Kein Vorkaufsrecht der Gemeinde bezüglich der vor Bekanntmachung einer Vorkaufssatzung abgeschlossenen Grundstückskaufverträge
lung erfolgte für die Erwerbsvorgänge, die durch die Vereinigung aller
Anteile an der A-AG aufgrund des Vertrags vom 10. 12. 1985 verwirklicht
worden waren. In einer Anlage zu diesem Bescheid, die Bestandteil, des
Bescheides war, wurden die Grundstücke angeführt, auf die sich der
Vorgang bezog. Darüber hinaus wurde zu jedem Grundstück der Einheitswert, der Zuschlag von 40 v.H. und die sich daraus ergebende Besteuerungsgrundlage angegeben. Bezeichnet wurde jeweils auch das
für die Grunderwerbbesteuerung zuständige FA. Die bezeichneten
Grundstücke gehörten im Dezember 1985 der A-AG. Insgesamt ergab
sich eine Besteuerungsgrundlage in Höhe von 29.640.980,— DM. Davon
entfielen 7.962.540,— DM auf Grundstücke, die zwischen dem 9. 12.
1980 und dem 10. 12. 1985 von der AG erworben worden waren.
Das FG hat der Klage gegen den Feststellungsbescheid stattgegeben.
Der Erwerb der restlichen Anteile löse keine Grunderwerbsteuer nach
Anteile an der AG in ihrer Hand vereinigt habe. Hiergegen richtet sich die
Revision des FA.
Aus den Gründen:
Die Revision des FA ist unbegründet. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß durch den Vertrag vom 10. 12. 1985
keine der Grunderwerbsteuer unterliegende Vereinigung aller
Anteile an der AG verwirklicht wurde.
1.Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches
Grundstück, so unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung alle Anteile der, Gesellschaft u. a. in der Hand des
Erwerbers allein vereinigt würden (
1983). Ist der Vereinigung der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft kein schuldrechtliches Geschäft vorausgegangen, so unterliegt die Vereinigung aller Anteile an ihr der
Grunderwerbsteuer (
Diese Tatbestände knüpfen zwar an den Anspruch auf Übertragung bzw. die Vereinigung von Gesellschaftsanteilen an,
erfassen aber die infolge der Vereinigung der Anteile der
Gesellschaft mit Grundbesitz in einer Hand spezifisch grunderwerbsteuerrechtlich veränderte Zuordnung von Grundstücken (vgl. dazu Senatsurteil
424 =
den Inhaber aller Anteile so, als gehörten ihm zufolge der Vereinigung dieser Anteile in seiner Hand die Grundstücke, die
dieser Gesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen
sind. Aus dieser Fiktion folgt zugleich, daß in bezug auf die Anteilsvereinigung diejenigen Anteile an einer Gesellschaft, die
eine andere Gesellschaft hält, an der eine Person zu 100 v. H.
beteiligt ist, dieser wie eigene Anteile zuzurechnen sind. Eine
Vereinigung aller Anteile in einer Hand i.S.v. § 1 Abs. 3 Nrn. 1
und 2 GrEStG liegt demgemäß auch dann vor, wenn der Anteilserwerber die Anteile einer Gesellschaft mit Grundbesitz
teils selbst (unmittelbar), teils (mittelbar) über eine andere Gesellschaft hält, an der er zu 100 v.H. beteiligt ist (vgl. Senatsurteile
BStBl. 111988, 550).
In diesem Sinne ist durch die am 9. 12. 1980 erfolgte Übertragung der dem S. verbliebenen Aktien von diesem auf die KI.
und die GmbH, an der die KI. nach wie vor zu 100 v.H. beteiligt
ist, der Tatbestand der Anteilsvereinigung entsprechend dem
damals maßgeblichen vergleichbaren Landesrecht erfüllt worden, und zwar in bezug auf alle diejenigen Grundstücke, die zu
diesem Zeitpunkt der AG grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen waren (vgl. Senatsurteil
1972, 719). Diese damalige Tatbestandserfüllung ist nicht Gegenstand des angefochtenen Verwaltungsaktes, der sich allein
auf den Vertrag vom 10. 12. 1985 bezieht.
2.Sind die Anteile an einer Gesellschaft mit Grundbesitz in dieser Weise teils unmittelbar, teils mittelbar in einer Hand vereinigt, so löst die Veränderung der zivilrechtlichen Rechtszuständigkeit dadurch, daß die dem Alleingesellschafter grunderwerbsteuerrechtlich bereits zugerechneten Anteile auf ihn
übertragen werden, sich also unmittelbar in seiner Hand vereinigen, bei im übrigen unveränderten Beteiligungsverhältnissen keine Grunderwerbsteuer aus.
