OLG Hamm 21. Februar 2012
I-15 W 67/11
GBO § 20; GemO NW § 64 Abs. 2

Grundstücksgeschäft als Geschäft der laufenden Verwaltung

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: i15w67_11
letzte Aktualisierung: 11.6.2012
OLG Hamm, 22.2.2012 - I-15 W 67/11
GBO § 20; GemO NW § 64 Abs. 2
Grundstücksgeschäft als Geschäft der laufenden Verwaltung
Eine Grundstücksveräußerung mit einem wirtschaftlichen Gegenwert von über 64.000,- €
wurde auch bei einer größeren Stadt nicht mehr als Geschäft der laufenden Verewaltung
gemäß § 64 Abs. 2 GO NW angesehen. Grundstücksgeschäfte können nur in Ausnahmefällen
als laufende Angelegenheiten qualifiziert werden. (Leitsatz der DNotI-Redaktion)


Erlassen gemäß § 38 Abs.3 S. 3
FamFG durch Übergabe an die
Geschäftsstelle am 22. Februar 2012
gez., Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
O BERLANDESGERICHT H AMM
B ESCHLUSS
I-15 W 67/11 OLG Hamm
HI-10185-2 AG Münster
NK: GO NW § 64 Abs. 2
Stichworte: Geschäft der laufenden Verwaltung
Leitsatz:
Eine Grundstücksveräußerung zu einem Kaufpreis von 64.000 Euro kann auch bei einer
westfälischen Großstadt nicht als Geschäft der laufenden Verwaltung im Sinne des § 64
Abs. 2 GO NW qualifiziert werden.
In der Grundbuchsache
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die Beschwerde der
Beteiligten zu 2) vom 15.12.2010 gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts
-Grundbuchamt- Münster vom 18.11.2010 durch
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde ist nach den §§ 71 Abs. 1, 72 GBO statthaft sowie formgerecht
eingelegt.
In der Sache ist die Beschwerde unbegründet, da das Amtsgericht mit seiner
Zwischenverfügung vor einer Eintragung des Eigentumswechsels zutreffend die
Vorlage einer weiteren Genehmigung der Auflassungserklärung durch
Gesamtvertretungsberechtigte der beteiligten Stadt verlangt hat.
Im Anwendungsbereich des Einigungsgrundsatzes (§ 20 GBO) hat das
Grundbuchamt beim Handeln eines Vertreters das Vorliegen der notwendigen
Vertretungsmacht grundsätzlich eigenständig zu prüfen, wozu auch die Prüfung
gehört, ob eine vorgelegte Vollmacht inhaltlich das vorgenommene Geschäft abdeckt
(Demharter, GBO, 27.Aufl., § 20 Rdn.21). Vorliegend ist die Auflassung durch eine
vollmachtlose Vertreterin der Stadt erklärt worden. Diese Erklärung ist durch den
Städtischen Amtsrat Osterhoff genehmigt worden, der sich hierbei auf die Vollmacht
vom 22.07.2010 stützt, die durch den Stadtdirektor, nach der Hauptsatzung der
ständige Vertreter des Oberbürgermeisters, unterzeichnet worden ist. Durch diese
wird u.a. der vorgenannte Amtsrat bevollmächtigt, für die Stadt
Grundstücksgeschäfte der laufenden Verwaltung zu tätigen und die für den
Abschluss des schuldrechtlichen Vertrages sowie den Eigentumsübergang
erforderlichen Willenserklärungen abzugeben.
Die Vollmacht beschränkt die Vertretungsmacht danach von vorneherein auf den
Kreis der Geschäfte laufender Verwaltung, orientiert sich also an der Vorschrift des
§ 64 Abs.2 GO. Der Begriff des Geschäfts der laufenden Verwaltung ist ein
unbestimmter Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten Prüfung durch das
Grundbuchamt unterliegt und einer Definition durch das untergesetzliche
Gemeinderecht nicht zugänglich ist (Senat FGPrax 2010, 228). Vorliegend ist das
der laufenden Verwaltung und damit auch nicht von der Vollmacht gedeckt ist.
Dabei mag dahinstehen, ob sich dies aus der wirtschaftlichen Bedeutung des
Gesamtgeschäfts im Verhältnis zur wirtschaftlichen Leistungskraft der Gemeinde
ergibt. Der Senat hält die Argumentation des Grundbuchamtes, die allein auf das
Jahresergebnis abstellt, für bedenklich. Getragen wird die Zwischenverfügung
