BGH 28. Oktober 2020
XII ZB 512/19
BGB §§ 1601, 1603, 1612 lit. b Abs. 1; BKGG § 6 lit. a

Kinderzuschlag gem. § 6a BKGG als Einkommen des Kindes

letzte Aktualisierung: 19.5.2021
BGH, Beschl. v. 28.10.2020 – XII ZB 512/19

BGB §§ 1601, 1603, 1612 lit. b Abs. 1; BKGG § 6 lit. a
Kinderzuschlag gem. § 6a BKGG als Einkommen des Kindes

a) Der Kinderzuschlag nach § 6a BKGG ist unterhaltsrechtlich in voller Höhe als Einkommen des
Kindes zu behandeln. Eine Aufteilung in einen Barunterhalts- und einen Betreuungsunterhaltsteil
findet nicht statt.
b) Im Rahmen der Bemessung des Selbstbehalts des Kindesunterhaltspflichtigen sind die von
diesem für seinen Familienverband getragenen Wohnkosten nur anteilig zu berücksichtigen (im
Anschluss an Senatsbeschluss BGHZ 209, 243 = FamRZ 2016, 887).

Gründe:

A.
Das antragstellende Land macht als Träger der Unterhaltsvorschusskasse
Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht gegen den Antragsgegner geltend.
Der Antragsgegner ist der Vater des im November 2005 geborenen, aus
erster Ehe hervorgegangenen Sohnes D. Der Antragsgegner hat im Jahre 2014
erneut geheiratet und mit seiner neuen, nicht erwerbstätigen Ehefrau zwei - im
Januar 2010 und im Februar 2015 geborene - Kinder. Er ist als Lkw-Fahrer im
Nahverkehr mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 45 Stunden erwerbstätig und
erzielt ein jährliches Nettoeinkommen von 22.963,68 in dem ein Verpflegungskostenzuschuss
von 1.710 enthalten ist.

Von September 2018 bis einschließlich Februar 2019 erhielt der Antragsgegner
für die beiden Kinder aus zweiter Ehe einen monatlichen Kinderzuschlag
(§ 6 a BKGG) von 150 pro Kind; nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts
beläuft sich der Kinderzuschlag seit März 2019 auf jeweils 167,50
Monatsmiete für die Wohnung der vierköpfigen Familie hat der Antragsgegner
555,72 envorauszahlungen zu entrichten. Bis einschließlich
November 2018 bezog er zusätzlich zu seinem Erwerbseinkommen
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
von monatlich 37,59

Der Antragsteller erbringt seit Juli 2018 für D. monatliche Leistungen nach
dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe von 273 Juli
2018 erfolgte gegenüber dem Antragsgegner die Rechtswahrungsanzeige mit
der Aufforderung zur Auskunftserteilung.
Der Antragsteller hat beim Amtsgericht beantragt, den Antragsgegner ab
Juli 2018 zur Zahlung von Kindesunterhalt für D. in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts
abzüglich des vollen Kindergelds zu verpflichten. Der Antragsgegner
hat den Anspruch in Höhe von 51 as Amtsgericht hat den Antragsgegner
mit Teilanerkenntnis- und Schluss-Beschluss zur Zahlung von monatlich
198 ab Juli 2018 verpflichtet. Auf die Beschwerde des Antragsgegners
hat das Oberlandesgericht den Unterhalt teilweise herabgesetzt, nämlich für Juli
und August 2018 auf Zahlung von monatlich 144
2018 von monatlich 192 von monatlich
165 Für den Zeitraum ab März 2019 hat es die Beschwerde insgesamt zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde,
soweit sich der monatliche Unterhalt für Juli bis Dezember 2018 auf
über 53
2019 auf über 80

B.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

I.
Die Rechtsbeschwerde ist in vollem Umfang zulässig; sie ist insbesondere
unbeschränkt vom Oberlandesgericht zugelassen worden. Dieses hat zwar in
den Entscheidungsgründen des angefochtenen Beschlusses die Behandlung
des Kinderzuschlags als die Rechtsfrage benannt, die Anlass für die Rechtsbeschwerdezulassung
war. Dem lässt sich jedoch nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit
entnehmen, dass es sich dabei nicht nur um die Darlegung der Zulassungsmotivation
handelt, sondern die Zulassung auf den Unterhaltszeitraum ab
September 2018 beschränkt werden sollte (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 223, 203
= FamRZ 2020, 21 Rn. 20 ff. mwN).

