OLG Braunschweig 10. Oktober 2022
5 VA 1/22
FamFG §§ 107, 109

Anerkennung der Khol-Scheidung nach iranischem Recht

letzte Aktualisierung: 15.12.2022
OLG Braunschweig, Beschl. v. 10.10.2022 – 5 VA 1/22

FamFG §§ 107, 109
Anerkennung der Khol-Scheidung nach iranischem Recht

Die sog. Khol-Scheidung nach iranischem Recht ist als Kombination der gerichtlichen Feststellung
des Scheiterns der Ehe in dem nach §§ 8 ff. des iranischen Gesetzes zum Schutze der Familie vom
04.02.1975 (FamSchutzG) durchzuführenden Verfahren und der anschließenden notariellen
Registrierung gemäß § 107 FamFG als gerichtliche Scheidung anerkennungsfähig. Die
Gerichtsentscheidung, die die Unmöglichkeit einer Versöhnung feststellt, ist für die Scheidung
konstitutiv, da nach deren Erlass keiner der Ehegatten allein den Vollzug der Scheidung mehr
verhindern kann.

GRÜNDE

I.
Der Antragsteller begehrt die Anerkennung der Scheidung seiner am 26.06.2017 in Teheran
geschlossenen Ehe mit Frau S. M. Der Antragsteller hatte bei der Eheschließung die iranische
Staatsangehörigkeit, zum Zeitpunkt der Scheidung die deutsche und die iranische Staatsangehörigkeit. Zu
seiner Ehefrau hat er angegeben, sie habe bei der Eheschließung die iranische Staatsangehörigkeit, bei
der Scheidung die iranische und die amerikanische Staatsangehörigkeit besessen. Der Antragsteller hat in
Kopie und beglaubigter Übersetzung das Urteil der Abteilung Nr. 269 des Familiengerichts des
Justizzentrums für Familiensachen des zweiten Bezirks von Teheran vom 16.03.2020 (Az:
9809980316901261, Nummer des Verfahrens: 9809970216901598) vorgelegt, mit dem die Unmöglichkeit
einer Schlichtung bescheinigt sowie eine Regelung hinsichtlich der Mitgift der Ehefrau und des Brautgeldes
getroffen wurde, ferner die Urkunde des Notars Y. M. S. über die Beurkundung der Scheidung am
15.04.2020.

Mit Bescheid vom 25.10.2021 hat der Präsident des Oberlandesgerichts Braunschweig den Antrag
zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, es handele sich um eine entlassende,
einvernehmliche Scheidung nach §§ 1146, 1133 iranisches Zivilgesetzbuch (ZGB), auch „Khol“ genannt.
Dabei handele es sich nicht um eine gerichtliche Scheidung, sondern um eine sogenannte Privatscheidung
mit Behördenbeteiligung. Bei dieser Scheidung stelle das Gericht auf Antrag beider Ehegatten die
Unmöglichkeit der Versöhnung fest. Das Urteil entfalte jedoch keine konstitutive Wirkung für die
Scheidung, diese erfolge vielmehr durch die später vor dem Notar abgegebene Scheidungserklärung des
Ehemannes. Das hier anwendbare deutsche Recht kenne jedoch die sogenannte Privatscheidung mit
Behördenbeteiligung nicht, vielmehr habe die Scheidung gemäß § 1564 BGB stets durch eine gerichtliche
Entscheidung zu erfolgen. Eine Anerkennung der Scheidung sei daher nicht möglich.

Hiergegen hat der Antragsteller mit anwaltlichem Schriftsatz vom 06.12.2021 die gerichtliche Entscheidung
gemäß § 107 Abs. 5 FamFG beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Ehe sei nach iranischem
Recht ordnungsgemäß geschieden worden. Die Scheidung sei durch einen hoheitlichen Scheidungsakt
erfolgt, nachdem das iranische Gericht auf Antrag der Ehefrau nach eigener Prüfung die Zustimmung zur
Scheidung erteilt habe. Mit weiterem Bescheid vom 18.01.2022 hat der Präsident des Oberlandesgerichts
Braunschweig eine Änderung des Bescheides vom 25.10.2021 im Wege der Abhilfe abgelehnt und die
Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 107 Abs. 5 FamFG ist zulässig. Insbesondere ist der
Rechtsbehelf innerhalb der Monatsfrist des § 107 Abs. 7 S. 3 FamFG i. V. m. § 63 Abs. 1 und 3 FamFG
eingelegt worden.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat auch im Ergebnis Erfolg.