Zwar könnten § 1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG vom bloßen
Wortlaut her auch dahin verstanden werden, daß die zivilrechtlich (unmittelbare) Vereinigung aller Anteile der Gesellschaft mit
Grundbesitz in der Hand des Alleingesellschafters der zu
100 v.H. beherrschten anderen Gesellschaft den Tatbestand
erfüllen. Einem derartigen Verständnis der Vorschrift steht
aber entgegen, daß _grunderwerbsteuerrechtlich die von einer
zu 100 v.H. beherrschten Gesellschaft gehaltenen Anteile an
der Gesellschaft mit Grundbesitz für die Anteilsvereinigung
dem Alleingesellschafter (als ihm gehörend) zugerechnet, die
Anteile somit als in seiner Hand allein vereinigt angesehen
werden. Aus diesem Grund bewirkt die zivilrechtliche (unmittelbare) Vereinigung aller Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft — wie hier in der Hand der KI. — keine grunderwerbsteuerrechtlich erhebliche „Verstärkung" seiner Position in bezug
auf diese Gesellschaft. Das gilt nicht nur hinsichtlich derjenigen
Grundstücke, die der Gesellschaft bereits in dem Zeitpunkt
grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen waren, _ in dem die
teils unmittelbare, teils durch die zu 100 v.H. beherrschte Gesellschaft vermittelte Anteilsvereinigung eintrat, sondern auch
bezüglich weiterer in der Zwischenzeit erworbener Grundstücke. Denn wenn sich alle Anteile einer Gesellschaft in der
Hand eines Erwerbers vereinigt haben, so löst die nachfolgende Erfüllung der Tatbestände des § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG
durch die Gesellschaft, deren Anteile vereinigt wurden, als Erwerberin zwar bei dieser Grunderwerbsteuer aus, nicht aber bei
demjenigen, in dessen Hand ihre Anteile vereinigt sind. An der
im Urteil des Senats (
mehr festgehalten.
3.Der Senat läßt offen, wie die unmittelbare Anteilsvereinigung
in der Hand einer Person zu beurteilen ist, der diese Anteile
aufgrund eines Treuhandverhältnisses bereits zuzurechnen
waren (vgl. Senatsurteile in
153 =
1972, 719). Er läßt darüber hinaus offen, wie sich Anteilsvereinigungen auswirken, nachdem bereits eine Vereinigung in der
Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen oder
abhängigen Personen stattgefunden hat.
10. Öffentliches Recht — Kein Vorkaufsrecht der Gemeinde
bezüglich der. vor Bekanntmachung einer Vorkaufssatzung
abgeschlossenen Grundstückskaufverträge
(OVG NW, Urteil vom 9. 12. 1993 — 10 A 3593/91 — mitgeteilt
von Notar Dr. Rudolf Gewaltig, Kalkar)
BauGB §§ 28 Abs. 2; 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; 16 Abs. 2; 12; 215
Abs. 3 S. 2
BBauG § 24 Abs. 1 Nr. 2
GO NW §§ 56 Abs. 1; 28 Abs. 3; 4 Abs. 4 S. 2
1. Das rückwirkende Inkraftsetzen einer Vorkaufssatzung
gern.
in
2. Das rückwirkende Inkraftsetzen einer solchen Satzung
stellt sich in bezug auf
als „echte" Rückwirkung dar und ist an den von der
Rechtsprechung zum Rechtsstaatsprinzip und zum
Vertrauensschutz entwickelten Grundsätzen zu messen.
3.
eine Frist ein, die zur Ausübung eines ihr durch Gesetz
oder Satzung bereits eröffneten Vorkaufsrechts gewahrt werden muß. Die Befugnis, ein Grundstücks124 Heft Nr. 4 • MittRhNotK • April 1994
geschäft im nachhinein dem gemeindlichen Vorkaufsrecht zu unterwerfen, vermittelt diese Bestimmung
nicht.
4. Die nach Inkrafttreten des BauGB teilweise einschränkend modifizierten baurechtlichen Vorkaufsrechte und
insbesondere der Wegfall des allgemeinen Vorkaufsrechts des § 24 Abs. 1 Nr. 2 BBauG führen nicht dazu,
daß die Parteien eines Grundstücksgeschäftes noch
für einen gewissen Zeitraum mit dem rückwirkenden
Erlaß einer Vorkaufssatzung gern. § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
BauGB hätten rechnen müssen.
