Nachbarschaftsrecht: kein Schadensersatz statt der Leistung gem. § 281 BGB in Bezug auf Beseitigungsansprüche des Eigentümers aus § 1004 Abs. 1 BGB
letzte Aktualisierung: 25.5.2023
BGH, Urt. v. 23.3.2023 – V ZR 67/22
BGB §§ 281, 1004 Abs. 1
Nachbarschaftsrecht: kein Schadensersatz statt der Leistung gem.
Beseitigungsansprüche des Eigentümers aus
Die Vorschrift des
Eigentümers aus
Entscheidungsgründe:
A.
Das Berufungsgericht meint, dem Kläger stehe gegen die Beklagten unter
keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Zahlungsanspruch zu. Ein Anspruch aus
§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB komme nicht in Betracht, weil der Kläger die
Beklagten nicht durch Selbstvornahme der Arbeiten von deren Verbindlichkeit
aus
Abs. 1 und 3,
Anspruch aus
Für eine analoge Anwendung fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke.
Zahlungsansprüche könnten sich aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB oder § 906
Abs. 2 Satz 2 BGB analog ergeben; ein Vorschuss könne gemäß § 887 Abs. 2
ZPO im Wege der Zwangsvollstreckung eines Titels über den Beseitigungsanspruch
erlangt werden. Durch die Anwendung von
Wahlrecht des Schuldners in Bezug auf das Wie der Beseitigung umgangen.
Schließlich entstünden durch das in
des Beseitigungsanspruchs erhebliche Abgrenzungsprobleme, welche Beeinträchtigung
bereits vorhanden gewesen und abgegolten sei und welche nicht.
B.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.
I. Die Revision ist unzulässig, soweit der Kläger mit ihr seinen durch das
Berufungsgericht als unzulässig angesehenen Hilfsantrag auf Beseitigung der
Wurzeln weiterverfolgt, denn das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision
wirksam auf die Frage des Bestehens von Zahlungsansprüchen wegen der
Wurzeln der Pappel beschränkt.
1. Zwar enthält die Entscheidungsformel des Berufungsurteils nur eine Beschränkung
der Zulassung auf die Ansprüche wegen der Wurzeln der Pappel
und keine ausdrückliche Beschränkung auf die Hauptanträge bzw. auf Zahlungsansprüche.
Die Beschränkung der Rechtsmittelzulassung kann sich aber auch
aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es ist anerkannt, dass der Tenor im
Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten
Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen klar
ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht
als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren
selbstständigen Teil des Streitstoffs stellt (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom
30. März 2007 - V ZR 179/06,
11. März 2022 - V ZR 35/21,
den Entscheidungsgründen ergibt sich, dass das Berufungsgericht die Revision
nur zur Klärung der Frage zulassen wollte, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen
ein Eigentümer wegen in sein Grundstück gewachsener Wurzeln Zahlungsansprüche
geltend machen kann. Zwar könnte die Formulierung Rechte eines
Nachbarn, insbesondere Schadensersatzansprüche isoliert betrachtet auch Beseitigungsansprüche
umfassen. Mit den hierzu vertretenen unterschiedlichen
Ansichten hat sich das Berufungsgericht jedoch nur im Hinblick auf die Zahlungsansprüche
befasst. Über den Beseitigungsanspruch hat es - wegen der von
ihm angenommenen Unzulässigkeit der Klageänderung - nicht in der Sache entschieden.
Die von ihm als zulassungsrelevant angesehene Frage betrifft nur den
mit den Hauptanträgen geltend gemachten Streitstoff (Zahlungsanspruch,
Nebenforderungen und Feststellungsantrag).
2. Die Beschränkung ist wirksam. Nach der ständigen Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision nur auf einen tatsächlich
und rechtlich selbständigen und damit abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs,
auf den auch die Partei selbst ihre Revision beschränken könnte, beschränkt
werden. Das setzt voraus, dass der von der Zulassungsbeschränkung
betroffene Teil des Streits in tatsächlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen
Streitstoff beurteilt werden kann und eine Änderung des von der beschränkten
Zulassung erfassten Teils nicht in die Gefahr eines Widerspruchs zu dem nicht
anfechtbaren Teil gerät (st. Rspr., vgl. zuletzt Senat, Urteil vom 11. November
2022 - V ZR 213/21,
die Hauptanträge, mit denen Schadensersatz bzw. die Feststellung künftiger Verpflichtung
zum Ersatz von Schäden begehrt wird, können in tatsächlicher Hinsicht
unabhängig von dem mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Beseitigungsanspruch
beurteilt werden und nicht in Widerspruch zu diesem geraten.
