Begründung einer Grunddienstbarkeit vor Anlegung der Grundbücher
letzte Aktualisierung: 9.2.2022
OLG Karlsruhe, Urt. v. 12.11.2021 – 12 U 124/21
Begründung einer Grunddienstbarkeit vor Anlegung der Grundbücher
1.
in der Zwischenzeit bis zur Anlegung der Grundbücher nicht entgegen, sofern das dingliche
Rechtsgeschäft mit dem hergebrachten System der öffentlichen Bücher zu vereinbaren war.
2. Zur Auslegung einer Grunddienstbarkeit, die „für uns und unsere Rechtsnachfolger im Besitz“
bewilligt wurde, als Grunddienstbarkeit.
Gründe
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Sie streiten über ein Überfahrtsrecht über das
Grundstück des Beklagten.
Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke Flst. Nr. 244, 242/1 und 241 in W., von denen das letztgenannte mit
der Immobilie L.-Gasse 5 bebaut ist und die übrigen (Innen-)Hofflächen darstellen, auf denen sich teilweise
Pkw-Stellplätze befinden. Das Grundstück Flst. Nr. 243, bei dem es sich ebenfalls um einen Teil der
(Innen-)Hoffläche handelt, steht im gemeinsamen Eigentum der Parteien. Der Beklagte ist Eigentümer des
Grundstücks Flst. Nr. 240, auf welchem sich das Anwesen L.-Gasse 3 sowie eine überdachte Durchfahrt von
der L.-Gasse zu dem vorgenannten Innenhof befindet. Der Grundstücksteil, auf welchem sich die Durchfahrt
befindet, wurde in den Grundbucheintragungen aus dem 19. Jahrhundert als „Hofraum 1“ bezeichnet. Die
überdachte Durchfahrt, die seitlich durch Mauern begrenzt wird, hat eine Breite zwischen 3,77 m bis 4,38 m. In
der Durchfahrt befindet sich eine Nebentür des Anwesens L.-Gasse 3 welche nach außen zur Durchfahrt hin
geöffnet wird. Die Durchfahrt erschließt den hinter den Häusern liegenden Hof mit den Grundstücken Flst. Nr.
244, 243 und 242/1. Einen weiteren Zugang zu diesen Flurstücken gibt es nicht. Auf dem Grundstück Flst. Nr.
244 befand sich ursprünglich eine Garage, die abgebrochen und durch Stellplätze ersetzt wurde. Hierfür wurde
dem Kläger eine Baugenehmigung der Stadt W. erteilt. Die Stellplätze werden durch die Mieter der Immobilie
L.-Gasse 5 genutzt.
Die Flurstücke liegen an der L.-Gasse und dem Q.-Gässchen im sogenannten „G.-Viertel" in W., einem
historischen Stadtteil, der beengte bauliche Verhältnisse aufweist. Die einzige Eingangstür der L.-Gasse 5
befindet sich im Innenhof. Lediglich der Teil des Wohnhauses, der an der Straße Q.-Gässchen liegt, hat über
eine schmale Kellertür einen Zugang zum Q.-Gässchen. Der Beklagte sicherte seinen Mietern mietvertraglich
einen Stellplatz in der Durchfahrt zum Innenhof zu. Eine Genehmigung für einen Stellplatz wurde dem
Beklagten nicht erteilt. Die Mieter des Beklagten parken in der Durchfahrt abwechselnd eines ihrer Fahrzeuge.
Gelegentlich parkt auch der Beklagte selbst sein Fahrzeug in der Durchfahrt, etwa um Reparaturmaßnahmen
durchzuführen.
Wegen der genauen örtlichen Verhältnisse wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen. Frühere Eigentümer des
Grundstücks Flst. Nr. 244 waren (unter anderem) zunächst M. B. (von 1851 bis jedenfalls 1882), später A... B.
(jedenfalls ab 1900). Früherer Eigentümer des Grundstücks Nr. 240 war (jedenfalls) in dem Zeitraum 1881 bis
1900 K. K.
In Abteilung 2 des Grundbuchs der Gemeinde W. findet sich für das Grundstück Flst. Nr. 240 folgender Eintrag:
„Die Eigentümer des Grundstücks Flst. Nr. 240 leidet Übergangs- und Überfahrtsrecht zu Gunsten der
Grundstücke Flst. Nr. 241, 242 und 244 nach Maßgabe der Grundbucheinträge Band 54 Nr. 219 Seite 717
vom 15. Mai 1882, Band 76 Nr. 125 Seite 631 vom 25. September 1900 und Band 86 Heft 35."
Bei den Grundstücken Flst. Nr. 244 und 241 findet sich im Grundbuch der Stadt W. in Abteilung 2 folgender
Eintrag:
„Der Eigentümer von Grundstück Flst. Nr. 244 und 241 hat Übergangs- und Überfahrtsrecht über Grundstück
Flst. Nr. 240 nach Maßgabe der Grundbucheinträge Band 54 Nr. 219 Seite 717 vom 15. Mai 1882, Band 64
Nr. 112 Seite 573 vom 30. September 1892."
Grundbuch Band 54, Nr. 219, Seite 717-719 vom 15.05.1882 enthält zunächst verschiedene Erklärungen
betreffend die Eigentums- und Übergangsrechte hinsichtlich der Grundstücke Flst. Nr. 242, 243, 244 und 245.