Die Klage ist entgegen der Beurteilung durch das VG auch begründet. Die in den angegriffenen Bescheiden erklärte Ausübung des Vorkaufsrechtes durch den BekL ist rechtswidrig und
verletzt die KI. in ihren Rechten,
Der Senat läßt offen, ob die Auffassung der KI. zutrifft, daß die
angegriffenen Bescheide bereits deshalb der Aufhebung unterliegen, weil die ihnen jeweils beigefügte Unterschrift der Formvorschrift des
verpflichtet werden soll, zu deren Rechtsverbindlichkeit vom
Gemeindedirektor oder seinem Stellvertreter und einem vertretungsberechtigten Beamten oder Angestellten zu unterzeichZum Sachverhalt:
Mit notariellem Kaufvertrag vom 2. 11. 1989 veräußerte die KI. zu 1)
einen 21.550 qm großen, aus Wasser- und Uferflächen bestehenden
Teil des in Rede stehenden Grundstücks an den KI". zu 2) sowie dessen
Ehefrau, die KI. zu 3), zu je hälftigem Anteil. Am 10. 11. sowie — unter
Hinweis auf dessen zwischenzeitlich eingetretene Rechtskraft — erneut
am 27. 11. 1989 bat der beurkundende Notar den Bekl., den Stadtdirektor der Stadt G., um Mitteilung, ob ein Vorkaufsrecht nach dem Baugesetzbuch bzw. dem Denkmalschutzgesetz ausgeübt werde oder nicht
bestehe. Der beurkundende Notar hatte bereits unter dem 14. 7. 1989
beim Bekl. angefragt, ob für das Grundstück „ein Vorkaufsrecht gern.
zwei Monate ein Kaufvertrag abgeschlossen wird". Der Bekl., der nach
einem entsprechenden Aktenvermerk vom 9. B. 1989 das Bestehen
eines Vorkaufsrechts nach den
NW nach Prüfung verneint hatte, hatte daraufhin unter dem 10. B. 1989
u. a. folgendes mitgeteilt:
,Ohne rechtliche Bindungswirkung für einen zukünftigen Veräußerungsfall und lediglich zuIhrer Information teile ich Ihnen mit, daß das o. a.
Grundstück nicht irg1 Geltungsbereich eines rechtsverbindlichen Bebauungsplanes liegt. Ein Vorkaufsrecht nach
derzeit nicht. Ein Vorkaufsrecht nach § 32 DSchG besteht ebenfalls
nicht."
Mit weiterem Schreiben vom 30. B. 1989 hatte der Bekl. gegenüber dem
beurkundenden Notar ausgeführt:
„Das o.a. Grundstück liegt innerhalb eines Bereiches, für den die Aufstellung des Bebauungsplanes. . . beschlossen wurde. Der Entwurf dieses Bebauungsplanes sieht für das Flurstück ... Anlagen vor, die einer
Nutzung für öffentliche Zwecke zugeführt werden sollen.
Da das BauGB in § 24 Abs. 1 Nr. 1 auf den Geltungsbereich eines Bebauungsplanes abstellt, besteht z. Zt. kein Vorkaufsrecht.
Ein Vorkaufsrecht nach § 32 DSchG besteht ebenfalls nicht.
Aus den zuvor genannten Gründen kann ich Ihnen die Erteilung eines
Negativzeugnisses nur innerhalb der nächsten drei Monate, gerechnet
vom heutigen Tage an, in Aussicht stellen."
Aufgrund einer Beschlußvorlage des Bekl. vom 19. 12. 1989 beschloß
der Rat der Stadt G. in seiner Sitzung vom 21.12. 1989 eine Satzung
über ein besonderes gemeindliches Vorkaufsrecht. Gern. § 1 der Satzung, die nach dessen § 3 rückwirkend zum 1. 11. 1989 in Kraft treten
sollte, steht der Stadt G. zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen
Entwicklung u. a. in dem Bereich, zu dem das Grundstück der Kl. gehört,
ein besonderes Vorkaufsrecht gern.
Mit Bescheiden vom B. 1. 1990 übte der Bekl. gegenüber den KI. unter
Hinweis auf die rückwirkend in Kraft getretene Satzung das von ihm angenommene Vorkaufsrecht aus. Die hiergegen nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage wies das VG ab. Die Berufung hatte
Erfolg.
