BGH 20. Oktober 1989
V ZR 341/87
BGB § 1056 Abs. 2 S. 2, § 1059 S. 2, §§ 1061, 1922, 1967

Zum Schicksal des mit dem Nießbraucher geschlossenen Mietvertrages bei dessen Tod

der Anträge trägt im Falle des Vertragsschlusses mit einem
vollmachtlosen Vertreter allein der Kläger. Ist der Vertrag
nicht so formuliert worden, wie es der Vorvertrag verlangt,
unterliegt er mit seiner Genehmigungsklage ohne die Möglichkeit — wie bei der Klage auf Annahme eines noch abzugebenden Angebots -, dem Gericht Abänderungen anheimzugeben (vgl. dazu BGHZ a. a. 0.). Der Verpflichtete dagegen
erleidet keine Nachteile gegenüber einer Verurteilung zur
Annahme eines Angebots. Ein solcher Nachteil wäre nur
denkbar, wenn die Verurteilung zur Genehmigung auf den
Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückwirkte (vgl. § 184
Abs. 1 BGB). Eine solche Rückwirkung tritt aber nach dieser
Vorschrift nur ein, „soweit nicht ein anderes bestimmt ist"
Eine andere Bestimmung in diesem Sinne kann auch rechtsgeschäftlich getroffen werden, und zwar auch konkludent,
wenn sich dies aus der Sache ergibt (vgl. etwa Soergel/
Siebert/Leptien, BGB 12. Aufl. § 184 Rdnr. 6, 7 m. w. N.; Senatsurt. v. 13.7.1973, V ZR 16/73, WM 1973, 1171,1172 — zu der
erst nach Fristablauf für die Ausübung eines Rechtes erklärten Genehmigung). So liegt es im Fall einer Verurteilung zur
Genehmigung; denn der Verpflichtete gibt hier gerade zu erkennen, daß er den ohne seine Mitwirkung vorgenommenen
Vertragsschluß weder inhaltlich noch in seinen zeitlichen
Auswirkungen billigt. Auch von Rechts wegen besteht dann
kein Anlaß, ihn bei der Verurteilung zur Genehmigung in zeitlicher Hinsicht (Rückwirkung) schlechter als bei der Verurteilung zur Annahme eines Angebots zu stellen. Deshalb ist
regelmäßig in beiden Fällen der Eintritt der Rechtsfolgen
erst mit dem Eintritt der Rechtskraft anzusetzen.
Es bestehen danach keine Bedenken, aus einem Vorvertrag
die Pflicht abzuleiten, einen entsprechend diesem Vorvertrag mit einem vollmachtlosen Vertreter geschlossenen
Hauptvertrag zu genehmigen (anders MünchKomm/Thie/e,
2. Aufl. § 177 Rdnr. 37).
b) Einer Verurteilung zur Genehmigung steht nicht entgegen,
daß im Antrag auf Klageabweisung eine Verweigerung der
Genehmigung zu sehen ist.
Regelmäßig wird der durch einen vollmachtlosen Vertreter
geschlossene, schwebend unwirksame, Vertrag allerdings
mit der Verweigerung der Genehmigung unwirksam (BGHZ
13, 179, 184; 21, 229, 234 a.E.). Im Regelfall steht aber die
Genehmigung des von einem vollmachtlosen Vertreter
geschlossenen Vertrags im Belieben des Genehmigenden;
davon geht § 177 BGB im Rahmen der Vertragsfreiheit aus.