II.
Das Oberlandesgericht hat seine in FamRZ 2020, 30 veröffentlichte Entscheidung
wie folgt begründet:

Das Nettoeinkommen des Antragsgegners sei um zwei Drittel des darin
enthaltenen Verpflegungskostenzuschusses und mithin um jährlich 1.140
bereinigen, weil lediglich von einer häuslichen Ersparnis in Höhe von einem Drittel
auszugehen sei. Die bis Dezember 2018 bezogenen Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts wirkten nicht bedarfsdeckend und seien daher nicht
einkommenserhöhend zu berücksichtigen. Auch der Kinderzuschlag stelle kein
Einkommen des Antragsgegners dar. Sozialrechtlicher Sinn und Zweck sei es zu
vermeiden, dass die Eltern allein aufgrund der Unterhaltsbelastung für ihre Kinder
Arbeitslosengeld II und Sozialgeld in Anspruch nehmen müssten. Der Kinderzuschlag
ziele darauf ab, den Kindesbedarf zu decken, weshalb es sich um
eine zweckgebundene Leistung und entsprechend der sozialrechtlichen Regelung
des § 11 Abs. 1 Satz 5 SGB II auch unterhaltsrechtlich um Einkommen des
Kindes handele. Dem Antragsgegner sei mit Blick auf seine regelmäßige Arbeitszeit
von 45 Wochenstunden und den Umgang mit seinen Kindern kein fiktives
Einkommen aus einer Nebentätigkeit zuzurechnen. Unter Berücksichtigung von
Fahrtkosten und Steuererstattungen ergebe sich daher für 2018 ein bereinigtes
monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1.440,21 d ab Januar 2019 in
Höhe von 1.455,87

Der vom Antragsgegner bezogene Kinderzuschlag sei in voller Höhe für
den Unterhalt der beiden Kinder aus zweiter Ehe einzusetzen, weil der Antragsgegner
mit seiner Ehefrau und den Kindern, für die der Kinderzuschlag gezahlt
werde, zusammenlebe. In einem solchen Fall habe keine Aufteilung des Zuschlagsbetrags
auf die beiden Eltern zu erfolgen. Daher sei der insgesamt gezahlte
Zuschlag je zur Hälfte auf den Bedarf der beiden Kinder aus zweiter Ehe
anzurechnen, wobei die Anrechnung dadurch begrenzt werde, dass die beim Antragsgegner
lebenden Kinder durch die Unterhaltsberechnung nicht (wieder) sozialhilfebedürftig
werden dürften. Der notwendige Selbstbehalt des Antragsgegners
sei nicht wegen der 380 ohnkosten zu erhöhen. Bereits
die hälftige Aufteilung der Mietkosten auf die Ehegatten führe nämlich zur Wahrung
des notwendigen Selbstbehalts.

Die vorzunehmende Mangelfallberechnung ergebe für D. einen monatlichen
Kindesunterhalt von 144 August 2018, von 214
ber bis Dezember 2018, von 221
März bis Juni 2019 und von 236 - weil der Antragsteller
keine Beschwerde führe - der vom Amtsgericht ausgesprochene Betrag von
198
dergeld und den Kinderzuschlag für die beiden Kinder aus zweiter Ehe einbeziehenden
sozialhilferechtlichen Kontrollberechnung für die aus dem Antragsgegner,
seiner Ehefrau und den beiden Kindern bestehende Bedarfsgemeinschaft
folge für die Zeit von September bis Dezember 2018 eine monatliche Unterdeckung
von rund 6
träge sei der Unterhalt für D. nach unten zu korrigieren, so dass er sich statt auf
198
2019 auf 165

III.
Die angefochtene Entscheidung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis
stand. Der Antragsgegner ist seinem Sohn D. jedenfalls im vom Oberlandesgericht
zugesprochenen Umfang gemäß § 1601 BGB zum Barunterhalt verpflichtet.
Die Unterhaltsansprüche sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG kraft Gesetzes auf
den Antragsteller übergegangen.