II. Die somit nur hinsichtlich der Abweisung des Zahlungs- und des Feststellungsantrags
zulässige Revision ist unbegründet.
1. Das Berufungsgericht verneint zu Recht einen Anspruch des Klägers
ebenheit des Pflasters (durch Aufnahme der Pflastersteine, Entfernung der Wurzeln
und Wiederverlegung der Pflastersteine).
a) Für einen Anspruch aus
BGB oder § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2,
Vornahme der Arbeiten durch den Kläger. Nach der ständigen Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs kann der Eigentümer, der eine Beeinträchtigung seines
Eigentums selbst beseitigt hat, von dem nach
hierzu verpflichteten Störer Ersatz der zu der Störungsbeseitigung erforderlichen
Aufwendungen verlangen, weil er ein Geschäft des Störers besorgt hat, oder,
wenn sich die Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag nicht feststellen
lassen, weil der Störer von seiner Beseitigungspflicht frei geworden und
deshalb ungerechtfertigt bereichert ist (vgl. etwa Senat, Urteil vom 23. Februar
1973 - V ZR 109/71,
- V ZR 142/04,
Pflasters aber bislang nicht beseitigt.
b) Das Berufungsgericht geht weiter zutreffend davon aus, dass der Anspruch
aus
Zahlung eines Kostenvorschusses gerichtet ist (vgl. Senat, Urteil vom
21. April 1989 - V ZR 248/87,
der Vorschrift und der Gesetzessystematik, denn das Bürgerliche Gesetzbuch
gewährt Vorschussansprüche nur in Ausnahmefällen, etwa im Werkvertrags-
oder Auftragsrecht (zutreffend OLG Brandenburg,
MüKoBGB/Raff, 9. Aufl., § 1004 Rn. 285; BeckOK BGB/Fritzsche [1.11.2022],
§ 1004 Rn. 84).
c) Dem Kläger steht gegen die Beklagten auch kein nachbarrechtlicher
Ausgleichsanspruch analog
des Bundesgerichtshofs, insbesondere des Senats, ist ein solcher auf
einen angemessenen Ausgleich in Geld gerichteter Anspruch gegeben, wenn
von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung Einwirkungen
auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer
entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen, sofern der
davon betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen
gemäß
Urteil vom 11. Juni 1999 - V ZR 377/98,
21. Mai 2010 - V ZR 10/10,
aber nicht an der Durchsetzung seines Abwehr- und Beseitigungsanspruchs gehindert.
Ihm steht nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts
gegen die Beklagten ein Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung aus
der unter dem Pflaster befindlichen Wurzeln, sondern auch die hierfür erforderliche
Aufnahme der Pflastersteine und deren anschließende Wiederverlegung
(vgl. Senat, Urteil vom 4. Februar 2005 - V ZR 142/04,
Urteil vom 28. November 2003 - V ZR 99/03,
18. April 1997 - V ZR 28/96,
d) Der Kläger hat gegen die Beklagten auch keinen Schadensersatzanspruch
aus
auf den Wurzelüberwuchs ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich.
e) Richtig sieht das Berufungsgericht schließlich auch, dass dem Kläger
gegen die Beklagten kein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 und 3,
- hier: auf Entfernung der herübergewachsenen Wurzeln und Wiederherstellung
des Pflasters der Garageneinfahrt - keine Anwendung.
aa) Dies ist allerdings in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Die
Frage, inwieweit die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts, insbesondere
die des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, auch auf dingliche Ansprüche Anwendung
finden, beschäftigt die Rechtswissenschaft und Rechtspraxis bereits
seit den Beratungen über den Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches (vgl.
Croon-Gestefeld, ZfPW 2022, 285 f. mwN).