Diese Wertung kann jedoch auf den besonderen Fall, daß
aufgrund eines Vorvertrages eine. Verpflichtung besteht, am
Abschluß des Hauptvertrages durch Erteilung einer Genehmigung mitzuwirken, nicht uneingeschränkt übertragen werden. Die Möglichkeit solcher Differenzierungen ergibt sich
schon aus den Motiven zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs. Dort heißt es, von einer Vorschrift, daß die einmal
verweigerte Genehmigung nachträglich nicht mehr erteilt
werden könne, sei abzusehen; die Prüfung sei der Entscheidung des Einzelfalles vorzubehalten (Mot. 1 S. 247; vgl. auch
Larenz, BGB AT 7. Aufl. § 24 S. 488; Münze! NJW 1959, 601;
MünchKomm/Thiele a. a. 0. § 182 Rdnr. 19 und Fn. 19, aber
auch § 177 Rdnr. 41). Ist aber der Vertretene aufgrund Vorvertrages verpflichtet, sich in der Weise zu binden, wie es in
dem zur Genehmigung anstehenden Vertrag vorgesehen ist,
verstieße es gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wollte er
sich auf Verweigerung der Genehmigung und daraus folgende Unwirksamkeit des Vertrages berufen. Denn er bliebe
gleichwohl verpflichtet, unverzüglich auf Verlangen des
Berechtigten am Abschluß eines Vertrages gleichen Inhalts
mitzuwirken. Er würde also lediglich unter Berufung auf
eine formale Rechtsposition zum Schaden des Berechtigten,
der zumindest Notarkosten nutzlos aufgewendet hätte, eine
Leistung verweigern wollen, die er alsbald doch erbringen
müßte. Ein solches Verhalten ist rechtsmißbräuchlich.
Kann der Bekagte sich danach auf Verweigerung der Genehmigung nicht berufen, bleibt die Verpflichtung zu ihrer Ertei2. Der Beklagte muß den Vertrag jedoch nicht genehmigen,
wenn nach den vorvertraglichen Absprachen der Parteien
das Disagio nicht zusätzlich zu dem Kaufpreis von 100.000
DM dinglich abgesichert werden durfte. Die zu dieser
Behauptung des Beklagten angebotenen Beweise hat das
Berufungsgericht nicht erhoben. Dies ist nachzuholen.
4. BGB § 1056 Abs. 2 Satz 2, § 1059 Satz 2, §§ 1061, 1922, 1967
(Zum Schicksal des mit dem Nießbraucher geschlossenen
Mietvertrages bei dessen Tod)
1. Vermietet der Nießbraucher die seinem Recht unterliegende Sache, so stellt dies eine typische Selbstausübung -des Nießbrauchs dar, keine (teilweise) Überlassung zur Ausübung durch den Mieter.
2. Grundsätzlich erlischt das Mietverhältnis über ein nießbrauchbelastetes Grundstück beim Tode des Nießbrauchers nicht, vielmehr wird dessen Erbe Rechtsnachfolger im Vertrag, und zwar unabhängig davon, ob er
als Grundstückseigentümer in den Vertrag nach § 1056
Abs.1 BGB eintritt.
3. Ein vorzeitiges Kündigungsrecht des Grundstückseigentümers in etwa analoger Anwendung von § 1056 Abs. 2
Satz 2 BGB ist dann ausgeschlossen, wenn er Alleinerbe des Nießbrauchers ist.
BGH, Urteil vom 20.10.1989 — V ZR 341/87 — mitgeteilt von
D. Bundschuh, Richter am BGH
Aus dem Tatbestand:
Der Beklagte ist Eigentümer eines Anwesens in L, an dem seiner
Mutter ein Nießbrauchsrecht zustand. Der Kläger schloß mit ihr am
6.9.1985 einen Mietvertrag über die sich im Anwesen befindlichen
Geschäftsräume zu einem monatlichen Mietzins von 4.000 DM. Das
Mietverhältnis sollte mit Räumung durch die Vormieterin — sie
erfolgte unstreitig zum 1.4.1986 — beginnen und am 31.12.1990 enden,
wobei zugunsten des Klägers eine Verlängerungsmöglichkeit vorgesehen war. Ihm stand auch das Recht zur Untervermietung zu.
