BGB § 29 Notbestellung eines organschafltichen Vertreters eines Vereins
letzte Aktualisierung: 21.12.2022
KG, Beschl. v. 4.7.2022 – 22 W 32/22
Notbestellung eines organschafltichen Vertreters eines Vereins
1. Nach
dann in Betracht, wenn die erforderliche Anzahl von Mitglieder des Vertretungsorgans fehlt und die
zeitweise Behebung des Mangels dringend ist, weil ein Schaden droht oder eine alsbald erforderliche
Handlung unterbleibt und der Verein den Mangel nicht selbst beheben kann.
2. Wird ein Antrag nach
diese feststehen oder jedenfalls mit wenig Aufwand feststellbar sein. Ist die Unwirksamkeit
voraussichtlich nur in einem umfangreichen Strengbeweisverfahren feststellbar, kann der
Antragsteller zunächst auf den Zivilprozessweg zur Klärung verwiesen werden. Bei einer Partei
kommt zudem die Anrufung des Parteischiedsgerichts in Betracht.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1) ist nach § 1 Abs. 1 seiner Satzung eine Partei im Sinne des
Grundgesetzes. In der Zeit vom 4. bis 6. Dezember 2021 ist ein virtueller Bundesparteitag
durchgeführt worden, bei dem auch ein neuer Vorstand gewählt worden ist. In der Folge
des Parteitages ist eine bestätigende Briefwahl durchgeführt worden.
Der Beteiligte zu 2) war zuvor beim 1. Bundesparteitag als Beauftragter für Medien und
Kommunikation in den Vorstand gewählt worden. Mit einem Schreiben vom 2. Februar
2022 hat er beim Amtsgericht Charlottenburg die Bestellung eines Notvorstands für den
Beteiligten zu 1) beantragt und drei Personen vorgeschlagen. Diesen Antrag hat das
Amtsgericht mit einem Beschluss vom 28. März 2022 zurückgewiesen. Es fehle nicht an
einem Vorstand. Ob die bereits erfolgte Anfechtung der Vorstandswahl Erfolg habe, könne
nicht in dem Verfahren nach
Gegen diesen am 1. April 2022 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 2) mit einem am
21. April 2022 als Fax eingegangenen Schreiben Beschwerde eingelegt. Dieser Beschwerde
hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit einem Beschluss vom
29. April 2022 zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1. Die Beschwerde ist nach
Beteiligte zu 2) ist als Mitglied des Beteiligten zu 1) zu der erfolgten Antragstellung nach
FamFG. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingereicht worden. Einer Beschwer
bedarf es nicht, weil es sich um eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit handelt.
2. Die Beschwerde hat aber keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat die Bestellung eines
Notvorstands zu Recht abgelehnt.
a) Der Antrag des Beteiligten muss nicht deshalb erfolglos bleiben, weil der Beteiligte zu 1)
nach dem Willen ihrer Gründer eine Partei nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ParteienG darstellt. Wie
der Senat bereits entschieden hat, kommt auch in diesem Fall eine Bestellung eines
Notvorstands nach
–, juris Rn. 9). Die Zurückweisung des Antrags war aber gerechtfertigt, weil die
Voraussetzungen für eine Bestellung nicht gegeben sind.
b) Nach
Vereins nur dann in Betracht, wenn die erforderliche Anzahl von Mitglieder des
Vertretungsorgans fehlt und die zeitweise Behebung des Mangels dringend ist, weil ein
Schaden droht oder eine alsbald erforderliche Handlung unterbleibt und der Verein den
Mangel nicht selbst beheben kann.
Insoweit steht schon nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass es an einer
erforderlichen Anzahl von Mitgliedern des Vertretungsorgans fehlt. Der Beteiligte zu 2) ist
zwar als Beauftragter für Medien und Kommunikation nach seiner Darstellung das einzig
verbliebene Mitglied des am 21. März 2021 bestellten Vorstands. Danach steht ihm keine
Vertretungsbefugnis zu, die nach § 16 der Satzung nur den Vorsitzenden und Stellvertretern
zukommt. Eine solche Vertretungsbefugnis wird aber zur Einberufung einer
Mitgliederversammlung grundsätzlich für erforderlich gehalten (vgl. KG, Beschluss vom 6.
