AG Hamburg-St. Georg 13. April 2015
970 VI 1645/12
EGBGB Art. 25

Erbstatut bei iranisch-kanadischem Erblasser

EGBGB Art. 25
Erbstatut bei iranisch-kanadischem Erblasser

Das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen vom 17.2.1929 regelt das anwendbare Erbrecht auch dann, wenn der Erblasser neben der iranischen Staatsangehörigkeit die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats (hier: Kanada) besaß. Die maßgebliche Staatsangehörigkeit bestimmt sich in einem solchen Fall gem. Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB nach der effektiven Staatsangehörigkeit. (Leitsatz der DNotI-Redaktion)

AG Hamburg-St. Georg, Beschl. v. 13.4.2015 – 970 VI 1645/12

Problem
Das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen vom 17.2.1929 bestimmt in Art. 8 Abs. 3, dass in Bezug „auf das Personen-, Familien- und Erbrecht […] die Angehörigen jedes der vertragschließenden Staaten im Gebiet des anderen Staates jedoch den Vorschriften ihrer heimischen Gesetze unterworfen“ bleiben. Das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen gilt somit in Erbfällen, in denen der Erblasser die iranische Staatsangehörigkeit hat.

Der im Iran geborene Erblasser war iranischer Staatsangehöriger. Im Jahre 1985 wanderte er nach Kanada aus, um dort geschäftlich tätig zu werden. Während dieser Zeit erlangte er die kanadische Staatsangehörigkeit. Im Jahre 1989 kam er nach Deutschland und hatte hier überwiegend seinen Lebensmittelpunkt. Zum Iran unterhielt er enge Verbindungen. Der Erblasser verstarb in Deutschland und hinterließ eine eheliche und eine nichteheliche Tochter. Er verfügte über Immobiliarvermögen in Kanada (Provinz Ontario). Die eheliche Tochter beantragte einen gegenständlich auf dessen in Deutschland belegenes Vermögen beschränkten Erbschein nach § 2369 BGB (künftig: § 352c FamFG), der sie als Alleinerbin ausweisen sollte.

Entscheidung
Das AG Hamburg-St. Georg hat den Erbscheinsantrag der ehelichen Tochter abgewiesen. Das Gericht hält Art. 8 Abs. 3 des Niederlassungsabkommens für anwendbar, obwohl der Erblasser neben der iranischen noch die kanadische Staatsangehörigkeit besessen hat. Besitzt ein iranischer Erblasser zugleich die deutsche Staatsangehörigkeit, findet nach h. M. (BVerfG NJW-RR 2007, 577, 578; OLG München ZEV 2010, 255) das Niederlassungsabkommen keine Anwendung. Begründet wird dies damit, dass dem Erblasser in diesem Fall ohnehin die mit beiden Staatsangehörigkeiten verbundene Privilegierung zukommt. Anders ist es nach Ansicht des AG zu bewerten, wenn der Erblasser nicht die deutsche, sondern die Staatsangehörigkeit eines Drittstaates hat. In diesem Fall würden iranischen Staatsbürgern die Privilegien genommen, die ihnen durch das Niederlassungsabkommen eingeräumt werden sollten.

Dass der Erblasser auch iranischer Staatsangehöriger gewesen ist, lässt das Gericht jedoch nicht genügen. Art. 8 Abs. 3 des Niederlassungsabkommens sei nur einschlägig, wenn die iranische auch die effektive Staatsangehörigkeit des Erblassers i. S. v. Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB gewesen sei. Vorliegend sei dies der Fall.

Nach Auffassung des AG ist das in Drittstaaten belegene unbewegliche Vermögen (hier: in Ontario) vom Anwendungsbereich des Abkommens nicht erfasst. Das Niederlassungsabkommen lege mit der Formulierung „im Gebiet des anderen Staates“ eine territoriale Begrenzung seines Anwendungsbereichs nahe. Das Abkommen regele nur die Verhältnisse zwischen Deutschland und dem Iran, nicht aber in Bezug auf Drittstaaten. Daher sei für das in Drittstaaten belegene Vermögen das deutsche EGBGB anwendbar (so auch Süß, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, 2014, S. 181, 188 Rn. 21; Staudinger/Dörner, BGB, Neubearb. 2007, Vor Art. 25 EGBGB Rn. 152; a. A. MünchKommBGB/Dutta, 6. Aufl. 2015, Art. 25 EGBGB Rn. 297). Folglich greife Art. 3a Abs. 2 EGBGB ein, soweit es um das unbewegliche Vermögen in Ontario gehe. Nach dem Kollisionsrecht aller kanadischen Provinzen und damit auch nach dem Kollisionsrecht der Provinz Ontario werde im Hinblick auf unbewegliche Sachen an die lex rei sitae angeknüpft. Es gelte diesbezüglich kanadisches Recht. Im vorliegenden Verfahren sei dies jedoch nicht zu beachten, da ein gegenständlich auf das in Deutschland belegene Vermögen beschränkter Erbschein beantragt worden sei.

Da nach dem maßgeblichen Recht des Iran nichteheliche Kinder nicht erbberechtigt sind (Artt. 881a, 884 ZGB Iran), musste sich das Gericht mit der Frage beschäftigen, ob ein ordre-public-Verstoß (Art. 6 EGBGB) vorliegt. Dies bejaht das Gericht unter Hinweis auf die verfassungsrechtlich gebotene Gleichstellung nichtehelicher Kinder in Art. 6 Abs. 5 GG. Ein ordre-public-Verstoß würde zwar ausscheiden, wenn die gesetzliche Erbfolge nach dem ausländischen Recht dem Willen des Erblassers entsprochen hätte. Eine positive Willensentschließung des Erblassers lasse sich jedoch nicht feststellen. Die Regelungslücke sei dadurch zu schließen, dass hinsichtlich der nichtehelichen Tochter die Regelungen für eheliche Kinder gälten. Die eheliche Tochter sei somit nicht Alleinerbin geworden.

Hinweis
Das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen bleibt auch nach dem Anwendungsbeginn der EUErbVO anwendbar, denn diese lässt die Anwendung bestehender internationaler Übereinkommen unberührt (Art. 75 Abs. 1 EUErbVO). Entsprechendes gilt für das deutsch-türkische Nachlassabkommen sowie für den deutsch-sowjetischen Konsularvertrag, der im Verhältnis zu den meisten Nachfolgestaaten der Sowjetunion greift. Im Hinblick auf das in Drittstaaten belegene Vermögen, das vom Anwendungsbereich des deutsch-iranischen Nachlassabkommens ausgeklammert ist, wird in Zukunft nicht mehr Art. 3a Abs. 2 EGBGB, sondern die EUErbVO maßgeblich sein. Da Drittstaaten an die EUErbVO nicht gebunden sind, wenden deren Gerichte jedoch ihr eigenes drittstaatliches Kollisionsrecht an.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

AG Hamburg-St. Georg

Erscheinungsdatum:

13.04.2015

Aktenzeichen:

970 VI 1645/12

Erschienen in:

DNotI-Report 2015, 119-120

Normen in Titel:

EGBGB Art. 25