1. Der Antragsteller hat lediglich den Mindestunterhalt nach § 1612 a
Abs. 1 BGB geltend gemacht, so dass der Unterhaltsbedarf des Kindes gemäß
§ 1610 BGB keine besondere Darlegung erfordert (vgl. Senatsbeschluss vom
5. November 2014 - XII ZB 599/13 - FamRZ 2015, 236 Rn. 13; Wendl/Dose/
Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 2
Rn. 224). Die Unterhaltsbedürftigkeit von D. im Sinne von § 1602 BGB steht
außer Streit. Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 UVG kann der Antragsteller den Unterhaltsanspruch
des Kindes auch für die Zukunft geltend machen (vgl. auch Wendl/
Dose/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis
10. Aufl. § 8 Rn. 275).

2. Der Antragsgegner ist jedenfalls in dem vom Oberlandesgericht angenommenen
Umfang für die Zahlung des Unterhalts leistungsfähig im Sinne des
§ 1603 BGB. Die Beschwerdeentscheidung enthält keinen Rechtsfehler zum
Nachteil des die Rechtsbeschwerde führenden Antragsgegners.

a) Zu Unrecht macht die Rechtsbeschwerde geltend, der dem Antragsgegner
zuzubilligende notwendige Selbstbehalt sei wegen höherer als den in den
Leitlinien des Oberlandesgerichts vorgesehenen Wohnkosten heraufzusetzen.
Allerdings kann im Einzelfall eine Erhöhung des Selbstbehalts in Frage
kommen, wenn der darin enthaltene Wohnkostenanteil - nach den Umständen
nicht vermeidbar - überschritten wird (Senatsbeschluss BGHZ 209, 243 = FamRZ
2016, 887 Rn. 19; vgl. auch Wendl/Dose/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen
Praxis 10. Aufl. § 1 Rn. 469; Wendl/Dose/Guhling Das Unterhaltsrecht
in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 5 Rn. 23). Das Oberlandesgericht
hat dies hier jedoch zu Recht verneint. Nach den von der Rechtsbeschwerde
nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen stand dem Antragsgegner
im Rahmen seines notwendigen Selbstbehalts für Wohnkosten ein Betrag
von 380 (vgl. Ziffer 21.2 der Leitlinien des Oberlandesgerichts Hamm zum
Unterhaltsrecht). Die vom Antragsgegner angeführten Wohnkosten von monatlich
557 seiner Ehefrau und der beiden gemeinsamen Kinder, was grundsätzlich durch
eine nur anteilige Berücksichtigung der anfallenden Wohnkosten beim unterhaltspflichtigen
Antragsgegner abzubilden ist (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 209, 243
= FamRZ 2016, 887 Rn. 19; Wendl/Dose/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der
familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 1 Rn. 469; Wendl/Dose/Guhling Das Unterhaltsrecht
in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 5 Rn. 27). Bereits die
vom Oberlandesgericht in rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender
Weise vorgenommene Aufteilung der Wohnkosten auf den Antragsgegner und
seine gegenüber D. nach § 1606 Abs. 1 BGB unterhaltsrechtlich nachrangige
Ehefrau führt dazu, dass für den Antragsgegner 380
werden.

Im Übrigen weist der Antragsteller - wie schon in der Vorinstanz - mit der
Rechtsbeschwerdeerwiderung zu Recht darauf hin, dass dem Antragsgegner
- jedenfalls für den Zeitraum ab Ende des Bezugs von Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (vgl. § 7 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 WoGG) - die Beantragung von Wohngeld möglich ist. Den Unterhaltsschuldner
trifft die Obliegenheit, sich ihm mögliche und zumutbare Einkommensquellen
zu erschließen, was in erhöhtem Maße im Mangelfall gilt. Daher ist
er gehalten, seine Wohnkosten durch die Inanspruchnahme von Wohngeld zu
senken (vgl. Wendl/Dose/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen
Praxis 10. Aufl. § 2 Rn. 392; Wendl/Dose/Guhling Das Unterhaltsrecht
in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 5 Rn. 26). Da es insoweit um die
Frage der eingeschränkten Leistungsfähigkeit im Sinne des § 1603 BGB geht,
hat der Unterhaltsschuldner darzulegen und zu beweisen, dass er dieser Obliegenheit
nachgekommen ist (vgl. Wendl/Dose/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht
in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 2 Rn. 392). Entsprechenden Vortrag
hat der Antragsgegner aber nicht gehalten.