Für den Antrag auf Anerkennung der am 15.04.2020 beurkundeten Scheidung ist das
Anerkennungsverfahren nach § 107 FamFG eröffnet. Eine ausländische Entscheidung im Sinne des § 107
Abs. 1 FamFG ist auch bei Privatscheidungen gegeben, wenn eine ausländische Behörde hieran in
irgendeiner Form mitgewirkt hat (vgl. BGH FamRZ 1990, 607; Keidel/Dimmler, FamFG, 20. Aufl., § 107 Rn.
15 m. w. N.). Der Antragsteller hat ferner ein rechtliches Interesse an der Klärung seines Personenstandes
für den deutschen Rechtsbereich.

Der Zulässigkeit und dem Erfordernis des Antrags auf Anerkennung der im Iran beurkundeten Scheidung
steht nicht entgegen, dass die im Heimatstaat beider Ehegatten durchgeführten Auslandsscheidungen
gemäß § 107 Abs. 1. S. 2 FamFG vom obligatorischen Anerkennungsverfahren ausgenommen sind. Denn
diese Ausnahme greift nicht, wenn wenigstens einer der beiden Ehegatten neben der gemeinsamen
Staatsangehörigkeit auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt; in diesem Fall ist die Durchführung des
Anerkennungsverfahrens erforderlich (vgl. BGH FamRZ 2020, 1811, Rn. 18 ff.).

Der Anerkennung steht kein Anerkennungshindernis im Sinne des § 109 FamFG entgegen. Gemäß § 109
Abs. 1 Nr. 1 FamFG ist die Anerkennung ausgeschlossen, wenn die Gerichte des anderen Staates nach
deutschem Recht nicht zuständig sind. Die internationale Zuständigkeit in Ehesachen bestimmt sich nach
§ 98 FamFG. Danach sind deutsche Gerichte gemäß § 98 Abs. 1 Nr. 4 FamFG zuständig, wenn ein
Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Dies ist hier der Fall, da der Antragsteller in
Deutschland lebt. Jedoch steht gemäß § 109 Abs. 2 S. 2. FamFG die deutsche Zuständigkeit gemäß § 98
FamFG der Anerkennung nicht entgegen, wenn eine ausländische Entscheidung in einer Ehesache von
den Staaten anerkannt wird, denen die Ehegatten angehören. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da
beide Ehegatten auch die iranische Staatsangehörigkeit besitzen und die im Iran nach iranischem Recht
erfolgte Scheidung dort unzweifelhaft anerkannt wird.

Der Anerkennung steht auch nicht das Anerkennungshindernis des § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG entgegen,
wonach die Anerkennung der ausländischen Entscheidung ausgeschlossen ist, wenn sie zu einem
Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts und insbesondere mit den
Grundrechten offensichtlich unvereinbar ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Insbesondere
handelt es sich bei der hier zu beurteilenden sog. „Khol“-Scheidung nicht um eine Privatscheidung.
Nach allgemeiner Ansicht ist dann, wenn das deutsche Scheidungsrecht materiell anwendbar ist, eine
Privatscheidung grundsätzlich nicht möglich und nicht anerkennungsfähig, da in § 1564 S. 1 BGB die
Grundentscheidung des deutschen materiellen Scheidungs- und Scheidungsfolgenrechts zum Ausdruck
kommt, dass über die Scheidung einer Ehe immer ein Gericht zu befinden hat (vgl. BGH FamRZ 1990,
607, Rn. 21 – thailändische Privatscheidung –; BGH FamRZ 2020, 1811, Rn. 49 – syrische
Privatscheidung –; BGH FamRZ 1994, 434 und FamRZ 2008, 1409 – Entscheidungen eines israelischen
Rabbinatsgerichts – jeweils m. w. N.).