Der Beklagte ist Alleinerbe nach seiner am 29.3.1986 verstorbenen
Mutter. Er hat behauptet, seine Mutter sei am 6.9.1985 nicht mehr
geschäftsfähig gewesen. Er hat vorsorglich das Mietverhältnis zum
31.12.1986 gekündigt.
Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt beantragt, den Beklagten zur
Übergabe der Mieträume zu verurteilen. Das Landgericht hat die
Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger zusätzlich
beantragt, den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz für die
Zeit vom 1.4.1986 bis 31.12.1986 in Höhe von 72.000 DM zu verurteilen,
mit der Behauptung, er hätte die Mieträume für einen Mietzins von
monatlich 12.000 DM weitervermieten können. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers unter Abweisung der Klageerweiterung zurückgewiesen. Seine Revision hatte Erfolg.
Aus den Gründen:
Das Berufungsgericht hält die Klageansprüche unabhängig
von der streitigen Geschäftsfähigkeit der Vermieterin für
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unbegründet, weil sich die Rechtsbeziehungen des Mieters
zum Grundstückseigentümer nach Erlöschen des Nießbrauchs grundsätzlich gemäß § 1056 BGB beurteilten, diese
Vorschrift aber mangels Überlassung der Mieträume nicht
eingreife.
Eine eigene vertragliche Regelung über den Fortbestand des
Mietverhältnisses mit dem Beklagten habe der Kläger nicht
getroffen. Er habe gewußt, daß seine Vertragspartnerin nur
Nießbrauchsberechtigte gewesen sei und habe auch mit
berücksichtigen müssen, daß das Schicksal des Mietvertrags vom Bestand des Nießbrauchs abhänge und bei
dessen Erlöschen dem Mietverhältnis die Grundlage entzogen werden.
Auch als Alleinerbe seiner Mutter müsse der Beklagte dem
Kläger die Mieträume nicht überlassen, weil durch den Erbfall keine Pflichten aus dem Mietvertrag auf ihn übergegangen seien. Mit dem Ende des Nießbrauchs (§ 1061 Satz 1
BGB) seien auch die mietvertraglichen Pflichten erloschen.
Auch wenn der Grundstückseigentümer gleichzeitig Erbe
des Nießbrauchers sei, könne der Mieter nicht günstiger
stehen als nach § 1056 BGB.
Schadensersatz müsse der Beklagte nicht leisten, weil er
die Überlassung der Mieträume nicht schulde.
Die Revision ist begründet. Da revisionsrechtlich die Wirksamkeit des Mietvertrages unterstellt werden muß, lassen
sich die Klageansprüche nicht verneinen.
1. Zutreffend führt das Berufungsgericht aus, daß der Beklagte als Eigentümerdes Mietgrundstücks nicht in den von
seiner Mutter abgeschlossenen Vertrag eingetreten ist
(§ 1056 Abs. 1, § 571 Abs. 1 BGB), weil die Mieträume dem
Kläger bei Erlöschen des Nießbrauchs (§ 1061 Satz 1 BGB)
noch nicht überlassen waren. Dagegen erhebt auch die
Revision keine Einwendungen.
2. Mit Recht macht sie aber geltend, daß der Beklagte
als Alleinerbe nach seiner Mutter (§ 1922 Abs. 1, § 1967 BGB)
zur Erfüllung des Mietvertrages (§§ 535, 536 BGB) und grundsätzlich. auch zum Schadensersatz (§ 325 Abs. 1 BGB) verpflichtet ist.
a) Rechtsfehlerhaft meint das Berufungsgericht, mit dem
Ende des Nießbrauchs seien auch die mietvertraglichen Verpflichtungen erloschen und nicht auf den Beklagten übergegangen.
Es hebt weder auf eine vertraglich vereinbarte Bedingung
(§ 158 Abs. 2 BGB) noch auf die Grundsätze über den Wegfall
der Geschäftsgrundlage ab und trifft hierzu auch keine Feststellungen. Der Beklagte hat nach dem Urteilstatbestand
und den einschlägigen Sitzungsprotokollen (§ 561 Abs. 1
Satz 1 ZPO) auch keine entsprechenden Tatsachenbehauptungen aufgestellt.