Regelungen zu dem Grundstück Flst. Nr. 240 finden sich dort nicht.
Neben diesen Eintragungen ist auf den Seiten 717-719 folgende Randbemerkung verzeichnet:
„W., am neun und zwanzigsten Juli 1882
Vor dem Gemeinderathe erschienen
1. G. J. A. III. Witwe [...]
2. M. B. Ehefrau M. [...]
3. Taglöhner K. K. [...]
und erklären: Wir haben uns dahier geeinigt, von nebenstehenden Vereinbahrungen theilweise aufzuheben:
[...]
Dagegen soll folgender Nachtrag unter uns geltend gemacht werden:
1. Der Hofraum 1 u 2 sowie das Wohn- und Öconomiegebäude 2a ist Eigenthum von K. K. [später
hinzugefügt: Lagerbuch Numero 240]
[...]
Ebenso haben J. A. Wittwe und M. B. das Recht über den Hofraum 1 des K. K. zu jeder Zeit zu gehen und zu
fahren, und muß derselbe von dem Eigenthümer zu allen Zeiten zu diesem Zwecke frei- und rein gehalten
werden.
Der Eintrag im Grundbuch Band 76 Nr. 125 S. 631 — 633 vom 25.9.1900 lautet auszugsweise wie folgt:
„Vor mir [...] erscheinen heute
1. J... A. II. G... Witwe A. M....
2. Fabrikarbeiter A... B.
3. Waldhüter K... K. I. [...]
Nach Eintrag im Grundbuche [...] besitzen wir als gemeinschaftliches Eigentum das nachverzeichnete
Grundstück:
Lagerbuch N[umero] 243
12 qm Hofraum im Stadtetter am Q.-Gäßchen, deren Eigenthümer die Besitzer der Grundstücke N[umer]o
240, 241, 242, 244 und 245 sind.
Dieses Grundstück wurde bei Vornahme der Katastervermessung als gemeinschaftliches Eigenthum zwischen
uns, den Erschienenen, behandelt, während thatsächlich J... A. II. G... Witwe A. M...., beziehungsweise deren
Vorfahren keinerlei Eigentumsrecht an dem fraglichen Grundstück zustand, solches vielmehr nur im
Alleineigentum des A... B. und des K... K. I. steht. [...] Die sämtlichen oben aufgeführten Erschienenen
erklären:
Wir erkennen die Vermessung wie solche im Katasterplan dargestellt, sowie die gegenseitigen Uebergangsund
Uberfahrtsrechte, wie solche bei den Lagerbuchs-Einträgen 240, 241, 242, 244, 245 vorgemerkt, als
rechtsverbindlich hiermit an und zwar für uns und unsere Rechtsnachfolger im Besitz.
Wir anerkennen ferner, daß in Folge dieser Vereinbarung etwaige, sonstige früher bestandene Rechte
aufhören."
Weiter lauter der Eintrag im Grundbuch vom 4.4.1955, Band 52, Heft 20, S. 4 - 6 wie folgt:
„Der Eigentümer von Grundstück Lgb. Nr. 244 und 241 hat Übergangs- und Überfahrtsrecht über Grundstück
Lagerbuch Nr. 240 nach Maßgabe der Grundbuchseinträge Band 54 Nr. 219 Seite 717 vom 15. Mai 1882,
Band 64 Nr. 112 Seite 573 vom 30. September 1892 und Grundbuch Band 36 Heft 13. Hierher übertragen am
18. August 1905.“
Der Kläger hat vorgetragen,
ihm stehe als Eigentümer der Grundstücke Flst. Nrn. 244 und 241 ein ungehindertes Überfahrtsrecht über das
Grundstück Flst. Nr. 240 im Bereich der Hofeinfahrt zu. Dieses Zufahrtsrecht werde von dem Beklagten dadurch
beeinträchtigt, dass er oder dessen Mieter regelmäßig in der Durchfahrt auf dem Flst. Nr. 240 parkten.
Hierdurch werde die Durchfahrt so eng, dass es dem Kläger und dessen Mietern nicht bzw. nur schwer möglich
sei, zu dem Stellplatz auf dem Flst.Nr. 244 zu fahren. Auch die Nebentüre werde häufig geöffnet, sodass die
Durchfahrt noch schmaler werde. Aufgrund der in der Durchfahrt abgestellten Mülltonnen werde der Weg weiter
verengt. Infolgedessen könne der Stellplatz nicht ohne die Gefahr angefahren werden, ein in der Durchfahrt
abgestelltes Fahrzeug zu beschädigen. In der Vergangenheit sei es bereits wiederholt zu Beschädigungen
gekommen.
Bezüglich des hilfsweise geltend gemachten Notwegerechts hat der Kläger vorgetragen, dass die Verlegung der
Eingangstüre durch Erweiterung der Kellertüre aufgrund des Denkmalschutzes nicht möglich sei. Aufgrund der
beengten örtlichen Verhältnisse sei es unzumutbar, den Kläger und seine Mieter auf Parkmöglichkeiten in der
Gr-straße zu verweisen. Jedenfalls bestehe ein Gewohnheitsrecht zugunsten der Überfahrt des Klägers und
seiner Mieter.
Der Kläger hat beantragt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, in der L.-Gasse 3 in W. in der Zufahrt / Einfahrt auf dem Flst.