b) Gegen die Erwägungen, die das Oberlandesgericht zu dem vom Antragsgegner
für seine beiden Kinder aus zweiter Ehe bezogenen Kinderzuschlag
angestellt hat, wendet sich die Rechtsbeschwerde ebenfalls ohne Erfolg.

aa) Das gilt zum einen, soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, ab
März 2019 habe sich der Kinderzuschlag nicht - wie vom Oberlandesgericht festgestellt
- auf insgesamt monatlich 335 lediglich auf 230
und zudem sei eine Bewilligung nur bis einschließlich August 2019 erfolgt, so
dass der Kinderzuschlag nur insoweit in die Unterhaltsberechnung einfließen
könne.

Der Einwand zur Höhe des bewilligten Kinderzuschlags ist unbeachtlich,
weil es sich dabei um eine - in den Entscheidungsgründen des angefochtenen
Beschlusses erfolgte (vgl. BGH Beschluss vom 19. März 2015 - I ZR 139/14 -
TranspR 2016, 485 Rn. 10 mwN) - tatbestandliche Feststellung des Oberlandesgerichts
im Sinne von § 113 Abs. 1 FamFG iVm § 314 ZPO handelt. Solche Feststellungen
eines Berufungsgerichts können nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs nicht mit der Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
ZPO angegriffen, sondern allein mit einem - hier nicht erfolgten - Antrag auf Tatbestandsberichtigung
nach § 320 ZPO beseitigt werden. Entsprechendes gilt in
Familienstreitsachen, wie sich aus §§ 74 Abs. 3 Satz 3, 71 Abs. 3 Nr. 2 lit. b
FamFG und § 113 Abs. 1 FamFG iVm § 320 ZPO ergibt (vgl. Senatsbeschluss
BGHZ 198, 242 = FamRZ 2013, 1958 Rn. 28 f. mwN).

Rechtlich nicht zu beanstanden ist weiterhin, dass das Oberlandesgericht
den Kinderzuschlag auch über den 31. August 2019 hinaus berücksichtigt hat,
obwohl im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung eine Bewilligung - der gesetzlichen
Vorgabe des § 6 a Abs. 7 BKGG entsprechend - nur für sechs Monate und
damit bis Ende August 2019 erfolgt war. Denn die Bemessung künftigen Unterhalts
erfordert eine Prognose der dem Unterhaltsanspruch zugrundeliegenden
tatsächlichen Verhältnisse (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Mai 2019
- XII ZB 613/16 - FamRZ 2019, 1415 Rn. 39), für die das Oberlandesgericht von
einer weiteren Bewilligung des Kinderzuschlags in gleichbleibender Höhe ausgehen
durfte.

bb) Zum anderen begegnet auch die durch das Oberlandesgericht vorgenommene
Behandlung des vom Antragsgegner für seine beiden Kinder aus zweiter
Ehe bezogenen Kinderzuschlags als deren Einkommen, das im Rahmen der
Unterhaltsermittlung für D. in vollem Umfang auf den für sie zu berücksichtigenden
Kindesunterhaltsanspruch anzurechnen ist, keinen rechtlichen Bedenken.

