BGH 09. Mai 2025
LwZR 6/24
BGB § 550

Beweislastverteilung bei Streit über Einhaltung der Schriftform; Niederlegung wesentlicher vertraglicher Vereinbarungen außerhalb der Urkunde; Auslagerung in Anlagen; Wahrung der Urkundeneinheit

letzte Aktualisierung: 2.6.2025
BGH, Beschl. v. 9.5.2025 – LwZR 6/24

BGB § 550
Beweislastverteilung bei Streit über Einhaltung der Schriftform; Niederlegung wesentlicher
vertraglicher Vereinbarungen außerhalb der Urkunde; Auslagerung in Anlagen; Wahrung der
Urkundeneinheit

1. Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt,
sondern in Anlagen ausgelagert, so dass sich der Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung
erst aus dem Zusammenspiel dieser „verstreuten“ Bedingungen ergibt, dann müssen die Parteien
zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter
Weise zweifelsfrei kenntlich machen.
2. Dazu bedarf es – anders als früher – nach der sog. „Lockerungsrechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs
keiner körperlichen Verbindung dieser Schriftstücke. Vielmehr genügt für die Einheit
der Urkunde die bloße gedankliche Verbindung, die allerdings in einer zweifelsfreien Bezugnahme
zum Ausdruck kommen muss (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2021 – XII ZR 26/20, NZM
2021, 472 Rn. 13 m. w. N zu § 550 BGB).
3. Auch für einen späteren Grundstückserwerber, dessen Schutz das Schriftformerfordernis der
§§ 550 und 585a BGB in erster Linie dient, ist es unerheblich, ob die Anlage dem Vertrag bei
Unterzeichnung beigefügt war oder nicht. Diesem wird die zweifelsfreie Bezugnahme durch die
eindeutige Zuordnung der Anlage zum Vertrag ermöglicht.

(Leitsätze der DNotI-Redaktion)

Gründe:

1. Die Rechtssache wirft keine entscheidungserheblichen Fragen von
grundsätzlicher Bedeutung auf. Eine Entscheidung ist auch nicht zur Fortbildung
des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich
(§ 543 Abs. 2 ZPO).

a) Allerdings macht die Nichtzulassungsbeschwerde im Grundsatz zu
Recht geltend, dass das Berufungsgericht auf der Grundlage der von ihm vertretenen
Rechtsauffassung zu den Anforderungen an die Wahrung der Schriftform
des zwischen den Rechtsvorgängern des Klägers und der Beklagten zu 1 geschlossenen
Pachtvertrags die Revision hätte zulassen müssen.

aa) Das Berufungsgericht meint, die Schriftform des Pachtvertrags wäre
nur gewahrt, wenn die in § 1 genannte Anlage (Flurstücksnachweise / Auszug
aus dem Liegenschaftskataster) dem Vertrag bei dessen Unterzeichnung beigefügt
gewesen sein sollte. Der Umstand, dass sich dies nicht aufklären lasse, gehe
zu Lasten des Klägers, der nach vorzeitiger ordentlicher Kündigung des Pachtvertrags
die Herausgabe der gepachteten Grundstücke verlange. Als Anspruchssteller
trage der Kläger die Beweislast für einen Verstoß gegen das Formerfordernis
als Voraussetzung des von ihm geltend gemachten Kündigungsrechts
(§§ 585a [aF], 594a Abs. 1 Satz 1 BGB).

bb) Die Beweislastverteilung hinsichtlich der Wahrung der Schriftform eines
Miet- oder Pachtvertrags ist in Rechtsprechung und Literatur allerdings umstritten.
Das Oberlandesgericht München und Teile der Literatur sind wie das Berufungsgericht
der Ansicht, dass derjenige, der - wie hier der Kläger - als Anspruchssteller
einen Verstoß gegen das Formerfordernis als Voraussetzung eines
Kündigungsrechts geltend mache, die Beweislast für diesen Verstoß trage
(OLGR München 2009, 346 [juris Rn. 19]; BeckOGK/Harke, BGB [1.1.2025],
§ 550 Rn. 71). Das Oberlandesgericht Rostock und das Kammergericht sind hingegen
mit anderen Stimmen in der Literatur der Ansicht, dass für die Wahrung
der Schriftform derjenige beweispflichtig sei, der sich - wie hier die Beklagten -
auf die Befristung des Pachtvertrags berufe; bei Unaufklärbarkeit (non liquet)
trotz fortbestehender Zweifel von der Erfüllung der Form auszugehen, würde dem
Zweck der Schriftform widersprechen (OLG Rostock, NZM 2002, 955, 956;
NJW 2009, 445, 447; OLGR KG 2007, 341 [juris Rn. 32]; Blank/Börstinghaus/
Siegmund/Weidt, Miete, 7. Aufl., § 550 BGB Rn. 93; Börstinghaus in Baumgärtel/
Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, 5. Aufl., § 550 Rn. 4).

