Keine Löschung der Gesellschaft bei laufendem Zivilverfahren
letzte Aktualisierung: 16.2.2022
KG, Beschl. v. 10.9.2021 – 22 W 51/21
Keine Löschung der Gesellschaft bei laufendem Zivilverfahren
Eine Löschung der Gesellschaft nach
Abwicklungsmaßnahmen erforderlich sind. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Gesellschaft noch
als Beklagte Partei in einem laufenden Zivilprozess ist.
Gründe
I.
Die Beteiligte, eine GmbH, ist seit 1984 im Handelsregister des Amtsgerichts
Charlottenburg eingetragen.
Nachdem das Amtsgericht Charlottenburg - Insolvenzgericht - einen Antrag auf Eröffnung
des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beteiligten mangels einer die Kosten
deckenden Masse rechtskräftig abgewiesen hat, ist die Auflösung der Beteiligten von Amts
wegen im Mai 2018 in das Handelsregister eingetragen worden. Der Abweisung des
Insolvenzgerichts lag das Gutachten des Insolvenzverwalters zugrunde, in welchem u.a. eine
gegen die Beteiligte anhängige Klage vor dem Landgericht Berlin aufgeführt war. Die
Beteiligte begehrt in diesem Prozess im Wege der Widerklage Zahlung in Höhe von rund
750.000 EUR nebst Zinsen, deren Erfolgsaussichten durch den Insolvenzverwalter
aufgrund des bisherigen Prozessverlaufs als nicht erfolgsversprechend eingeschätzt wurden.
Mit Anmeldung vom 27. Mai 2020 hat der Liquidator u.a. zur Eintragung in das
Handelsregister angemeldet, dass die Liquidation beendet und die Firma der Gesellschaft
erloschen sei. Zur Begründung hat der Liquidator ausgeführt, dass der noch anhängige
Passivprozess vor dem Landgericht Berlin zum Aktenzeichen 95 O 44/04 der Löschung der
Gesellschaft nicht entgegenstehe. Unter Bezugnahme auf das Insolvenzgutachten ergebe
sich zudem, dass der anhängige Widerklageantrag als nicht werthaltig bewertet worden sei.
Nachdem das Amtsgericht beanstandet hat, dass bereits der anhängige Passivprozess der
Löschung entgegenstehe, die Beendigung des Rechtsstreits abgewartet und die Löschung
zurückgestellt werden soll, hat es auf Bitten des Verfahrensbevollmächtigten mit förmlicher
Zwischenverfügung vom 29. März 2021 unter Rechtsbehelfsbelehrung mitgeteilt, dass es an
seiner zuvor mitgeteilten Rechtsauffassung festhalte.
Hiergegen richtet sich die vom Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten eingelegte
Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur
Entscheidung vorgelegt hat.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung vom 29. März 2021 ist statthaft und auch
im Übrigen zulässig.
a) Die Beschwerde nach
Zwischenverfügung bezeichnete Schreiben vom 29. März 2021, der von der Beteiligten
auch form- und fristgerecht eingelegt worden ist. Die Beschwerde ist auch dann eröffnet,
wenn das Gericht den Anschein gesetzt hat, es sei von einer anfechtbaren
Zwischenverfügung auszugehen (vgl. OLG München, Beschluss vom 14. Juni 2012 – 31
Wx 192/12 –, juris, Rn. 6; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. März 2018 – I-3 Wx 50/18
–, juris, Rn. 1 – 3; Holzer in: Prütting/Helms, 5. Aufl. 2020,
in: Bork/Jacoby/Schwab, 3. Aufl. 2018,
selbständig anfechtbarer „bloßer“ gerichtlicher Hinweis abzugrenzen, der eine Verwerfung
des Rechtsmittels als unzulässig zur Folge hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.
März 2018 – I-3 Wx 50/18 –, juris, Rn. 1 - 3; Heinemann in Keidel, 20. Aufl. 2020, § 382
FamFG, Rn. 22).