Die mangelnde Anerkennungsfähigkeit einer Privatscheidung wird überwiegend aus der Anwendbarkeit
deutschen Rechts abgeleitet, die sich hier entweder aus Art. 8 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010
des Rates vom 20.12.2010 zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die
Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (Rom III-VO) – bei
einer Einordnung als gerichtliche Scheidung – oder aus Art. 17 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB i. V. m. Art. 8 lit. b
Rom III-VO – bei einer Einordnung als Privatscheidung – ergibt. Nach der hier vertretenen abweichenden
Ansicht handelt es sich jedoch um einen gemäß § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG zu prüfenden Gesichtspunkt
des ordre public, da sich aus keinem der in § 109 FamFG aufgeführten Anerkennungshindernisse ergibt,
dass die Anwendung des – nach deutschem Kollisionsrecht – falschen materiellen Rechts einer
Anerkennung entgegensteht.

Die Ableitung der fehlenden Anerkennungsfähigkeit kann im Ergebnis jedoch dahinstehen, da die sog.
„Khol“-Scheidung nach iranischem Recht zum einen als gerichtliche Scheidung qualifiziert werden kann
und zum anderen den Grundsätzen des deutschen Scheidungsrechts nicht widerspricht.
Nach der im Bescheid vom 26.10.2021 vertretenen Ansicht handelt es sich bei der „Khol“-Scheidung nach
iranischem Recht um eine nicht anerkennungsfähige Privatscheidung, da die Scheidung nicht durch
Gerichtsurteil erfolge und die vorausgegangene Versöhnungsverhandlung des Familiengerichts lediglich
vorbereitenden Charakter habe (so auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.10.2015, 13 VA 2/15, Rn. 22
– über juris).

Dieser Wertung kann nicht gefolgt werden. Zwar kann sich gemäß § 1133 f. ZGB ein Mann scheiden
lassen, wann immer er es will, indem er in Anwesenheit mindestens zweier gerechter Männer die
Scheidungsformel ausspricht, gemäß § 1138 ZGB gegebenenfalls auch durch einen Vertreter. Gemäß §§
8, 10 des am 04.02.1975 genehmigten iranischen Gesetzes zum Schutze der Familie (im Folgenden:
FamSchutzG) können jedoch sowohl die Ehefrau als auch der Ehemann beim Familiengericht die
Ausstellung einer Bescheinigung über die Unmöglichkeit einer Versöhnung beantragen, die das Gericht
nach Durchführung von Ermittlungen ausstellt und zur Durchführung der Scheidungsformel und ihrer
Eintragung an das Scheidungsnotariat weiterleitet. Gemäß §§ 11 ff. FamSchutzG werden dabei auch
Scheidungsfolgen wie Unterhalt, Sorgerecht und Umgang für die Kinder sowie gegebenenfalls die
Rückgabe einer Brautgabe geregelt. Die Durchführung der Scheidung ohne die gerichtliche Bescheinigung
über die Unmöglichkeit einer Versöhnung ist unter Strafe gestellt (§ 10 FamSchutzG a. E.); dem Notar
droht nach dem iranischen Gesetz zur Berichtigung der Scheidungsnormen vom 19.11.1992 in diesem Fall
der Entzug seiner Berechtigung. Ergänzend ist in dem iranischen Gesetz zur Bestimmung der
Gültigkeitsdauer der Bescheinigung über die Unmöglichkeit einer Versöhnung vom 02.11.1997 bestimmt,
dass die Bescheinigung innerhalb von drei Monaten einem Notar vorzulegen ist, der die Beteiligten zu
laden hat. Ein Nichterscheinen der Ehefrau steht der Vollziehung der Scheidungsformel durch den
Ehemann und der Eintragung nicht entgegen. Sofern der Ehemann nicht erscheint oder die Vollziehung
der Scheidungsformel ablehnt, lädt das Gericht auf Antrag der Ehefrau den Ehemann vor und vollzieht bei
dessen Nichterscheinen oder Weigerung die Scheidungsformel selbst (vgl. jeweils Bergmann/Ferid
/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Iran, 158. Lieferung, Stand 01.10.2002). Hieraus
ergibt sich, dass eine Scheidung durch einseitige Erklärung des Ehemannes ohne vorangegangenes
Gerichtsverfahren zwar gemäß §§ 1133 ff. ZGB zivilrechtlich wirksam (Bergmann/Ferid/Henrich, Iran, Seite
63) und dann als reine Privatscheidung einzuordnen wäre. Hat jedoch ein Gerichtsverfahren über die
Unmöglichkeit einer Versöhnung nach dem FamSchutzG stattgefunden, kann keiner der Ehegatten allein
den Vollzug der Scheidung mehr verhindern. Zwar muss der Ehemann auch nach Durchführung dieses
Verfahrens die Scheidungsformel aussprechen. Da dieser Ausspruch aber im Falle der Weigerung des
Ehemannes gerichtlich ersetzt werden kann, ist die Entscheidung des Familiengerichts für die noch formal
durchzuführende Scheidung konstitutiv. Eine andere Beurteilung ist auch nicht aufgrund des Umstandes
gerechtfertigt, dass die Vollziehung durch das Gericht formal als Vertretung des Ehemannes ausgestaltet
ist, da diese Vertretung nicht auf einer Vollmacht des Ehemannes beruht, sondern aus dem Gesetz folgt.
Dies ist auch nicht deshalb anders zu sehen, weil der Ehemann innerhalb eines Ede – eines Zeitraums,
der drei Monatszyklen der Frau umfasst (§§ 1148, 1151 ZGB) – normalerweise die Scheidung widerrufen
kann. Denn in den Fällen, in denen die Frau den Scheidungsantrag stellt, wird dem Ehemann kein
Widerrufsrecht zugebilligt (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, Iran, Seite 67 m. w. N.).

