Inhalt des Europäischen Nachlasszeugnisses; Angaben zu Nachlassgrundstück; Vorlage zur Vorabentscheidung an den EuGH
letzte Aktualisierung: 19.12.2024
BGH, Beschl. v. 27.11.2024 – IV ZB 41/23
Inhalt des Europäischen Nachlasszeugnisses; Angaben zu Nachlassgrundstück; Vorlage zur Vorabentscheidung an den EuGH
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Verordnung (EU)
Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit,
das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die
Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines
Europäischen Nachlasszeugnisses (ABl. 2012, L 201, S. 107) folgende Fragen zur Vorabentscheidung
vorgelegt:
1. Ist Art. 68 Buchst. l der Verordnung Nr. 650/2012 dahin auszulegen, dass das Europäische Nachlasszeugnis
die nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts des Belegenheitsstaats für eine Eintragung
des Erben als Eigentümer in das Grundbuch erforderlichen Angaben hinsichtlich eines zum
Nachlass gehörigen, in einem anderen Mitgliedstaat als dem Staat der Ausstellungsbehörde
belegenen Grundstücks enthalten muss, wenn der Erbe die Aufnahme dieser Angaben in das
Europäische Nachlasszeugnis zum Zweck seiner Eintragung als Eigentümer in das Grundbuch des
Belegenheitsstaats beantragt hat und die Eintragung in das Grundbuch des Belegenheitsstaats nach
dem innerstaatlichen Recht des Belegenheitsstaats in dem Fall, dass das Europäische
Nachlasszeugnis als einziges Schriftstück zur Stützung des Eintragungsantrags vorgelegt wird, nur
dann erfolgen kann, wenn das Europäische Nachlasszeugnis diese Angaben enthält?
2. Ist es für die Antwort auf die Frage 1 von Bedeutung, ob sich nach dem anwendbaren Erbrecht
der Übergang der Erbschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge vollzieht?
3. Ist es für die Antwort auf die Frage 1 von Bedeutung, ob die in Frage 1 genannte Eintragung in
das Grundbuch des Belegenheitsstaats nach dem innerstaatlichen Recht des Belegenheitsstaats
anstelle der Vorlage eines die in Frage 1 genannten Angaben enthaltenden Europäischen
Nachlasszeugnisses auch dadurch erwirkt werden kann, dass der Erbe oder nach dessen Ableben der
Erbeserbe neben der Vorlage eines die in Frage 1 genannten Angaben nicht enthaltenden
Europäischen Nachlasszeugnisses gegenüber dem Grundbuchamt des Belegenheitsstaats ein
weiteres Dokument vorlegt, das eine Erklärung des Erben oder nach dessen Ableben des
Erbeserben enthält?
Gründe:
I. Das Verfahren betrifft die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses.
Der Erblasser und seine Ehefrau errichteten am 1. März 2013 ein
gemeinschaftliches Testament, in dem sich die Eheleute jeweils zum
Alleinerben des Erstversterbenden und ihre Tochter zur Alleinerbin des
Letztversterbenden einsetzten. Der Erblasser verstarb am 5. Oktober
2015 mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Die Tochter
verstarb am 5. Januar 2019, die Ehefrau am 21. Februar 2022. In den
Nachlass des Erblassers fiel unter anderem ein Grundstück in der
Tschechischen Republik.
Die Antragsteller sind die Kinder der verstorbenen Tochter. Diese
haben zur Abwicklung der Erbschaft hinsichtlich des in der Tschechischen
Republik belegenen Grundbesitzes am 27. April 2023 beim Amtsgericht
(im Folgenden: Nachlassgericht) die Ausstellung eines Europäischen
Nachlasszeugnisses beantragt, das die Ehefrau des Erblassers als
dessen Alleinerbin und die Kinder als Erbeserben der Ehefrau mit einer
Erbquote zu je 1/5 ausweist. Sie haben ferner beantragt, die Bezeichnung
des zum Nachlass gehörenden Grundstücks in der Tschechischen
Republik in das Nachlasszeugnis aufzunehmen. Zur Begründung haben
sie ausgeführt, eine Eintragung der Erbfolge in das Grundbuch allein
aufgrund des Europäischen Nachlasszeugnisses sei angesichts des
zwischenzeitlichen Ablebens der Erbin nach dem tschechischen
Katastergesetz nur möglich, wenn das Grundstück, das Gegenstand der
Eintragung sei, in dem Europäischen Nachlasszeugnis ausdrücklich
aufgeführt würde.