Aus den Gründen:
Die Berufung der KI. ist zulässig und begründet
Die Klage, die nach der auf die Erteilung eines Negativattestes
bezogenen Klarstellung durch die Beteiligten allein auf die gerichtliche Aufhebung der Bescheide des Bekl. über die Ausübung des Vorkaufsrechtes abzielt, ist als Anfechtungsklage
zulässig. Namentlich sind auch die KI. zu 2) und 3) als die von
der Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechtes betroffenen
Grundstückserwerber klagebefugt. Dies gilt unabhängig davon,
ob — wie hier — das Vorkaufsrecht ihnen gegenüber durch
eigenständige Bescheide des Bekl. ausgeübt worden ist (vgl.
OVG NW
—7 B 2459/91 —; OVG Lüneburg,
Heft Nr. 4 • MittRhNotK • April-1994
nen, soweit nicht die Gemeindeordnung etwas anderes bestimmt. Letzteres ist insbesondere der Fall, soweit es sich um
einfache Geschäfte der laufenden Verwaltung handelt, § 56
Abs. 2 GO NW. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß
es sich bei der Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechtes
um eine Verpflichtungserklärung i.S. dieser Formvorschrift handelt (vgl. VGH Hessen BRS 40 Nr. 105 zu
Ob aber darüber hinaus das Grundstücksgeschäft, auf das bezogen der Bekl. ein Vorkaufsrecht der Gemeinde in Anspruch
nimmt, nach Inhalt und Tragweite ein Gewicht besitzt, welches
dieses aus dem Bereich der einfachen Geschäfte der laufenden Verwaltung heraushebt, dürfte mit Rücksicht auf die Größe,
Finanzkraft und Bedeutung der Stadt G. einerseits und den im
Verhältnis dazu eher geringen finanziellen und planerischen
Folgen, die das Gesetz an eine wirksame Vorkaufsrechtsausübung knüpft, eher zu verneinen sein. Auch spricht vieles dafür,
daß aus den vorstehenden Gründen es hier für die Entscheidung über die Ausübung eines (unterstellt bestehenden) Vorkaufsrechts keiner eigenen Beschlußfassung durch den Rat
der Stadt bedurfte, vielmehr diese Entscheidung dem Bekl. als
einfaches Geschäft der laufenden Verwaltung '(§ 28 Abs. 3 GO
NW) übertragen war (vgl. hierzu Ernst/Zinkahn/Bielenberg
Bd. 1,
Einer abschließenden Klärung dieser Fragen bedarf es nämlich
schon deshalb nicht, weil der zwischen den KI. am 2. 11. 1989
im Wege notarieller Beurkundung geschlossene Grundstückskaufvertrag einem gemeindlichen Vorkaufsrecht nicht unterliegt.
Daß der Stadt G. ein gesetzliches Vorkaufsrecht auf der Grundlage des
der Bekanntmachung vom B. 12. 1986 nicht zusteht, stellt auch
der Bekl. nicht in Frage. Auf das vom Bekl. in Anspruch genommene sog. besondere Vorkaufsrecht (Satzungsvorkaufsrecht)
des
über ein besonderes gemeindliches Vorkaufsrecht nach § 25
Abs. 1 Nr. 2 BauGB an Grundstücken im Gebiet der Bebauungsplanentwürfe ..." vom 22. 12. 1989 ist hinsichtlich ihres in
§ 3 der Satzung rückwirkend zum 1. 11. 1989 bestimmten Zeitpunktes des Inkrafttretens unwirksam mit der Folge,, daß der
zwischen der Kl. zu 1) und den Kl. zu 2) und 3) am 2. 11. 1989
geschlossene Vertrag dieser Satzung nicht unterfiel
Entgegen der Beurteilung durch das VG ist das in der Satzung
vom 22.11. 1989 bestimmte rückwirkende Inkrafttreten mit
geltendem 'Recht, nämlich dem aus dem Rechtsstaatsprinzip
folgenden und von der Verwaltung auch beim ' Erlaß
untergesetzlicher Rechtsnormen zu beachtenden Gebot des
Vertrauensschutzes unvereinbar.