Das Berufungsgericht will offenbar von einem allgemeinen
Rechtsgrundsatz ausgehen, daß Mietverträge des Nießbrauchers über die nießbrauchbelastete Sache mit dem
Ende des Nießbrauchs erlöschen, soweit sie nicht ausnahmsweise nach § 1056 Abs. 1 BGB_ mit dem Eigentümer
fortgesetzt würden. Einen solchen Rechtssatz gibt es nicht.
§ 1061 BGB bestimmt nicht, daß mit dem Erlöschen des
Nießbrauchs auch die vom Nießbraucher in Ausübung
seines Nutzungsrechts (§ 1030 BGB) abgeschlossenen Verträge über die belastete Sache enden. Eine solche Folge
wäre auch schwerlich mit § 1056 BGB vereinbar, weil ein Vertragseintritt einen weiterbestehenden Vertrag voraussetzt.
MittBayNot 1990 Heft 2
Kommt es mangels der entsprechenden Voraussetzungen
(hier: fehlende Überlassung der Mieträume) nicht zu einem
Vertragseintritt des Grundstückseigentümers, hat dies
grundsätzlich auf den mit dem Nießbraucher abgeschlossenen Vertrag keinen Einfluß. Insoweit besteht kein Unterschied zur Rechtslage bei unmittelbarer Anwendung von
§ 571 Abs. 1 BGB (vgl. insoweit Palandt/Putzo, BGB 48. Aufl.
§ 578 Anm. 2 b und § 571 Anm. 5 a cc ganz allgem. M.). Auch
der Nießbraucher haftet wie jedermann grundsätzlich dafür,
daß er die Mietsache für die Dauer des Mietvertrages dem
Mieter zum Gebrauch überlassen kann. Er hat es in der
Hand, die Dauer des Mietvertrages an die Dauer des Nießbrauchs zu binden.
Das Berufungsgericht hält § 1056 Abs. 1 BGB offenbar für
ein Spezialgesetz, das anderen Regelungen vorgeht. Diese
Vorschrift gilt für alle Fälle der Nießbrauchsbeendigung. Es
wäre unverständlich, wenn sich der Nießbraucher durch
einen Verzicht auf den Nießbrauch seiner Haftung für abgeschlossene Mietverträge entziehen könnte. Es gibt aber
auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber bei
Erlöschen des Nießbrauchs durch den Tod des Nießbrauchers über § 1056 Abs. 1 BGB das allgemeine Prinzip der
Universalsukzession durchbrechen und den Erben des Nießbrauchers aus der Haftung für die vom Erblasser abgeschlossenen Verträge entlassen wollte. § 1056 Abs. 1 BGB
soll als Schutzvorschrift den schon besitzenden Grundstücksmieter davor bewahren, sofort nach dem Erlöschen
des Nießbrauchs einem Herausgabeanspruch des Eigentümers ausgesetzt zu sein (vgl. § 986 Abs. 1 BGB). Der Eigentümer tritt deshalb von Gesetzes wegen in den Mietvertrag
ein, was keine Rechtsnachfolge nach dem Nießbraucher
bedeutet (BGHZ 53, 174, 179; BGH Urt. v. 30.5.1962, VIII ZR
173/61, LM BGB § 566 Nr. 7 a. E.). Unabhängig davon, ob es
hiernach zu einem Eintritt des Grundstückseigentümers
kommt, wird eine Rechtsnachfolge in den Mietvertrag kraft
Erbrechts nicht ausgeschlossen.
