OLG Nürnberg 08. November 2021
15 W 3774/21
BGB §§ 277, 1036 Abs. 2

Beschränkung der Verantwortlichkeit des Nießbrauchers auf die eigenübliche Sorgfalt als dinglicher Inhalt des Nießbrauchs

BGB §§ 277, 1036 Abs. 2
Beschränkung der Verantwortlichkeit des Nießbrauchers auf die eigenübliche Sorgfalt als dinglicher Inhalt des Nießbrauchs

Einer Vereinbarung, nach der der Berechtigte bei Ausübung seines Nießbrauchs nur die Sorgfalt, die er in eigenen Dingen anzuwenden pflegt, schuldet, kommt keine dingliche Wirkung zu und sie kann daher nicht in das Grundbuch eingetragen werden.

OLG Nürnberg, Beschl. v. 8.11.2021 – 15 W 3774/21

Problem
Im Rahmen eines Überlassungsvertrages mit Vorbehaltsnießbrauch wurde als dinglicher Inhalt des Nießbrauchs u. a. vereinbart:

„Der Berechtigte schuldet bei Ausübung seines Nießbrauchs nur die Sorgfalt, die er in eigenen Dingen anzuwenden pflegt. Die Vertragsteile bewilligen und beantragen die Eintragung des vorbehaltenen Nießbrauchs in das Grundbuch an nächstoffener Rangstelle.“

Das Grundbuchamt ist der Auffassung, dass die Beschränkung auf die eigenübliche Sorgfalt kein möglicher dinglicher Inhalt des Nießbrauchs sei. Nach § 1036 Abs. 2 BGB obliege dem Nießbraucher die Pflicht, bei der Ausübung des Nutzungsrechts die bisherige wirtschaftliche Bestimmung der Sache aufrechtzuerhalten und nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft zu fahren. Dies sei nach einhelliger Auffassung nicht mit dinglicher Wirkung abdingbar.

Entscheidung
Das OLG Nürnberg teilt diese Auffassung. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung gehöre neben der Pflicht zur Substanzerhaltung zu den Kernregelungen des Nießbrauchs und könne deshalb aufgrund des Typenzwangs des Sachenrechts nicht vollständig mit dinglicher Wirkung abbedungen werden. § 1036 Abs. 2 BGB bilde insofern einen unverzichtbaren Bestandteil des Nießbrauchs. Der Nießbraucher habe bezüglich Nutzung und Bewirtschaftung der Sache so zu verfahren, als sei er Eigentümer. Maßgeblich hierfür sei grundsätzlich ein objektiver Maßstab. Dem widerspreche es, wenn der Haftungsmaßstab gemäß § 277 BGB reduziert werde, da dann kein objektiver, typisierter, sondern ein rein subjektiver, auf persönliche Gepflogenheiten des Betroffenen abstellender Maßstab angelegt werde. Dies führe dazu, dass der Inhalt des Rechts nicht mehr objektiv zu bestimmen sei, sondern von individuellen, persönlichen Eigenarten des Schuldners abhänge, die sich über die Zeit auch ändern könnten. Der genaue Inhalt des dinglichen Nutzungsrechts könne dann nur im Rahmen tatsächlicher Ermittlungen festgestellt werden.

Dem könne auch nicht entgegengehalten werden, dass dem Nießbrauchberechtigten eine Reihe von Pflichten mit dinglicher Wirkung erlassen werden könnten, die grundsätzlich zu den Regeln ordnungsgemäßer Wirtschaft gehörten (beispielsweise die Versicherungspflicht gemäß § 1045 BGB bzw. die Lastentragungspflicht gemäß § 1047 BGB). Der Umfang dieser Pflichten könne gerade objektiv bestimmt werden und sei deshalb nicht mit dem subjektiven Maßstab des § 277 BGB vergleichbar.

Hinweis
Das OLG Nürnberg liegt damit auf der Linie anderer Oberlandesgerichte (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.1.2014 – 20 W 349/13 und KG, Beschl. v. 11.4.2006 – 1 W 609/03). Eine schuldrechtliche Vereinbarung mit entsprechendem Inhalt dürfte aber ohne Weiteres möglich sein.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Nürnberg

Erscheinungsdatum:

08.11.2021

Aktenzeichen:

15 W 3774/21

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 13
FGPrax 2022, 11-12

Normen in Titel:

BGB §§ 277, 1036 Abs. 2