OLG Schleswig 01. Februar 2023
3 Wx 29/22
BGB §§ 2247, 2267, 2270

Auslegung einer sog. Gleichzeitigkeitsklausel in gemeinschaftlichem Testament; Andeutungstheorie

letzte Aktualisierung: 12.5.2023
OLG Schleswig, Beschl. v. 1.2.2023 – 3 Wx 29/22

BGB §§ 2247, 2267, 2270
Auslegung einer sog. Gleichzeitigkeitsklausel in gemeinschaftlichem Testament;
Andeutungstheorie

1. Zur Auslegung einer Gleichzeitigkeits- bzw. Katastrophenklausel in einem gemeinschaftlichen
Ehegattentestament.
2. Andeutungen in einem späteren Testament können nicht die Formwirksamkeit eines früheren
Testaments im Sinne der Andeutungstheorie begründen.

Gründe

I.
Die Erblasserin und ihr ... vorverstorbener Ehemann errichteten am 02.08.1995 zwei inhaltlich
übereinstimmende eigenhändige Testamente. Beide unterschrieben auch das jeweils vom
anderen Ehegatten verfasste Testament. In den Testamenten setzten sie sich gegenseitig als
Erben ein. Weiter bestimmten sie unter anderem:

"Sollten wir gleichzeitig oder so nacheinander versterben, dass weitere Verfügungen nicht
möglich sind, setzen wir die Eheleute H... und G... [Beschwerdeführerin] als Erben ein, ..."
Erblasserin und Beschwerdeführerin waren Lehrerinnen, die jeweiligen Ehemänner ...
Journalisten.

Der Ehemann der Beschwerdeführerin ist 2015 vorverstorben. Er wurde von der
Beschwerdeführerin beerbt. Unter der Datumsangabe 08.10.2018 errichtete die Erblasserin
eigenhändig ein weiteres - so überschriebenes - "Testament" mit dem Inhalt, dass nach ihrem
Ableben der Beteiligte zu 2. ihr Vermögen bekommen solle.
Für die Erblasserin wurde vom Betreuungsgericht ... die Einrichtung einer Betreuung geprüft ...
Zu einer solchen ist es nicht gekommen. Die Erblasserin erteilte wechselnd den Beteiligten
Vorsorgevollmachten.

Schließlich ließ die Erblasserin am 31.12.2020 eine so bezeichnete Testamentsergänzung
notariell beurkunden ..., in der sie erklärte, dass das in beglaubigter Abschrift beigefügte
Testament vom 08.10.2018 von ihr bestätigt werde. Sie legte umfangreich dar, warum sie den
Beteiligten zu 2 und nicht die Beschwerdeführerin als Erbe einsetze, unter anderem, weil
persönliche Begegnungen mit der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann nach dem Tod des
eigenen Ehemanns 2003 so gut wie nicht mehr stattgefunden hätten, die Beschwerdeführerin
versucht habe, eine Betreuung für die Erblasserin gegen ihren Willen einrichten zu lassen und
die Rückkehr der Erblasserin aus einer Kurzeitpflege in ihr eigenes Haus zu verhindern...
Die Beschwerdeführerin hat die Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins
beantragt. Sie hat gemeint, sie und ihr Ehemann, dessen Erbteil nach seinem Vorversterben ihr
gemäß § 2094 Abs. 1 BGB angewachsen sei, seien als Schlusserben nicht nur für den Fall des
gleichzeitigen oder kurz nacheinander erfolgenden Versterbens der Erblasserin und deren
Ehemanns eingesetzt worden, sondern für jeden Fall als Schlusserben. Wegen
Wechselbezüglichkeit sei die Erblasserin an die Einsetzung gebunden gewesen, habe nicht
abweichend neu testieren dürfen. Die Eheleute hätten eine Rechtsnachfolge für den Fall des
gleichzeitigen Ablebens festlegen wollen und andererseits auch für den Fall, dass eine
gemeinschaftliche Änderung des gemeinschaftlichen Willens nicht mehr möglich sei. Der zweite
Fall betreffe ausdrücklich den Fall einer eingetretenen Bindungswirkung nach dem Tod des
Erstversterbenden. Das ergebe sich daraus, dass der entsprechende Satz zweimal das
Personalpronomen "wir" enthalte. Es stelle sich die Frage, warum die Eheleute dem
Überlebenden nicht ausdrücklich eine unbeschränkte Testierfreiheit eingeräumt hätten, wenn sie
das gewollt hätten. Die Bestimmung des Ehemanns der Beschwerdeführerin als
Testamentsvollstrecker nicht nur für den 1. Erbfall spreche dafür, dass die Eheleute bindend als
Schlusserben eingesetzt worden seien. Es sei nicht vorstellbar, weshalb der durch abweichende
Testierung nach dem Tod des Erstversterbenden wieder enterbte Ehemann der
Beschwerdeführerin dennoch zum Testamentsvollstrecker über das Vermögen des
Letztversterbenden ernannt worden sei. Eine Beschränkung der Schlusserbeneinsetzung auf den
Fall des gleichzeitigen oder kurz nacheinander erfolgenden Versterbens werfe die Frage auf,
warum die Eheleute keine Erbfolge für den Regelfall nach dem Tod des Letztversterbenden
angeordnet hätten, jedoch für den Ausnahmefall. Auch die Erblasserin selbst sei von einer
Schlusserbeneinsetzung ausgegangen, wie das notariell beurkundete Testament zeige, in dem sie
erklärt habe, dass die Einsetzung der Beschwerdeführerin keine Geltung mehr haben solle.
Hätte nach dem gemeinschaftlichen Testament die gesetzliche Erbfolge eintreten sollen, hätte es
dieser Formulierung nicht bedurft. Aus der Auslegung als Schlusserbeneinsetzung folge
unumgänglich auch deren Wechselbezüglichkeit. Auch spreche § 2270 Abs. 2 BGB für
Wechselbezüglichkeit, weil ein Näheverhältnis zwischen der Erblasserin und der
Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann gegeben gewesen sei. Das habe sich aus der beruflichkollegialen
Verbindung ergeben. Diese sei über Jahrzehnte verfestigt und tiefgründiger
geworden. Die Erblasserin und ihr Ehemann hätten sich gerne mit den Kindern der
Beschwerdeführerin umgeben. Es habe regelmäßige gemeinsame Freizeitaktivitäten, Urlaube
und viele gemeinsame Interessen gegeben. Demgegenüber habe eine enge Beziehung der
Erblasserin zum Beteiligten zu 2 nicht bestanden. Keiner der engsten Freunde und Bekannten
der Erblasserin habe jemals von den Beteiligten zu 2 gehört oder diesen gesehen. Er sei nie
erwähnt worden.