Nr. 240 zu parken bzw. es zu unterlassen, seinen jetzigen und künftigen Mietern des Grundstücks Flst. Nr. 240
ein Pkw-Stellrecht in der Zufahrt / Einfahrt auf dem Flst. Nr. 240 einzuräumen.
2. Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 50.000,00 EUR
oder Ordnungshaft von bis zu drei Monaten im Einzelfall angedroht.
Hilfsweise hat der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, die Benutzung seines Grundstücks (FI.Nr. 240) als Notwegerecht zum
Grundstück des Klägers (FI.Nr. 243) von der öffentlichen Straße L.-Gasse 3 aus zu dulden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen,
eine Durchfahrt zum Stellplatz sei angesichts der Breite der Durchfahrt jederzeit möglich. Die Nebentür werde
nur selten beim Ausladen des PKW der Mieter des Beklagten geöffnet. Bei dem im Grundbuch eingetragenen
Überfahrtsrecht handele es sich zudem um eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit, die mit dem Tod von
Michael B. Frau und J... A. Witwe erloschen sei. Der heutige Grundbucheintrag stelle demnach einen
Übertragungsfehler dar.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Unterlassungsanspruch des
Klägers nach §§ 1027,1004 Abs. 1 BGB scheide aus, da eine Grunddienstbarkeit in Form eines
Überfahrtsrechts nicht bestehe. Vielmehr seien die entsprechenden Grundbucheinträge unter Berücksichtigung
der in Bezug genommenen Einträge aus den Jahren 1882-1900 als Einräumung einer beschränkten
persönlichen Dienstbarkeit auszulegen, die mit dem Tod der berechtigten Person erloschen sei. Aus der
Eintragung vom 29.7.1882 ergebe sich lediglich, dass den damaligen Eigentümern des Grundstücks Flst. Nr.
244 persönlich das Recht zur Überfahrt über das Grundstück Flst. Nr. 240 eingeräumt worden sei. Die
Erklärung vom 25.9.1900 beziehe sich zwar auf die Einräumung einer Grunddienstbarkeit, allerdings lediglich
für das Grundstück Flst. Nr. 243. Ein Notwegerecht bestehe zwar mangels anderweitigen Anschlusses des
klägerischen Anwesens an eine Zugangsstraße, dieses Recht umfasse aber nicht das Befahren des
Grundstücks Flst. Nr. 240 mit einem Pkw, da ein Abstellen von Pkws im öffentlichen Straßenraum - wenn auch
unter gewissen Schwierigkeiten - in zumutbarer Entfernung möglich sei. Ein gewohnheitsrechtlich legitimiertes
Überfahrtsrecht komme nicht in Betracht.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Begehren in
vollem Umfang weiterverfolgt.
Er begründet seine Berufung wie folgt:
Das Landgericht habe verkannt, dass sich die Eintragung vom 25.9.1900 nur als Einräumung einer
Grunddienstbarkeit auch an dem Grundstück Flst. Nr. 240 verstehen ließe, da eine Beschränkung der
Grunddienstbarkeiten auf das ohnehin im Miteigentum stehende Grundstück Flst. Nr. 243 sinnlos gewesen
wäre. Die Hofflächen seien zudem seit jeher mit Fuhrwerken und Pkw befahren worden. Dies habe das
Landgericht ebenso wenig berücksichtigt, wie die sich aus der örtlichen Lage der Grundstücke zueinander
ergebene wechselseitige Abhängigkeit voneinander. Schließlich hätte die öffentlich-rechtliche Genehmigung
von Stellplätzen im Hofbereich berücksichtigt werden müssen.
Der Kläger beantragt,
das am 19.3.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Mannheim, Az.: 9 O 320/19 wie folgt abzuändern:
a. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, in der L.-Gasse 3 in W. in der Zufahrt/Einfahrt auf
dem Flurstück 240 mit Pkw zu parken und es zu unterlassen, seinen jetzigen und künftigen Mietern
des Grundstücks Flst.Nr. 240 ein Pkw-Stellrecht in der Zufahrt/Einfahrt auf dem Flurstück 240
einzuräumen.
b. Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von
50.000,00 EUR oder Ordnungshaft von bis zu drei Monaten im Einzelfall angedroht.
c. Der Beklagte wird hilfsweise für den Fall des Unterliegens verurteilt, die Benutzung seines
Grundstücks (FI.Nr. 240) als Notwegerecht zum Grundstück des Klägers (FI.Nr. 243) von der
öffentlichen Straße L.-Gasse 3 aus zu dulden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.
Ergänzend trägt er vor, dass einem gewohnheitsrechtlichen Überfahrtsrecht der fehlende Grundbucheintrag
entgegenstünde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird, soweit der Senat keine abweichenden Feststellungen
getroffen hat, auf das Urteil des Landgerichts sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen
verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Entgegen der Auffassung des Landgerichts besteht
zugunsten des klägerischen Grundstücks Flst.Nr. 244 und zu Lasten des Grundstücks des Beklagten Flst.Nr.
240 eine Grunddienstbarkeit in Form eines Wegerechts, welches durch das Parken von Fahrzeugen in der
Hofzufahrt beeinträchtigt wird.