cc) Da das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts
Rostock und des Kammergerichts abweicht, hätte es schon aus diesem
Grunde die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulassen
müssen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Überdies handelt es sich bei der umstrittenen
Beweislastverteilung hinsichtlich der Wahrung der Schriftform bei
Landpachtverträgen ersichtlich um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung,
die unabhängig von der Divergenz die Zulassung der Revision zur Klärung durch
den Bundesgerichtshof erfordert hätte (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

b) Gleichwohl ist die fehlerhaft unterlassene Zulassung der Revision nicht
durch den Senat nachzuholen, weil die klärungsbedürftige Frage nach der Beweislastverteilung
nicht entscheidungserheblich ist; bei richtiger Sachbehandlung
stellt sich die genannte Rechtsfrage nicht, so dass im Ergebnis richtig entschieden
worden ist (vgl. zum Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung BGH, Beschluss vom 12. Februar 2004 - V ZR 247/03, NJW
2004, 1167, 1168).

aa) Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag
selbst schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert, so dass sich der
Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel
dieser "verstreuten" Bedingung ergibt, müssen die Parteien zur Wahrung der
Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter
Weise zweifelsfrei kenntlich machen. Dazu bedarf es - anders als früher - nach
der sog. "Lockerungsrechtsprechung" des Bundesgerichtshofs keiner körperli-
chen Verbindung dieser Schriftstücke. Vielmehr genügt für die Einheit der Urkunde
die bloße gedankliche Verbindung, die allerdings in einer zweifelsfreien
Bezugnahme zum Ausdruck kommen muss (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar
2021 - XII ZR 26/20, NZM 2021, 472 Rn. 13 mwN zu § 550 BGB). Für den

Landpachtvertrag gilt - wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt richtig sieht -
insoweit im Rahmen von § 585a BGB (aF) nichts Anderes.

bb) Das Berufungsgericht nimmt in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung
an, dass der Pachtvertrag durch die Bezugnahme auf die Anlage in § 1 in
Zusammenschau mit der in der Anlage enthaltenen Überschrift diesen Anforderungen
genügt. Wenn aber somit die gedankliche Verbindung durch eine zweifelsfreie
Bezugnahme zum Ausdruck kommt, dann ist nicht ersichtlich, und wird
auch weder von dem Berufungsgericht noch von der Beschwerde begründet, warum
es darüber hinaus zur Wahrung der Schriftform noch erforderlich sein sollte,
dass die Anlage dem Pachtvertrag bei der Unterzeichnung beigefügt war. Die
Regelungen in § 550 und § 585a BGB dienen in erster Linie dem Schutz eines
späteren Grundstückserwerbers; es soll vor allem sichergestellt werden, dass ein
späterer Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes auf Seiten des Vermieters
bzw. Verpächters in ein langfristiges Miet- oder Pachtverhältnis eintritt, dessen
Bedingungen aus dem schriftlichen (ab 1. Januar 2025: in Textform geschlossenen)
Vertrag ersehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2010 - XII ZR
120/06, NJW 2010, 1518 Rn. 14 mwN). Für einen Erwerber macht es aber keinen
Unterschied, ob die nicht fest mit dem Pachtvertrag verbundene Anlage dem Vertrag
bei Unterzeichnung beigefügt war oder nicht. Entscheidend ist die zweifelsfreie
Bezugnahme, die dem Erwerber die eindeutige Zuordnung der Anlage zu
dem Vertrag ermöglicht.

2. Auch Rechtsfehler des Berufungsgerichts im Zusammenhang mit der
Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde führen nicht
zur Zulassung der Revision.

a) Allerdings rügt die Beschwerde zu Recht, dass das Berufungsgericht
die Vermutungswirkung fehlerhaft anwendet. Nach der ständigen Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs besteht für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen
Urkunden die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit; es wird
also vermutet, dass das, was im beurkundeten Text steht, der Vereinbarung entspricht
und nur das vereinbart ist. Die Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde
liegende Umstände beruft, trifft die Beweislast für deren Vorliegen (zum Ganzen
BGH, Urteil vom 10. Juni 2016 - V ZR 295/14, WM 2018, 475 Rn. 6 mwN). Demzufolge
erstreckt sich, weil es sich insoweit um einen außerhalb der Urkunde liegenden
Umstand handelt, die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit entgegen
der Ansicht des Berufungsgerichts nicht darauf, dass eine nicht fest verbundene
Anlage dem Vertrag bei Vertragsschluss beigefügt war.

b) Dieser Rechtsfehler ist aber nicht entscheidungserheblich, weil es für
die Wahrung der Schriftform des Pachtvertrags nicht darauf ankommt, ob die Anlage
dem Vertrag bei Vertragsschluss beigefügt war (siehe oben Rn. 8), sodass
sich auch die fehlerhafte Anwendung der Vermutung im Ergebnis nicht auswirkt.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz
2 ZPO abgesehen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

09.05.2025

Aktenzeichen:

LwZR 6/24

Rechtsgebiete:

Miete
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB § 550