OLG Köln 18. Mai 2020
2 Wx 102/20
BeurkG § 13

Anforderungen an die Unterschrift des Testators bei einem notariellen Testament

letzte Aktualisierung: 25.09.2020
OLG Köln, Beschl. v. 18.5.2020 – 2 Wx 102/20

BeurkG § 13
Anforderungen an die Unterschrift des Testators bei einem notariellen Testament

1. Mit der Unterschrift unter einer notariellen Urkunde dokumentieren die Beteiligten, dass sie sich
ihre Erklärungen zurechnen lassen. Dagegen dient die Unterschrift nicht der Identifizierbarkeit der
Urkundsbeteiligten.
2. Für die Unterzeichnung eines notariell errichteten Testaments genügt es, wenn der Erblasser
versucht, seinen Familiennamen zu schreiben, und die Unterschrift aufgrund einer
krankheitsbedingten Schwächung aus einem Buchstaben und einer anschließenden geschlängelten
Linie besteht.

Gründe:

1.
In dem notariell beurkundeten Testament vom 09.08.2011 (UR Nr. 1xx/2011 des Notars A in B) hatten sich die
Erblasserin und ihr am 07.10.2015 vorverstorbener Ehemann C D wechselseitig zu Alleinerben und zu Erben des
Letztversterbenden die Geschwister des Ehemannes eingesetzt, wobei die Schlusserbeneinsetzung für den
Überlebenden als frei änderbar festgelegt wurde (Bl. 12 ff. Testamentsakte).

In dem notariell beurkundeten Testament vom 22.12.2015 (UR Nr. 7xx/2015 des Notars Dr. E in F) setzte die
Erblasserin unter Bezugnahme auf den Änderungsvorbehalt in dem Ehegattentestament zu ihrem Alleinerben
ihren Großcousin, den Beteiligten zu 2., ein (Bl. 34 f. Testamentsakte).

In notarieller Urkunde vom 06.09.2016 hat die Beteiligte zu 1., die Schwester des Ehemannes der Erblasserin, die
Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der sie und ihre beiden Brüder als Erben der Erblassers
zu gleichen Teilen ausweist (Bl. 3 ff). Sie hat vorgebracht, das Einzeltestament der Erblasserin vom 22.12.2015
sei wegen Testierunfähigkeit unwirksam, auch sei die notarielle Niederschrift von der Erblasserin nicht vollständig
unterschrieben worden.

Das Nachlassgericht hat eine Abschrift des Antrages dem Beteiligten zu 2. und den Brüdern der Beteiligten zu 1.
mit dem Hinweis zugeleitet, sie könnten auf Antrag als Beteiligte hinzugezogen werden (Bl. 15). Der Beteiligte zu
2. ist dem Antrag entgegengetreten. Das Nachlassgericht hat zur Frage der Testierunfähigkeit Beweis erhoben
durch Anhörung der Beteiligten, Vernehmung von Zeugen, Beiziehung von Arztunterlagen und die Einholung
eines Sachverständigengutachtens.

Durch den am 09.12.2019 erlassenen Beschluss vom 06.12.2019 hat der Nachlassrichter den Erbscheinsantrag
der Beteiligten zu 1. zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, eine Testierunfähigkeit der
Erblasserin habe nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts festgestellt werden können (Bl. 404 ff.). Auch habe
die Erblasserin eine den Anforderungen des § 13 BeurkG genügende Unterschrift geleistet.

Gegen den ihr am 12.12.2019 zu Händen ihrer Verfahrensbevollmächtigten zugestellten Beschluss wendet sich
die Beteiligte zu 1. mit ihrer Beschwerde gemäß Schriftsatz vom 10.01.2020. Das entsprechende
Telefaxschreiben ist vom Amtsgericht Bonn mit einem auf den 13.01.2020 datierten Stempel versehen worden
(Bl. 433). Mit ihrer nachgereichten Beschwerdebegründung vom 03.03.2020, auf die wegen der Einzelheiten
Bezug genommen wird (Bl. 457 ff.) verfolgt die Beschwerdeführerin ihre Einwände gegen die Wirksamkeit des
Einzeltestaments weiter. Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache zur
Entscheidung dem Oberlandesgericht vorgelegt.

2.
a) Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden. Da der angefochtene Beschluss am
12.12.2019 zugestellt worden war, lief die Frist zur Einlegung der Beschwerde am 13.01.2020, einem Montag, ab.
Aufgrund des vom Amtsgericht angebrachten Datumsstempels ist festzustellen, dass das Telefaxschreiben
spätestens an diesem Tage eingegangen war. Es bedarf für den vorliegenden Fall daher keiner Prüfung, ob das in
der Anwaltskanzlei mit dem Sendevermerk "10.01.2020 Fr 13:00" versehene Telefax noch am 10.01.2020 bei
dem Amtsgericht eingegangen war. Der bei den Akten befindliche Ausdruck Bl. 433 d.A. lässt nur noch eine
Eingangszeit "13:08" erkennen, das Datum ist abgerissen.

b) In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg; das Amtsgericht hat den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu
1. mit Recht zurückgewiesen. Denn Erbe der Erblasserin ist der Beteiligte zu 2. geworden. Das Einzeltestament
vom 22.12.2015 ist wirksam.