(1) Der Kinderzuschlag ist zum 1. Juli 2019 durch das Gesetz zur zielgenauen
Stärkung von Familien und ihren Kindern durch die Neugestaltung des
Familienzuschlags und die Verbesserung der Leistungen für Bildung und Teilhabe
vom 29. April 2019 (Starke-Familien-Gesetz - StaFamG; BGBl. I S. 530)
neu geregelt worden. Nach § 6 a Abs. 1 BKGG erhalten Personen - wie bereits
zuvor - für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete oder nicht verpartnerte Kinder,
die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag,
wenn sie für diese Anspruch auf Kindergeld oder andere Leistungen im Sinne
des § 4 BKGG haben (Nr. 1), ihr Einkommen bestimmte Grenzen übersteigt (vgl.
Nr. 2) und bei Bezug von Kinderzuschlag keine - bzw. nur eine stark eingeschränkte
(vgl. § 6 a Abs. 1a BKGG) - Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II besteht
(vgl. Nr. 3). Der Höhe nach beläuft sich der Kinderzuschlag aktuell auf bis zu
185 pro Kind (vgl. §§ 6 a Abs. 2 und 3, 20 Abs. 3 BKGG; bis 30. Juni 2019 bis
zu 170 6 a Abs. 2 Satz 1 BKGG aF); die Summe der einzelnen
Kinderzuschläge bildet gemäß § 6 a Abs. 4 BKGG den Gesamtkinderzuschlag
(§ 6 a Abs. 2 Satz 2 BKGG aF), über den nach § 6 a Abs. 7 Satz 1 BKGG (zuvor
als Soll-Vorschrift in § 6 a Abs. 2 Satz 3 BKGG aF) für einen Bewilligungszeitraum
von jeweils sechs Monaten zu entscheiden ist (vgl. zum Ganzen etwa
Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 1
Rn. 684). Gezahlt wird der Kinderzuschlag an den Elternteil, in dessen Haushalt
das Kind lebt (§ 3 Abs. 1 und 2 Satz 1, § 6 a Abs. 1 BKGG).

(2) Die unterhaltsrechtliche Einordnung des Kinderzuschlags ist streitig.
Teilweise wird vertreten, es handele sich beim Kinderzuschlag um Einkommen
der Eltern, auf die er hälftig zu verteilen sei (OLG Brandenburg Beschluss
vom 4. März 2013 - 9 UF 188/12 - juris Rn. 7 f.), bzw. um Einkommen
desjenigen Elternteils, an den der Kinderzuschlag gezahlt wird (Klinkhammer
FamRZ 2004, 1909, 1912; Scholz FPR 2006, 329, 333). Eine andere Meinung
will den Kinderzuschlag unterhaltsrechtlich zwar als Einkommen des Kindes behandeln,
aber jedenfalls dann, wenn die unterhaltspflichtigen Eltern getrennt leben,
wie beim Kindergeld eine Aufteilung in einen Barunterhalts- und einen Betreuungsunterhaltsteil
vornehmen, wobei im Falle des Nichterreichens des Mindestunterhalts
eine Anrechnung unterbleiben soll (Borth FamRZ 2019, 853,
855 f.; BeckOGK/Kliebisch [Stand: 1. August 2020] BGB § 1612 b Rn. 54.1;
jurisPK-BGB/Viefhues [Stand: 28. September 2020] § 1612 b Rn. 5).
Nach überwiegender Auffassung ist der Kinderzuschlag hingegen unterhaltsrechtlich
Einkommen des Kindes, das im gesamten Umfang seiner Zahlung
einem Unterhaltsanspruch entgegensteht (Conradis in Eschenbruch/Schürmann/
Menne Der Unterhaltsprozess 6. Aufl. Kap. 5 Rn. 126; Ehinger in Ehinger/Rasch/
Schwonberg/Siede Handbuch Unterhaltsrecht 8. Aufl. Rn. 1.289; FA-FamR/
Gerhardt 11. Aufl. Kap. 6 Rn. 148; Götsche jurisPR-FamR 22/2019 Anm. 6;
Margraf in Koch Handbuch Unterhaltsrecht § 1 Rn. 251; Staudinger/Klinkhammer
BGB [2018] § 1602 Rn. 67; Weinreich/Klein/Kleffmann Familienrecht 6. Aufl.
Grundlagen der Einkommensermittlung Rn. 174; Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht
in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 1 Rn. 686 f.; im Ergebnis
ebenso OLG Düsseldorf JAmt 2013, 659; Schürmann FF 2005, 10, 11 f.).

