbereich liegen, durch eine ihn ungerechtfertigt benachteiligende Abwicklung versperrt, so
mag dies Schadensersatzansprüche auslösen, kann aber die Wirksamkeit des Auflösungsbeschlusses nicht
mehr nachträglich beeinträchtigen (so BGH, Urteil vom 28.01.1980 – II ZR 124/78 –,
(d) Dass die Kläger ein derartiges Versteigerungsverfahren durch einen neutralen Notar in anderem
Zusammenhang keineswegs anstößig fanden, zeigt der von ihnen selbst stammende Vorschlag der
Durchführung eines ebensolchen im Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12.05.2017 (I 194, Anlage
B2.41). Warum nicht auch die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführung dem Beklagten zu 2) nicht alleine,
sondern nur gemeinschaftlich mit den beiden anderen Geschäftsführern obliegt, als Gesellschafterin der KG
berechtigt sein soll, im Versteigerungsverfahren mitzubieten, erhellt nicht.
(4) Selbst eine Gesamtabwägung aller von den Klägern für die treuwidrige Ausnutzung der Mehrheitsmacht
zulasten der – auch bei Annahme einer zugrundeliegenden Schenkung vollwertigen (vgl. BGH, Urteil vom
09.01.1989 – II ZR 83/88 –, Rn. 22, juris) – Minderheitsgesellschafter angeführten Umstände (vgl. dazu BGH,
Urteil vom 22. September 2020 – II ZR 141/19 –, Rn. 32, juris: „sonstige zur materiellen Unwirksamkeit
gegenüber allen oder einzelnen Gesellschaftern führende Gründe“) führt nicht zur Unwirksamkeit der
getroffenen Beschlüsse.
(a) Zwar ist das dem Auflösungsbeschluss vorausgehende Verhalten eines Mehrheitsgesellschafters, mit dem
er diesen Beschluss vorbereitet hat, in eine Gesamtwertung der Wirksamkeit des Auflösungsbeschlusses mit
einzubeziehen. Ein möglicher Unrechtsgehalt der Vorbereitungshandlungen haftet dann auch dem
Auflösungsbeschluss selbst an, wenn die Stimmrechtsausübung, mit der der Mehrheitsgesellschafter diesen
Beschluss durchgesetzt hat, eine unzulässige Verfolgung von Sondervorteilen zum Schaden der Gesellschaft
und der Minderheitsgesellschafter darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 28.01.1980 – II ZR 124/78 –,
An derartigen Sondervorteilen des Beklagten zu 2) zum Schaden der Gesellschaft fehlt es indes im Streitfall.
Denn das Liquidationsverfahren gibt allen Gesellschaftern gleichberechtigt die – bisher von ihnen gemeinsam
offenbar nicht zu bewerkstelligende – Möglichkeit, das Gesellschaftsvermögen gerecht untereinander zu
verteilen oder jedenfalls am daraus erzielten Erlös später entsprechend ihrer Anteile zu partizipieren. Eine
einseitige Verschiebung des Vermögens zugunsten des Mehrheitsgesellschafters zum Schaden der
Gesellschaft und der Minderheitsgesellschafter ist nicht ersichtlich.
(b) Der Umstand allein, dass für die Gesellschafter, die die Liquidation befürwortet haben, auch die Vorstellung
leitend gewesen sein kann, sich weiterer Rechtsstreitigkeiten mit den Minderheitsgesellschaftern zu entledigen
oder gewisse Vermögensgegenstände im Liquidationsverfahren zu erwerben, genügt nicht für die Annahme
eines treuwidrigen Missbrauchs der Mehrheitsmacht, wenn ungeachtet dessen von einer ernsthaften, dem
nunmehr geänderten Gesellschaftszweck entsprechenden Liquidationsabsicht auszugehen ist (vgl. zu einem
vergleichbaren Motiv BGH, Urteil vom 06.02.2018 – II ZR 1/16 –, Rn. 22, juris). Am ernsthaften Willen des
Beklagten zu 2) zur Auflösung der Gesellschaft zweifeln die Kläger jedoch nicht, im Gegenteil machen sie ihm
diesen Willen vor dem Hintergrund der angeblich florierenden Geschäftstätigkeit (I 320, Anlage K20) der
Gesellschaft gerade zum Vorwurf.
III.
Die Hilfswiderklagen 2 und 3 – über die infolge des Bedingungseintritts alleine zu entscheiden ist – sind
zulässig (III. 1.) und begründet (III. 2.), sodass die Kläger zu verurteilen sind, an der Anmeldung der
Eintragung der Auflösung der Gesellschaft (III. 2. a)) sowie an der Anmeldung der Eintragung der Beklagten
zu 1) als alleinige und einzelvertretungsbefugte Liquidatorin der Gesellschaft (III. 2. b)) im Handelsregister des
Amtsgerichts M. unter der Registernummer ... mitzuwirken.
1. Die Hilfswiderklagen sind zulässig (instruktiv dazu Herberger, NJOZ 2020, 1089).
a) Anders als die Kläger unter Berufung auf den verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der
Waffengleichheit meinen (I 342), scheitert deren Zulässigkeit nicht daran, dass es sich bei den beiden
Anträgen um unechte oder uneigentliche Hilfswiderklagen handelt, bei denen die Entscheidung über den
Hilfsantrag jeweils vom Obsiegen mit dem – hier auf Klageabweisung gerichteten – Hauptantrag abhängig ist.