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist die Berufungsfrist gemäß § 517 ZPO in Bezug auf das der
Klägerseite am 25.3.2021 zugestellte landgerichtliche Urteil gewahrt. Zwar enthält die am 23.4.2021
eingegangene Berufungsschrift in der Überschrift ein unzutreffendes Aktenzeichen, bereits hier ist aber das
zutreffende Aktenzeichen im Text erwähnt. Im Übrigen wurde das Aktenzeichen durch Übersendung einer
korrigierten Berufungsschrift am Montag, den 26. April 2021, der auch eine Abschrift des Urteils beigefügt war,
klargestellt. Damit ist eine den Vorgaben des § 519 ZPO genügende Berufungsschrift in jedem Fall fristgerecht
eingereicht. Auch die Begründung ging fristgerecht ein (§ 520 Abs. 2 ZPO).
2. Die Berufung ist auch begründet. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Unterlassungsanspruch gemäß
§§ 1027, 1004 Abs. 1 BGB zu.
a) An dem Grundstück Flst.Nr. 240 des Beklagten besteht zugunsten des Klägers als Eigentümer des
herrschenden Grundstücks Flst.Nr. 244 und als Eigentümer des herrschenden Grundstücks Flst.Nr. 241 eine
Grunddienstbarkeit gemäß § 1018 BGB in Form eines Wegerechts.
aa) Dabei kann letztlich dahinstehen, ob die Voreigentümer der vorgenannten Grundstücke bereits nach altem,
gemäß Art. 184 EGBGB fortgeltendem Recht ein dingliches Wegerecht zugunsten des klägerischen
Grundstücks begründet haben, wobei hierfür auf die Rechtslage nach dem Badischen Landrecht vom 1.1.1810
abzustellen wäre. Denn jedenfalls wurde - unter Geltung des ab 1.1.1900 in Kraft getretenen Bürgerlichen
Gesetzbuchs (Art. 1 Abs. 1 EGBGB) - am 25.9.1900 ein solches Recht wirksam bestellt.
bb) Unbeachtlich ist dabei, dass in der so genannten Zwischenzeit zwischen Inkrafttreten des Bürgerlichen
Gesetzbuchs und dem Zeitpunkt, zu welchem die Anlegung der Grundbücher nach der Grundbuchordnung
erfolgt ist (Art. 186 EGBGB), für die Bestellung von Grundstücksrechten grundsätzlich noch das alte Recht
fortgalt,
(1) Nach Art. 186 Abs. 1 EGBGB konnte durch landesherrliche Verordnung der Zeitpunkt bestimmt werden, in
welchem das Grundbuch für einen Bezirk als angelegt anzusehen war. Dies ist für das Großherzogtum Baden
mit der Landesherrlichen Verordnung vom 6.12.1901 „Die Inkraftsetzung des reichsgesetzlichen
Grundbuchrechts betreffend“ (Gesetzes- und Verordnungsblatt für das Großherzogtum Baden vom 16.12.1901,
Seite 565, 569) geschehen. Hiernach galt im Amtsgerichtsbezirk W. im Jahr 1900 das „neue“ Grundbuch als
noch nicht angelegt.
(2) Als Ausnahme von der Regelung des § 189 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, die getroffen wurde, weil es in
zahlreichen Rechtsgebieten des damaligen Deutschen Reiches bei Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs
entweder überhaupt keine geeigneten öffentlichen Bücher oder nur solche für bestimmte Zwecke (wie etwa
Hypothekenbücher) gab und ein Erwerb von Grundstücksrechten nach den §§ 873, 925 BGB mithin faktisch in
bestimmten Gebieten nicht möglich gewesen wäre (vgl. Mugdan, Materialien Bd. 1, Motive, S. 85), war
allerdings anerkannt, dass solchen dinglichen Geschäften die Wirksamkeit nicht versagt werden sollte, die nach
dem BGB zulässig und mit dem hergebrachten System der öffentlichen Bücher zu vereinbaren waren (vgl. nur
Dittmann in Staudinger, 10./11. Auflage 1973, Art. 189 EGBGB, Rn. 6 m.w.N.; vgl. auch die Erwägungen der
Motive für den Fall der beabsichtigten Begründung eines nach dem BGB zulässigen Rechts, dass nach dem
eigentlich fortgeltenden alten Recht nur in minderer - nach dem BGB nicht mehr zulässiger - Form begründet
werden konnte, vgl. Mugdan, Materialien Bd. 1, Motive, S. 88).
(3) Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da nach Vermessung der Liegenschaften des
Großherzogtums Baden auf Grundlage des entsprechenden Gesetzes vom 26. März 1852 katastermäßig
erfasstes Grundeigentum vorlag und die im Jahr 1900 geführten Grundbücher sämtliche erforderlichen
Eintragungen für ein Grundstücksgeschäft nach
von § 87 S. 1 GBO i. d. F. der Bekanntmachung vom 20.5.1898 (RGBl 1898, 754) erlassenen landesherrlichen
Verordnung vom 13.12.1900 „Die Ausführungen der Grundbuchordnung betreffend“ (Gesetzes- und
Verordnungsblatt für das Großherzogtum Baden vom 20.12.1900, Seite 1077, 1091) deutlich, nach deren §§
61, 63 die bisher geführten Bücher als Grundbuch fortgelten sollen, bis die Umschreibung in die neuen
Grundbuchhefte gemäß § 64 der vorgenannten Verordnung erfolgt ist. Ausweislich der Grundbucheintragung
und angesichts des Zeitpunkts der Eintragung ist zudem davon auszugehen, dass die damaligen
Grundstückseigentümer auch eine nach dem BGB zulässige und ohne Zweifel für die Zukunft fortbestehende
Grunddienstbarkeit begründen wollten.