Die Beschwerdeführerin hat behauptet, die Erblasserin und auch deren vorverstorbener
Ehemann hätten mehrfach ausdrücklich gegenüber der Beschwerdeführerin deren Ehemann
und der Zeugin W1 erklärt, die Erbeinsetzung zugunsten der Beschwerdeführerin und ihres
Mannes solle zugunsten der Beschwerdeführerin in jedem Fall Bestand haben, eine Abänderung
durch den überlebenden Ehegatten ausdrücklich nicht gegeben sein. Die Erblasserin habe bis
Dezember 2020 erklärt, die Beschwerdeführerin sei ihre Erbin.

Es bestünden zudem Zweifel an ihrer Testierfähigkeit zum 31.12.2020. Seinerzeit habe die
Erblasserin ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können. Ein Betreuungsverfahren sei
eingeleitet gewesen. Aussagen der Erblasserin zur Person der Beschwerdeführerin seien
nachweislich unwahr. Die Erblasserin sei von dem Beteiligten zu 2 stark beeinflusst und
abgeschirmt worden, mutmaßlich um sie zu einer für ihn günstigen Verfügung zu bewegen.
Die Beteiligten haben umfangreich die Fragen der Testierfähigkeit Ende 2020 diskutiert und wie
eng oder weit die jeweiligen freundschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten zu Erblasserin und
deren Ehemann waren, einschließlich der jeweiligen Historie. In einem Arztbericht des
Klinikums Itzehoe vom 25.01.2021 über einen Aufenthalt in der Klinik vom 10 bis 27.01.2021
an die Hausarztpraxis der Erblasserin wird von vielfachen internistischen Erkrankungen
berichtet, Hinweise auf eine Demenz, Verwirrtheit, Orientierungslosigkeit, Kritikeinschränkung
o.ä. enthält er nicht. Es wird der Wunsch der Erblasserin auf palliative Behandlung benannt. Die
Entlassung erfolgte in die ambulante Weiterbehandlung, wobei zu Beginn der Behandlung am
13.01.2021 noch eine Rückkehr in das häusliche Umfeld für ausgeschlossen erachtet worden
war, für den Fall, dass es sich so darstelle wie von der Erblasserin geschildert, eine Verlegung in
ein Pflegeheim solle erwogen werden.

Das Nachlassgericht hat den Antrag der Beschwerdeführerin zurückgewiesen. Das Testament
von 1995 sehe die Schlusserbeneinsetzung der Beschwerdeführerin nicht generell vor. Dem
Wortlaut nach sei die testamentarische Regelung an die obergerichtliche Rechtsprechung
angelehnt. Danach sei die Formulierung "bei gleichzeitigem Ableben" oder "bei gleichzeitigem
Versterben" so zu verstehen, dass auch die Fälle erfasst werden sollten, in denen die Ehegatten
innerhalb eines kurzen Zeitraums nacheinander versterben und der Überlebende in dieser
Zeitspanne daran gehindert sei, ein neues Testament zu errichten. Eine solche Erbeinsetzung
gelte grundsätzlich nicht für den Fall, dass der Tod der Ehegatten in erheblichem zeitlichen
Abstand eintreten. Nur bei besonderen Umständen des Einzelfalls könne eine Ausnahme
angenommen werden, dass die Testierenden den Begriff des gleichzeitigen Versterbens gegen
den Wortsinn dahin gehend verstanden hätten, dass auch das Versterben in erheblichem
zeitlichen Abstand umfassen solle. Darüber hinaus müsse sich dafür eine Grundlage in der
Verfügung von Todes wegen finden. Jedenfalls Letzteres sei hier nicht der Fall, sodass es
jedenfalls an der formwirksamen Erklärung eines etwaigen Erblasserwillens fehle.

Selbst wenn man die Behauptungen der Antragstellerin bezüglich der Äußerungen gegenüber
der genannten Zeugin W1 als wahr unterstelle, wofür auch die Formulierung im Testament vom
31.12.2020 spreche, dass das Testament von 1995 keine Geltung mehr haben solle, so sei dieser
Wille dennoch nicht formgerecht gemäß §§ 2247, 2267 BGB erklärt. Der Erblasserwille gehe
nur dann jeder anderen Interpretation, die der Wortlaut zulassen würde, vor, wenn er
formgerecht erklärt sei. Die Formvorschriften dienten insbesondere dem Zweck, den wirklichen
Willen des Erblassers zur Geltung kommen zu lassen, nach Möglichkeit die Selbstständigkeit
dieses Willens zu verbürgen und die Echtheit seiner Erklärungen sicherzustellen. Ein nicht
zumindest andeutungsweise oder versteckt im Testament zum Ausdruck gekommener Wille sei
daher unbeachtlich. Hier fehle es an der für die Erfüllung der Form notwendigen Grundlage
oder auch nur Andeutung im Testament. Dessen Bestimmungen ergäben weder einzeln noch im
Zusammenhang einen entsprechenden Anhaltspunkt. Die Einsetzung der Beschwerdeführerin
und ihres Ehemanns als Erben biete keinen Hinweis auf eine Schlusserbenbestimmung, weil sie
kein zeitliches Moment enthalte, dass Rückschlüsse auf eine Erbeinsetzung für ein Versterben
auch bei zeitlich erheblichem Abstand zulasse. Auch die Formulierung, Testamentsvollstrecker
sei der jeweils überlebende Ehepartner, sonst der Ehemann der Beschwerdeführerin, enthalte
keine entsprechende Andeutung einer Schlusserbeneinsetzung auch für den Fall des Versterbens
mit erheblichem zeitlichen Abstand. Die Formulierung sei auslegungsbedürftig. Dem
Sinnzusammenhang nach spreche vieles dafür, dass sie nur auf den vorangegangenen
bezeichneten Fall des gleichzeitigen oder kurz nacheinander erfolgenden Versterbens der
Ehegatten zu beziehen sei. Selbst wenn man dieser Auslegung nicht folgen sollte und sich eine
generelle Einsetzung des Testamentsvollstreckers daraus herleiten ließe, bliebe dennoch die
Auslegungsbedürftigkeit des Begriffes. Sie zeige nicht, wie er nach dem Willen der Erblasser
auszulegen sein soll.

Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Nachlassgericht habe nicht berücksichtigt, dass die
Formulierung im gemeinschaftlichen Testament nicht nur von gleichzeitigem Ableben spreche,
sondern als weiteren Fall ein Versterben so nacheinander, dass weitere Verfügungen nicht
möglich seien, nenne. Es sei nicht ersichtlich, dass sich das Gericht damit beschäftigt habe,
welche Differenzierung mit den beiden formulierten Alternativen gemeint sein könnten. Es gehe
nicht darauf ein, weshalb es annehme, die beiden Alternativen behandelten den identischen Fall
gleichzeitigen Ablebens. Das Nachlassgericht habe nicht geprüft, ob eine Schlusserbeneinsetzung
der Beschwerdeführerin im Testament angedeutet sei. Andeutung sei schon
dem Wortsinn nach nicht mit ausdrücklicher Erwähnung gleichzusetzen. Das Nachlassgericht
begründe nicht, weshalb eine solche Andeutung hier nicht vorliege. Die erste Andeutung sei
bereits in der Formulierung "so nacheinander sterben, dass weitere Verfügungen nicht möglich
sind" im Zusammenspiel mit der Abgrenzung zu der ebenfalls formulierten Alternative des
gleichzeitigen Versterbens und der im Nachgang der Formulierung erfolgten Erbeinsetzung der
Beschwerdeführerin und ihres Ehemanns zu sehen. Offensichtlich hätten die Erblasser neben
der Schlusserbenbestimmung für den Fall des gleichzeitigen Versterbens auch noch einen
weiteren Fall abdecken wollen. Es sei zu beachten, was mit dieser Formulierung gemeint sein
könnte. Wechselbezügliche Verfügungen erwüchsen mit dem Tod des Erstversterbenden
Ehegatten in Bindungswirkung. Das sei die neben das gleichzeitige Ableben tretende
Alternative. Mit dem Tod des erstversterbenden Ehegatten seien weitere Verfügungen des
Überlebenden nicht mehr möglich. Unterstützt werde das durch die Angaben der benannten
Zeuginnen, wonach der Wille der Erblasserin und ihres Ehemanns gewesen sei, die
Beschwerdeführerin und ihren Ehemann zu Schlusserben auch bei Versterben in erheblichem
zeitlichen Abstand zu bestimmen.

Das Nachlassgericht habe verkannt, dass es wegen des zeitlichen Moments auf die Formulierung
"so nacheinander..., dass weitere Verfügungen nicht möglich sind", ankomme. Diese
Formulierung setze die Bedingung, dass die Erbeinsetzung der Beschwerdeführerin und ihres
Ehemanns für den Fall des Eintritts der Bindungswirkung gelten solle. Es komme also
ausschließlich auf den Eintritt der Bindungswirkung an und es sei unerheblich, in welchem
zeitlichen Abstand der zweite Ehegatte versterbe.

Die Erbeinsetzung werde dadurch bestätigt, dass der verstorbene Ehemann der
Beschwerdeführerin ohne jede weitere Bedingung zum Testamentsvollstrecker eingesetzt
worden sei. Auch dies enthalte die Andeutung, dass die Eheleute als Schlusserben eingesetzt
seien. Es erscheine schwer vorstellbar, was sich die testierenden Eheleute sonst mit dieser nicht
an Bedingungen geknüpften Anordnung der Testamentsvollstreckung vorgestellt haben sollten.
Die Ansicht des Nachlassgerichtes könnte dagegen zu der absurden Situation führen, dass die
Testamentsvollstreckung bei dem Ehemann der Beschwerdeführerin gelegen hätte, obwohl
gesetzliche Erbfolge zugunsten gänzlich unbekannter entfernter Verwandter eingetreten sei. Es
sei schwerlich vorstellbar, dass die Eheleute nur den unwahrscheinlichen Fall gleichzeitigen
Ablebens mit einer Schlusserbeneinsetzung versehen, nicht aber dagegen den Regelfall in
zeitlichem Abstand.