Soweit _ das VG zur Stützung, der gegenteiligen Annahme
zunächst als Rechtsgrundlage für das rückwirkende Ingeltungsetzen dieser Satzung auf
Kraft tritt, „wenn kein anderer Zeitpunkt bestimmt ist", daraus
schließt, das rückwirkende Inkraftsetzen gemeindlicher Satzungen sei nach der Gemeindeordnung grundsätzlich zulässig, soweit die Rückwirkung nicht gegen höherrangiges Recht verstoße und ferner darauf verweist, daß — anders als im Falle
S. 2 bis 5 BauGB) — sich die Gemeinde durch die Wahl des Bekanntmachungsverfahrens gern. §§ 25 Abs. 1 S. 2, 16 Abs. 2
S. 1 BauGB die Möglichkeit eröffnet habe, einen auch rückwirkenden Zeitpunkt des Inkrafttretens zu bestimmen, wird verkannt, daß die Befugnis zur Rückwirkensanordnung durch
diese Bestimmungen nicht geregelt wird. Sie sind vielmehr
lediglich Regelungen des formellen Satzungsrechts, die nichts
weiter aussagen, als daß gemeindliche Satzungen der öffentlichen Bekanntmachung bedürfen und sie - insoweit abweichend von den auf Gesetze und Verordnungen bezogenen Inkrafttretenbestimmungen des
Abs. 3 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen —
mit dem Tage nach ihrer Bekanntmachung in Kraft treten, soweit nicht ein anderer Zeitpunkt bestimmt ist. Diese Vorschriften
greifen zwar in ihrem Regelungsgehalt den Umstand auf, daß
bei einem Inkrafttreten von gemeindlichen Satzungen am Tage
nach ihrer Bekanntmachung für die Zukunft in aller Regel keine
rechtsstaatlichen Grenzen verletzt sind; ob hingegen ein rückwirkendes, auf einen Zeitpunkt vor der Bekanntmachung der
Norm bezogenes Inkraftsetzen zulässig ist, bestimmt sich entweder nach den am Rechtsstaatsgebot zu messenden besonderen Vorschriften oder nach den Grundsätzen des Rechtsstaatsgebotes unmittelbar. Daher ist der Ansatz des VG, daß
sich die Zulässigkeit einer rückwirkenden Inkraftsetzung der in
Rede stehenden Satzung jedenfalls im Ausgangspunkt danach
richten soll, welche der in den §§ 25 Abs. 1 S. 2, 16 Abs. 2
BauGB möglichen Bekanntmachungsarten gewählt wird, nicht
tragfähig. Nichts anderes läßt sich im übrigen dem auf das Verfahren der Bekanntmachung von Satzungen gem. § 25 Abs. 1
BauGB bezogenen Schrifttum entnehmen, wenn dort (vgl.
Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Bd. 1,
Wahl des Verfahrens nach
Inkrafttretens der Satzung entweder den Tag der Veröffentlichung oder einen späteren Zeitpunkt bestimmen kann.)
Der Senat läßt dahinstehen, ob aus
der Schluß gezogen werden kann, daß jedenfalls in Fällen der
vorliegenden Art, in denen es um den erstmaligen Erlaß einer
Vorkaufssatzung i.S.d.
dieser Bestimmung können der Flächennutzungsplan oder die
Satzung in den in S. 1 dieser Bestimmung bezeichneten Fällen
ursprünglicher Fehlerhaftigkeit auch mit Rückwirkung erneut in
Kraft gesetzt werden. Bei der hier zu überprüfenden Vorkaufssatzung gern.
eine baurechtliche Satzung i.S. dieser Bestimmung, vgl. § 214
Abs. 1 S. 1 BauGB. Hieraus könnte im Umkehrschluß gefolgert
werden, daß abgesehen von den in
Normsetzungsverfahrens ein rückwirkendes Inkraftsetzen von
Flächennutzungsplänen bzw. Satzungen nach dem Baugesetzbuch ausgeschlossen sind. Hierfür könnte sprechen, daß § 215
Abs. 3 BauGB überflüssig sein könnte, falls eine Rückwirkensanordnung für die dort bezeichneten Regelungsgegenstände
ohne weiteres unter den allgemeinen Voraussetzungen einer
Rückwirkung von Rechtsnormen zulässig wäre (vgl. Brügelmann,
Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Bd. III, Vorb. §§ 214-216 BauGB,
Rd.-Nr. 18 sowie
ist auch nicht von vornherein auszuschließen, daß es sich bei
BauGB über das Wirksamwerden bzw. Inkrafttreten eines
Flächennutzungs- oder Bebauungsplanes um eine auf diese
typischen Planungsinstrumente bezogene klarstellende Regelung handelt, die hinsichtlich der weiteren Satzungen nach dem
Baugesetzbuch die Frage möglicher zeitlicher Rückbeziehung
nicht unmittelbar beantwortet.