cc) Nach den Feststellungen des Landgerichts, an deren Vollständigkeit und Richtigkeit insoweit keine Zweifel
bestehen und die für den Senat damit bindend sind, haben die Voreigentümer der Grundstücke entsprechend
der Eintragung im Grundbuch der Stadt W., Band 76, Nr. 125, Seite 631-633 gegenüber dem Grundbuchführer
anlässlich der beabsichtigten Klarstellung der Eigentumsrechte an dem Grundstück Flst.Nr. 243 auch erklärt,
„die gegenseitigen Übergangs- und Überfahrtsrechte, wie solche bei den Lagerbuchseinträgen 240, 241, 242,
244 und 245 vorgemerkt, als rechtsverbindlich“ für sich und ihre „Rechtsnachfolger im Besitz“ anzuerkennen.
Diese im Grundbuch eingetragene Erklärung stellt nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB die Begründung einer
Grunddienstbarkeit nach neuem Recht mit dem Inhalt der bisherigen altrechtlichen Rechte dar.
(1) Wie das Landgericht im Ansatz zutreffend annimmt, ist zur Ermittlung des Inhalts einer Dienstbarkeit
grundsätzlich vorrangig auf Wortlaut und Sinn der Grundbucheintragung und der nach § 874 BGB in Bezug
genommenen Eintragungsbewilligung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als
nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt (st. Rspr. vgl. nur BGH, Urteil vom 12.7.2019 – V ZR
288/17, juris Rn. 6 m.w.N.). Vorliegend besteht die Besonderheit, dass die Eintragung in das Grundbuch
aufgrund der Fortführung der bisherigen Bücher nach dem 1.1.1900 auch - nach heutigem Recht nicht
vorgesehen - die dinglichen Willenserklärungen selbst beinhaltet. Dies erfordert es, den damit im Grundbuch
dokumentierten Wortlaut der Einigung als Auslegungsgrundlage zu nehmen. Hiernach bestehen nach
Auffassung des Senats keine Zweifel, dass die Voreigentümer der Grundstücke sämtliche der bisher
bestehenden altrechtlichen Übergangs- und Überfahrtsrechte als Grunddienstbarkeiten bestätigen oder neu
begründen wollten.
(a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ergibt sich aus dem Wortlaut „Wir erkennen [...] die
gegenseitigen Übergangs- und Überfahrtsrechte, wie solche bei den Lagerbuchseinträgen 240, 241, 242, 244,
245 vorgemerkt, ...“ deutlich, dass sich die Erklärung nicht auf das Grundstück Flst. Nr. 243 bezieht, sondern
auf die übrigen ausdrücklich genannten Grundstücke und die dort bereits (altrechtlich) begründeten
Dienstbarkeiten. Dem steht auch nicht entgegen, dass zunächst eine Erklärung betreffend das Grundstück
Flst.Nr. 243 abgegeben worden ist; denn im Gegensatz zu der seit 1936 über die GBV geltenden
reichseinheitlichen Gestaltung des Grundbuchs handelt es sich bei den vorliegenden Grundbüchern bis 1900
erkennbar nicht um allein nach einzelnen Grundstücken geordnete Eintragungen; vielmehr entsprach es
ausweislich der mit dem Anlagenkonvolut B 1 vorgelegten Kopien der Üblichkeit, unter einer Eintragung
Erklärungen zu verschiedenen Grundstücke zusammenzufassen. Somit kann aus der vorangehenden
Erwähnung des Grundstücks Flst. Nr. 243 nicht geschlossen werden, dass sich auch die nachfolgenden
Erklärungen - entgegen ihrem Wortlaut - ebenfalls auf dieses Grundstück beziehen sollen. Es erschiene auch
sinnwidrig und unverständlich, wenn die damaligen Eigentümer beabsichtigt hätten, eine Vielzahl
unterschiedlicher Übergangs- und Überfahrtsrechte in Bezug auf andere Grundstücke entsprechend auf das
Grundstück Flst. Nr. 243 anzuwenden, ohne klarzustellen, welchen Umfang diese Rechte konkret haben sollte.
Dies gilt zumal, da das Grundstück Flst. Nr. 243 im Unterschied zu den übrigen Grundstücken im Miteigentum
der Erklärenden gestanden hat, so dass zum damaligen Zeitpunkt ohnehin eine Mitbenutzung möglich war.
(b) Aus dem Wortlaut der Vereinbarung geht zudem deutlich hervor, dass die bestehenden Rechte als
Grunddienstbarkeiten (
bestätigt bzw. begründet werden sollten.