(1) In Rechtsprechung und Literatur wird überwiegend die Ansicht vertreten,
dass
Satz 1 BGB (entsprechende) Anwendung findet. Dies wird mit den dadurch erzielten
sachgerechten Ergebnissen begründet. So müsse ein Eigentümer, der die
Arbeiten nicht vorfinanzieren könne, nicht zunächst einen Titel auf Beseitigung
der Beeinträchtigung erwirken, um von dem Schuldner sodann im Wege der
Zwangsvollstreckung gemäß
Wahlweise könne er sich auch dafür entscheiden, die Beeinträchtigung hinzunehmen
und eine Entschädigung zu erhalten. Zudem sei der Anspruch, anders
als derjenige aus
Auch könne nur so ein Gleichlauf mit dem Herausgabeanspruch aus
hergestellt werden, auf den
Schlechterstellung des dinglichen gegenüber dem persönlichen Gläubiger nicht
gerechtfertigt (vgl. OLG Karlsruhe,
BGB [1.7.2022], § 275 Rn. 36, § 280 Rn. 60, 67 f.; BeckOK BGB/Fritzsche
[1.8.2022], § 1004 Rn. 82, 84 f.; MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl., § 812 Rn. 376;
jurisPK-BGB/Seichter, 9. Aufl., § 281 Rn. 6; NK-BGB/Schmidt-Räntsch/Keukenschrijver,
5. Aufl., § 1004 Rn. 101, 177; Erman/Ebbing, BGB, 16. Aufl., § 1004
Rn. 71; Grüneberg/Herrler, BGB, 82. Aufl., § 1004 Rn. 48; Müller/Gruber,
Sachenrecht, 2016, § 42 Rn. 1245; Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung,
2015, S. 405, 426 f.; Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, 2005,
4. Teil, § 18 Rn. 12; Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, 2002,
Rn. 189; Herresthal/Riehm,
(2) Die Gegenauffassung, der auch das Berufungsgericht folgt, lehnt eine
Anwendung des
Satz 1 BGB ab. Die nach dieser Vorschrift geschuldete Rechtsverwirklichung sei
keine Leistung im Sinne von
sein Vermögen - im Sinne eines positiven Leistungsinteresses - mehren wolle.
Für eine analoge Anwendung fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke.
Die Kosten einer Selbstvornahme könne der Eigentümer nach § 683 Satz 1,
bleibende Beeinträchtigung werde er ggf. analog
Schließlich könne auch die in
- das Erlöschen des Leistungsanspruchs - nicht eintreten. Solange die Beeinträchtigung
fortbestehe, könne der Beseitigungsanspruch nicht erlöschen
bzw. entstehe sofort wieder neu. An etwaige schuldrechtliche Vereinbarungen
sei ein Rechtsnachfolger nicht gebunden (vgl. MüKoBGB/Raff, 9. Aufl., § 1004
Rn. 259 ff., 283; Staudinger/Olzen, BGB [2019], Einleitung zu §§ 241 ff. Rn. 20;
Staudinger/Gursky, BGB [2012], § 1004 Rn. 159, 168 f.; Soergel/Münch, BGB,
13. Aufl., § 1004 Rn. 321; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 8. Aufl.,
§ 35 Rn. 19; Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, 1972, S. 158 ff.;
Rüscher,
Katzenstein, AcP 206 [2006], 96, 104 f.; Lettl,
(3) Vereinzelt wird angenommen, dass eine Anwendung von
auf
Eigentümer die Beeinträchtigung selbst beseitigt oder im Gegenzug für die Schadensersatzzahlung
eine Duldungspflicht mit dinglicher Wirkung begründet. In beiden
Fällen bestehe kein Konflikt mit der in
Rechtsfolge. Werde die Beeinträchtigung beseitigt, entfalle bereits deswegen die
Beseitigungspflicht und damit auch die Gefahr einer erneuten Inanspruchnahme
durch einen Rechtsnachfolger. Bestehe für eine fortdauernde Beeinträchtigung
eine dinglich gesicherte Duldungspflicht, sei hieran auch ein Rechtsnachfolger
gebunden (vgl. BeckOGK/Spohnheimer, BGB [1.11.2022], § 1004 Rn. 55; nur für
die sog. Selbstvornahmefälle auch Staudinger/Thole, BGB [2019], § 1004
Rn. 419; BeckOGK/Vollkommer, BGB [1.11.2022], § 910 Rn. 35; Bezzenberger,
bb) Höchstrichterlich ist bislang noch nicht geklärt, ob die Vorschrift des
angewendet werden kann. Der Senat hat dies für zweifelhaft gehalten,
aber bislang ausdrücklich offen gelassen (vgl. Senat, Urteil vom
11. Juni 2021 - V ZR 41/19,
vom 12. November 2021 - V ZR 271/20,
die Frage nunmehr dahin, dass die Vorschrift des
des Eigentümers aus
findet.