Jedenfalls stellt sich aber
Ausprägung der auch vom VG in dem angefochtenen Urteil als
Grenze zulässiger Rückwirkung angesprochenen allgemeinen,
letztlich aus
Rechtsnormen rückwirkende Geltung nur beigemessen werden
darf, wenn dadurch nicht die im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsätze der Rechtssicherheit bzw. des Vertrauensschutzes verletzt werden.
Nach diesen namentlich von der Rechtsprechung des BVerfG
entwickelten und konkretisierten Grundsätzen ist bei der Prüfung, ob der zeitliche Anwendungsbereich einer Norm, d. h. die
zeitliche Zuordnung der Norm mit angeordneten Rechtsfolgen
im Hinblick auf den Zeitpunkt der Verkündung der Norm, den
verfassungsrechtlichen Maßgaben entspricht, danach zu fragen, ob diese Rechtsfolgen für einen bestimmten, vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten
sollen (Rückbewirkung von Rechtsfolgen bzw. sog. echte, retroaktive Rückwirkung) oder ob dies für einen nach (oder mit) der
Verkündung beginnenden Zeitraum geschehen soll (tatbestandliche Rückanknüpfung bzw. sog. unechte, retrospektive
Rückwirkung, vgl. hierzu zusammenfassend, auch zu der im
einzelnen unterschiedlichen Terminologie etwa Pieroth, Die
neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum
Grundsatz des Vertrauensschutzes,
Loseblattsammlung Stand: Dezember 1992, § 4 Anm. 6 a; Kottenberg/Rehn, GO NW, Loseblattsammlung Stand: November
1992, § 4 Anm. II 8, je m.w.N.).
Die hier in Rede stehende Satzung beinhaltet in ihrem § 3 entgegen der Beurteilung des VG eine solche Rückwirkung von
Rechtsfolgen bzw. echte Rückwirkung, weil sie darauf abzielt,
im nachhinein auf die vor ihrem Bekanntmachungszeitpunkt
geschlossenen und entsprechende zivilrechtliche Bindungen
begründenden Grundstückskaufverträge, die sich auf die im
räumlichen Geltungsbereich der Satzung belegenen Grundstücke beziehen, einwirken zu können und dßn insbesondere in
Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Bd. 1,
Soweit in dem angefochtenen Urteil zur Begründung der Annahme, es handele sich um eine bloß unechte Rückwirkung,
darauf abgestellt worden ist, daß der in Rede stehende Kaufvertrag bei Beschlußfassung des Rates (21. 12. 1989) und
auch im Zeitpunkt der Bekanntmachung der Satzung (28. 12.
1989) noch nicht gegen Einwirkungen durch gemeindliche Vorkaufsrechte gesichert gewesen sei, vielmehr zu diesem Zeitpunkt noch die zweimonatige Entschließungsfrist des § 28 Abs.
2 S. 1 BauGB offengestanden habe, ist dies bereits im Ausgangspunkt unzutreffend.
Vorkaufsrecht nur binnen zwei Monaten nach Mitteilung des
Kaufvertrages durch Verwaltungsakt gegenüber dem Verkäufer
ausgeübt werden kann, räumt dem Rat nämlich keine Entschließungsfrist für den Erlaß einer Vorkaufssatzung ein, sondern bestimmt lediglich eine gesetzliche Frist, die zur Ausübung eines der Gemeinde durch Gesetz oder Satzung bereits
eröffneten Vorkaufsrechts gewahrt werden muß. Die Regelung
setzt mit anderen Worten das Bestehen eines Vorkaufsrechtes
im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses voraus und räumt
erst dann der Gemeinde eine gesetzlich bestimmte Zeitspanne
ein, zu entscheiden, ob sie von dem bestehenden Vorkaufsrecht Gebrauch machen kann und will und ferner, bejahendenfalls dieses Recht gegenüber dem Verkäufer durch Verwaltungsakt auszuüben (vgl. VGH Bayern BRS 35 Nr. 90; zur Fristberechnung siehe Ernst/Zinkahn/Bielenberg,
Bestand jedoch — wie hier — ein solches Vorkaufsrecht im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (noch) nicht, so fehlt es bereits
an der Grundlage für die Ausübungsfrist des § 28 Abs. 2 S. 1
BauGB.