Denn eine solche Klage ist zulässig (vgl. nur BGH, Urteil vom 16.12.1964 – VIII ZR 47/63 –,
14 sowie ausdrücklich BGH, Urteil vom 13.05.1996 – II ZR 275/94 –,
ergibt sich ihre Unzulässigkeit – anders als die Kläger meinen (AS 342) – nicht daraus, dass die
Prozesspartei, die ihre Anträge auf diese Weise verknüpft, im Umfange des Hilfsantrags vom Prozess- und
Kostenrisiko befreit wird. Denn dabei handelt es sich um eine rechtlich unbedenkliche Möglichkeit, die Kosten
der gerichtlichen Überprüfung eines Anspruchs gering zu halten (so BGH, Urteil vom 13.05.1996 – II ZR
275/94 –,
Soweit die Kläger der Ansicht sind (I 342), es fehle vorliegend an dem nach
notwendigen Eventualverhältnis zwischen dem Antrag auf Klageabweisung und dem der Hilfswiderklage 2 und
3 zugrundeliegenden Antrag dergestalt, dass der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch nur
begründet sein kann, sofern auch das Klagebegehren begründet ist (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.1964 – VIII
ZR 47/63 –,
nichts her. Es genügt daher, dass die mit der Eventualwiderklage verfolgten Ansprüche mit dem
Klageanspruch oder den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln rechtlich zusammenhängen (ebenso
MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl., § 260 Rn. 15; BeckOK ZPO/Bacher, 38. Ed. 1.9.2020, § 260 Rn. 7;
Greger in: Zöller, ZPO, 33. Aufl., Vorbemerkungen zu §§ 128-252, Rn. 20). Das ist hier der Fall, da bei
Wirksamkeit der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung eine entsprechende Mitwirkungspflicht der
Kläger besteht.
b) Der Einwand der mangelnden Bestimmtheit der Widerklageanträge nach
ebenfalls nicht durch. Das betrifft zum einen die Anträge in ihrer Gesamtheit (von den Klägern als „Knäuel“
bezeichnet, I 331). Denn sowohl die jeweils gesetzten Bedingungen als auch das mit den Anträgen verfolgte
Prozessziel sind klar und eindeutig beschrieben. Zum anderen kann auch den beiden Hilfswiderklageanträgen
2 und 3 an sich (anders als die Kläger meinen, I 341, 343) entnommen werden, worauf diese gerichtet sind,
nämlich auf die Mitwirkung der Kläger an der Eintragung der in den Gesellschafterbeschlüssen zu (aa) und
(bb) genannten Umstände.
2. Die Hilfswiderklagen sind begründet.
Der Beklagte zu 2) hat als Gesellschafter gemäß §§ 16, 108, 131 Abs. 1 Nr. 2, 143 Abs. 1 Satz 1, 148 Abs. 1
Satz 1 und 161 Abs. 2 HGB einen Anspruch darauf, dass die Kläger als Mitgesellschafter an der Anmeldung
der Auflösung der Gesellschaft (gemäß Antrag zu 2)) sowie der Beklagten zu 1) als Liquidatorin (gemäß
Antrag zu 3)) zum Handelsregister mitwirken. Die Auflösung und anschließende Liquidation der Gesellschaft
mit der Beklagten zu 1) als Liquidatorin wurden in der Gesellschafterversammlung am 16.10.2019 – formell
und materiell wirksam (dazu oben II.) – beschlossen. Die Anmeldungen sind gemäß
sämtlichen Gesellschaftern zu bewirken. Dementsprechend sind hierzu auch die – wie ihr
Widerklageabweisungsantrag zeigt: mitwirkungsunwilligen – Kläger verpflichtet.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in
Der Streitwert war gemäß
entsprechende Anwendung des
Gesellschaftern einer Kommanditgesellschaft von vornherein ausscheidet (so zur zweigliedrigen KG: BGH,
Beschluss vom 21.02.2002 – II ZR 91/00 –, Rn. 3, juris). Denn selbst wenn sich – wie bei
gesellschaftsrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen üblich – die Wertbemessung nach den
Grundsätzen des
1336; Beschluss vom 15.03.1999 - II ZR 94/98,
2011, 997) und der Streitwert danach unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der
Bedeutung der Sache für die Parteien, nach billigem Ermessen zu bestimmen ist (vgl. dazu BGH, Beschluss
vom 10.11.2020 – II ZR 243/19 – juris Rn. 6), bemaß sich der Streitwert anhand des von den Klägern
angegebenen Wertes des Vermögens der Gesellschaft (vgl. Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht,
ZPO § 3 Rn. 35 sowie BGH, Beschluss vom 10.11.2020 – II ZR 243/19 – juris Rn. 9) abzüglich eines
Feststellungsabschlags in Höhe von 20%.
Die Widerklageanträge bleiben nach
Gegenstand gerichtet sind (vgl. Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, ZPO, § 3 Rn. 26 mwN).
Entscheidung, Urteil
Gericht:LG Mannheim
Erscheinungsdatum:18.03.2021
Aktenzeichen:21 O 1/20
Rechtsgebiete:
Verein
Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Kommanditgesellschaft (KG)
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
Allgemeines Schuldrecht
OHG
Aktiengesellschaft (AG)
GmbH
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
HGB §§ 119, 146; BGB § 709 Abs. 2