Vorliegend sollte es sich nach der vorangegangenen Korrespondenz des Gerichts mit dem
vertretenden Notar bei dem Schreiben vom 29. März 2021 ausdrücklich um eine
rechtsmittelfähige Zwischenverfügung handeln. Zudem ist das Schreiben mit einer
Rechtsbehelfsbelehrung, die auf die Beschwerde verweist, versehen und enthält, wie in §
382 Abs. 4 Satz 1 FamFG vorgesehen, die Benennung eines (aus Sicht des Gerichts
bestehenden) Eintragungshindernisses, wenngleich ohne Fristsetzung.
b) Die Beteiligte ist nach § 59 Abs. 1 FamFG auch beschwerdebefugt. Zwar hat der die
Beschwerde einreichende Notar nicht mitgeteilt, ob er das Rechtsmittel namens der
Beteiligten oder im eigenen Namen als beurkundender Notar einlegt. Wird aber im Rahmen
eines Antragsverfahrens in einem mit notariellem Schreiben eingeleiteten
Beschwerdeverfahren der Name des Beschwerdeführers nicht angegeben, so gilt die
Beschwerde im Zweifel als im Namen aller beschwerdebefugten Antragsberechtigten bzw.
Antragsverpflichteten eingelegt, für die der Notar tätig geworden ist (vgl. OLG Nürnberg,
Beschluss vom 18. April 2011 – 12 W 631/11 –, juris, Rn. 27; KG, Beschluss vom 25. Juli
2011 – 25 W 33/11 –, juris, Rn. 6). Das ist hier die Beteiligte.
Die nach § 59 Abs. 1 FamFG erforderliche Beschwer folgt aus der Tatsache, dass der
Beteiligten die Eintragung der Löschung der Firma gemäß
demnach die Eintragung ihrer Löschung in das Handelsregister verwehrt wird.
c) Auch der notwendige Beschwerwert gemäß § 61 Abs. 1 FamFG von mehr als 600 € wird
erreicht. Die sich aus der Nichteintragung der Löschung ergebende Beschwer führt bereits
aufgrund der mit der fortbestehenden Registereintragung verbundenen Pflichten zum
Übersteigen des Beschwerwerts.
2. Die Beschwerde hat Erfolg, wobei die Aufhebung auf rein formellen Erwägungen beruht.
Denn das mit Rechtsmittelbelehrung versehene Schreiben vom 29. März 2021 hat keinen
bei einer Zwischenverfügung zulässigen Inhalt.
a) Wie sich aus
aufgegeben werden, ein dem Vollzug der vorliegenden Anmeldung entgegenstehendes
Hindernis zu beheben mit der Folge, dass nach dessen Behebung die Anmeldung, so wie sie
vorliegt, vollzogen wird (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. März 2018 – I-3 Wx 50/18 –,
juris, Rn. 5 - 6). Handelt es sich um kein behebbares Hindernis, sondern ein endgültiges, so
darf keine Zwischenverfügung ergehen, vielmehr ist der Eintragungsantrag nach § 382 Abs.
3 FamFG abzulehnen (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 23. Februar 2011 – 3 W
22/11 –, juris, Rn. 6 f.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 06. September 2011 – 8 W 319/11 –,
juris, Rn. 10; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. März 2018 – I-3 Wx 50/18 –, juris, Rn. 1
– 3; Heinemann in Keidel, 20. Aufl. 2020,
b) Nach Auffassung des Senats stellt der anhängige und gegen die Beteiligte geführte
Gerichtsprozess ein nicht behebbares Hindernis dar, welches der Löschung der Beteiligten
entgegensteht. Das Registergericht durfte nicht durch eine selbstständig anfechtbare
Zwischenverfügung entscheiden. Vielmehr hätte eine die Anmeldung ablehnende (End-)
Entscheidung ergehen müssen.