Das Nachlassgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 19. Juli
2023 insoweit abgelehnt, als die ausdrückliche Nennung des in der
Tschechischen Republik belegenen Grundbesitzes beantragt worden war.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht mit
Beschluss vom 11. Dezember 2023 zurückgewiesen. Zur Begründung hat
es ausgeführt, eine informatorische Aufnahme einzelner Nachlassgegenstände,
die nicht an der Vermutungswirkung und dem
Vertrauensschutz der Verordnung Nr. 650/2012 teilnähmen, liefe dem
Bestreben der Verordnung zuwider, ein Instrument mit formalisiertem
Inhalt zu schaffen, das in jedem Mitgliedstaat unproblematisch verwendet
werden könne. Eine Eintragungspflicht sei auch dem Urteil des
Gerichtshofs vom 9. März 2023 ( , C-354/21,
EU:C:2023:184 =
nach einer solchen Pflicht nicht aufgeworfen worden sei. Es sei nicht
vorgesehen, dass die Ausstellungsbehörde Nachforschungen dazu
anstelle, ob der vermeintliche Nachlassgegenstand im Zeitpunkt des
Erbfalls noch im Eigentum des Erblassers gestanden habe. Die Aufnahme
einzelner Nachlassgegenstände gefährde die Sicherheit des Rechtsverkehrs,
wenn die bloße Behauptung der Nachlasszugehörigkeit durch
einen Erben in ein förmliches Nachweisdokument aufgenommen und so
der Eindruck der Amtlichkeit erweckt würde.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsteller, mit
der sie die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses unter
Aufnahme der konkreten Bezeichnung des zum Nachlass gehörenden, in
der Tschechischen Republik belegenen Grundstücks erstreben.
II. Die auf den Fall anwendbare nationale Vorschrift des § 1922
Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat folgenden Wortlaut:
"§ 1922 Gesamtrechtsnachfolge
(1) Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen
(Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere
Personen (Erben) über."
III. Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde hängt von der
Auslegung von Art. 68 Buchst. l der Verordnung Nr. 650/2012 ab. Sie hat
Erfolg, wenn dem Antrag der Antragsteller auf Eintragung der
Bezeichnung des zum Nachlass gehörigen, in der Tschechischen Republik
belegenen Grundstücks in das Europäische Nachlasszeugnis hätte
stattgegeben werden müssen.
1. Der Erblasser wurde von seiner Ehefrau testamentarisch allein
beerbt. Die Antragsteller sind infolge des Vorversterbens von deren
gemeinsamer Tochter als Erben der Ehefrau des Erblassers gemäß Art. 65
Abs. 1 i.V.m. Art. 63 Abs. 1 der Verordnung Nr. 650/2012 berechtigt,
betreffend den Nachlass des Erblassers einen Antrag auf Ausstellung
eines Europäischen Nachlasszeugnisses zu stellen.
2. Art. 68 der Verordnung Nr. 650/2012 regelt die inhaltlichen
Anforderungen an das Europäische Nachlasszeugnis. Gemäß Art. 68
Buchst. l der Verordnung Nr. 650/2012 enthält das Zeugnis den Erbteil
jedes Erben und gegebenenfalls das Verzeichnis der Rechte und/oder
Vermögenswerte, die einem bestimmten Erben zustehen, soweit dies für
die Zwecke, zu denen es ausgestellt wird, erforderlich ist. Ob diese
Vorschrift die Ausstellungsbehörde verpflichtet, ein in einem anderen
Mitgliedstaat belegenes Grundstück mit den nach dem innerstaatlichen
Recht des Belegenheitsstaats für die Eintragung des Eigentumsrechts des
Erben in das Grundbuch erforderlichen Angaben in das Europäische
Nachlasszeugnis einzutragen, wenn das Zeugnis jedenfalls auch zu
diesem Zweck benötigt wird und die Behörde des Belegenheitsstaats eine
Eintragung allein auf der Grundlage des Europäischen Nachlasszeugnisses
andernfalls in Anwendung seines nationalen Rechts ablehnen
würde, ist zweifelhaft und klärungsbedürftig.
a) Eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs hierzu liegt
nicht vor. Insbesondere dürften die aufgeworfenen Auslegungsfragen
nicht durch die Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache
centras (Urteil vom 9. März 2023, C-354/21, EU:C:2023:184
=
diesem Vorabentscheidungsverfahren lediglich entschieden, dass Art. 1
Abs. 2 Buchst. l, Art. 68 Buchst. l und Art. 69 Abs. 5 der Verordnung
Nr. 650/2012 dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats
nicht entgegenstehen, die vorsieht, dass der Antrag auf Eintragung
eines unbeweglichen Vermögensgegenstands in das Grundbuch
dieses Mitgliedstaats abgelehnt werden kann, wenn es sich bei dem einzigen
zur Stützung des Antrags vorgelegten Schriftstück um ein Europäisches
Nachlasszeugnis handelt, das diesen unbeweglichen Vermögensgegenstand
nicht identifiziert (Gerichtshof, Urteil vom 9. März 2023 aaO
Rn. 53). Die aufgeworfene Frage einer Verpflichtung der Ausstellungsbehörde,
in das Europäische Nachlasszeugnis ein Verzeichnis der dem betreffenden
Erben zustehenden Vermögenswerte nicht nur bei Erbfällen mit
zahlreichen Erben aufzunehmen, sondern auch bei einem Erbfall, der
einen Alleinerben betrifft (Gerichtshof, Urteil vom 9. März 2023 aaO
Rn. 39), hat der Gerichtshof hingegen nicht beantwortet. Er hat lediglich
darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Europäischen Nachlasszeugnis
um ein autonomes Rechtsinstitut der Union handelt (Gerichtshof, Urteil
vom 9. März 2023 aaO Rn. 40) und der Inhalt des Zeugnisses, je nachdem,
zu welchem Zweck es ausgestellt wird, von Fall zu Fall unterschiedlich
sein kann (Gerichtshof, Urteil vom 9. März 2023 aaO Rn. 45). Er hat
überdies festgestellt, dass Art. 69 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2
Buchst. l der Verordnung einen Mitgliedstaat nicht daran hindern, die
Voraussetzungen festzulegen oder anzuwenden, die für die Eintragung
dinglicher Rechte an unbeweglichen Vermögensgegenständen einzuhalten
sind (Gerichtshof, Urteil vom 9. März 2023 aaO Rn. 49).
Aus alledem ergibt sich jedenfalls nicht zweifelsfrei, dass der
Gerichtshof bei jenem dem Vorabentscheidungsersuchen zugrunde
liegenden Sachverhalt von einer Eintragungspflicht der Ausstellungsbehörde
ausgegangen ist, zumal der Gerichtshof in der Entscheidung ausdrücklich
betont hat, dass die Ablehnung eines auf ein Europäisches
Nachlasszeugnis gestützten Antrags auf Eintragung eines unbeweglichen
Vermögensgegenstands in ein Grundbuch eines Mitgliedstaats mit der Begründung,
dass dieses Zeugnis keine Angaben zur Identifizierung dieses
Vermögensgegenstands enthalte, die Gültigkeit dieses Zeugnisses als
solches nicht in Frage stellt (Urteil vom 9. März 2023, ,
C-354/21, EU:C:2023:184 Rn. 52 =
b) Die richtige Auslegung von Art. 68 Buchst. l der Verordnung
Nr. 650/2012 ist auch nach Erlass der Entscheidung des Gerichtshofs in
der Rechtssache (Urteil vom 9. März 2023, C-354/21,
EU:C:2023:184 =
Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten
Fragen bleibt und für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den
Gerichtshof die gleiche Gewissheit besteht ("acte clair"; vgl. Urteile des
Gerichtshofs vom 15. Oktober 2024, Kubera, C-144/23, EU:C:2024:881,
juris Rn. 36 m.w.N.; vom 6. Oktober 1982, Cilfit u. a., C-283/81,
EU:C:1982:335 Rn. 16 =
unterschiedlichen Rechtsauffassungen, die hierzu in Judikatur und
Schrifttum vertreten werden.