Von manchen Autoren wird zwar ausgeführt, das rechtliche
Schicksal des Mietvertrages hänge vom Bestand des Nießbrauchs ab; erlösche dieser vor dem Ende des Mietvertrages, so sei letzterem die Basis entzogen (vgl. z.B. BGBRGRKIRothe 12. Aufl. § 1056 Rdnr. 1; Erman/Ronke, BGB
7. Aufl. § 1056 Rdnr. 1; MünchKomm/Petzo/d 2. Aufl. § 1056
Rdnr. 1). Diese Sätze sind aber wohl nur mißverständlich; sie
stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit weiteren Ausführungen zum Schutzzweck des § 1056 BGB, nämlich zu
verhindern, daß der Mieter sein vom Nießbraucher abgeleitetes Besitzrecht (§ 986 Abs. 1 Satz 1 BGB) mit dem Ende
des Nießbrauchs verliert (zutreffend und klarer Soergel/
Bauer, BGB 11. Aufl. § 1056 Rdnr. 1; Staudinger/Promberger,
BGB 12. Aufl. § 1056 Rdnr. 1).
b) Die Auffassung des Berufungsgerichts könnte allenfalls
dann richtig sein, wenn sich der Vertrag vom 6.9.1985 als
eine Überlassung der Ausübung des Nießbrauchs (§ 1059
Satz 2 BGB) darstellte. In einem solchen Fall würde mit dem
Ende des Stammrechts auch das Recht zur Ausübung erlöschen (vgl. BGHZ 55, 111, 115 ff; BGB-RGRKIRothe a. a. O.
§ 1059 Rdnr. 5; Erman/Ronke a. a. O. § 1059 Rdnr. 5; MünchKommlPetzold a. a. O. § 1059 Rdnr. 6; Soergel/Baur a. a. O.
§ 1059 Rdnr. 5; Staudinger/Promberger a. a. O. § 1059
Rdnr. 14). Um eine Überlassung der Nießbrauchsausübung
handelt es sich hier aber nicht.
Das Berufungsgericht geht unangegriffen von einer reinen
Geschäftsraummiete aus. Das ist materiell-rechtlich nicht
nießbrauchbelasteten Sache ist begrifflich und in ihren
Folgen verschieden von einer ganzen oder teilweisen Überlassung des Nießbrauchs zur Ausübung. Der Senat folgt
insoweit der wohl überwiegenden Auffassung in der Literatur (vgl. Westermann, Sachenrecht, 5. Aufl. § 121 V, 2 S. 603;
ebenso Westermann/Pinger, Immobiliarsachenrecht, 6. Aufl.
§ 137 V, 2 S. 360; Staudinger/Spreng, BGB 11. Aufl. § 1059
Rdnr. 2; Soergel/Baur a. a. O. § 1059 Rdnr. 3; Eccius, Gruchot
50, 503, 504 ff; Kretzschmar, Gruchot 65, 432, 433; Oertmann
JherJb 66, 130, 144; unentschieden: Staudinger/Promberger
a. a. O. § 1059 Rdnr. 9; a. A. Wolff/Raiser, . Sachenrecht,
10. Aufl. § 118 S. 476 mit Fn. 6; Mendel, Die Ausübungsüberlassung bei Nießbrauch und den beschränkt persönlichen
Dienstbarkeiten Jur.Diss. Köln 1935 S.21 ff).
Gegenstand des Miet- oder Pachtvertrages ist das Grundstück als solches (oder die entsprechenden Räume vgl.
§ 580 BGB), Objekt der Ausübungsüberlassung ist dagegen
der Nießbrauch, also das Recht, die Nutzungen einer Sache
zu ziehen (§ 1030 Abs. 1 BGB). Miete und Pacht sind entgeltliche Verträge mit bestimmter Ausgestaltung, die Überlassung zur Ausübung kann ihre Grundlage in den verschiedensten Kausalgeschäften wie Kauf, Schenkung usw.