Auch die weiteren Umstände des vorliegenden Falles begründen nicht das Anerkennungshindernis des §
109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG. Die Anerkennung der ausländischen Entscheidung führt hier nicht zu einem
Ergebnis, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts und insbesondere mit den
Grundrechten offensichtlich unvereinbar ist. Denn sowohl die Einleitung des Gerichtsverfahrens über die
Unmöglichkeit einer Versöhnung als auch die Durchsetzung der Scheidung nach gerichtlicher Feststellung
des Scheiterns der Ehe steht beiden Ehegatten in gleicher Weise offen. Da in diesem Verfahren die
Scheidungsvoraussetzungen gerichtlich geprüft und die Scheidungsfolgen geregelt werden, steht das
Ergebnis mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Scheidungsrechts im Einklang.

Die sog. „Khol“-Scheidung nach iranischem Recht ist nach der Auffassung des Senats daher grundsätzlich
anerkennungsfähig. Die erforderlichen Nachweise über die Durchführung der Scheidung im vorliegenden
Fall hat der Antragsteller erbracht; insoweit hat der Präsident des Oberlandesgerichts keine
Beanstandungen erhoben.

Auf den Antrag des Antragstellers ist der Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Braunschweig
vom 25.10.2021 daher abzuändern und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung der
am 15.04.2020 beurkundeten Scheidung vorliegen.

III.
Von einer Anhörung der geschiedenen Ehefrau sieht der Senat ab, da sie nicht möglich ist. Der
Antragsteller hat dargelegt und durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht, dass
die Herstellung eines Kontaktes unter den ihm bekannten Daten weder mit der Ehefrau selbst noch mit
ihren Familienmitgliedern möglich ist und dass auch keine gemeinsamen Bekannten vorhanden sind, über
die er die Kontaktdaten ermitteln könnte. Die Anhörung ist somit nicht möglich und muss daher
unterbleiben (vgl. von Milczewski in: Bahrenfuss, FamFG, 3. Aufl. 2017, § 107 Rn. 58).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 80, 81 Abs. 1 FamFG. Die Gerichtsgebühr des Verfahrens hat der
Antragsteller gemäß Nr. 1714 KV FamGKG nicht zu tragen, da sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung
Erfolg hat.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 FamFG zuzulassen, da der Senat von der
Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19.10.2015 (13 VA 2/15) abweicht und eine
Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
erforderlich ist.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Braunschweig

Erscheinungsdatum:

10.10.2022

Aktenzeichen:

5 VA 1/22

Rechtsgebiete:

Ehevertrag und Eherecht allgemein
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

NJW-RR 2023, 7-8

Normen in Titel:

FamFG §§ 107, 109