OLG Schleswig 01. März 2023
2 Wx 10/23
GBO § 135 Abs. 1 S. 3; ERVV SH § 3 Abs. 2 S. 2

Pflicht zur elektronischen Einreichung beim Grundbuchamt; technische Durchsuchbarkeit; OCR-Scan; Folgen bei Verstoß

letzte Aktualisierung: 9.3.2023
OLG Schleswig, Beschl. v. 1.3.2023 – 2 Wx 10/23

GBO § 135 Abs. 1 S. 3; ERVV SH § 3 Abs. 2 S. 2
Pflicht zur elektronischen Einreichung beim Grundbuchamt; technische Durchsuchbarkeit;
OCR-Scan; Folgen bei Verstoß

1. Gemäß § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GBO i. V. m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH ist der Notar verpflichtet,
soweit technisch möglich, Dokumente in durchsuchbarer Form im Dateiformat PDF zu
übermitteln. Es handelt sich um eine Verpflichtung, die der Notar verbindlich einzuhalten hat.
2. Die Nichteinhaltung des § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GBO i. V. m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH führt
jedoch nicht dazu, dass die Einreichung unwirksam ist, § 135 Abs. 1 S. 3 GBO. Der Verstoß wirkt
sich auf das Verfahren beim Grundbuchamt nicht aus, was der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit
dient und die Beteiligten vor ansonsten drohenden erheblichen Risiken schützt.
3. Gelten der Antrag und die eingereichten Dokumente wegen § 135 Abs. 1 S. 3 GBO als wirksam
eingegangen, fehlt es (insoweit) an einem Eintragungshindernis, § 18 Abs. 1 GBO. Deshalb kann das
Grundbuchamt – trotz eines Verstoßes gegen § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GBO i. V. m. § 3 ERVV SH –
weder eine Zwischenverfügung noch eine Zurückweisung erlassen.
4. Die Einhaltung der Pflicht zur Einreichung von Dokumenten nach § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GBO
i. V. m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH kann jedoch durch die Dienstaufsicht durchgesetzt werden. Die
Dienstaufsicht hat insbesondere bei einem wiederholten bzw. ständigen Verstoß ein disziplinarisches
Einschreiten zu überprüfen.

Gründe

I.
Mit Schreiben vom 25.10.2022 hat der Notar X aus Y für den Antragsteller gemäß § 15 GBO
einen Antrag auf Eintragungen in das Grundbuch von Z, Blatt …, des Amtsgerichts Lübeck
gestellt.

Mit Zwischenverfügung vom 30.11.2022 hat das Grundbuchamt des Amtsgerichts Lübeck den
Notar unter anderem dazu aufgefordert, die Sterbeurkunden der Berechtigten Abt. II Nr. 1
mittels OCR-Scan einzureichen, da die eingereichten Dateien nicht technisch durchsuchbar
seien.

Mit Aufklärungsverfügung vom 08.12.2022 hat das Grundbuchamt des Amtsgerichts Lübeck
weiter ausgeführt, die übersandten PDF-Dateien seien (mit Ausnahme des Schenkungs- und
Überlassungsvertrages) nicht technisch durchsuchbar und genügten daher nicht der
Formvorschrift des § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GBO i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH. Es werde um
erneute formgerechte Einreichung der beiden Sterbeurkunden und der Unbedenklichkeitsbescheinigung
(mittels OCR-Scan) binnen 2 Wochen gebeten.

Hierauf hat der Notar am 12.12.2022 mitgeteilt, er sehe sich gehalten, „Grundbuchamt und
Rechtspfleger [...] rechtlich fortzubilden“. Man sei zwar in der Lage Dokumente mittels OCR zu
scannen, sehe davon aber im Regelfall ab, da man festgestellt habe, dass OCR-Scans zum Teil
verfälschte Ergebnisse lieferten, bei denen das Ausgangsdokument mit dem Scan nicht mehr
vollständig inhaltlich übereinstimme. Dies sei „ein Grund technischer Unmöglichkeit iSv § 3
Abs. 2 Satz 2 der ERVV“. Wesentlich sei in diesem Zusammenhang aber § 135 Abs. 1 S. 3
GBO, wonach die übermittelten Dokumente rechtswirksam eingegangen seien. Er beanstande,
„dass das Gericht meint, mir eine „Aufklärungsverfügung“ schicken zu müssen und der Inhalt
dieser Aufklärung zum Teil falsch, jedenfalls aber unvollständig ist. Gern zitiere ich zum
Abschluss meiner Belehrung aus BeckOK, GBR, § 135 Rn. 11“.