(3) Die zuletzt genannte Auffassung ist zutreffend.
(a) Allerdings steht der Anspruch auf Kinderzuschlag nur demjenigen Kindergeldberechtigten
zu, in dessen Haushalt das Kind lebt. Ein dem Kindergeld
vergleichbarer Ausgleich zwischen den Eltern ist vom Gesetz nicht angeordnet,
weil der Kinderzuschlag weder Kindergeld im Sinne des § 1612 b BGB ist noch
eine der von § 1612 c BGB erfassten kindbezogenen, den Anspruch auf Kindergeld
ausschließenden Leistungen (vgl. Klinkhammer FamRZ 2004, 1909, 1912).
Gleichwohl handelt es sich im Ergebnis nicht um unterhaltsrechtlich zu berücksichtigendes
Einkommen des beziehenden Elternteils, sondern - der sozialrechtlichen
Einordnung des § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II entsprechend - um dem
jeweiligen Kind zuzurechnendes Einkommen. Denn der Kinderzuschlag ist eine
zweckgebundene Leistung, mit der der Gesetzgeber Eltern, deren eigener Bedarf
durch ihr Einkommen oder Vermögen zumindest im Wesentlichen (vgl. § 6 a
Abs. 1a BKGG) gedeckt ist, davor bewahren will, Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld
beantragen zu müssen, um den notwendigen Lebensunterhalt ihrer minderjährigen
Kinder sicherstellen zu können (vgl. BSG FamRZ 2018, 1898 Rn. 17;
Staudinger/Klinkhammer BGB [2018] § 1602 Rn. 67; Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht
in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 1 Rn. 684; BT-Drucks.
15/1516 S. 83). Der Kinderzuschlag soll nach der gesetzgeberischen Intention
zusammen mit dem Kindergeld den durchschnittlichen Bedarf eines Kindes in
Höhe des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums mit Ausnahme
der von § 6 b BKGG gesondert geregelten Leistungen für Bildung und Teilhabe
abdecken (vgl. BT-Drucks. 19/7504 S. 2, 22; BT-Drucks. 15/1516 S. 83). Mithin
soll gerade nicht der durch Eigeneinkünfte bereits gedeckte Bedarf der Eltern,
sondern gezielt ein sonst ungedeckter Unterhaltsbedarf des Kindes sichergestellt
werden, so dass ein gezahlter Kinderzuschlag auch für diesen Bedarf verwendet
werden und daher dem Kind unterhaltsrechtlich zukommen muss (vgl. Heiß/Born
Unterhaltsrecht [Stand: Januar 2020] Kap. 3 Rn. 293; Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht
in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 1 Rn. 686). Bestätigt wird
das im Übrigen dadurch, dass die Höhe des Kinderzuschlags ab dem 1. Januar
2021 gemäß § 6 a Abs. 2 Satz 2 BKGG hilfsweise an den Mindestunterhalt gekoppelt
ist.

Nicht zu entscheiden ist hier allerdings über die Behandlung des Kinderzuschlags
bei der Bemessung der Barunterhaltspflicht eines Elternteils, der nicht
dem Familienverband des Kindes angehört, für das der Kinderzuschlag gezahlt
wird. Auch wenn der Gesetzgeber mit dem Starke-Familien-Gesetz eine gezielte
Förderung des Familienverbands bezweckt hat, dürfte insoweit keine andere
rechtliche Beurteilung geboten sein (so aber Borth FamRZ 2019, 853, 855). Denn
die gesetzliche Regelung zielt nach wie vor auf die Deckung des sächlichen Existenzminimums
des Kindes. Hierfür sind nach der gesetzgeberischen Konzeption
aber Kinderzuschlag und Kindesunterhalt nicht kumulativ erforderlich. Mit § 6 a
Abs. 3 Satz 3 BKGG, wonach Einkommen des Kindes - zu dem auch gezahlter
Kindesunterhalt gehört (vgl. jurisPK-SGB II/Kühl [Stand: 15. April 2020] § 6 a
BKGG Rn. 67) - den Kinderzuschlag um 45 % mindert, ist zwar inzwischen angeordnet,
dass dem Unterhalt beziehenden Kind sozialrechtlich mehr als das
sächliche Existenzminimum verbleibt. Auf die unterhaltsrechtliche Einordnung
des Kinderzuschlags als den Bedarf des Kindes deckendes Einkommen hat das
jedoch keinen Einfluss.