Für ein erweiterndes Verständnis dieser Norm dahin, der Gemeinde werde hierdurch auch die Befugnis eröffnet, ein GrundHeft Nr. 4 • MittRhNotK • April 1994
gesetzlichen Regelungszusammenhang und der Entstehungsgeschichte (vgl. hierzu insbesondere Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf des Gesetzes über das Baugesetzbuch
— Drucks. 10/4630 — vom 13. 2. 1986, BT-Drucks. 10/5927, S. 7
[zu Art. 1 Nr. 27]) kein Raum.
Gründe, die im gegebenen Zusammenhang ausnahmsweise
geeignet wären, eine „echte" Rückwirkung der Vorkaufssatzung
der Stadt G. zu rechtfertigen, sind unabhängig von der hier
nicht zu erörternden Frage, ob der Satzungsgeber in Kenntnis
solcher Gründe die Satzung hätte erlassen müssen und diese
Umstände in den Satzungsunterlagen ihren Niederschlag gefunden haben müßten, nicht ersichtlich (zu den Fallgestaltungen, in denen eine [echte] Rückwirkung zulässig sein kann, vgl.
etwa Pieroth, a.a.O., S. 284 sowie v. Loebell, a.a.O., § 4
Anm. 6 a, je m.w.N.). Insbesondere kann entgegen dem sinngemäßen Vorbringen des Bekl. in seinem Schriftsatz vom 9. 7.
1990 und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht
davon gesprochen werden, die geltende Rechtslage sei nach
Inkrafttreten des BauGB hinsichtlich der dort durch die §§ 24
und 25 BauGB teilweise einschränkend modifizierten gemeindlichen Vorkaufsrechte, gerade was den Wegfall des allgemeinen Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 BBauG betrifft,
etwa lückenhaft oder gar verfassungsrechtlich zweifelhaft gewesen, so daß nach Inkrafttreten des BauGB die Parteien
eines Grundstückskaufvertrages, der sich auf ein Gebiet bezieht, in dem ein Planaufstellungsverfahren anhängig ist, noch
für einen gewissen Zeitraum mit einer rückwirkenden Vorkaufssatzung gem.
müssen. Richtigrist, da sich dieses besondere Vorkaufsrecht
seiner Funktion nach jedenfalls teilweise mit dem früheren
allgemeinen Vorkaufsrecht des § 24 Abs. 1 Nr. 2 BBauG deckt
(vgl. BVerwG
Eine hier beachtliche Regelungslücke bzw. verfassungsrechtliche Unsicherheit kann jedoch schon deshalb nicht angenommen werden, weil es gerade dem gesetzgeberischen Willen
entsprach, die Neuregelung der gemeindlichen Vorkaufsrechte
auf die Fälle wirklichen städtebaulichen Bedürfnisses einzuschränken und dabei auf das Vorkaufsrecht des § 24 Abs. 1
Nr. 2 BBauG, welches ohnehin nur geringe praktische Bedeutung erlangt hatte, zu verzichten (vgl. BT-Drucks. 10/4630,
B. 11 sowie dort S. 55 f.). Im übrigen bestand hier im zeitlichen
Verlauf nach Aufstellung des in Rede stehenden Planentwurfes
für das Erholungsgebiet „K." auch nach Inkrafttreten des
BauGB hinreichend Gelegenheit, unter den Voraussetzungen
des
dem § 25 BBauG entspricht, zur Sicherung dieses Planungszieles, soweit es überhaupt noch aktuell gewesen ist, für die
Zukunft die satzungsrechtlichen Grundlagen eines solchen Vorkaufsrechtes zu schaffen.
Daß die KI., wie der Bekl. meint, selbst bei Abschluß des Kaufvertrages mit dem rückwirkenden Erlaß einer Vorkaufssatzung
gerechnet hätten bzw. hätten rechnen müssen und dementsprechend ihr Vertrauen auf den Fortbestand des zwischen
ihnen geschlossenen Vertrages ohnehin vermindert gewesen
sei, ist schon in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend. Soweit der
Bekl. hierzu auf die in diesem Kaufvertrag enthaltenen Gewährleistungsausschlüsse, gerade auch für die Freiheit des Vertragsgegenstandes von gesetzlichen Vorkaufsrechten, sowie
etwa die Zustellungsregelungen und das vereinbarte Rücktrittsrecht bei Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechtes verweist, übersieht er, daß diese Klauseln zum einen nichts an den
eingegangenen Bindungen der Vertragsparteien zueinander
ändern; zum anderen handelt es sich um verbreitete und in
notariellen Verträgen durchaus übliche und vorsorgende Abreden, die allein schon darin ihren Sinn finden, die Abwicklung
des Geschäftes und dessen grundbuchliche Umsetzung, die
gem.