Mit Recht hat das Amtsgericht eine Testierunfähigkeit der Erblasserin bei Testamentserrichtung verneint. Es hat
hier die zutreffenden Grundsätze angewandt, wegen derer zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die
Begründung des angefochtenen Beschlusses verwiesen wird, und sich in zutreffender Würdigung einer
erschöpfenden Beweisaufnahme nicht die Überzeugung zu bilden vermocht, dass die Erblasserin bei Errichtung
des Testaments am 22.12.2015 testierunfähig war. Der Auffassung der Beschwerde, in der Gesamtschau könne
man nur zu dem Ergebnis gelangen, dass die Erblasserin testierunfähig war, ist nicht zu folgen. Insoweit gilt der
Grundsatz, dass die Testierfähigkeit die Regel und eine Testierunfähigkeit die Ausnahme ist, weshalb die
Feststellungslast denjenigen Beteiligten trifft, der sich auf Testierunfähigkeit beruft. Lässt sich eine
Testierunfähigkeit nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen, ist davon auszugehen, dass der Erblasser
testierfähig war. So ist es im Streitfall. Auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere des
Gutachtens unter Einbeziehung der Arztunterlagen sowie der Angaben der Beteiligten und Zeugen lässt sich in
der Gesamtschau nicht mit ausreichender Gewissheit die Feststellung einer Testierunfähigkeit treffen.
Verbleibende Zweifel in dieser Frage sind nicht geeignet, zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. Eine weitere
Beweisaufnahme ist nicht veranlasst. Ob, was die Beteiligte zu 1. durch Zeugen unter Beweis stellt,
Behauptungen des Beteiligten zu 2. betreffend das Verhältnis zwischen der Erblasserin auf der einen sowie der
Beteiligten zu 1. und deren Verwandten auf der anderen Seite unrichtig sind, ist für die Frage der Testierfähigkeit
der Erblasserin ebenso unerheblich wie das unter Zeugenbeweis gestellte Vorbringen, die Erblasserin sei für die
Beteiligte zu 1. und deren Brüder wegen des Beteiligten zu 2. nicht erreichbar gewesen. Auch wenn darin
entsprechend dem Beschwerdevortrag ein Abhängigkeitsverhältnis zum Ausdruck käme, ließe dies jedenfalls
nicht den Schluss zu, dass die Erblasserin, wie die Beschwerde vorbringt, "die Tragweite ihrer rechtlichen
Handlung nicht mehr überblicken konnte" und eine freie Willensbildung nicht mehr möglich war. Auch bedarf es
nicht ergänzender Begutachtung. Das vom Amtsgericht eingeholte Gutachten ist in den
entscheidungserheblichen Fragen erschöpfend.