Mit Zwischenverfügung vom 19.01.2023 hat das Grundbuchamt den Notar erneut dazu
aufgefordert, die beiden Sterbeurkunden und die Unbedenklichkeitsbescheinigung formgerecht
(mittels OCR-Scan) einzureichen. Die Formvorschrift des § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GBO i.V.m.
§ 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH sei nicht eingehalten. Es handele sich bei der ERVV SH um eine
„Muss-Bestimmung“.

Hiergegen hat der Notar am 20.01.2023 für den Antragsteller Beschwerde eingelegt und (erneut)
auf § 135 Abs. 1 S. 3 GBO hingewiesen. Mit Blick auf die von ihm dargelegte technische
Unmöglichkeit trage er ergänzend vor, dass an seinem Scanner OCR softwareseitig durch den
Systembetreuer ausgeschaltet sei (als Sicherheitsfeature).

Durch Beschluss vom 08.02.2023 hat das Grundbuchamt des Amtsgerichts Lübeck der
Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Schleswig-Holsteinischen
Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der rechtswirksame Eingang beim Grundbuchamt
sei nie in Frage gestellt worden. Es sei von großer Bedeutung zu erfahren, ob die PDFDateien
durchsuchbar eingereicht werden können oder müssen. Alle beim Grundbuchamt des
Amtsgerichts Lübeck mittels OCR-Scan eingegangen PDF-Dateien seien bislang vollständig und
ohne verfälschte Zeichen gewesen.

II.
Die zulässige Beschwerde gegen die Zwischenverfügung hat in der Sache Erfolg.
Zwar besteht eine Pflicht zur Einreichung von Dokumenten in durchsuchbarer Form (dazu
Ziffer 1). Nach § 135 Abs. 1 S. 3 GBO hindert ein Verstoß jedoch nicht den rechtswirksamen
Eingang, weshalb das Grundbuchamt nicht zur (erneuten) Einreichung von Dokumenten in
durchsuchbarer Form mittels Zwischenverfügung auffordern kann (dazu Ziffer 2). Die
Einhaltung der Pflicht zur Einreichung von Dokumenten nach § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GBO
i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH kann jedoch durch die Dienstaufsicht durchgesetzt werden
(dazu Ziffer 3).

1. Gemäß § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GBO i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH ist der Notar
verpflichtet, soweit technisch möglich, Dokumente in durchsuchbarer Form im Dateiformat
PDF zu übermitteln. Es handelt sich um eine Verpflichtung, die der Notar verbindlich
einzuhalten hat.

2. Die Nichteinhaltung des § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GBO i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH führt
jedoch nicht dazu, dass die Einreichung unwirksam ist. Nach § 135 Abs. 1 S. 3 GBO steht ein
Verstoß gegen eine nach Satz 2 Nummer 4 begründete Verpflichtung dem rechtswirksamen
Eingang von Dokumenten beim Grundbuchamt nicht entgegen. Der Verstoß wirkt sich daher
auf das Verfahren beim Grundbuchamt nicht aus (Demharter, GBO, 32. Aufl., § 135 Rn. 8; vgl.
auch Senat, Beschluss vom 26. April 2022 – 2 Wx 22/22 –, Rn. 9, juris). Die Folgenlosigkeit des
Verstoßes im Grundbuchverfahren dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit
(Meikel/Dressler-Berlin, GBO, 12. Aufl., § 135 Rn. 10). Hätte die Nichteinreichung
strukturierter Daten die Unwirksamkeit der Einreichung zur Folge, würde dies für die
Beteiligten erhebliche Risiken bergen (etwa Rangverlust), was bei dem aktuellen technischen
Stand außer Verhältnis stünde (vgl. BT-Drs. 16/12319, S. 25-26 [zu Satz 3]: „Auch die
pflichtwidrige Nichteinreichung strukturierter Daten oder die Übermittlung unrichtiger
Metadaten hindert den wirksamen Eingang beim Grundbuchamt nicht. Wesentlicher Grund
hierfür ist, dass sich die mit dem einfachen elektronischen Zeugnis nach § 39a des
Beurkundungsgesetzes (BeurkG) verbundene Richtigkeitsgewähr nur auf das beglaubigte
Dokument selbst, nicht jedoch auf den aus diesem Dokument abgeleiteten XML-Datensatz
bezieht. Die Übernahme der Richtigkeitsgewähr durch den Notar oder die sonstige einreichende
Person auch für die Metadaten kann, zumindest nach dem derzeitigen Stand der Technik, nicht
verlangt werden. Eine Verpflichtung zur Einreichung strukturierter Daten ist zwar grundsätzlich
sinnvoll, da die Metadaten eine Arbeitserleichterung für das Grundbuchamt darstellen.
Rechtsfolgen können an eine fehlende oder fehlerhafte Übermittlung jedoch nicht geknüpft
werden. Rechtserheblich sind ausschließlich die elektronischen Dokumente im Sinne des
Satzes 2 Nummer 4 Buchstabe a. Abweichungen der zugehörigen strukturierten Daten vom
Inhalt des Dokuments sind insoweit unbeachtlich.“)