Eine weitere Andeutung für die in Bindungswirkung erwachsene Schlusserbeneinsetzung finde
sich in dem notariellen Testament vom 31.12.2020 und mithin nicht einmal außerhalb der
formgerecht errichteten letztwilligen Verfügung der Erblasserin. Die dortige Formulierung, dass
das frühere Testament keine Geltung mehr haben solle, bringe unmissverständlich zum
Ausdruck, dass die Erblasserin selbst davon ausgegangen sei, dass die Erbeinsetzung der
Beschwerdeführerin und ihres Ehemanns bis zur Errichtung des notariellen Testaments
wirksam gewesen sein. Dabei sei zu bemerken, dass das Testament vom 31.12.2020 unter
notarieller Beratung errichtet worden sei. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der
Urkundsnotar die Sach- und Rechtslage zum Zweck der Errichtung einer neuen letztwilligen
Verfügung erörtert habe. Er hätte die Formulierung über die fortwährende Geltung der früheren
Erbeinsetzung sicherlich nicht aufgenommen, wenn sich für ihn aus den Erörterungen der
Erblasserin ergeben hätte, dass die Schlusserbeneinsetzung nur für den Fall gleichzeitigen
Ablebens gewollt gewesen sei. Einer solchen Formulierung hätte es dann nicht bedurft.
Der Fall hier liege zudem gänzlich anders als der Sachverhalt, der der Entscheidung des BGH
vom 19.06.2019 (IV ZB 30/18) zugrunde gelegen habe. Dort habe es keine weiteren
Bestimmungen im Testament und auch keine weiteren Verfügungen von Todes wegen gegeben.
Es habe schlicht kein Platz für Andeutungen oder versteckte Anhaltspunkte bestanden.
Das Nachlassgericht hätte im Rahmen seiner Amtsermittlung die benannten Zeugen hören und
zur Anhörung der Parteien einen Termin anberaumen müssen, um sich auch ein besseres Bild
von dem Antragsgegner zu machen. Anstatt sich umfassend mit der Auslegung der letztwilligen
Verfügungen zu beschäftigen, habe sich das Nachlassgericht auf kürzestem Weg zur
Argumentation über die Formunwirksamkeit begeben. Auch die merkwürdig anmutenden
weiteren Umstände seien ohne Berücksichtigung geblieben. Das Nachlassgericht sei nicht auf
den Umstand eingegangen, dass das notarielle Testament Silvester 2020 an einer vom Wohnort
der Erblasserin weit entfernten Stadt in einem Notariat, bei der eine den Beteiligten zu 2
nahestehende Person arbeite, beurkundet worden sei. Es habe auch nicht zu dem Umstand
Stellung genommen, dass dem notariellen Testament nur eine Abschrift des weiteren
handschriftlichen Testaments, angeblich aus dem Jahr 2018, beigefügt worden sei. Es habe auch
nicht die vorgetragenen Anhaltspunkte für eine Vordatierung dieses weiteren handschriftlichen
Testaments erwähnt, ferner nicht die Umstände über das plötzliche Auftauchen der Urschrift
dieses weiteren handschriftlichen Testaments berücksichtigt, obwohl es höchst befremdlich
anmute, dass die Ablieferung erst erfolgt sei, nachdem auf die Formunwirksamkeit des lediglich
in Abschrift gelieferten Testaments hingewiesen worden sei und es zunächst der Antragsgegner
als nicht auffindbar angegeben habe. Auch der Umstand des offensichtlich falschen
Eröffnungsprotokolls, in dem es zunächst geheißen habe, dass das Testament in einem
verschlossenen Umschlag abgeliefert worden sei, während sich aufgrund der Akteneinsicht
durch den Beschwerdeführerinvertreter herausgestellt habe, dass es ein offener Umschlag
gewesen sei, der mit der Handschrift des Antragsgegners beschrieben gewesen sei. Selbst wenn
es sich bei diesen Ungereimtheiten nicht um Umstände handele, die unmittelbar Einfluss auf die
technische Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments hätten, hätte das Nachlassgericht im
Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht diesen Hinweisen nachgehen müssen. Es sei verpflichtet,
bei der Entscheidungsfindung sämtliche Zweifel auszuräumen, die geeignet seien, die
erblasserseitig verfügte Rechtsnachfolge zu erschüttern.

Die Beschwerdeführerin beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts ... aufzuheben und die
Antragstellerin antragsgemäß entsprechend ihres Erbscheinsantrages vom ... zu bescheiden.
Sie beantragt weiter,
dass die von der Antragstellerin ... aufgeführten Tatsachen wonach sie Alleinerbin der ...
[Erblasserin], geworden ist, für den von ihr mit dem Erbscheinsantrag ... beantragten Erbschein
als festgestellt erachtet werden.

Der Beteiligte zu 2 beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verweist und wiederholt seinen Vortrag aus dem ersten Rechtszug. Der Beteiligte zu 2 hat
dort geltend gemacht, der Wortlaut des Testaments sei unmissverständlich und nicht
auslegungsbedürftig. Die Eheleute hätten präzise formulieren und mit der deutschen Sprache
sachgerecht umgehen können. Angesichts der Verwendung juristischer Fachtermini sei davon
auszugehen, dass sie sich zunächst informiert und bewusst dagegen entschieden hätten, eine
Begrenzung des überlebenden Ehegatten vorzunehmen. Angesichts der Kinderlosigkeit gebe es
keine Anhaltspunkte für die Absicht, den überlebenden Ehegatten zu binden.

Im Nichtabhilfebeschluss hat das Nachlassgericht ergänzt, dass nach der 2. Alternative des
gemeinschaftlichen Testaments nur der Fall geregelt worden sei, dass die Ehegatten so
nacheinander versterben, dass weitere Verfügungen nicht möglich seien, entweder weil das
Versterben zeitlich so eng beieinanderliege, dass ein Testament des Letztversterbenden deshalb
nicht möglich sei, oder bei einem weiten zeitlichen Abstand des Versterbens der Überlebende
zum Beispiel wegen einer Krankheit oder ähnlichem nicht mehr in der Lage sei, neu zu testieren.
Daraus lasse sich nicht ableiten, dass die Eheleute eine wechselbezügliche
Schlusserbeneinsetzung hätten vornehmen wollen. Dies widerspreche dem eindeutigen Wortlaut
und werde durch die konkret festgelegten Bedingungen klargestellt, dass der überlebende
Ehegatte in den anderen Fällen gerade weitere testamentarische Verfügungen treffen und damit
seinen Erben solle frei bestimmen dürfen oder es – wenn er nicht verfüge – bei der gesetzlichen
Erbfolge nach dem Letztversterbenden bleibe.