haben. Mit der Überlassung zur Ausübung verpflichtet sich
der Nießbraucher, die Geltendmachung der aus dem Nießbrauch fließenden Ansprüche durch den Ausübungsberechtigten zu dulden. Auch wenn er selbst noch Inhaber des
Stammrechts bleibt, so ist im Verhältnis zum Ausübenden
nicht mehr er, sondern dieser zur Ziehung der Nutzungen
berechtigt. Vermietung oder Verpachtung des Grundstücks
dienen dagegen gerade der Gewinnung der mittelbaren
Sachfrüchte (§ 99 Abs. 3 BGB) als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung; der Nießbraucher begibt sich in diesem Fall
nicht seines Rechts auf Nutzung der Sache, sondern macht
von diesem Recht durch Vermietung oder Verpachtung
Gebrauch. Er übt den Nießbrauch selbst aus.
Auch in den Auswirkungen unterscheidet sich die Ausübungsüberlassung nicht unerheblich von der Vermietung
oder Verpachtung. Der Nießbrauchsausübende darf ohne
besondere Gestattung des Nießbrauchers die Sache jedenfalls in dessen Namen und — wenn ihm jene Befugnis mit
übertragen ist — auch als Selbstvermieter für eigene
Rechnung vermieten (vgl. RG Warneyer Rspr. 1912, 382;
Soergel/Baur a. a. O. § 1059 Rdnr. 3 m. w. N.); der Mieter ist
ohne Erlaubnis des Vermieters zur Weitervermietung nicht
berechtigt (§ 549 BGB). Den Nießbraucher trifft bei der Ausübungsüberlassung keine Verpflichtung zur Unterhaltung
des Grundstücks, während Mieter und Pächter von ihrem
Vertragspartner grundsätzlich nach § 536 BGB die Erhaltung
der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch verlangen
können. Die Ausübung des Nießbrauchs ist an dessen Dauer
gebunden, die Grundstücks- und Raummiete überdauert
grundsätzlich das Ende des Nießbrauchs; unter bestimmten
Voraussetzungen tritt auch der Eigentümer in das Mietverhältnis ein (§ 1056 Abs. 1 BGB).
c) Auch die vom Beklagten vorsorglich ausgesprochene
Kündigung entbindet ihn nicht von seiner Verpflichtung zur
Gebrauchsüberlassung an den Kläger.
Der Beklagte konnte nicht in unmittelbarer Anwendung von
§ 1056 Abs. 2 BGB den Vertrag vorzeitig_ kündigen. Im Schrifttum wird zwar die Ansicht vertreten, der Grundstückseigentümer sei zur vorzeitigen Kündigung auch dann berechtigt,
wenn er als Erbe für die Nachlaßverbindlichkeiten des Nießbrauchers hafte (vgl. Wo/ff/Raiser a. a. O. § 118 Fn. 8;
Planck/Brodmann, BGB 5. Aufl. § 1056 Anm. 3 a; BGB-RGRK/
Rothe a. a. O. § 1056 Rdnr. 3; Münch-Komm/Petzo/d a. a. O.
§ 1056 Rdnr. 3; einschränkend Staudinger/Promberger
a. a. O. § 1056 Rdnr. 25; a. A. OLG Colmar ElsLothrZ,1909, 254
und wohl auch Soerge//Baur a. a. O. § 1056 Rdnr. 7). Die Voraussetzungen des § 1056 BGB liegen hier aber unstreitig
nicht vor; der Beklagte ist nur Rechtsnachfolger der Nießbraucherin als deren Alleinerbe, ohne als Eigentümer in das
Mietverhältnis eingetreten zu sein.