allerdings von dem Hinweis des Grundbuchamtes auf die Entscheidung des
Bundesgerichtshofs vom 27.10.2008 (NJW 2009, 289). Der II. Zivilsenats des BGH
hat hier eine regelmäßige Wiederkehr des Geschäftstyps und damit ein Geschäft der
laufenden Verwaltung insbesondere mit der Begründung verneint, dass die
Gemeinden bei Grundstücksgeschäften besonders schutzbedürftig seien.
Grundstücksgeschäfte können danach nur in Ausnahmefällen als laufende
Angelegenheiten zu qualifizieren sein (so schon BayObLG Rpfleger 1975, 95;
Bauer/v.Oefele/Schaub, GBO, 2.Aufl., AT VII Rdn. 318f m.w.N.). Beispielhaft hat
Heggen (ZNotP 2009, 333, 341) –aus der Sicht des Senats zutreffend- darauf
hingewiesen, dass im Einzelfall bei einer größeren Gemeinde, die in erheblichem
Umfang Erbbaurechte ausgegeben hat, die Zustimmungen zur Veräußerung dieser
Erbbaurechte Rechtshandlungen sind, bei denen eine erhebliche Gefährdung der
Vermögensinteressen der Gemeinde kaum zu besorgen ist. Ebenfalls beispielhaft hat
der Senat in seiner bereits angeführten Entscheidung ausgeführt, dass die
Bestellung von geringfügigen Dienstbarkeiten zugunsten eines ganz oder teilweise in
der Hand der Gemeinde befindlichen örtlichen Versorgungsunternehmens durchaus
wiederkehrend vorkommt und es sich offenkundig um ein für die Gemeinde
unbedeutendes Geschäft handelte.
Für den hier zu beurteilenden Fall ist vom Schutzzweck des § 64 Abs.1 GO, der in
besonderem Maße bei grundstücksbezogenen Geschäften greift, auszugehen. Eine
Zuordnung zum Bereich der laufenden Verwaltung kommt danach nur hinsichtlich
solcher grundstücksbezogener Geschäfte in Betracht, die sich bei wirtschaftlicher
Betrachtung in Relation zur Größe der Gemeinde am unteren Rand der Erheblichkeit
bewegen. Denn nur unter diesen engen Voraussetzungen kann unter
Berücksichtigung des gesetzlichen Schutzzwecks im Sinne der bereits
es sich um ein Geschäft der laufenden Verwaltung handelt.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Eine Grundstücksveräußerung mit
einem wirtschaftlichen Gegenwert von 64.170 € kann, unabhängig von der
Wirtschaftskraft der einzelnen Gemeinde, nicht mehr als unbedeutend angesehen
werden. Dabei gibt der vorliegende Fall dem Senat keine Veranlassung, sich im
Grundsatz auf eine bestimmte Wertgrenze festzulegen, die angesichts der notwendig
auf den Einzelfall bezogenen Sichtweise ohnehin nur einer ersten Orientierung
dienen könnte. Denn jedenfalls liegt diese Grenze auch bei einer größeren Stadt
deutlich unter dem hier in Frage stehenden Kaufpreis.
Da es sich vorliegend also nicht mehr um ein Geschäft der laufenden Verwaltung
handelt, deckt die Vollmacht keine der insoweit abgegebenen Willenserklärungen,
mithin auch nicht die Auflassung. Das Grundbuchamt ist somit zutreffend von einem
Eintragungshindernis ausgegangen. Soweit es zur Behebung die Unterschrift von
zwei vertretungsberechtigten Mitarbeitern der Stadt verlangt hat, ist dies als
Forderung nach einer (wirksamen) Genehmigung des vollmachtlosen Handelns
anzusehen. Auch dies ist nicht zu beanstanden, da im Falle vollmachtlosen Handelns
ein behebbares Eintragungshindernis vorliegt.
Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 131, 30 KostO.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs.2 GBO) kommt nicht in Betracht, da
die vorliegende Entscheidung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgt.

mitgeteilt von ROLG Helmut Engelhardt, Emsdetten

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Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

21.02.2012

Aktenzeichen:

I-15 W 67/11

Rechtsgebiete:

Kommunalrecht
Grundbuchrecht

Erschienen in:

MittBayNot 2012, 416-417
FGPrax 2012, 150

Normen in Titel:

GBO § 20; GemO NW § 64 Abs. 2