Auch aus den sonstigen Umständen lasse sich nichts anderes ableiten. Aus der Testamentsvollstreckereinsetzung
folge nichts anderes, weil die Stellung des Testamentsvollstreckers immer
unabhängig von der des Erben sei. Beide könnten zusammen- oder auseinanderfallen.
Aus den späteren Einzeltestamenten folge nichts anderes. Aus dem handschriftlichen
Einzeltestament vom 08.10.2018 folge, dass die Erblasserin davon ausgegangen sei, frei testieren
zu können. Aus dem notariellen Testament vom 31.12.2020 ergebe sich nichts anderes. Die
Formulierung, dass das gemeinschaftliche Testament keine Geltung mehr haben solle, sei nicht
eindeutig. Einerseits könne sie darauf hindeuten, dass die Eheleute abweichend vom Wortlaut
des gemeinschaftlichen Testaments auch von einer generellen Schlusserbeneinsetzung der
Beschwerdeführerin und ihres Ehemanns ausgegangen seien. Andererseits sei aber genauso eine
Auslegung dahingehend möglich, dass die notariell beratene Erblasserin wie üblich in notariellen
Testamenten vorsichtshalber vormalige Verfügungen habe aufheben wollen. Das könne
dahingestellt bleiben, da der erstere Wille im gemeinschaftlichen Testament keine Andeutung
finde. Selbst wenn es ihn gegeben haben sollte, sei er nicht formwirksam erklärt. Maßgeblich für
die Andeutung sei das gemeinschaftliche Testament, aus dem die Beschwerdeführerin ihre
Erbenstellung herleiten wolle. Auch das Argument der Beschwerde, die Verfügungen seien
wechselbezüglich, ergebe nichts anderes, weil dies ein Zirkelschluss von einer etwaigen
Rechtsfolge auf einen behaupteten Inhalt sei, den das Testament gerade nicht hergebe. Einer
weiteren Amtsermittlung bedürfe es nicht.

II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig aber nicht begründet. Der Senat
kann über die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. Senat, Beschluss vom
14.01.2010 - 3 Wx 92/09, FamRZ 2010, 1178; KG v. 29.06.2010 - 1 W 161/10, ZEV 2010, 524;
OLG Düsseldorf v. 29.03.2011 - 3 Wx 263/10, FamRZ 2011, 1980ff; Sternal-Sternal § 68
FamFG, Rn. 73f m.w.N.; Bahrenfuss-Joachim § 68 FamFG Rn. 17). Dies gilt insbesondere,
wenn - wie hier - die Beteiligten sich umfangreich schriftlich geäußert haben und weitere
Ermittlungen zum Sachverhalt nicht aussichtsreich erscheinen.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil das Nachlassgericht in dem angefochtenen Beschluss
zutreffend zu dem Ergebnis gelangt ist, dass das gemeinschaftliche Testament der Eheleute
keine für den hier eingetretenen Todesfall maßgebliche formwirksame Schlusserbenbestimmung
trifft. Auch wenn die Eheleute zwei inhaltsgleiche Testamente am 02.08.1995 errichtet haben,
handelt es sich doch um ein gemeinschaftliches Ehegattentestament. Denn § 2267 BGB, der die
Errichtung durch einen Ehegatten für ausreichend erklärt, wenn der andere diese
mitunterzeichnet, soll nur eine Erleichterung der Errichtung bewirken. Zudem ist diese
Voraussetzung auch bei beiden Testamenten vom 02.08.1995 erfüllt.

Die Eheleute haben eine ausdrückliche Regelung sowohl für den Fall getroffen, dass sie zum
selben Zeitpunkt versterben, als auch für den Fall eines zeitlich versetzten Versterbens ohne die
Möglichkeit weiterer Verfügungen. Richtig hat das Nachlassgericht erkannt, dass eine alleinige
Regelung für den Fall des gleichzeitigen Todes beider auslegungsbedürftig und häufig so zu
verstehen ist, dass damit auch der hier gerade ausdrücklich geregelte Fall erfasst sein soll.
Insofern sind allerdings die Überlegungen zu einer den über den reinen Wortlaut
hinausgehenden Auslegung einer Anordnung für den Fall gleichzeitigen Versterbens hier
überflüssig gewesen. Denn genau das, was die Rechtsprechung vielfach im Wege der Auslegung
herleitet, haben die Eheleute hier ausdrücklich geregelt.

Die Beschwerdeführerin will nun daraus herleiten, dass die ausdrückliche Regelung des Falls
eines Versterbens in zeitlichem Abstand ohne Möglichkeit eines erneuten Testierens gerade
dafür sprechen soll, dass die Schlusserbeneinsetzung für jeden Fall gelten soll, selbst dann, wenn
ein Neutestieren des Überlebenden möglich gewesen wäre. Das ergibt der Text des
gemeinschaftlichen Testaments weder ansatz- noch andeutungsweise.