Maßgeblich für die Auslegung als Grunddienstbarkeit oder beschränkte persönliche Dienstbarkeit ist, ob die
Berechtigung aus Sicht eines unbefangenen Betrachters an ein bestimmtes Grundstück oder an eine bestimmte
Person geknüpft ist (vgl. BGH, Urteil vom 2.12.1964 – V ZR 173/62, juris Rn. 42; BGH, Urteil vom 6.12.1968 –
V ZR 76/65, juris Rn. 33). Vorliegend ergibt sich die Grundstücksbezogenheit bereits daraus, dass die Rechte
„für uns und unsere Rechtsnachfolger im Besitz“ eingetragen werden sollten. Für einen unbefangenen
Betrachter kann dies - unter Berücksichtigung der teilweise parallelen Verwendung der Begriffe „Eigentum“ und
„Besitz“ in dem Grundbucheintrag - nur den Schluss zu lassen, dass hiermit nicht eine (rechtlich unzulässige)
persönliche Dienstbarkeit zugunsten auch des (erbrechtlichen) Rechtsnachfolgers gemeint war, sondern eine
Grunddienstbarkeit, die einem späteren Eigentümer zugute kommen sollte. Insoweit ist der vorliegende
Sachverhalt auch abweichend von der durch die Beklagtenseite zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs
(BGH, Urteil vom 2.12.1964 – V ZR 173/62, juris Rn. 42) zu bewerten, da es in dem dortigen Fall gerade an
dem Zusatz „im Besitz“ gefehlt hat (vgl. auch BGH, Urteil vom 6.12.1968 – V ZR 76/65, juris Rn. 32 f.:
„persönliche Dienstbarkeit zugunsten des jeweiligen Eigentümers“) .
(c) Die Erklärung ist auch hinreichend bestimmt zur Begründung einer Grunddienstbarkeit.
Voraussetzung für das Entstehen einer Grunddienstbarkeit ist es, dass die Art der Berechtigung und die
Ausübungsstelle hinreichend bestimmt sein müssen, wobei allerdings auf Anlagen oder auch über
Beschreibungen auf tatsächliche Gegebenheiten verwiesen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 23.10.1981 – V
ZR 168/80, juris Rn. 16 m.w.N.). Diesen Vorgaben ist vorliegend dadurch Genüge getan, dass mit dem Verweis
auf die bisher im Grundbuch eingetragenen Rechte ein eindeutiger Bezug vorliegt und dass das hinsichtlich des
streitgegenständlichen Grundstücks in Bezug genommene altrechtliche Geh- und Überfahrtsrecht in der
Eintragung vom 29.7.1882 unter Ziff. 3 (Anlage B 1, S. 24, Grundbuch Band 54, Nr. 219, Seite 718) sich
eindeutig auf den „Hofraum 1“, mithin den nicht überbauten Durchfahrtsbereich des Grundstücks Flst. Nr. 240
bezieht (vgl. etwa Handriss Nr. 69, Anlage B 1, Seite 15).
Auch sind die herrschenden Grundstücke, insbesondere das hier relevante Grundstück Flst.Nr. 244,
hinreichend bestimmt. In dem Eintrag vom 15.5.1882 (Anlage B 1, S. 21, Grundbuch Band 54, Nr. 219, Seite
717), zu dem der Eintrag vom 29.7.1882 eine Randbemerkung bildet, ist Michael B., welchem am 29.7.1882
das persönliche Recht, über den „Hofraum 1“ jederzeit gehen und fahren zu dürfen, eingeräumt wurde, als
Eigentümer des Grundstücks FlSt.Nr. 244 bezeichnet. Da sich die Randbemerkung bereits wegen ihrer
Beifügung zu dem ursprünglichen Eintrag unzweifelhaft auch auf diesen bezieht, ist die Umwandlung der
persönlichen Dienstbarkeit in eine Grunddienstbarkeit so zu verstehen, dass herrschendes Grundstück
jedenfalls auch das Grundstück FlSt.Nr. 244 sein soll. Dass Michael B. bei Eintragung der Grunddienstbarkeit
daneben auch Eigentümer des Grundstücks FlSt.Nr. 241 war (Anlage B 1, S. 23, Grundbuch Band 54, Nr. 219,
Seite 717) und somit auch dieses Grundstück als herrschendes Grundstück anzusehen ist, ist unbeachtlich, da
die Eintragung eines Wegerechts für mehrere herrschende Grundstücke ohne Weiteres möglich ist (vgl. nur
BayObLG, Beschluss vom 9.7.1965 - BReg. 2 Z 20/65,
(2) Ein besondere Formerfordernis der dinglichen Einigung bestand nicht, § 873 Abs. 1 BGB. Inwieweit die
Erklärungen hinsichtlich des Eigentums an dem Grundstück Flst. Nr. 243 der Form des § 925 BGB bedurft
hätten, kann dahingestellt bleiben, da in Ermangelung einer erkennbaren Abhängigkeit i.S.d.
Grunddienstbarkeitsbestellung von der beabsichtigten „Klarstellung“ der Eigentumsverhältnisse selbst eine
Unwirksamkeit einer möglicherweise beabsichtigten Eigentumsübertragung keine Auswirkung auf die
Wirksamkeit der Bestellung der Grunddienstbarkeit hätte.
(3) Die erforderliche Eintragung der Grunddienstbarkeitsbestellung in das Grundbuch gemäß § 873 Abs. 1 BGB
ist erfolgt. Der Wirksamkeit der Eintragung steht, wie ausgeführt, nicht entgegen, dass diese in das bis vor
Inkrafttreten der GBO geführte (altrechtliche) Grundbuch erfolgt ist, da auch dieses sämtliche der erforderlichen
Eintragungsinhalte aufwies.
dd) Aufgrund des Erwerbs der Grunddienstbarkeit im Jahr 1900 kommt es auf die Frage einer Buchersitzung
gemäß § 900 Abs. 2 BGB (vgl. hierzu etwa OLG Zweibrücken, Beschluss vom 30.8.1999 – 3 W 125/99, juris
Rn. 16) oder eines gutgläubigen Erwerbs gemäß
V 462/21,
12.12.1986 – BReg 2 Z 125/86, juris Rn. 13) in Bezug auf das seit dem 18.8.1905 im Grundbuch eingetragene
Übergangs- und Überfahrtsrecht (Anlage K 12) nicht mehr an.