(1) Aus dem Wortlaut von
Norm im das Recht der Schuldverhältnisse regelnden Buch 2 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs ergibt sich nicht eindeutig, ob die Vorschrift auch auf die in Buch 3
geregelten dinglichen Ansprüche Anwendung findet.
(a) Zwar weisen dingliche und schuldrechtliche Ansprüche ihrem Rechtscharakter
nach Unterschiede auf. So hat der dingliche Anspruch im Gegensatz
zum schuldrechtlichen seinen Grund nicht in einer Beziehung des Berechtigten
zu einem bestimmten Verpflichteten, sondern in einem Recht unmittelbarer Herrschaft
über eine Sache. Er ist mit dem dinglichen Recht insofern untrennbar verbunden,
als er die Verwirklichung des diesem Recht entsprechenden Zustandes
gegenüber demjenigen ermöglicht, der den gegenteiligen Zustand aufrechterhält.
Daher ist er, anders als der schuldrechtliche Anspruch, einerseits nicht selbständig
übertragbar, während er andererseits mit dem Übergang des absoluten
Rechts ohne weiteres auf den neuen Rechtsinhaber übergeht (vgl. zum Ganzen
Senat, Urteil vom 23. Februar 1973 - V ZR 109/71,
(b) Dies schließt aber die Anwendbarkeit schuldrechtlicher Regelungen
auf dingliche Ansprüche nicht generell aus.
(aa) Der historische Gesetzgeber ging davon aus, dass die Vorschriften
des allgemeinen Schuldrechts auch für dingliche Ansprüche gelten, wenn diese
einen obligationsähnlichen Charakter aufweisen, weil sie sich gegen eine bestimmte
Person richten und von dieser eine Leistung verlangen (vgl. Motive II
S. 4 und III S. 398). Von der Aufnahme einer Bestimmung über die entsprechende
Anwendbarkeit der Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts wurde jedoch
mit der Begründung abgesehen, dass es sich mehr um eine der weiteren
Prüfung und Begrenzung durch die Wissenschaft zu überlassende Rechtswahrheit
als um einen positiven Rechtssatz handele (Motive III S. 399). Es ist daher
für jeden dinglichen Anspruch gesondert zu prüfen, ob die Vorschriften des allgemeinen
Schuldrechts auf ihn angewendet werden können (vgl. Senat, Urteil
vom 19. Januar 1968 - V ZR 190/64,
2015 - V ZR 202/14,
dann in Betracht, wenn nicht die besondere Natur des dinglichen Anspruchs oder
besondere sachenrechtliche Vorschriften eine abweichende Behandlung erfordern
(vgl.
§ 275 Rn. 37, § 280 Rn. 59; Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung, 2015,
S. 405). Nach diesem Maßstab hat der Senat sowohl die Anwendbarkeit einzelner
Vorschriften aus dem allgemeinen Schuldrecht auf den Beseitigungsanspruch
aus
281 BGB auf einzelne andere dingliche Ansprüche bejaht.
(bb) Aus dem Beseitigungsanspruch nach
sich Leistungspflichten des Schuldners ergeben, auf die Regelungen des
allgemeinen Schuldrechts zur Anwendung kommen können (vgl. Senat, Urteil
vom 4. Dezember 2015 - V ZR 202/14,
Schuldner gegenüber dem Beseitigungsanspruch etwa auf das Leistungsverweigerungsrecht
des
- V ZR 184/07,
21. Juni 1974 - V ZR 164/72,
des Gläubigers ist bei diesem Anspruch in entsprechender Anwendung des
in Verzug, haftet er gemäß
dadurch verursachte Schäden (vgl. Senat, Urteil vom 26. März 2021
- V ZR 77/20,
auf den Zustimmungsanspruch aus
2015 - V ZR 202/14, aaO Rn. 11 ff.).
(cc) Auch die Anwendbarkeit von
nicht von vornherein ausgeschlossen. So hat der Senat für den Herausgabeanspruch
aus
- V ZR 89/15,
(2) Die Anwendung von
Eigentümers aus
dieses Anspruchs und seiner sachenrechtlichen Zielrichtung nicht in Betracht.
