FG Münster 24. Oktober 2019
3 K 3549/17 Erb
ErbStG §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 6, 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 u. 2; BGB § 2139

Gewährung einer Erbfallkostenpauschale

letzte Aktualisierung: 28.05.2020
FG Münster, Urt. v. 24.10.2019 – 3 K 3549/17 Erb

ErbStG §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 6, 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 u. 2; BGB § 2139
Gewährung einer Erbfallkostenpauschale

Der Pauschbetrag nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 2 ErbStG kann auch dem Nacherben gewährt werden, der Aufwendungen bei der Abwicklung des Erbfallgse tätigt hat. Vor- und Nacherbschaft stellen zwei voneinander getrennt zu beurteilende Erbfälle dar. (Leitsatz der DNotI-Redaktion)

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung sind
rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung, FGO). Der Beklagte hat die sog. Erbfallkostenpauschale nach
§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG zu Unrecht nicht gewährt.

1. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sind von dem Erwerb, soweit sich nicht aus den
Absätzen 6 bis 9 etwas anderes ergibt, als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig die
Kosten der Bestattung des Erblassers, die Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal,
die Kosten für die übliche Grabpflege mit ihrem Kapitalwert für eine unbestimmte Dauer
sowie die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung,
Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen.
Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG wird für diese Kosten insgesamt ein Betrag von
10.300 Euro ohne Nachweis abgezogen.

a) Nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG wird für „diese Kosten“, damit
gemeint sind die Kosten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG, ein Pauschbetrag
von 10.300 Euro abgezogen. Kosten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sind u.
a. Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit Abwicklung und Regelung
des Erwerbs entstehen. Zu den Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang
im Zusammenhang mit der Abwicklung und Regelung des Erwerbs entstehen, gehören u.
a. die Kosten für die Eröffnung der Verfügung von Todes wegen und die Kosten für die
Erteilung des Erbscheins.

Voraussetzung für die Gewährung des Pauschbetrags nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2
ErbStG ist damit, dass dem Erwerber Kosten im Sinne dieser Vorschrift entstanden sind,
ihre Höhe aber nicht nachgewiesen ist. Ein Abzug des Pauschbetrags scheidet daher aus,
wenn Kosten im Sinne von § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG nicht entstanden sind (vgl.
BFH-Urteil vom 21.01.2005 II B 6/04, BFH/NV 2005, 1092).

Die Klägerin hat durch die Vorlage der Rechnung des Amtsgerichts N-Stadt von
13.08.2015 nachgewiesen, dass ihr für die Eröffnung der Verfügung von Todes wegen, für
die Beantragung und Erteilung des Erbscheins, für die Beurkundung der Versicherung an
Eides statt sowie für die Erklärung zur Bestimmung der Person des
Testamentsvollstreckers Kosten in Höhe von 40 Euro entstanden sind. Damit liegen nach
Auffassung des Senats die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Pauschbetrags
des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG in Höhe von 10.300 Euro vor.

Der Inanspruchnahme des Pauschbetrags nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG steht
nicht entgegen, dass der Klägerin nur im Verhältnis zum Pauschbetrag geringe Kosten
entstanden sind. Denn gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG hängt die Gewährung des
Pauschbetrags nicht von weiteren Voraussetzungen ab, außer der Entstehung von Kosten
im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG, unabhängig von der Höhe der
entstandenen Kosten.

Aus § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG lässt sich nach Auffassung des Senats auch nicht der
Schluss ziehen, dass der Pauschbetrag nicht gewährt werden kann, wenn geringere
Kosten als der Pauschbetrag von 10.300 Euro tatsächlich nachgewiesen werden, mit der
Folge, dass dann nur die nachgewiesenen Kosten, im Streitfall in Höhe von 40 Euro
abzugsfähig wären. Denn in § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG heißt es ohne jede
Einschränkung, dass für diese Kosten insgesamt ein Betrag von 10.300 Euro abgezogen
wird.

Dass der Pauschbetrag nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG im Ergebnis in zahlreichen
Fällen, in denen die gesetzlich aufgeführten Aufwendungen niedriger als der Pauschbetrag
sind, wie ein zusätzlicher Freibetrag wirkt, ist von der gesetzlichen Regelung gewollt. Denn
die Vorschrift dient damit der vereinfachten Erbschaftsteuerveranlagung (vgl. Geck in
Kapp/Ebeling, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 10 Rz. 15).

Der Klägerin ist damit der Pauschbetrag zu gewähren, unabhängig davon, ob sie
Beerdigungskosten getragen hat.

b) Der Gewährung des Pauschbetrags nach § 10 Abs. 5 Nr. Satz 2 ErbStG steht auch
nicht entgegen, dass eine Nacherbschaft nach § 6 ErbStG vorliegt und nach der
Rechtsprechung des BFH der Erbfallkostenpauschbetrag für jeden Erbfall nur einmal
gewährt und deshalb auch von mehreren am Erbfall beteiligten Erwerbern insgesamt nur
einmal in Anspruch genommen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 24.10.2010 II R 31/08,
BStBl II 2010, 491).

Erbschaftsteuerrechtlich handelt es sich bei Vor- und Nacherbschaft um zwei
Erwerbsvorgänge, den Erwerb des Vorerben beim Tod des Erblassers und um den Erwerb
des Nacherben beim Tod des Vorerben. Beide Erwerbsvorgänge stellen jeweils einen
Erbanfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Das hat zur Folge, dass beide
Erwerbsvorgänge in ihrer zeitlichen Abfolge getrennt der Besteuerung unterliegen.
Damit kann sowohl dem Vorerben als auch dem Nacherben der Pauschbetrag nach §10
Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG gewährt werden, denn es liegen zwei voneinander getrennt zu
beurteilende Erbfälle vor, so dass die Rechtsprechung des BFH, der Pauschbetrag könne
für jeden Erbfall nur einmal gewährt und deshalb auch von mehreren am Erbfall beteiligten
Erwerbern insgesamt nur einmal in Anspruch genommen werden, im Streitfall nicht
einschlägig ist.

Der Senat folgt damit nicht der Auffassung, die in der Literatur vertreten wird, dass im Fall
der Vorerbschaft der Pauschbetrag nur dem Vorerben zustehe (so Meincke/Hannes/Holz,
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 17, Aufl. 2018, § 10 Rn. 55 und Weinmann
in Moench/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 10 Rz. 90).

Weinmann verweist darauf, dass in Fällen der Vor- und Nacherbschaft der Nachlass
zunächst auf den Vorerben übergehe und er mit den Erbfallkosten belastet sei. Wie der
Streitfall zeigt, kann aber auch der Nacherbe mit Erbfallkosten belastet sein, so dass
dieses Argument jedenfalls im Streitfall ins Leere geht.

c) Im Streitfall kommt hinzu, dass der Vorerbe keine Kosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1
ErbStG geltend gemacht hat und damit auch der Erbfallkostenpauschbetrag nach § 10
Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG nicht berücksichtigt worden ist, da die Erbschaftsteuer schon
aufgrund des Freibetrags für Ehegatten nicht zu einer Erbschaftsteuerfestsetzung führte.
Ein Verbrauch des Erbfallkostenpauschbetrags ist damit nicht erfolgt.

2 Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte (§ 135 Abs. 1 FGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO
i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision war zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

FG Münster

Erscheinungsdatum:

24.10.2019

Aktenzeichen:

3 K 3549/17 Erb

Rechtsgebiete:

Erbschafts- und Schenkungsteuer
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge

Normen in Titel:

ErbStG §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 6, 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 u. 2; BGB § 2139