b) Durch das Parken in der Hofeinfahrt auf dem Grundstück Flst.Nr. 240 werden der Kläger und die Mieter der
auf dem herrschenden Grundstück errichteten Stellplätze in der Ausübung der Grunddienstbarkeit
beeinträchtigt,
aa) Da ein dingliches Wegerecht dem Interesse des herrschenden Grundstücks und nicht bloß dem
persönlichen Vorteil seines jeweiligen Eigentümers zu dienen bestimmt ist, kann es, sofern der Bestellungsakt
nichts Gegenteiliges ergibt, auch von dritten Personen ausgeübt werden, die zu dem Eigentümer in besonderen
Beziehungen stehen, insbesondere von seinen Hausgenossen, Besuchern und Kunden, von Mietern, Pächtern
und dergleichen (BGH, Urteil vom 21.5.1971 – V ZR 8/69, juris Rn. 16). Dementsprechend sind grundsätzlich
sowohl der Kläger selbst als auch seine Mieter zur Ausübung des Überfahrtsrechts berechtigt.
bb) Es liegt durch das Parken in dem Zufahrtsbereich nach den insoweit bindenden Feststellungen des
Landgerichts auch eine Beeinträchtigung des Überfahrtsrechts vor.
Eine Beeinträchtigung im Sinne des
Ausübung der Dienstbarkeit (BGH, Urteil vom 22.10.2010 - V ZR 43/10,
vom 18.7.2014 – V ZR 151/13, juris Rn. 8). Durch das Abstellen eines Kraftfahrzeugs im Bereich der an ihrer
breitesten Stelle 4,38 Meter messenden Durchfahrt wird ein Durchqueren dieser beiderseits durch Stützmauern
begrenzten Durchfahrt mit einem Pkw zumindest ganz erheblich erschwert, wenn nicht gar vollständig
ausgeschlossen. Ein ungehindertes Überfahren des Grundstücks an der vormals als „Hofraum 1“ bezeichneten
Fläche, stellt aber den wesentlichen Inhalt des Grunddienstbarkeit dar.
cc) Zur Ermittlung des Inhalts einer Dienstbarkeit ist, wie bereits dargelegt, vorrangig auf Wortlaut und Sinn der
Grundbucheintragung und der in Bezug genommenen (§ 874 BGB) Eintragungsbewilligung abzustellen, wie er
sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Umstände
außerhalb dieser Urkunden dürfen insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen
Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (st. Rspr, BGH, Urteil vom 8.2.2002
- V ZR 252/00, juris Rn. 10; Senat Urteil vom 21.7.2020 – 12 U 34/20, juris Rn. 34, juris). Dabei liegt der
Umfang einer Grunddienstbarkeit nicht von vorneherein für alle Zeiten fest. Er kann sich vielmehr entsprechend
dem jeweiligen Bedürfnis des herrschenden Grundstücks unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und
technischen Entwicklung ändern und insbesondere mit einer Bedarfssteigerung wachsen. Dies gilt allerdings
nur im Rahmen einer der Art nach gleichbleibenden oder zumindest voraussehbaren Nutzung des Grundstücks.
Zur Zeit der Bestellung nicht absehbare, willkürliche Benutzungsänderungen werden von der
Grunddienstbarkeit nicht gedeckt (st. Rspr. BGH, Urteil vom 5.10.1965 – V ZR 73/63 –,
10; OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.3.1990 – 4 U 226/88, juris Rn. 23).
Gemessen hieran ist die Nutzung des Grundstücks Flst. Nr. 240 als Durchfahrt für auf dem herrschenden
Grundstück regelmäßig abgestellte Pkw vom Inhalt der Dienstbarkeit umfasst.
Dass eine jederzeitige und nicht bloß gelegentliche Durchfahrt ermöglicht werden muss, ist in der bei
Dienstbarkeitsbestellung in Bezug genommenen Eintragung vom 29.7.1882 ausdrücklich geregelt (“das Recht,
über den Hofraum 1 [...] zu jeder Zeit zu gehen und zu fahren“). Anerkannt ist auch, dass Überfahrtsrechte, die
sich früher - wie wohl auch hier - typischerweise auf Pferdefuhrwerke oder Ochsengespanne bezogen haben
dürften, sich heute auch grundsätzlich auf Kraftfahrzeuge beziehen (vgl. nur Bayerisches Oberstes
Landesgericht, Urteil vom 2.12.1996 – 1Z RR 236/94, juris Rn. 26). Dass das Überfahrtsrecht bei seiner
Begründung im Jahr 1900 allein zum Zwecke des Bringens und Entfernens von Holz und Dung bestellt wurde,
wie der Beklagte vorträgt, ist weder aus der Eintragung zu entnehmen, noch ergibt sich dies aus den in Bezug
genommenen Unterlagen. Allein, dass auf dem Grundstück Flst. Nr. 243 teilweise Dung und Holz gelagert
wurden, lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass dies der einzige Zweck für die Begründung eines
Überfahrtsrechts gewesen ist.
dd) Angesichts der Breite der Durchfahrt von maximal 4,38 m stellt das Parken eines Pkws dort auch nicht nur
eine Erschwernis in der Ausübung der Dienstbarkeit dar, welche der Berechtigte nach dem Grundsatz der
schonenden Ausübung (§ 1020 S. 1 BGB) hinzunehmen hat (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 25.7.2014 – 12 U
155/13, juris Rn. 13, 16). Bei der Prüfung, inwieweit der Berechtigte bei der Ausübung der Dienstbarkeit
Erschwernisse in Kauf nehmen muss, sind das Interesse des Grundstückseigentümers an der ungehinderten
Nutzung seines Grundstücks und das Interesse des Begünstigen an der sachgemäßen Ausübung seines
Rechts gegeneinander abzuwägen (BGH, Versäumnisurteil vom 23.1.2015 – V ZR 184/14, juris Rn. 10).