(a) Dies gilt zunächst für den Fall, dass der Eigentümer - wie hier - die
Beeinträchtigung seines Eigentums nicht nach Fristsetzung gegenüber dem Störer
selbst beseitigt hat, sondern entweder bereit ist, die Beeinträchtigung im
Sinne eines dulde und liquidiere hinzunehmen, oder aber den Schadensersatz
wie einen Vorschuss dazu verwenden will, die Beeinträchtigung selbst zu beseitigen.
(aa) Eine Schadensersatzzahlung, die unabhängig von der Beseitigung
der Beeinträchtigung geleistet wird und über deren Verwendung der Eigentümer
frei entscheiden kann, wäre mit dem Zweck des Beseitigungsanspruchs nicht
vereinbar. Dieser hat lediglich zum Ziel, den dem Eigentumsrecht entsprechenden
Zustand wiederherzustellen (sog. Rechtsverwirklichungsfunktion). Er dient
also nur der Verteidigung eines bereits vorhandenen Vermögensgegenstandes
(sog. Integritätsinteresse), während mit einem schuldrechtlichen Anspruch das
Vermögen des Gläubigers zu Lasten des Vermögens des Schuldners gemehrt
werden soll (sog. Leistungsinteresse). Der Beseitigungsanspruch umfasst nach
der höchstrichterlichen Rechtsprechung zwar nicht nur die Beseitigung der Störungsursache
im engeren Sinne, sondern auch die Beseitigung der dabei
zwangsläufig eintretenden weiteren Eigentumsbeeinträchtigungen - wie hier die
Wiederverlegung der Pflastersteine nach Entfernung der Wurzeln (vgl. hierzu
oben Rn. 12). Dass er dadurch dem Umfang nach einer Verpflichtung zum
Schadensersatz angenähert ist und ihm teilweise schadensersetzende Wirkung
zukommt, ändert aber nichts daran, dass sich das Bürgerliche Gesetzbuch mit
dem Beseitigungsanspruch grundsätzlich gegen das Prinzip dulde und liquidiere
entschieden hat. Eine Zahlung, die unabhängig von der Beseitigung der
Beeinträchtigung geleistet wird, wäre hiermit nicht vereinbar, da nicht gewährleistet
wäre, dass der dem Eigentumsrecht entsprechende Zustand tatsächlich wiederhergestellt
wird (vgl. zur Zielrichtung des Beseitigungsanspruchs Motive III
S. 398, 423; Senat, Urteil vom 22. Januar 2021 - V ZR 12/19,
Rn. 37; Urteil vom 13. Januar 2012 - V ZR 136/11,
vom 4. Februar 2005 - V ZR 142/04,
23. Februar 1973 - V ZR 109/71,
(bb) Insbesondere stünde die in
der Ausschluss des Leistungsanspruchs, mit diesem Zweck in Widerspruch.
Der Beseitigungsanspruch müsste nach dieser Regelung auch dann erlöschen,
wenn die Beeinträchtigung - wie hier - tatsächlich noch fortbesteht. Dies
ist indes nicht möglich, da der Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1
BGB bei fortbestehender Beeinträchtigung sofort wieder neu entstünde. Selbst
wenn er, was dogmatisch schon nicht zu begründen wäre, in der Person des
derzeitigen Eigentümers mit dessen Schadensersatzverlangen dauerhaft erlösche,
entstünde er jedenfalls in der Person eines Einzelrechtsnachfolgers sofort
wieder neu und könnte dieser den Störer ungeachtet des von diesem bereits an
den Voreigentümer geleisteten Schadensersatzes erneut auf Beseitigung in Anspruch
nehmen. Vor einer solchen doppelten Inanspruchnahme kann der Störer
- anders als der Schuldner eines Herausgabeanspruchs aus
nicht effektiv geschützt werden. Selbst wenn im Verhältnis zwischen Störer und
ursprünglichem Eigentümer mit dem Schadensersatzverlangen eine Duldungspflicht
begründet würde, hätte diese rein schuldrechtlichen Charakter und wäre
der Rechtsnachfolger hieran nicht gebunden (vgl. Senat, Urteile vom
11. Juni 2021 - V ZR 41/19,
2008 - V ZR 31/07,