Für die Auslegung eines Testaments ist der wirkliche Wille der Testierenden zu erforschen, nicht
am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern der Wortsinn gewissermaßen zu
hinterfragen. Es kommt danach darauf an, was die Testierenden mit ihren Worten zum
Ausdruck bringen wollten. Bei einer Abweichung vom Wortsinn müssen Umstände vorliegen,
die den Schluss erlauben, dass ein anderer als der übliche Sinn vom Testierenden gemeint war.
Insoweit setzt der Wortlaut der Auslegung auch keine Grenze. Zusätzlich muss bei einem
gemeinschaftlichen Testament festgestellt werden, dass ein gefundenes Auslegungsergebnis auch
dem Willen des jeweils anderen entsprochen hat. Maßgeblich für die Auslegung ist der
Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Zutreffend hat das Nachlassgericht auch erkannt, dass ein
so ermittelter gemeinsamer Wille beider Testierender sich zumindest in einer Andeutung im
Testament niedergeschlagen haben muss. Denn sonst wäre dem notwendigen Formerfordernis
nicht genügt. Gemessen daran ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden.
Wortlaut und Systematik des Testaments sprechen hier nicht für eine für alle Fälle geltende
Schlusserbenbestimmung. Bei dem Verständnis von Gleichzeitigkeitsklauseln besteht im
Ausgangspunkt Übereinstimmung, dass der sekundengenau gleichzeitige Todeseintritt praktisch
nicht oder nur extrem selten vorkommt, die Regelung im Testament also meist nur dann einen
Sinn ergibt, wenn es nicht auf Gleichzeitigkeit im strengen Sinn ankommt. Problematisch ist
allerdings, wann und mit welchen Maßgaben dies im Einzelfall noch anzunehmen ist. Rein
sprachlich kann es zunächst einen Unterschied machen, ob auf beiderseitigen, gemeinsamen
oder gleichzeitigen Tod abgestellt wird. Gleichzeitig erscheint als die engere Formulierung,
während die beiden anderen eher auch Situationen erfassen, die nur darauf abstellen, dass beide
Ehegatten gestorben und damit der Schlusserbfall eingetreten ist. Auch diese schließen aber
nicht aus, dass letztlich Gleichzeitigkeit gemeint ist (vgl. Senat v. 02.11.2003 - 3 Wx 47/02,
SHAnz 2004, 125, bei juris Tz. 28f). Weitgehende Einigkeit in der obergerichtlichen
Rechtsprechung dürfte bestehen, dass ein zeitlich nicht allzu weit auseinanderliegender Tod, der
auf einer gemeinsamen Ursache beruht, als gleichzeitig gewertet wird, insbesondere wenn eine
Situation wie "Unfall" ausdrücklich angesprochen wird. Die Rechtsprechung hat das in den
Obersatz gekleidet, dass Gleichzeitigkeit auch dann noch vorliegt, wenn der überlebende
Ehegatte keine Möglichkeit mehr hat, eine neue Verfügung von Todes wegen zu errichten
(Senat v. 16.12.2020 - 3 Wx 43/20 - n.v.; OLG Frankfurt v. 23.10.2018 - 21 W 38/18, DNotZ
2019, 368ff, bei juris Tz. 15f m.w.N.; OLG München v. 24.10.2013 - 31 WX 139/13, FamRZ
2014, 1064ff, bei juris Tz. 12; OLG Jena vom 23.02.2015 - 6 W 516/14, FamRZ 2016, 412 =
BeckRS 2015, 09957; BayObLG v. 13.04.1995 - 1Z BR 32/95, FamRZ 2995, 1446; OLG
Stuttgart v. 29.12.1993 - 8 W 583/92, NJW-RR 1994, 592f; OLG Stuttgart v. 10.03.1982 - 8 W
224/81, FamRZ 1982, 1136f; OLG Düsseldorf v. 01.07.2015 - 3 Wx 193/14, FamZR 2016, 408
= BeckRS 2015, 14452, bei juris Tz. 38; KG v. 29.11.2005 - 1 W 17/05, FamRZ 2006, 511).
Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht darin, dass die Eheleute die sich aus der
Verwendung des Begriffs "gleichzeitig" ergebenden Auslegungsprobleme offenbar bereits
bedacht und ausdrücklich eine Regelung getroffen haben, die der oben genannten
Rechtsprechung im Wesentlichen entspricht. Sie haben dadurch unmittelbar sprachlich deutlich
gemacht, dass sie gerade auch die Situation erfasst und geregelt sehen wollten, in der sie eben
nicht exakt zum gleichen Zeitpunkt zusammen versterben, sondern in zeitlichem Abstand
hintereinander, ohne dass es die Chance für ein Neutestieren gegeben hätte. Es kommt danach
auf die Rechtsprechung zur Auslegung eines "gleichzeitigen" Todeseintritts beider gar nicht an.
Offenbleiben kann hier die Frage, ob damit auch ein zeitlich viele Jahre auseinander liegender
Todeseintritt erfasst ist, wenn die Unmöglichkeit eines Neutestierens des Überlebenden daraus
herrührt, dass er durch - unter Umständen sogar schon vor dem Tod des Erstversterbenden -
bspw. demenzbedingt eingetretene Testierunfähigkeit nicht mehr in der Lage ist, ein neues
Testament zu errichten, wofür die von den Eheleuten gewählte Formulierung sprechen könnte.
Die Erblasserin hatte hier tatsächlich die Möglichkeit, nach dem Tod ihres Ehemanns im
Verlauf der nächsten fast zwei Jahrzehnte ein neues Testament zu errichten und hat davon auch
Gebrauch gemacht.

Keinen Erfolg hat die Beschwerde mit der Argumentation, weil die Eheleute nicht nur den
seltenen Ausnahmefall des tatsächlich gleichzeitigen Todeseintritts regeln wollten, erfasse die
Schlusserbenbestimmung alle Versterbensfälle. Das übersieht, dass es praktisch unendlich viele
denkbare dazwischenliegende Fallgestaltungen geben kann. Hätten die Eheleute tatsächlich eine
(abschließende) Schlusserbenregelung gewollt, hätte es sich angeboten, solche eine Regelung
auch schlicht zu treffen. Es ist nicht zu erkennen, warum das den Eheleuten entgangen sein
sollte. Vielmehr ist der Verzicht im Testament auf die sonst naheliegende und wesentlich
einfachere schlichte Bestimmung der Beschwerdeführerin und ihres Ehemanns als Schlusserben
ein deutliches Zeichen dafür, dass die Eheleute gerade noch keine für alle Fälle geltende
Schlusserbenregelung treffen wollten. Vielmehr spricht alles für die Überlegung der Eheleute,
dass das weitere Leben des Längstlebenden nach dem Tod des Erstversterbenden noch
Wendungen nehmen könnte, die es sinnvoll und notwendig erscheinen lassen würden, ihm im
Hinblick auf den Nachlass Verfügungsfreiheit zu geben (vgl. Senat v. 02.11.2003 - 3 Wx 47/02,
NJW-RR 2004, 368, 370, bei juris Tz. 32) und gerade noch keine Regelung für den zweiten
Todesfall zu treffen. Zu bedenkende Kinder gab es nicht. Verwandte als mögliche gesetzliche
Erben spielten jedenfalls 1995 keine maßgebliche Rolle. Bedacht wurde das seinerzeit als
befreundet angesehene Ehepaar. Es liegt aber auf der Hand, dass sich gerade nach Tod eines
Partners solche Freundschaften auseinander entwickeln können und die ursprünglich für richtig
gehaltene Entscheidung später vom Überlebenden als falsch erkannt oder zumindest dafür
gehalten wird. Dass sich Ehegatten in solchen Situationen schon endgültig festlegen und zudem
wechselseitig binden wollen, liegt nicht nahe. Vielmehr zeigt das Testament ja gerade, dass die
Möglichkeit zu weiteren Verfügungen des Längstlebenden gegeben sein sollte.