aa) Teile der nationalen Rechtsprechung sowie der Literatur
vertraten - jedenfalls bis zum Erlass der Entscheidung des Gerichtshofs in
der Rechtssache (Urteil vom 9. März 2023, C-354/21,
EU:C:2023:184 =
Auffassung, eine Auflistung konkreter Nachlassgegenstände komme bei
Anwendung deutschen materiellen Erbrechts aufgrund des Grundsatzes
der Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) - mit Ausnahme der
Sondererbfolge im Höferecht - nicht in Betracht. Das in Art. 68 Buchst. l
der Verordnung Nr. 650/2012 genannte Verzeichnis der Rechte diene
allein dem durch eine dinglich wirkende Teilungsanordnung nach einem
anwendbaren ausländischen Erbrecht begünstigten Miterben, indem es
diesem ermögliche, seine Berechtigung an den ihm zugewiesenen
Einzelgegenständen nachzuweisen (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2021,
263 Rn. 10; OLG München
Burandt/Rojahn, Erbrecht 4. Aufl.
Dutta/Weber, Internationales Erbrecht 2. Aufl.
EuErbVO Rn. 15; Kleinschmidt in jurisPK-BGB, 10. Aufl.
Rn. 25; Köhler in Kroiß/Horn/Solomon, Nachfolgerecht 3. Aufl. Art. 68
EuErbVO Rn. 3; Limbach in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht
3. Aufl.
2020, S. 121; Raff,
wird teilweise auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des
Gerichtshofs vom 9. März 2023 (aaO) unter Verweis auf den Wortlaut des
Art. 68 der Verordnung und die vom Gerichtshof festgestellte Wirksamkeit
eines Europäischen Nachlasszeugnisses, das die nach dem ausländischen
Registerrecht erforderlichen Angaben nicht enthält,
festgehalten (Lamberz, RPfleger 2023, 287, 288).
Auch der Oberste Gerichtshof der Republik Österreich sah in
seinem Beschluss vom 15. Mai 2018 (5 Ob 35/18k,
die Eintragung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks als nicht
erforderlich an, da Art. 68 der Verordnung Nr. 650/2012 die im
Europäischen Nachlasszeugnis aufzunehmenden Angaben abschließend
regle und die Bezeichnung der Liegenschaft nicht fordere.
bb) Die Gegenmeinung stellt auf den Verwendungszweck des
Europäischen Nachlasszeugnisses ab, der darin bestehe, die
Nachlassabwicklung in den Mitgliedstaaten zu vereinfachen, und spricht
sich angesichts dessen für eine Aufnahme einzelner Nachlassgegenstände
in das Europäische Nachlasszeugnis aus (Perscha in
Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO 2. Aufl. Art. 68 Rn. 22; Nordmeier,
J. P. Schmidt,
Gerichtshofs in der Rechtssache (Urteil vom 9. März
2023, C-354/21, EU:C:2023:184 =
Auffassung zahlreiche Stimmen aus dem Schrifttum angeschlossen
(Dutta in MünchKomm-BGB, 9. Aufl.
BeckOGK,
Heidenhain/Lauschke,
2024, 800843; Rademacher,
c) Auch der Senat hat Zweifel hinsichtlich der richtigen Auslegung
von Art. 68 Buchst. l der Verordnung Nr. 650/2012.
aa) Um eine einheitliche Anwendung des Unionsrechts zu erreichen,
ist es - wie der Gerichtshof auch im Zusammenhang mit der Verordnung
Nr. 650/2012 bereits mehrfach festgestellt hat (Urteile vom 23. Mai 2019,
WB, C-658/17, EU:C:2019:444 Rn. 50 =
2018, Oberle, C-20/17, EU:C:2018:485 Rn. 33 m.w.N. =
erforderlich, dass die Begriffe einer unionsrechtlichen Vorschrift, die für
die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das
Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union
autonom und einheitlich auszulegen sind, wobei diese Auslegung unter
Berücksichtigung nicht nur des Wortlauts der Bestimmung, sondern auch
ihres Regelungszusammenhangs und des mit der fraglichen Regelung verfolgten
Zwecks zu erfolgen hat.