Auch eine allenfalls in Betracht kommende analoge
Anwendung von § 1056 Abs. 2 BGB (unter dem Gesichts.
punkt, der Beklagte könne nicht schlechter gestellt werden,
als er stünde, wenn dem Kläger die Mietsache schon überlassen gewesen wäre) scheidet aus. Ein vorzeitiges Kündigungsrecht des Grundstückseigentümers ist mindestens in
den Fällen ausgeschlossen, in denen er persönlich an den
Mietvertrag gebunden ist. So liegt es, wenn der Mietvertrag
schon von ihm selbst vor Bestellung des Nießbrauchs abgeschlossen worden und der Nießbraucher für die Dauer
seines Rechts in den Mietvertrag eingetreten war (§ 577, 571
Abs. 1 BGB; vgl. Roquette, Mietrecht 1966, §535 Rdnr. 117
a. E.; Staudinger/Promberger a. a. O. § 1056 Rdnr. 3) oder
wenn er dem vom Nießbraucher abgeschlossenen Mietvertrag persönlich beigetreten ist (BGB-RGRK/Rothe a. a. O.
§ 1056 Rdnr. 7; Soergel/Baur a. a. O. § 1056 Rdnr. 5; MünchKommlPetzold a. a. O. § 1056 Rdnr. 5; Staudinger/Promberger a. a. O. § 1056 Rdnr. 4 und 21). Dasselbe muß gelten,
wenn der Grundstückseigentümer den Nießbraucher beerbt
hat. In diesem Fall ist er nach erbrechtlichen Grundsätzen
durch Universalsukzession (§ 1922 Abs. 1, § 1967 Abs. 1
BGB) unmittelbar Vertragspartner des Mieters. Diese
Rechtsstellung besteht unabhängig von einem eventuellen
Vertragseintritt nach § 1056 Abs. 1 BGB. Würde man dem
Grundstückseigentümer als Erben des Nießbrauchers ein
außerordentliches Kündigungsrecht nach § 1056 Abs. 2 BGB
zubilligen, würde sich eine zugunsten des Mieters erlassene
Schutzvorschrift zu dessen Lasten in ein durch nichts
gerechtfertigtes Haftungsprivileg des Erben verkehren.
d) Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen schuldet der Beklagte für die Zeit vom 1.4. bis 31.12.1986 grundsätzlich auch Schadensersatz nach § 325 Abs. 1 BGB, weil
ihm seine Leistung (Gebrauchsüberlassung) durch Zeitablauf insoweit unmöglich geworden ist. Da der Kläger
weiterhin Erfüllung des Mietvertrages begehrt, zerfällt der
Vertrag durch den teilweise verlangten Schadensersatz in
zwei Abschnitte, die rechtlich selbständig zu beurteilen sind
(vgl. BGHZ 36, 316, 318). Es handelt sich insoweit nicht um
eine Rechtsmängelhaftung nach § 541 BGB. Der vertragsgemäße Gebrauch ist dem Kläger nicht durch das Recht
eines Dritten entzogen worden. Unerheblich ist mithin
auch, ob der Kläger wußte, daß seine Vermieterin nur Nießbraucherin war (vgl. § 539 Abs. 1 BGB).
5. BGB §§ 459 Abs. 2, 463 Satz 1 (Mieterträge im Grundstückskaufvertrag als Zusicherung)
Werden in einem Grundstückskaufvertrag die Mieterträge
aufgeführt und zum Gegenstand der Vereinbarung gemacht,
dann spricht dies nur dann nicht für eine vertragsmäßige Zusicherung, wenn der Käufer aufgrund besonderer Umstände
andere Vorstellungen über den Wert des Grundstücks hegt,
als sie nach der Verkehrsanschauung bei solchen Objekten
mit dem zugesicherten Mietvertrag verbunden werden (Bestätigung des Senatsurteils vom 19.9.1980, V ZR 51/78, NJW
1981, 45).
BGH, Urteil vom 3.11.1989, — V ZR 154188 — mitgeteilt von
D. Bundschuh, Richter am BGH
MittBayNot 1990 Heft 2

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

20.10.1989

Aktenzeichen:

V ZR 341/87

Erschienen in:

MittBayNot 1990, 98-100

Normen in Titel:

BGB § 1056 Abs. 2 S. 2, § 1059 S. 2, §§ 1061, 1922, 1967