Keine Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB bei Veräußerung eines Miteigentümeranteils an den anderen Miteigentümer
letzte Aktualisierung: 15.3.2019
BGH, Beschl. v. 9.1.2019 – VIII ZB 26/17
BGB §§ 566 Abs. 1, 571, 573a Abs. 1
Keine Anwendung des
den anderen Miteigentümer
Bei Vermietung einer Wohnung durch zwei Miteigentümer bleiben beide auch dann Vermieter –
und ist eine Kündigung gegenüber dem Mieter demgemäß von beiden Vermietern auszusprechen –,
wenn der eine seinen Miteigentumsanteil später an den anderen veräußert. Auf einen solchen
Eigentumserwerb findet
Gründe:
I.
Die Klägerin und ihr Ehemann waren Miteigentümer eines Zweifamilienhauses.
Mit Vertrag vom 1. Oktober 2013 vermieteten sie eine der beiden Wohnungen
an den Beklagten zu 1. Später wurde die Klägerin, welche die andere
Wohnung im Haus bewohnt, durch Übertragung des Miteigentumsanteils ihres
Ehemanns Alleineigentümerin des Anwesens. Sie kündigte das Mietverhältnis
mit Schreiben vom 18. Februar 2016 gemäß § 573a Abs. 1 BGB und nahm den
Beklagten zu 1 sowie seinen volljährigen Sohn, den Beklagten zu 2, auf Räumung
und Herausgabe der Wohnung in Anspruch.
Nach dem Auszug der Beklagten aus der streitgegenständlichen Wohnung
haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend
für erledigt erklärt. Das Amtsgericht hat die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten
auferlegt. Deren hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolglos
geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde
begehren die Beklagten, der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
II.
Das Rechtsbeschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung
ausgeführt, dass die Kosten des Rechtsstreits gemäß
aufzuerlegen gewesen seien, da sie ohne die übereinstimmende Erledigungsklärung
voraussichtlich unterlegen wären. Zwar habe eine Kündigung bei
mehreren Vermietern grundsätzlich durch alle Vermieter zu erfolgen. Auch greife
zu erfolgen habe, nicht ein, da die Veräußerung hier an einen der bisherigen
Eigentümer und Vermieter erfolgt sei. Allerdings komme
zur Anwendung, da der Vermieter, der den (hälftigen) Miteigentumsanteil
des anderen Vermieters erworben habe, dergestalt in den Mietvertrag eintrete,
dass die Kündigung allein durch den Erwerber des hälftigen Miteigentums wirksam
sei. Zwar verliere der Mieter dadurch mit der Veräußerung einen seiner
Schuldner. Einen Ausgleich hierfür sehe jedoch die Regelung in § 566 Abs. 2
BGB vor.
Die Rechtsbeschwerde sei gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen,
da die Frage der analogen Anwendung von
Erwerbs eines Miteigentumsanteils bislang höchstrichterlich nicht entschieden
sei.
III.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Die von dem Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist
nach
Die Entscheidung des Beschwerdegerichts, die Rechtsbeschwerde zuzulassen,
ist für den Senat nach
unabhängig davon bindend, ob es die Voraussetzungen des
zutreffend beurteilt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Januar 2018
- VIII ZB 74/16,
2009, 425 Rn. 9 mwN). Es ist daher unschädlich, dass - was das Beschwerdegericht
verkannt hat - gegen eine Kostenentscheidung die Rechtsbeschwerde
nicht aus materiell-rechtlichen Gründen zugelassen werden darf, da
es nicht Zweck des Kostenverfahrens ist, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung
zu klären oder das Recht fortzubilden, soweit es - wie im Streitfall - um
Fragen des materiellen Rechts geht (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschlüsse vom
30. Januar 2018 - VIII ZB 74/16, aaO; vom 8. März 2011 - VIII ZB 65/10,
mwN). Ebenso ist es für die Wirksamkeit der Zulassung der Rechtsbeschwerde
ohne Bedeutung, dass das Berufungsgericht irrig das Vorliegen eines Zulassungsgrundes
angenommen hat, obwohl die von ihm als Grund für die Zulassung
genannte Frage sich in der vorliegenden Fallgestaltung ohne weiteres anhand
der - von ihm allerdings nicht berücksichtigten - Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs beantwortet und eine vereinzelte entgegenstehende Literaturmeinung
kein Bedürfnis zu einer höchstrichterlichen Klärung zu begründen
vermag.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
Nach der übereinstimmenden Erledigterklärung der Parteien waren die
Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO der Klägerin aufzuerlegen.