Weil der Antrag und die eingereichten Dokumente als wirksam eingegangen gelten, fehlt es
(insoweit) an einem Eintragungshindernis, § 18 Abs. 1 GBO. Deshalb kann das Grundbuchamt
- trotz eines Verstoßes gegen § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GBO i.V.m. § 3 ERVV SH - weder eine
Zwischenverfügung noch eine Zurückweisung erlassen (ebenso BeckOK GBO/Wilsch, 48. Ed.
2.1.2023, GBO § 135 Rn. 11).

3. Ergänzend merkt der Senat an, dass ein Verstoß des Notars gegen § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4
GBO i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH gleichwohl nicht folgenlos wäre. Vielmehr ist ein solcher
der Dienstaufsicht anzuzeigen.

Die Dienstaufsicht hat insbesondere bei einem (angesichts der Stellungnahmen des Notars hier
wohl anzunehmenden) wiederholten bzw. ständigen Verstoß ein disziplinarisches Einschreiten
zu überprüfen (vgl. Demharter, GBO, 32. Aufl., § 135 Rn. 8; BeckOK GBO/Wilsch, 48. Ed.
2.1.2023, GBO § 135 Rn. 11; BT-Drs. 16/12319, S. 25-26 [zu Satz 3] „Die Regelung entbindet
den Notar indes nicht von den Verpflichtungen nach Satz 2 Nummer 4. Verstöße können im
Rahmen der Dienstaufsicht untersucht und gegebenenfalls geahndet werden. [...] Auch die
pflichtwidrige Nichteinreichung strukturierter Daten oder die Übermittlung unrichtiger
Metadaten hindert den wirksamen Eingang beim Grundbuchamt nicht. [...] Allerdings unterliegt
auch die Einhaltung einer Verpflichtung zur Übermittlung dieser Daten der dienstaufsichtlichen
Prüfung.“).

Im Rahmen einer etwaigen dienstaufsichtsrechtlichen Überprüfung der möglichen
Nichteinhaltung von § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GBO i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH durch den
Notar wäre auch zu berücksichtigen, dass sich bereits aus der durch den Notar zitierten
Literaturstelle die disziplinarische Relevanz eines Regelverstoßes ergibt (vgl. BeckOK
GBO/Wilsch, 48. Ed. 2.1.2023, GBO § 135 Rn. 11: „Ein Verstoß gegen die Verpflichtung nach
Nr. 4 ist auch aus Sicht der Notariate kontraproduktiv, da jeder Verstoß eine Verzögerung des
grundbuchamtlichen Verfahrens bedeutet. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, Verstöße im
Rahmen der Dienstaufsicht zu untersuchen.“), sodass der Notar den Verstoß und die möglichen
disziplinarischen Folgen möglicherweise billigend in Kauf genommen hat.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Schleswig

Erscheinungsdatum:

01.03.2023

Aktenzeichen:

2 Wx 10/23

Rechtsgebiete:

Grundbuchrecht

Normen in Titel:

GBO § 135 Abs. 1 S. 3; ERVV SH § 3 Abs. 2 S. 2