Abrede beziehen will, wonach bei Ausübung eines Vorkaufsrechts der Bescheid den Beteiligten selbst zuzustellen ist, besagt diese Klausel nur, daß bei einem — ggf. auch rechtswidrigen — Bescheid der Notar nicht Zustellungsbevollmächtigter
sein soll; ein Hinweis darauf, daß die KI. etwa rückwirkende
materielle Regelungen erwarteten, ist daraus nicht zu entnehmen. Die angeführten Vertragsklauseln beeinträchtigen das
Vertrauen der Vertragsparteien an den Bestand des zwischen
ihnen Vereinbarten also nicht. Im Gegenteil dürfte, ohne daß es
hierauf ankäme, das Vertrauen der KI. darauf, hinsichtlich dieses Grundstückes keines Vorkaufsrechtes zu unterliegen,
durch die vor Vertragsschluß an den beurkundenden Notar gerichteten Mitteilungen des Bekl. gerade bestärkt worden sein.
Die genannten Mitteilungen dürften, auch ohne Einbeziehung
der hierzu gefertigten behördeninternen Aktenvermerke, entgegen der vom VG vertretenen Auffassung nach ihrem objektiven Erklärungswert eindeutig besagen, daß an dem Grundstück keinerlei Vorkaufsrechte der Gemeinde bestehen und
deshalb ein Negativattest in den nächsten drei Monaten erteilt
wird. Für den Vertrauenstatbestand reicht es aus, daß die KI.
bei objektiver Betrachtungsweise von der Richtigkeit und
Vollständigkeit der Auskunft ausgehen durften (vgl.
Stelkens/Bonk/Sachs, 4. Aufl.,
Ob die Mitteilungen darüber hinaus bereits die Bindungswirkung einer Zusicherung i.S.d.
deshalb dahinstehen. Offenbleiben kann auch, ob der Bekl.
etwa, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat anklang, bewußt die Auskünfte so formuliert hat, daß trotz der umfassend formulierten Anfrage des Notars durch Schweigen das
Bestehen oder Nichtbestehen eines Satzungsvorkaufsrechts
offengehalten werden sollte. Rechnen muß ein Bürger - auch
der durch einen Notar vertretene — mit derartigen Verhaltensweisen einer Behörde jedenfalls nicht.
Mitteilungen
1. Steuerrecht/Grunderwerbsteuer — Grunderwerbsteuerfragen bei der Durchführung des Vermögensgesetzes
(FinMin. Sachsen, Erlaß vom 12. 1. 1994-41 —S4517— 2)
Zu Nr. 2 des Bezugserlasses vom 24. 6. 1993 weise ich darauf
hin, daß dem
ein Satz angefügt wurde und die Vorschrift nunmehr wie folgt
lautet:
„Der Berechtigte ist von der Entrichtung der Grunderwerbsteuer
befreit. Dies gilt nicht für Personen, die ihre Berechtigung durch
Abtretung, Verpfändung oder Pfändung erlangt haben, und ihre
Rechtsnachfolger."
(S. dazu Art. 19 des Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes — StMBG — vom 21. 12. 1993, BGBl.
1993, 2310, 2337.)
Heft Nr. 4 • MittRhNotK . April 1994
2. Steuerrecht/Einkommensteuer/Körperschaftsteuer —
Verdeckte Gewinnausschüttung bei Verletzung des Wettbewerbsverbots durch den nichtbeherrschten Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH
(OFD Magdeburg, Verfügung vom 14. 2. 1994—S 2742 — 8—St
232)
Im Einvernehmen mit den Bundesministerien der Finanzen und
der Justiz sowie den obersten Finanzbehörden der anderen
Länder gilt für die Befreiung des nichtbeherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers vom Wettbewerbsverbot folgendes:
Für die Befreiung des nichtbeherrschenden GesellschafterGeschäftsführers gelten die auf den Geschätsführer anzuwendenden Regeln (vgl. Erl. v. 26. 2. 1992-43—S 2742-4). Danach kann das Wettbewerbsverbot im Anstellungsvertrag, dem
Entscheidung, Urteil
Gericht:OVG Münster
Erscheinungsdatum:09.12.1993
Aktenzeichen:10 A 3593/91
Erschienen in: Normen in Titel:BauGB §§ 28, 25, 16, 12, 215; BBauG § 24; GO NW §§ 56, 28, 4