bb) Nach dieser Maßgabe dürfte der Wortlaut von Art. 68 Buchst. l
der Verordnung Nr. 650/2012 eine Auslegung dahin, dass auf Antrag auch
einzelne Nachlassgegenstände in das Zeugnis aufgenommen werden
müssen, wenn - wie hier - ein Alleinerbe den Nachlass im Wege der
Gesamtrechtsnachfolge erwirbt, nicht ohne weiteres nahelegen. Die Vergegebenenfalls
, sprechen
vielmehr dafür, dass nur für den Fall einer Übertragung eines Nachlassgegenstandes
an einen von mehreren Miterben mit unmittelbarer dinglicher
Wirkung - wie hier nicht - eine Eintragung zu erfolgen hat. Gestützt
wird diese Annahme durch Art. 63 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung, wonach
das Zeugnis insbesondere als Nachweis für die Zuweisung eines bestimmten
Vermögenswertes oder bestimmter Vermögenswerte des Nachlasses
an die in dem Zeugnis als Erben genannten Personen dienen kann.
in Art. 68 Buchst. l der
Verordnung in dem Sinne, dass es allein auf den Wunsch des Antragstellers
nach Eintragung eines Vermögenswerts ankommt, ist nach dem
Wortlaut zwar möglich, aber nicht zwingend.
cc) Allerdings ist nach Erwägungsgrund 7 Satz 1 und 3 der Verordnung
Nr. 650/2012 Ziel der Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses
unter anderem, Hindernisse für den freien Verkehr von Personen
auszuräumen und die Rechte der Erben effektiv zu wahren. Auch Erwä-
gungsgrund 67 Satz 1 und 2 der Verordnung erwähnt die zügige, unkomplizierte
und effiziente Abwicklung einer Erbsache mit grenzüberschreitendem
Bezug innerhalb der Union im Zusammenhang mit der Einführung
eines Europäischen Nachlasszeugnisses. Dass Erben in der Lage sein
sollten, ihre Rechte in einem anderen Mitgliedstaat, in dem Nachlassvermögen
belegen ist, einfach nachzuweisen, wird in Erwägungsgrund 67
Satz 1 der Verordnung ausdrücklich gefordert. Nach Erwägungsgrund 18
Satz 5 der Verordnung sollte das Europäische Nachlasszeugnis im Hinblick
auf die Eintragung des Nachlassvermögens in ein Register eines Mitgliedstaats
ein gültiges Schriftstück darstellen. Die das Zeugnis ausstellende
Behörde sollte gemäß Erwägungsgrund 68 Satz 1 der Verordnung
die Formalitäten beachten, die für die Eintragung von unbeweglichen
Sachen in dem Mitgliedstaat, in dem das Register geführt wird, vorgeschrieben
sind. Art. 69 Abs. 5 der Verordnung stellt fest, dass das Zeugnis
ein wirksames Schriftstück für die Eintragung von Nachlassvermögen in
das einschlägige Register eines Mitgliedstaats darstellt.
(1) Verlangt das Registerrecht des Belegenheitsstaats für eine Eintragung
des Erben in das Grundbuch allein auf der Grundlage des Europäischen
Nachlasszeugnisses eine Aufnahme des Nachlassgegenstandes
in selbiges, könnte das Europäische Nachlasszeugnis seine praktische
Wirksamkeit nicht entfalten, wenn die zuständige innerstaatliche Behörde
eine Eintragung - nach dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache
März 2023, C-354/21, EU:C:2023:184
=
weil eine solche fehlt. Das Europäische Nachlasszeugnis wäre - entgegen
seiner Zielsetzung - in einem solchen Fall nicht zur effektiven Durchsetzung
der Rechte des Erben geeignet. Dies könnte in derartigen Fallgestaltungen
für eine Pflicht zur Eintragung des betreffenden Vermögenswerts
in das Europäische Nachlasszeugnis sprechen, um zu gewährleisten, dass
dieses seine Wirkungen voll entfalten kann. Insbesondere Erwägungsgrund
68 Satz 1 der Verordnung dürfte dies nahelegen.
(2) Die in Erwägungsgrund 7 Satz 1 und 3, Erwägungsgrund 8 und
Erwägungsgrund 67 Satz 1 der Verordnung Nr. 650/2012 geforderte effektive
Wahrung der Rechte des Erben könnte allerdings auch durch eine
Verpflichtung der Ausstellungsbehörde, den betreffenden Vermögenswert
in das Europäische Nachlasszeugnis aufzunehmen, beeinträchtigt werden.
(a) Dies dürfte sich schon aus dem Umstand ergeben, dass - jedenfalls
in Mitgliedstaaten, in denen der Amtsermittlungsgrundsatz gilt - der
erforderliche Ermittlungsaufwand der Ausstellungsbehörde ansteigt , wenn
seitens der Ausstellungsbehörde Nachforschungen dazu angestellt werden
müssten, ob ein Vermögensgegenstand Teil der Erbschaft ist. Hinzukommt,
dass sich die Nachlasszugehörigkeit eines Grundstücks nicht nach
dem Erbstatut beurteilt, sondern dem im jeweiligen Einzelfall anwendbaren
Sachenrecht unterliegt. Kommt - wie hier - in Anwendung des Kollisionsrechts
des für die Ausstellung zuständigen Mitgliedstaats ausländisches
Sachenrecht zur Anwendung, besteht die Gefahr einer nicht unerheblichen
Verzögerung der Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses,
wenn die Ausstellungsbehörde Bedenken hinsichtlich der Nachlasszugehörigkeit
des Vermögensgegenstands hat und das ausländische
Recht erst ermitteln muss. Unter Umständen fallen überdies Kosten für die
Einholung von Rechtsgutachten und die Durchführung einer Beweisaufnahme
an, die mit einer effektiven Rechtsdurchsetzung ebenfalls schwer
in Einklang zu bringen wären.
Dass sich nach Erwägungsgrund 71 Satz 3 der Verordnung
Nr. 650/2012 die Beweiskraft des Zeugnisses nicht auf die Frage, ob ein
bestimmter Vermögenswert dem Erblasser gehörte oder nicht, beziehen
soll, vermag hieran nichts zu ändern, denn Art. 66 Abs. 1 der Verordnung
normiert eine Prüfungspflicht der Ausstellungsbehörde hinsichtlich sämtlicher
vom Antragsteller übermittelter Angaben, Erklärungen, Schriftstücke
und sonstiger Nachweise. Eine Beschränkung des Prüfungsumfangs für
Angaben, die von der Vermutungs- und Gutglaubenswirkung des Europäischen
Nachlasszeugnisses nach Art. 69 Abs. 2 bis 4 der Verordnung nicht
umfasst sind, sieht diese Vorschrift gerade nicht vor. Nach Art. 67 Abs. 1
UAbs. 1 Satz 1 der Verordnung darf das Nachlasszeugnis vielmehr nur
ausgestellt werden, wenn der zu bescheinigende Sachverhalt feststeht.
Dabei erwähnt die Vorschrift als Prüfungsmaßstab ausdrücklich auch
"jede[s] andere auf einen spezifischen Sachverhalt anzuwendende
Recht". Geht man von einer Aufnahmepflicht einzelner Grundstücke aus,
dürfte unter den Begriff des "zu bescheinigenden Sachverhalts" auch die
Nachlasszugehörigkeit des aufzunehmenden Grundstücks fallen.