Das Testament wird auch dem Unterschriftserfordernis nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BeurkG gerecht. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird "mit der Unterschrift … dokumentiert, daß sich die Beteiligten ihre
Erklärungen zurechnen lassen und die Urkunde in ihrer körperlichen Form genehmigen; die Unterschrift dient
damit als formelles Zeichen der Verantwortungsübernahme für Geltung und Gültigkeit des beurkundeten
Rechtsgeschäfts und für die Echtheit des beurkundeten Willens der Beteiligten (Heinemann, ZNotP 2002, 223,
224). Denn die Urkunde enthält nicht etwa Erklärungen des Notars, die er aufgrund des ihm mitgeteilten Willens
der Beteiligten abgibt, sondern die eigenen Willenserklärungen der Beteiligten. Die Identifizierbarkeit der
Beteiligten ist indes nicht Sinn der Unterschrift; hierzu dient die nach § 10 BeurkG zu treffende
Identitätsfeststellung (vgl. KG, NJW-RR 1996, 1414; Heinemann, aaO)." Aufgrund dessen hat der
Bundesgerichtshof in jenem Fall eine bloße Unterzeichnung mit dem Vornamen für nicht ausreichend erachtet, da
sich der Unterzeichnung nur mit dem Vornamen nicht sicher entnehmen lässt, ob der Unterzeichner wirklich für
die Echtheit des beurkundeten Willens und für die Geltung des beurkundeten Rechtsgeschäfts einstehen will. Im
Streitfall hingegen hat die Erblasserin zumindest angesetzt, ihren Familiennamen "D" zu schreiben, was in der
Urkunde in dem "D" und der anschließenden geschlängelten Linie seinen Niederschlag gefunden hat. Aufgrund
der besonderen Umstände liegt die Annahme nahe, dass die Erblasserin damit nicht lediglich eine Paraphierung
beabsichtigte, sondern eine volle Niederschrift ihres Familiennamens, was ihr indes vor dem Hintergrund ihrer
Schwächung durch die schwere Erkrankung nach der glaubhaften Darstellung des Urkundsnotars nicht
vollständig gelang. Die Voraussetzungen einer Schreibunfähigkeit nach § 25 BeurkG lagen damit noch nicht vor,
denn die Erblasserin war noch schreibfähig, wenn auch mit einem Duktus, der durch ihre krankheitsbedingte
Schwächung geprägt war. Eine Unwirksamkeit der Unterzeichnung ist damit auch nicht nach den Grundsätzen
der Entscheidung OLG Stuttgart, NJW 2002, 145, anzunehmen. Danach ist eine Unterzeichnung (eines
notariellen Kaufvertrage in jenem Fall) nicht ausreichend, wenn sie nicht zumindest den Versuch zum Ausdruck
bringt, den Familiennamen auszuschreiben. Gerade ein solcher Versuch der Erblasserin liegt hier aber, wie
ausgeführt, vor, weshalb hier offen bleiben kann, ob die vom OLG Stuttgart gestellten Anforderungen auf
letztwillige Verfügungen zu übertragen sind (verneinend etwa Staudinger/Baumann, BGB, Neubearbeitung 2018,
§ 2232 Rz. 52). Zu Unrecht nimmt die Beschwerde die Entscheidung OLG Düsseldorf FGPrax 2017, 267 für sich
in Anspruch. Denn in jenem Fall hatte die Erblasserin der Initiale ihres Vornamens eine Kombination aus den
ersten drei Buchstaben ihres Geburtsnamens und den letzten vier Buchstaben ihres Nachnamens hinzugefügt,
also einen sie nicht kennzeichnenden Namen verwendet. So liegen die Dinge im vorliegenden Fall gerade nicht.
Ohne Erfolg beruft sich die Beschwerde ferner auf Literaturstellen zu § 2247 BGB, wonach eine bloße
Unterzeichnung mit dem Anfangsbuchstaben des Namens nicht genüge. Zum einen hat die Erblasserin, wie
dargestellt, sich hier nicht auf die Abkürzung des Familiennamens mit dem Anfangsbuchstaben beschränken
wollen und hat dies auch nicht getan. Zum anderen kommt der Unterschrift bei einem eigenhändigen Testament
nach § 2247 BGB auch eine Identifizierungsfunktion zu, im Falle notarieller Beurkundung hingegen – weil hier die
Identifizierung vom Notar gewährleistet wird - lediglich die einer Bekundung der Verantwortungsübernahme (BGH
a.a.O.). An letzterem kann bei der Unterzeichnung des Testaments vom 22.12.2015 kein Zweifel bestehen.
c) Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Voraussetzungen für die Zulassung der
Rechtsbeschwerde sind nicht erfüllt; die Entscheidung beruht auf einer Würdigung der besonderen Umstände des
Einzelfalls.

Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 400.000,-- €
(entsprechend der Festsetzung des Amtsgerichts vom 01.06.2018; Erkenntnisse für eine abweichende
Festsetzung liegen nicht vor)

3.
Der Senat hält es für angezeigt, das Amtsgericht Bonn darauf hinzuweisen, dass für eine sichere und richtige
aktenkundige Dokumentierung des Eingangsdatums von Telefaxschreiben Sorge zu tragen ist. Eine solche kann
darin bestehen, dass durch das Empfangsgerät eine Empfangskennung aufgedruckt wird. Im vorliegenden Fall ist
indes das entsprechende Datum vom Ausdruck abgerissen. Sodann kann das Eingangsdatum auch durch
Aufstempeln dokumentiert werden. Dann indes muss das aufgestempelte Datum auch dem Datum entsprechen,
an welchem das Telefaxschreiben vom Gerät des Gerichts empfangen worden ist. Dem Senat drängt sich hier die
Vermutung auf, dass das Telefax bereits am 10.01.2020, einem Freitag, um 13.08 Uhr bei dem Amtsgericht
eingegangen war und von einem Mitarbeiter dann erst am Montag mit dem Datumsstempel vom 13.01.2020
versehen wurde. Wann ein Mitarbeiter ein Telefaxschreiben dem Gerät entnimmt und/oder zur Kenntnis nimmt, ist
für die Frage des Eingangs indes unerheblich, weshalb sich nicht erschließt, aus welchen Gründen bei dem
Amtsgericht Bonn ein solcher Vorgang durch einen Stempel dokumentiert wird. So wie geschehen erweckt der
Stempel den Anschein eines Eingangs bei Gericht am 13.01.2020. Sollte mit derartigen Stempeln ein anderer
Vorgang als der Eingang bei Gericht dokumentiert werden, wäre zur Vermeidung von Unklarheiten ein Zusatz
anzubringen, der Auskunft darüber gibt, welcher Vorgang denn an dem betreffenden Tag dokumentiert werden
soll.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Köln

Erscheinungsdatum:

18.05.2020

Aktenzeichen:

2 Wx 102/20

Rechtsgebiete:

Beurkundungsverfahren
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Testamentsform

Erschienen in:

RNotZ 2020, 344-346
BWNotZ 2020, 115-117
NJW 2020, 2120-2121
ZEV 2020, 763-764

Normen in Titel:

BeurkG § 13