aa) Grundsätzlich kommt eine Löschung der Firma nach § 74 GmbHG nicht in Betracht,
wenn weitere Abwicklungsmaßnahmen erforderlich sind (vgl. dazu etwa OLG Hamm,
Beschluss vom 29. Juli 2015, 27 W 50/15 - juris, Rn. 14). Für Passivprozesse ist die
Wahrnehmung der Rechtsstellung eines Verfahrensbeteiligten eine sonstige
Abwicklungsmaßnahme, deren Erfordernis eine Löschung ausschließt (so ausdrücklich
OLG München, Beschluss vom 20. Juni 2005 – 31 Wx 36/05 –, juris, Rn. 10; Haas in
Baumbach/Hueck, 22. Aufl. 2019, § 74 GmbHG, Rn. 2 und 19; Nerlich in:
Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, 3. Aufl. 2017, § 74 GmbHG, Rn. 5; H.-F. Müller in
MüKoGmbHG, 3. Aufl. 2018, § 74 GmbHG, Rn. 3). Als Grund wird der fortwirkende
Abwicklungsbedarf angeführt, und zwar unabhängig davon, ob der Kläger Vermögen der
Gesellschaft verlangt oder nicht (Karsten Schmidt/Scheller in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl.
2018 ff., § 74 GmbHG, Rn. 2) bzw. weiterer organschaftlicher Handlungsbedarf besteht.
bb) Das Amtsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beteiligte im Falle der
Löschung sehenden Auges ihre Rechts- und Parteifähigkeit verlieren würde. Zwar wird eine
Gesellschaft auch im Passivprozess in einer Reihe von Konstellationen als parteifähig
behandelt, wenn sie wegen Vermögenslosigkeit oder nach vollzogener Liquidation im
Handelsregister gelöscht worden ist (vgl. BAG, Urteil vom 04. Juni 2003 – 10 AZR 448/02
–,
juris, Rn. 22 f. m.w.N.). Daraus kann jedoch nicht der (Umkehr-)Schluss gezogen werden,
eine Löschung der Beteiligten sei zulässig.
Entgegen der Ansicht der Beteiligten hilft auch der Verweis auf eine mögliche
Nachtragsliquidation nicht weiter. Nach Ansicht des Senats ist dieses Verfahren für Fälle
eröffnet, in denen sich nachträglich Vermögen oder Abwicklungsbedarf herausstellt. Bei
noch bestehendem Abwicklungsbedarf darf eine Löschung der Gesellschaft unter Verweis
auf eine mögliche Nachtragsliquidation nicht erfolgen (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Juli
2019 – 22 W 29/18 –, juris, Rn. 12 sowie Berichtigungsbeschluss vom 12. September 2019,
juris; OLG Hamm, Beschluss vom 29. Juli 2015 – I-27 W 50/15 –, juris, Rn. 18; so auch
Karsten Schmidt/Scheller in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018 ff., § 74 GmbHG, Rn. 2;
Altmeppen, 10. Aufl. 2021, § 74 GmbHG, Rn. 27). Die Nachtragsliquidation müsste
sogleich vom Gläubiger eingeleitet werden und verursacht zudem einen erheblichen
Aufwand.
Soweit die Beteiligte sich auf anderslautende Rechtsprechung beruft, nach der insbesondere
ein nicht abgeschlossenes Besteuerungsverfahren einer Löschung nicht entgegenstehen soll
(so OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. März 2014, I-3 Wx 48/14 – juris; OLG
Düsseldorf, Beschluss vom 13. August 2019 – I-3 Wx 80/17 –, juris, Rn. 12), teilt der Senat
diese Auffassung ausdrücklich nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Juli 2019 – 22 W 29/18
–, juris, Rn. 12).
b) Der Senat konnte lediglich über die Zwischenverfügung, jedoch nicht über die
Anmeldung entscheiden. Insoweit ist die Entscheidungskompetenz des Senats als
Beschwerdegericht durch den Beschwerdegegenstand begrenzt und die Entscheidung über
die Anmeldung (mangels End-Entscheidung) nicht angefallen (vgl. BGH, Beschluss vom
26. April 2017 – XII ZB 100/17 –, juris, Rn. 10; Müther in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG,
3. Aufl. 2018, § 69 FamFG, Rn. 1.2; Sternal in Keidel, 20. Aufl. 2020, § 69 FamFG, Rn. 27).
Dies gilt auch, soweit die Zwischenverfügung als Aussetzungs- oder Ruhendentscheidung
aufgefasst werden würde (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 02. Juli
1999 – 3Z BR 298/98 –, juris, Rn. 25; Steup in: Bahrenfuss, FamFG, 3. Aufl. 2017, § 381
FamFG, Rn. 13).