Nicht nachvollziehbar ist die Argumentation, die Eheleute hätten sich mit der Regelung für den
Fall eines zeitlich versetzten Todeseintritts nur die Möglichkeit eines gemeinsamen neuen
Testierens vorbehalten wollen, wofür die doppelte Verwendung des Wortes "wir" im Testament
spreche. Denn gemeinschaftliche Testamente können gemeinschaftlich auch jederzeit geändert
werden. Dafür bedarf es keines Vorbehalts. Die Formulierung, mit der beide Schlusserben für
den Fall des gleichzeitigen Todes oder des zeitlich nacheinander eintretenden Todes so, dass
weitere Verfügungen nicht möglich sind, werden sollten, zeigt vielmehr, dass die Eheleute davon
ausgingen, dass der überlebende Ehegatte, eine Bestimmung für seinen Tod selbst treffen
würde. Sie wollten erkennbar nur den Fall regeln, dass ihm das nicht mehr gelingen würde. Es
ging nach der gewählten Formulierung ferner nicht darum, eine Schlusserbfolge für alle Fälle mit
einer Befreiung für den Überlebenden zu treffen. Die von der Beschwerdeführerin
aufgeworfene Frage, warum die Eheleute dem Überlebenden nicht ausdrücklich eine
unbeschränkte Testierfreiheit eingeräumt hätten, wenn sie das gewollt hätten, stellt sich nicht.
Sie beruht anscheinend auf dem Fehlverständnis, dass ein länger lebender Ehegatte an ein
früheres gemeinschaftliches Testament gebunden sei, wenn keine Befreiung erfolgt, und
übersieht, dass eine Bindung überhaupt nur bei Erfüllung des Tatbestands des § 2270 BGB
eintreten kann. Eine Befreiung kommt erst in Betracht, wenn eine wechselbezügliche Verfügung
vorliegt, die Wechselbezüglichkeit ist für jede in einem Testament enthaltene Verfügung
gesondert zu bestimmen.

Eine Testamentsvollstreckereinsetzung ohne Bedenken des eingesetzten Testamentsvollstreckers
als Erben ist auch keineswegs ungewöhnlich oder gar "absurd", wie die
Beschwerdeführerin meint. Gerade ein nicht selbst am Nachlass beteiligter
Testamentsvollstrecker ohne eigene Interessen hat am ehesten Chancen, von den Erben
akzeptiert zu werden und eine Erbauseinandersetzung einigermaßen einvernehmlich
herbeizuführen. Insbesondere verantwortungsvolle Erblasser werden bei einer Vielzahl in
Betracht kommender gesetzlicher Erben davon Gebrauch machen. Gerade bei engen Freunden
kann es ein "letzter Freundschaftsdienst" sein, eine Testamentsvollstreckung rein altruistisch zu
übernehmen. Die dies ausblendende Argumentationsweise der Beschwerdeführerin bestätigt
eher die Sicht des Beteiligten zu 2., dass die Bindung und enge Beziehung der beiden Ehepaare
zueinander vor allem auf Freundschaft und Vertrauen der Ehemänner zueinander beruhte und
nach dem Tod des Ehemanns der Erblasserin die Intensität der Beziehung deutlich abnahm.
Sollte die Erblasserin angenommen haben, die Eheleute hätten eine alle Fälle umfassende
Schlusserbenregelung getroffen, wofür die Passage zur aufgehobenen Geltung des früheren
Testaments im notariell beurkundeten von Ende 2020 sprechen könnte, würde sich daraus noch
längst nicht entnehmen lassen, dass ihr vorverstorbener Ehemann das auch so verstanden hätte.
Das aber wäre notwendig, um einen entsprechenden gemeinsamen Willen der Eheleute
festzustellen. Insoweit muss die Auslegung gemeinschaftlicher Testamente von Eheleuten
ebenso wie die von Erbverträgen nicht nur den tatsächlichen Willen des einen Testierenden
ermitteln, sondern auch berücksichtigen, wie dieser vom anderen Testierenden als
Erklärungsempfänger aus seiner Sicht heraus zu verstehen ist. Es kommt auf das Verständnis
beider Seiten an. Vor allem aber erlaubt die Angabe der Erblasserin im notariellen Testament
von Ende 2020 nicht sicher den Schluss darauf, dass sie tatsächlich eine
Schlusserbenbestimmung für alle Fälle im Testament von 1995 vornehmen wollte. So kann es
durchaus sein, dass es sich um eine auf Veranlassung des Notars zur Absicherung
aufgenommene, vorsorgliche Bestimmung handelte. Dass die Erklärung im notariellen
Testament dabei nicht so richtig vom Notar bedacht worden ist, so dass ihr auch keine
besondere Bedeutung beigemessen werden kann, liegt dann nahe. Denn dem Notar hätte sich
bei einer Schlusserbenbestimmung für alle Fälle in den Testamenten von 1995 die Frage der
Bindung und Wechselbezüglichkeit aufdrängen müssen. Insoweit wäre dann auch eine
erklärende Passage im notariellen Testament zu erwarten gewesen. Es kann aber auch sein, dass
sich das Verständnis der Erblasserin über das, was sie seinerzeit verfügt hatte, im Laufe der
Jahre verändert hat. Insoweit lässt die Erklärung 25 Jahre später nicht sicher auf den früheren
Willen schließen.