Zwar normiert Art. 66 Abs. 5 der Verordnung Nr. 650/2012 eine
Kooperationspflicht registerführender Behörden, sodass die Ausstellungsbehörde
gegebenenfalls von der das Grundbuch führenden Behörde des
Belegenheitsstaats eine Auskunft dazu einholen kann, ob der Erblasser
als Eigentümer des betreffenden Grundstücks in das Grundbuch eingetragen
ist. Ob die Eintragung der materiellen Rechtslage entspricht, steht
damit aber nicht fest. Überdies geht die Einholung entsprechender Auskünfte
ebenfalls mit einem zusätzlichen Zeit- und - im Falle notwendiger
Übersetzungen - auch Kostenaufwand einher, der einer zügigen, unkomplizierten
und effizienten Nachlassabwicklung, wie Erwägungsgrund 67
Satz 1 der Verordnung sie zum Vorbild hat, widerspricht, da nicht nur die
Wahrnehmung der Rechte des Erben in Bezug auf die zum Nachlass gehörige
Immobilie, sondern auch in Bezug auf sämtliches weiteres Nachlassvermögen
- jedenfalls soweit der Erbe zur Durchsetzung seiner
Rechte eines Europäischen Nachlasszeugnisses bedarf - verzögert
werden könnte.
(b) Dieser zusätzliche Aufwand erschiene insbesondere in Fällen, in
denen sich der Erbschaftserwerb - wie hier gemäß
nach dem anwendbaren Erbrecht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge
vollzieht, bei der das Vermögen des Erblassers mit dessen Tod als Ganzes
auf den Erben übergeht, als unnötiger Formalismus. Denn der Umfang der
Erbschaft und damit die unmittelbare Berechtigung des Erben auch hinsichtlich
der Erbschaft zugehöriger Immobilien ergibt sich in diesen Fällen
bereits aus der Eintragung der Erbquote in Ziff. 8 der Anlage IV und der
fehlenden Eintragung einer Beschränkung in Ziff. 10 der Anlage IV sowie
der fehlenden Eintragung eines Nachlassgegenstandes in Ziff. 8.4 des für
das Europäische Nachlasszeugnis gemäß Art. 67 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2
der Verordnung Nr. 650/2012 zwingend (vgl. Urteile vom 9. März 2023,
-354/21, EU:C:2023:184 Rn. 46 =
17. Januar 2019, Brisch, C-102/18, EU:C:2019:34 Rn. 30 =
verwendenden Formblatts V in Anhang 5 der Durchführungsverordnung
(EU) Nr. 1329/2014 der Kommission vom 9. Dezember 2014 zur Festlegung
der Formblätter nach Maßgabe der Verordnung Nr. 650/2012 (ABl.
2014, L 359, S. 30). Hieraus folgten für die Behörden und Gerichte des
Mitgliedstaats, in dem das Europäische Nachlasszeugnis verwendet werden
soll, die unmittelbare Berechtigung des Erben an den Nachlassgegenständen
im Umfang seiner Erbquote, das Nichteingreifen von Sonderregelungen
des Erbstatuts in Bezug auf bestimmte Nachlassgegenstände und
das Nichteingreifen eines Sondererbrechtsregimes im Sinne des Art. 30
der Verordnung, das die Rechtsnachfolge von Todes wegen hinsichtlich
bestimmter Vermögenswerte des Erblassers abweichend vom Erbstatut
regelt.
Für eine Aufnahme des betreffenden Vermögensgegenstandes
spricht auch nicht ohne Weiteres, dass der Registerbehörde hierdurch die
Prüfung ausländischen Rechts erspart würde. Einer solchen Prüfung bedarf
es aufgrund der in Art. 69 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 650/2012
geregelten Vermutung, dass die Person, die im Zeugnis als Erbe genannt
ist, die in dem Zeugnis genannte Rechtsstellung hat, schon nicht. Selbst
wenn man dies anders sähe, könnten Behörden und Gerichte des Mitgliedstaats,
in denen das Europäische Nachlasszeugnis zum Zwecke der Eintragung
von Rechten in das Grundbuch vorgelegt wird, den nach dem anwendbaren
Erbrecht vorgesehenen Modus der erbrechtlichen Nachfolge
in das Vermögen des Erblassers mit geringem Aufwand feststellen, etwa
anhand der im Rahmen des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil - und
Handelssachen im Hinblick auf Art. 77 UAbs. 1 der Verordnung zur Verfügung
gestellten Informationen.