Vorliegend überwiegt das Interesse des Klägers an einer ungehinderten Durchfahrt gegenüber dem Interesse
des Beklagten, angesichts der begrenzten Parkmöglichkeiten auf seinem Grundstück einen Parkplatz zu
unterhalten, da die Einrichtung eines solchen Parkplatzes die Durchfahrt in erheblichem Umfang erschwert und
teilweise sogar unmöglich macht. Selbst ein in der Durchfahrt abgestellter Kleinwagen hat einschließlich seiner
Außenspiegel eine Breite von ca. 1,8 Meter bis 1,9 Meter. Berücksichtigt man, dass ein Abstellen des
Fahrzeugs unmittelbar an der begrenzenden Mauer nicht möglich ist, verbleibt selbst bei derartigen
Kleinfahrzeugen und auch mit eingeklappten Außenspiegeln nur eine Durchfahrtsbreite von allenfalls 2,5 Meter,
was etwa die nach § 4 Abs. 3 Garagenverordnung BW vorgeschriebene Mindestbreite von Zufahrten zu
Stellplätzen (3 Meter) deutlich unterschreitet. Eine Durchfahrt unter Einhaltung eines Sicherheitsabstands
sowohl zu dem parkenden Pkw als auch zu der sich auf der anderen Seite befindlichen Begrenzungsmauer ist
damit schon mit Mittelklassefahrzeugen kaum, mit größeren Fahrzeugen praktisch nicht möglich. Dies wird
auch durch das Ergebnis der Beweisaufnahme des Landgerichts bestätigt. Sämtliche der dort vernommenen
Zeugen gaben an, dass bei Vorhandensein eines in der Durchfahrt geparkten Pkws ein Vorbeifahren lediglich
mit großer Mühe - etwa mehrfachem Rangieren oder der Zuhilfenahme Dritter - teilweise aber auch überhaupt
nicht möglich sei (Protokoll vom 12.10.2020).
Ob eine Überfahrt nur unter Mitnutzung des Grundstücks Flst. Nr. 243 möglich ist, kann offen bleiben, da der
Kläger als Miteigentümer dieses Grundstücks gemäß
Überfahrtsrecht besitzt (vgl. nur BGH, Urteil vom 3.12.1990 – II ZR 107/90, juris Rn. 11), ohne dass es auf eine
Erlaubnis des Beklagten ankäme.
c) Der Beklagte ist auch Störer im Sinne des §§ 1004 Abs. 1, 1027 BGB sowohl hinsichtlich des Abstellens des
eigenen Fahrzeugs als auch hinsichtlich der durch seine Mieter in der Durchfahrt abgestellten Fahrzeuge.
Für Störungshandlungen seiner Mieters kann der Eigentümer des belasteten Grundstücks nach §§ 1004, 1027
BGB als mittelbarer Handlungsstörer verantwortlich gemacht werden, wenn er dem Mieter die Beeinträchtigung
der Ausübung der Dienstbarkeit gestattet hat oder wenn er es unterlässt, den Mieter von einer Beeinträchtigung
abzuhalten (allg. Meinung, vgl. nur BGH, Urteil vom 27.1.2006 – V ZR 26/05, juris Rn. 5; Urteil vom 7.4.2000 –
V ZR 39/99, juris Rn. 12; Senat, Urteil vom 21.7.2020 – 12 U 34/20, juris Rn. 45 - 46, jeweils zum Fall einer
mittelbaren Eigentumsbeeinträchtigung).
Da der Beklagte seinen Mietern die Nutzung des Grundstücks Flst. Nr. 240 als Parkplatz ausdrücklich gestattet
hat, ist eine mittelbare Verantwortlichkeit nach diesen Vorgaben zu bejahen.
d) Da bereits das Abstellen eines Pkws gleich welcher Art zu einer nach
Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit führt, ist dieses generell zu untersagen, ohne dass es darauf
ankommt, ob bei einer weiteren Verengung der Durchfahrt (durch Mülltonnen, etc.) eine zusätzliche
Beeinträchtigung eintritt.
e) Auf Antrag des Klägers ist gemäß § 890 Abs. 2 ZPO die Ordnungsgeldandrohung bis zu der begehrten Höhe
mit dem Urteil auszusprechen.
3. Aufgrund des Obsiegens mit dem Antrag in der Hauptsache ist über den hilfsweise geltend gemachten
Duldungsanspruch nicht mehr zu entscheiden.
III.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Karlsruhe
Erscheinungsdatum:12.11.2021
Aktenzeichen:12 U 124/21
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BGB § 873; EGBGB Art. 186, 189