Es gibt auch sonst keine belegten Anhaltspunkte dafür, dass für jeden Fall eine
Schlusserbenbestimmung getroffen werden sollte. Allenfalls aus der vom Nachlassgericht sogar
als wahr unterstellten Behauptung der Beschwerdeführerin, dass die Eheleute seinerzeit erklärt
haben sollen, die Beschwerdeführerin und ihren Ehemann in jedem Fall als Schlusserben
eingesetzt zu haben, könnte sich etwas anderes ergeben. Tatsächlich könnte dies, wenn es
zuträfe, möglicherweise auf einen entsprechenden Willen schließen lassen. Allerdings spricht
hier - ohne dass es darauf ankäme - wenig dafür, dass es solche Erklärungen der Eheleute
gegeben hat und die benannte Zeugin dies zur Überzeugung des Senats bestätigen könnte.
Schon ihre schriftlich vorgelegte Erklärung enthält insoweit nur pauschale Angaben und
Wertungen, jedoch keine Realitätskennzeichen. Maßgeblich ist - und das hat das Nachlassgericht
zutreffend erkannt - dass ein solcher Wille im gemeinschaftlichen Testament nicht angedeutet
ist.

Aus Andeutungen in späteren Testamenten lässt sich entgegen der Ansicht der
Beschwerdeführerin nichts für die Formwirksamkeit des früheren Testaments herleiten.
Allenfalls können sich unter Umständen - meist sehr schwache - Indizien für die Auslegung
eines früheren Testaments ergeben. Davon ist aber die Frage der Formwirksamkeit zu
unterscheiden.

Zu Recht hat das Nachlassgericht vorrangig geprüft, ob ein eventueller Wille einer
Schlusserbeneinsetzung für alle Fälle im Testament von 1995 angedeutet worden ist. Es hat auch
die Voraussetzungen einer Andeutung zutreffend dargelegt und deren Erfüllung hier verneint.
Die Beschwerdeführerin verkennt die Argumentationslast, wenn sie meint, das Nachlassgericht
hätte begründen müssen, weshalb eine Andeutung nicht vorliege. Das Gegenteil ist der Fall. Wer
sich auf eine für ihn günstige Auslegung eines Testaments beruft, trägt auch die
Argumentationslast zur Frage, ob das gewünschte Ergebnis im Testament zumindest angedeutet
ist. Dem wird die Beschwerde nicht gerecht. Zutreffend stellt sie fest, dass die Erblasser
offensichtlich nicht nur den Fall gleichzeitigen Versterbens regeln wollten. Sie haben eben auch
eine Regelung für einen Fall zeitlich versetzten Sterbens getroffen. Das deutet aber gerade nicht
an, dass damit die Regelung für alle Fälle zeitlich versetzten Sterbens geltend soll. Dass sich die
Erblasser 1995 nicht auf eine sich erst viele Jahre später durchsetzende Rechtsprechung zum
Verständnis von Formulierungen zu gleichzeitigem oder gemeinsamen Versterben verlassen
haben, sondern eine eigene vollständige Regelung getroffen haben, spricht gerade gegen die
Andeutung eines weiteren Verständnisses. Gleichermaßen dagegen spricht der Text des
Testaments selbst, der ausdrücklich nur auf die Unmöglichkeit späteren Testierens durch den
Überlebenden abstellt. Es ist im Testament auch nicht davon die Rede, dass der Überlebende
eine getroffene Regelung nicht mehr ändern könne, was dafür sprechen könnte, dass eine
weitergehende Schlusserbenbestimmung gewollt gewesen sein könnte. Vielmehr spricht das
Testament neutral von "weiteren Verfügungen", lässt völlig offen, worin diese liegen könnten.
Damit ist gar kein weitergehender Inhalt angedeutet. Auf die Frage eintretender
Bindungswirkung kommt es nicht an. Angaben der benannten Zeugen können allenfalls für die
Auslegung der im Testament enthaltenen Verfügungen herangezogen werden, besagen aber
nichts zu der Frage, was im Testament angedeutet ist. Offenbar verwechselt die
Beschwerdeführerin die Fragen der (ergänzenden) Auslegung und der Anhaltspunkte für diese
bzw. deren Andeutung im Testament zur Gewährleistung der notwendigen Formerfordernisse.
Das gilt auch für die Heranziehung der Testamentsvollstreckerbestimmung. Die Bestimmung
eines Testamentsvollstreckers ist gerade keine Erbeinsetzung und deutet eine solche auch nicht
an. Wie schon oben im Zusammenhang mit der Auslegung des Testaments ausgeführt, spricht
sie hier im übrigen gerade gegen eine generelle Schlusserbenbestimmung, sondern eher dafür,
dass die Eheleute außerhalb der ausdrücklich geregelten Fälle und vorbehaltlich weiterer
Verfügungen des Längstlebenden seinerzeit von der Möglichkeit einer gesetzlichen Erbfolge
ausgingen.

Es kommt für die Entscheidung über den Erbscheinsantrag der Beschwerdeführerin weder
darauf an, ob die Erblasserin Ende 2020 testierunfähig war, noch auf die Frage, wann das auf
den 08.10.2018 datierte Testament tatsächlich errichtet worden ist. Auch die Umstände des
Auffindens des Testaments sind unerheblich. Das alles mag im Fall eines Erbscheinsantrags des
Beteiligten zu 2 eine Rolle spielen. Es ist aber nicht maßgeblich für die Frage, ob die
Beschwerdeführerin durch das Testament von 1995 Erbin geworden ist. Das war nicht der Fall.
Demzufolge hat sich das Nachlassgericht auch völlig richtig mit diesen Punkten nicht weiter
beschäftigt. Die Beanstandungen der Beschwerdeführerin gehen an der Sache vorbei, wie sie
offenbar auch selbst gesehen hat, wenn sie ausführt, dass es sich bei den von ihr so bezeichneten
"Ungereimtheiten" nicht um Umstände handele, die unmittelbar Einfluss auf die technische
Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments hätten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Danach soll das Gericht dem Beteiligten, der
ein erfolgloses Rechtsmittel eingelegt hat, die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auferlegen. Es
gibt keinen Grund, hier ausnahmsweise von dieser Regel abzuweichen.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 79, 61, 40 Abs. 1 Nr. 2 GNotKG.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Schleswig

Erscheinungsdatum:

01.02.2023

Aktenzeichen:

3 Wx 29/22

Rechtsgebiete:

Gemeinschaftliches Testament
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Testamentsform

Normen in Titel:

BGB §§ 2247, 2267, 2270