Denn die Klägerin wäre bei Fortführung des Rechtsstreits voraussichtlich
in der Sache unterlegen, weil das Mietverhältnis durch die allein von ihr ausgesprochene
Kündigung vom 18. Februar 2016 nicht wirksam beendet worden ist
und ihr deshalb der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Räumung und Herausgabe
der Wohnung nicht zustand. Die Kündigung hätte vielmehr auch von
dem früheren Ehemann der Klägerin erklärt werden müssen, der die Wohnung
zusammen mit ihr an den Beklagten zu 1 vermietet hatte. Die vom Beschwerdegericht
vorgenommene analoge Anwendung des
der vorliegenden Konstellation, dass einer von zwei Miteigentümern, die eine
Wohnung vermietet haben, später Alleineigentümer wird, nicht in Betracht.
a) Gemäß
Wohnraums nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen
Dritten der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines
Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein.
Nach dem Wortlaut des
erfolgen, das heißt, der veräußernde Eigentümer und der Erwerber müssen
personenverschieden sein, der Erwerber darf bis zum Erwerb nicht Vermieter
gewesen sein (vgl. Senatsbeschluss [Rechtsentscheid] vom 6. Juli 1994
- VIII ARZ 2/94,
Beschwerdegericht im Ansatz noch zutreffend gesehen hat, nicht in Betracht.
b) Eine Analogie ist - was das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nicht
geprüft hat - zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke aufweist
und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem
Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen
werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung,
bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem
Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis
gekommen. Die Lücke muss sich also aus einem unbeabsichtigten
Abweichen des Gesetzgebers von seinem - dem konkreten Gesetzgebungsvorhaben
zugrundeliegenden - Regelungsplan ergeben (st. Rspr.; siehe nur Senatsurteil
vom 14. Dezember 2016 - VIII ZR 232/15,
mwN). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
Sinn und Zweck des § 566 BGB ist der Schutz des Mieters vor einem
Verlust des Besitzes an der Wohnung gegenüber einem neuem Erwerber im
Falle der Veräußerung der Mietsache (BGH, Urteil vom 12. Juli 2017 - XII ZR
26/16,
nicht berührt, wenn - wie hier - einer von zwei vermietenden Miteigentümern
seinen Eigentumsanteil auf den anderen überträgt, so dass dieser Alleineigentümer
der Mietsache wird. Denn der nunmehrige Alleineigentümer ist (weiter)
an den Mietvertrag gebunden und ein Verlust des Besitzes auf Seiten des Mieters
infolge des Veräußerungsvorgangs ist somit nicht zu besorgen. Damit
scheidet eine analoge Anwendung des § 566 BGB auf einen solchen Fall aus.
Soweit in der vom Berufungsgericht herangezogenen Kommentarstelle
allgemeine Erwägungen dazu angestellt werden, es sei auch im Hinblick auf
mögliche weitere Veräußerungsvorgänge "praktikabler, das Ausscheiden des
veräußernden Miteigentümers aus der Vermieterstellung sogleich zu vollziehen"
(so Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 13. Aufl., § 566 BGB Rn. 77; dagegen
zutreffend MünchKommBGB/Häublein, 7. Aufl., § 566 Rn. 22), ergibt sich daraus
offensichtlich keine tragfähige Grundlage für eine Analogie.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:09.01.2019
Aktenzeichen:VIII ZB 26/17
Rechtsgebiete:
Miete
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
MittBayNot 2019, 245-246
RNotZ 2019, 388-389
ZNotP 2019, 154-155
NJW-RR 2019, 332-333
BGB §§ 566 Abs. 1, 571, 573a Abs. 1