Dezember 1977 – 1 W 2603/77 –, juris Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene
Verein, 21. Aufl., Rdn. 157a). Zu beachten ist im vorliegenden Fall aber, dass Anfang
Dezember 2021 ein Bundesparteitag stattgefunden hat und dort auch über die Neuwahl
eines Vorstands abgestimmt worden ist. Danach verfügt der Beteiligte zu 1) derzeit über
einen Vorstand. Soweit der Beteiligte zu 2) Bedenken wegen des Ablaufs dieses Parteitages
und der dort durchgeführten Abstimmungen hat und die Auffassung vertritt, die
Vorstandswahlen seien unwirksam, insbesondere die nachfolgende schriftliche Abstimmung
zur Bestätigung der Wahlen sei fehlerhaft, weil nicht alle Parteimitglieder einbezogen
worden seien, könnte dies tatsächlich die Annahme rechtfertigen, die Beschlüsse seien
nichtig. Die zur Beurteilung der Sachlage notwendigen Tatsachen stehen aber nicht fest. Sie
sind für den Senat auch nicht mit einem vertretbaren Aufwand zu ermitteln. Denn insoweit
wäre eine Beweisaufnahme im Strengbeweisverfahren erforderlich. Die Wirkungen der
Entscheidung des Senats würden aber auf die Beteiligten beschränkt sein, während eine
entsprechende Nichtigkeitsfeststellung über die Bestellungsbeschlüsse im Zivilprozess auch
die nichtbeteiligten Vereinsmitglieder erfassen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Mai
1992 – II ZR 23/92 –, juris; Urteil vom 23. Februar 1978 – II ZR 37/77 –,
388 zur Genossenschaft; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 19. Dezember
2001 – 3Z BR 280/01 –, juris Rn. 15; Burhoff, Vereinsrecht, 2016, Rn. 431;
Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 21. Aufl., Rdn. 215a). Ein solcher
Zivilprozess ist auch schon anhängig. Dass dieser von vornherein nicht durchführbar wäre,
weil der Verein gerade nicht wirksam vertreten werden kann, trifft nicht zu. So steht die
Unwirksamkeit der Beschlüsse über die Vorstandswahl nicht fest, sondern soll erst im
Rahmen des Prozesses festgestellt werden, so dass zunächst von einer Vertretung durch die
gewählten Vorstandsmitglieder auszugehen ist (so ausdrücklich zur GmbH: BGH, Urteil
vom 10. November 1980 – II ZR 51/80 –, juris). Die Vertretungsbefugnis des neuen
Vorstands ist eine doppelrelevante Tatsache. Steht die Unwirksamkeit später fest, liegt ein
Außenhandeln eines faktischen Vorstands vor, das sich der Verein nach den Grundsätzen
der Duldungsvollmacht zurechnen lassen muss (vgl. KG, Beschluss vom 26. Februar 2004 –
1 W 549/01 –, juris Rn. 48; Reichert/Wagner, Vereins- und Verbandsrecht, 14. Aufl.,
Rn. 2182). Die Vertretung des Vorstands im Prozess trotz Wahlanfechtung entspricht im
Übrigen der Regelung in
Aus diesem Grund ist der Zivilprozess abzuwarten. Besondere Gründe, vorab eine nicht
bindende Entscheidung über die Wirksamkeit der Vorstandswahlen im Rahmen des
Verfahrens nach
auch keinen Sachverhalt vor, der den Eintritt eines Schadens erwarten lässt oder eine
sofortige Handlung eines in jedem Fall vertretungsberechtigten Vorstandes erfordern
würde.
Dass den Bestellungsbeschlüssen ohne weiteres der Makel der Fehlerhaftigkeit anhaften
würde, ist nicht ersichtlich und lässt sich auch dem Vorbringen des Beteiligten zu 2) nicht
entnehmen. So wird etwa eine fehlende Ladung aller Mitglieder zu dem Parteitag Anfang
Dezember von dem Beteiligten zu 2) lediglich vermutet. Auch die Ausführungen des von
alten Vorstandsmitglieder nach der Wahl eines neuen Vorstands eingesetzten
Wahlprüfungsausschusses lassen einen Schluss auf eine eindeutige Rechtswidrigkeit nicht
zu. Aus einer Durchführung einer bestätigenden Briefwahl allein mit den Teilnehmern des
Parteitages ergibt sich eine solche Rechtswidrigkeit jedenfalls nicht zwingend, weil das
Gesetz für die Wahl des Vorstands keine Urwahl vorsieht, vgl. § 6 Nr. 11 ParteienG. Ob
dann § 5 Abs. 4 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-,
Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der
COVID 19-Pandemie gleichwohl so verstanden werden muss, ohne dass dies im Wortlaut
festgehalten ist, dürfte zweifelhaft sein. Insoweit steht aber auch schon nicht fest, wie die
Briefwahl durchgeführt wurde. Offen ist auch nach wie vor, inwieweit die Anrufung des
Parteischiedsgerichts, dass für die Feststellung einer Unwirksamkeit einer derartigen Wahl
zuständig wäre, vgl. der § 10 Abs. 2 SchiedsO, möglich gewesen ist (vgl. zur Bedeutung
Senat, Beschluss vom 20. Mai 2020 – 22 W 7/20 –, juris Rn. 10 mwN). Denn die Wahl der
Mitglieder des Schiedsgerichts unterlag der Beschränkung des § 5 Abs. 4 des Gesetzes über
Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und
Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID 19-Pandemie
gerade nicht. Der Beteiligte zu 2) hat insoweit lediglich die Auffassung vertreten, die Wahl
der Mitglieder des Schiedsgerichts sei unwirksam. Eine Wahlanfechtung ist nach der
Satzung des Beteiligten zu 1) zudem fristgebunden, vgl. § 12 SchiedsO, was dafür spricht,
dass das Beanstandungsrecht nur zeitlich begrenzt ausgeübt werden kann.
3. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Die Verpflichtung zur Tragung der
Gerichtskosten ergibt sich aus dem Gesetz. Der Senat sieht im Übrigen entgegen dem
Antrag des Beteiligten zu 1) keinen Anlass die Erstattung außergerichtlicher Kosten
anzuordnen. Die Voraussetzungen des
Erstattungsanordnung ist im Übrigen auch im Parteischiedsverfahren des Beteiligten zu 1)
grundsätzlich nicht vorgesehen, vgl. § 26 Abs. 3 SchiedsO.
Entscheidung, Urteil
Gericht:Kammergericht
Erscheinungsdatum:04.07.2022
Aktenzeichen:22 W 32/22
Rechtsgebiete:
Verein
Aktiengesellschaft (AG)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BGB § 29