(b) Für die teilweise geforderte Aufteilung des Kinderzuschlags in einen
Barunterhalts- und einen Betreuungsunterhaltsteil besteht keine rechtliche
Grundlage.

Beim Kindergeld beruht die nur hälftige Anrechnung auf den Barbedarf des
minderjährigen Kindes, wenn ein Elternteil seine Unterhaltspflicht durch Betreuung
des Kindes erfüllt (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB), auf der ausdrücklichen gesetzlichen
Anordnung in § 1612 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB, mit der keine Regelung
für den Kinderzuschlag getroffen wird. Aber auch die Voraussetzungen für
eine entsprechende Anwendung (vgl. dazu etwa Senatsbeschlüsse BGHZ 220,
58 = FamRZ 2018, 1919 Rn. 16 mwN und vom 22. April 2020 - XII ZB 383/19 -
FamRZ 2020, 1009 Rn. 36 mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) dieser
Norm auf den Kinderzuschlag liegen nicht vor.

(aa) Zweifelhaft ist schon das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke.
Der Kinderzuschlag gemäß § 6 a BKGG ist mit dem Vierten Gesetz für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I
S. 2954) mit Wirkung ab 1. Januar 2005 eingeführt worden. Obwohl der Gesetzgeber
sich in der Folgezeit immer wieder mit § 6 a BKGG befasst hat, hat er den
Kinderzuschlag weder in § 1612 b BGB aufgenommen noch für ihn anderweitig
eine vergleichbare Regelung getroffen. Ebenso wenig hat er die grundlegende
Neukonzeption des § 1612 b BGB durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts
vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3189) zum Anlass genommen,
den zu diesem Zeitpunkt bereits im Bundeskindergeldgesetz normierten Kinderzuschlag
in die Bestimmung einzubeziehen.

(bb) Jedenfalls aber ist die für eine Analogie erforderliche Vergleichbarkeit
nicht gegeben, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht
nicht so weit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar
ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer
Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten
lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen
Abwägungsergebnis gekommen. Denn die Situation stellt sich für den Kinderzuschlag
auch dann anders als beim Kindergeld dar, wenn im Rahmen der
Unterhaltsberechnung für den nicht dem Familienverband angehörenden D. ein
Getrenntleben des Antragsgegners von seiner jetzigen Ehefrau fingiert wird, um
den Barunterhaltsanspruch der beiden gemeinsamen Kinder zu ermitteln, oder
wenn die Eltern tatsächlich getrennt leben.

Beim Kindergeld sind gemäß § 1 BKGG grundsätzlich beide Elternteile anspruchsberechtigt
und § 3 Abs. 2 Satz 1 BKGG stellt lediglich für die Frage der
Gewährung darauf ab, welcher Elternteil das Kind in seinen Haushalt aufgenommen
hat. Demgegenüber ist für den Kinderzuschlag bereits die Anspruchsberechtigung
gemäß § 6 a Abs. 1 BKGG daran gekoppelt, dass das Kind im Haushalt
des Elternteils wohnt. Mangels Anspruchsberechtigung desjenigen Elternteils,
in dessen Haushalt das Kind nicht wohnt, bedarf es schon nicht des unterhaltsrechtlichen
Ausgleichs zwischen mehreren Anspruchsberechtigten, dem
§ 1612 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB dient (vgl. Staudinger/Klinkhammer BGB
[2018] § 1602 Rn. 67). Darüber hinaus zielt der Kinderzuschlag allein auf die Sicherung
des sächlichen Existenzminimums des Kindes, nicht jedoch auf eine
Hilfe zur Erbringung des Betreuungsunterhalts ab. Deshalb ergibt sich aus
§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht das Erfordernis, eine Hälfte des Kinderzuschlags
für diesen zu reservieren und den Kinderzuschlag lediglich hälftig auf den Barbedarf
des Kindes anzurechnen (so aber Borth FamRZ 2019, 853, 855).