3. Vorsorglich weist der Senat in der Sache - ohne Bindungswirkung - auf Folgendes hin:
Nach zutreffender Auffassung des Amtsgerichts steht der schwebende Passivprozess der
Beendigung der Liquidation entgegen. Das Amtsgericht hat nach Aufhebung der
Zwischenverfügung die Anmeldung zurückzuweisen oder das Anmeldeverfahren
auszusetzen, wobei der Senat einer Zurückweisung der Anmeldung den Vorzug geben
würde.
a) Jedenfalls kann das Verfahren im Hinblick auf das anhängige Gerichtsverfahren nicht
ruhend gestellt werden. Selbst wenn eine Anordnung des Ruhens des Verfahren im
Registerverfahren möglich wäre, kommt diese nicht in Betracht, wenn - wie hier nach
Beendigung der Liquidation - eine Anmeldepflicht besteht (Müther in:
Bork/Jacoby/Schwab, 3. Aufl. 2018,
b) Der Senat hält auch eine Aussetzung des Verfahrens gemäß
vorzugswürdig. Es kann offenbleiben, ob ein der Beendigung der Liquidation
entgegenstehender Passivprozess ein solch streitiges Rechtsverhältnis darstellt, was zur
Aussetzung berechtigten würde (vgl. dazu generell OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. April
2015 – 20 W 226/13 –, juris, Rn. 34 als obiter dictum). Jedenfalls besteht hier kein Anlass,
das Verfahren im Hinblick auf den anhängigen Prozess auszusetzen. Denn die Anmeldung
wäre bereits wegen des fehlenden Ablaufs des Sperrjahres zurückzuweisen, so dass es
bereits an der Vorgreiflichkeit fehlt (vgl. dazu Heinemann in Keidel, 20. Aufl. 2020, § 381
FamFG, Rn. 5). Hat die Gesellschaft bei Abweisung des Insolvenzverfahrens
Restvermögen, folgt das Liquidationsverfahren dem Gesellschaftsrecht (Scheller in: Scholz,
GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 60 GmbHG, Rn. 38; Geißler,
in MüKoGmbHG, 3. Aufl. 2018, § 60 GmbHG, Rn. 124). Das beinhaltet grundsätzlich
auch die Vorschrift über die entsprechende Bekanntmachung und den Ablauf des
Sperrjahres nach § 73 GmbHG (vgl. Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt,
Beschluss vom 27. Mai 2002 – 7 Wx 1/02 –, juris, Rn. 16 auch bei der masselosen GmbH).
Dass im Ausnahmefall darauf verzichtet werden könnte, ist im Hinblick auf den anhängigen
Prozess, in dem die Beteiligte auch Widerklage erhoben hat und damit ein
Vermögenszufluss nicht gänzlich ausgeschlossen ist, derzeit nicht feststellbar.
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Soweit die Beschwerde Erfolg hat, fallen
Kosten nicht an. Eine Kostenerstattung kommt nicht in Betracht.
Da die Zwischenverfügung bereits aus formalen Gründen aufzuheben war, die
Ausführungen unter Ziffer 3. damit vorliegend nicht entscheidungserheblich sind, kommt
auch eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 70 FamFG nicht in Betracht.
Entscheidung, Urteil
Gericht:Kammergericht
Erscheinungsdatum:10.09.2021
Aktenzeichen:22 W 51/21
Rechtsgebiete:
GmbH
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
GmbHG § 74 Abs. 1; FamFG §§ 21, 381