(c) Die Einbuße an Effektivität, die für den Erben mit den dargestellten
Nachteilen, die eine Aufnahmepflicht mit sich bringen kann, einherginge,
könnte mithin mit Blick auf den Zweck der Verordnung jedenfalls in
Fällen, in denen sich der Erbschaftserwerb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge
vollzieht, gegen eine Aufnahmepflicht sprechen. Aus diesem
Grund ist Gegenstand der Vorlagefrage 2, ob der Umstand, dass sich nach
dem anwendbaren Erbrecht der Übergang der Erbschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge
vollzieht, auf die Beantwortung der Vorlagefrage 1
Einfluss hat.
dd) Eine Auslegung der Vorschrift dahin, dass eine Pflicht der Ausstellungsbehörde,
Grundstücksangaben in das Europäische Nachlasszeugnis
aufzunehmen, nicht besteht, könnte auch daraus folgen, dass
alternativ zu einer Aufnahme des betreffenden Vermögensgegenstands
durch die Ausstellungsbehörde in das Europäische Nachlasszeugnis auch
die Vorlage weiterer Unterlagen durch den Erben bei der für die Eintragung
zuständigen Behörde des Belegenheitsstaats in Betracht kommt, die
in Zusammenwirken mit dem die Grundstücksangaben nicht enthaltenden
Europäischen Nachlasszeugnis dazu führen, dass der Erbe als Eigentümer
in das Grundbuch eingetragen werden kann. Dass sich nach dem
Registerrecht des Belegenheitsstaats notwendige Angaben auch aus dem
Europäischen Nachlasszeugnis beigefügten Schriften ergeben können,
dürfte der Gerichtshof in seiner Entscheidung in der Rechtssache
centras (Urteil vom 9. März 2023, C-354/21, EU:C:2023:184 = ZEV 2023,
532) jedenfalls nicht ausgeschlossen haben. Auch Erwägungsgrund 18
Satz 6 der Verordnung Nr. 650/2012 erwähnt, dass die an der Eintragung
beteiligten Behörden zusätzliche Schriftstücke, die nach dem Recht des
Mitgliedstaats, in dem das Register geführt wird, erforderlich sind, verlangen
können. Dies dem Antragsteller durch sein nationales Recht in effektiver
Weise zu ermöglichen, könnte Aufgabe des Belegenheitsstaats sein,
wenn dessen Registerbehörden eine Eintragung dinglicher Rechte trotz
Vorlage eines Europäischen Nachlasszeugnisses ablehnen, weil dieses
keine Angaben zu dem von der Eintragung betroffenen Nachlassgegenstand
aufweist. In diesem Sinne könnte auch Erwägungsgrund 18 Satz 7
der Verordnung zu verstehen sein, wonach die zuständige Behörde die
Person, die die Eintragung beantragt hat, darauf hinweisen kann, wie die
fehlenden Angaben oder Schriftstücke beigebracht werden können.
§ 69 Abs. 6 der tschechischen Katasterverordnung ermöglicht dem
Rechtsnachfolger des Erblassers für den Fall, dass das Europäische
Nachlasszeugnis die von der Eintragung betroffene Immobilie nicht aufführt,
eine Erklärung nach § 66 Abs. 4 Buchst. a bis d sowie f der tschechischen
Katasterverordnung abzugeben, um eine Grundbucheintragun g
zu erwirken. Da davon auszugehen sein könnte, dass auch die Antragsteller
als Erbeserben unter den Begriff der "Rechtsnachfolger" fallen, soll
mit Vorlagefrage 3 geklärt werden, ob eine Aufnahme einzelner Nachlassgegenstände
jedenfalls deswegen entfallen kann, weil es den Antragstellern
offensteht, eine solche Erklärung abzugeben.
ee) Da sich in der Konsequenz die richtige Auslegung des Art. 68
Buchst. l der Verordnung Nr. 650/2012 weder der Verordnung selbst
entnehmen noch aus der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs
eindeutig ableiten lässt, bedarf es eines Vorabentscheidungsersuchens.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:27.11.2024
Aktenzeichen:IV ZB 41/23
Rechtsgebiete:Gesetzliche Erbfolge
Normen in Titel:BGB § 1922 Abs. 1; EuErbVO Art. 68