Eine lediglich hälftige Berücksichtigung des Kinderzuschlags als Einkommen
des Kindes ist unterhaltsrechtlich auch nicht geboten. Allerdings beeinflussen
sich Kinderzuschlag und Kindesunterhalt wechselseitig. Soweit ein Kinderzuschlag
gezahlt wird, ist der Unterhaltsbedarf des Kindes gedeckt und sein Unterhaltsanspruch
daher reduziert (vgl. zu Einzelheiten Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht
in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 1 Rn. 687). Umgekehrt
führt das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs dem Grundsatz nach dazu, dass
sich der Kinderzuschlag bei der nach § 6 a Abs. 7 Satz 1 BKGG jeweils für sechs
Monate erfolgenden Bewilligung gemäß § 6 Abs. 3 BKGG mindert, weil es sich
beim Kindesunterhalt um geltend zu machendes Einkommen des Kindes handelt
(vgl. etwa BSG Urteil vom 7. Dezember 2017 - B 14 AS 8/17 R - juris Rn. 19 ff.
mwN). Bis zum 30. Juni 2019 wurde der Kinderzuschlag in voller Unterhaltshöhe
(§ 6 a Abs. 3 Satz 1 BKGG aF), seit dem 1. Juli 2019 wird er gemäß § 6 a Abs. 3
Satz 3 BKGG um 45 % dieses Einkommens des Kindes gemindert. Die volle Berücksichtigung
des Kinderzuschlags als bedarfsdeckendes Einkommen des Kindes
kann aber nicht dazu führen, dass der Mindestunterhalt für das Kind nicht
erreicht wird (so aber Borth FamRZ 2019, 853, 856 Fn. 22). Vielmehr beruht eine
solche Unterdeckung stets darauf, dass die Leistungsfähigkeit des Barunterhaltspflichtigen
nicht ausreicht, um die nach Abzug von Kinderzuschlag und hälftigem
Kindergeld verbleibende Differenz zum Mindestunterhalt - die sich bei nur hälftigem
Abzug des Kinderzuschlags zudem vergrößern würde - zu schließen. Dies
gilt selbst ohne Berücksichtigung des Umstands, dass über § 6 b BKGG ergänzende
Leistungen zur Deckung des sozialhilferechtlichen Bedarfs des Kindes
möglich sind.

cc) Ob das Oberlandesgericht zu Recht eine sozialrechtliche Kontrollberechnung
angestellt hat, erscheint zwar zweifelhaft (kritisch hierzu Götsche
jurisPR-FamR 22/2019 Anm. 6). Das kann aber dahinstehen, weil es zu einer
Verringerung des Unterhaltsanspruchs des nicht der Bedarfsgemeinschaft angehörenden
(weiteren) unterhaltsberechtigten Kindes geführt hat und den allein die
Rechtsbeschwerde führenden unterhaltspflichtigen Antragsgegners daher nicht
beschwert.

c) Schließlich trifft die - von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogene -
tatrichterliche Behandlung des dem Antragsgegner gezahlten Verpflegungskostenzuschusses
als zu einem Drittel als Einkommen anzusetzende häusliche Ersparnis
(vgl. dazu auch Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen
Praxis 10. Aufl. § 1 Rn. 82 mwN) nicht auf rechtsbeschwerderechtliche Bedenken.
Insbesondere ist der Ansatz eines - die Leistungsfähigkeit (§ 1603 BGB)
des Antragsgegners vermindernden - geringeren Bruchteils als einem Drittel
nicht aus Rechtsgründen geboten.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

28.10.2020

Aktenzeichen:

XII ZB 512/19

Rechtsgebiete:

Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Kindes- und Verwandtenunterhalt

Normen in Titel:

BGB §§ 1601, 1603, 1612 lit. b Abs. 1; BKGG § 6 lit. a