(cc) Zudem gibt es bei dem Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1
Satz 1 BGB - anders als bei dem Herausgabeanspruch aus
dringendes praktisches Bedürfnis für die (analoge) Anwendung des
Das Kosteninteresse des Eigentümers ist auch ohne die Anwendung von § 281
BGB hinreichend geschützt. Fehlen ihm die finanziellen Mittel, um die Beeinträchtigung
selbst zu beseitigen, kann er den Störer - notfalls unter Inanspruchnahme
von Prozesskostenhilfe - gerichtlich auf Beseitigung in Anspruch nehmen und im
Wege der Zwangsvollstreckung gemäß
(MüKoBGB/Raff, 9. Aufl., § 1004 Rn. 260 f.). Für Verzögerungsschäden
haftet der Störer gemäß
(dd) Schließlich würde durch die Anwendung des
des Schuldners, zwischen verschiedenen Beseitigungsmöglichkeiten zu wählen
(vgl. hierzu Senat, Urteil vom 22. Januar 2021 - V ZR 12/19,
Rn. 10 mwN), beeinträchtigt. Es würde nicht erst im Rahmen der Zwangsvollstreckung
eines Titels über die Beseitigung der Beeinträchtigung, sondern bereits
nach erfolglosem Ablauf der gesetzten Frist und Äußerung des Schadensersatzverlangens
durch den Eigentümer entfallen. Auch wäre unklar, nach welcher der
wahlweise zur Verfügung stehenden Beseitigungsmaßnahmen der Schadensersatz
zu berechnen wäre.
(ee) Dass der Gläubiger des dinglichen Anspruchs aus § 1004 Abs. 1
Satz 1 BGB mit der Nichtanwendung des
schuldrechtlicher Gläubiger, ändert an diesem Ergebnis nichts. Es gibt keinen
Grundsatz des Inhalts, dass der dingliche Gläubiger stets dem schuldrechtlichen
Gläubiger (mindestens) gleichzustellen sei; der dingliche Gläubiger steht anders
als der schuldrechtliche Gläubiger und nicht notwendig ebenso gut oder besser
(zutreffend Staudinger/Thole, BGB [2019], § 985 Rn. 28; MüKoBGB/Baldus,
9. Aufl., § 985 Rn. 161, 167; Katzenstein, AcP 206 [2006], 96, 121 ff.;
Baldus/Raff,
Senat die Anwendbarkeit der
aus
bei seiner Rechtsverfolgung nicht schlechter zu stellen sei als der schuldrechtliche
(Senat, Urteil vom 18. März 2016 - V ZR 89/15,
dieser Satz als allgemeiner Rechtsgrundsatz verstanden werden könnte, hält der
Senat hieran nicht fest. Der Gesichtspunkt war für die Entscheidung nicht tragend.
(ff) Wegen der vorgenannten Unterschiede zwischen dem Beseitigungsanspruch
aus
trotz der mit diesem Anspruch bestehenden Wesensgleichheit (vgl. Motive III,
S. 422) kein Gleichlauf bei der Anwendbarkeit von
(vgl. zur dogmatischen und funktionalen Einordnung des
zu
Schwerdtner, Verzug im Sachenrecht, 1973, S. 155 f.; Korth, ZJS 2008, 647, 654;
Croon-Gestefeld, ZfPW 2022, 285, 297).
(b)
aber auch dann keine Anwendung, wenn der Eigentümer die Beeinträchtigung
- anders als im vorliegenden Fall - selbst beseitigt (sog. Selbstvornahme).
(aa) Zwar bestünde insoweit kein Konflikt mit dem in
geregelten Erlöschen des Erfüllungsanspruchs, da der Anspruch aus § 1004
Abs. 1 Satz 1 BGB bereits mit der Beseitigung der Beeinträchtigung durch den
Eigentümer entfiele. Auch wäre es nicht schwierig, den erloschenen Anspruch
von neu entstehenden Ansprüchen abzugrenzen. In diesen Fällen besteht aber
erst recht kein Bedürfnis für die Anwendung des
der eine Beeinträchtigung seines Eigentums selbst beseitigt hat, von dem nach
den Ersatz der zu der Störungsbeseitigung erforderlichen Aufwendungen verlangen
kann (siehe oben Rn. 10; zu diesem Argument auch Hohloch, Die negatorischen
Ansprüche und ihre Beziehungen zum Schadensersatzrecht, 1976,
S. 191; Lettl,
keine größere Schutzlücke auf Rechtsfolgenseite, da der nach
geschuldete Wertersatz objektiv zu bestimmen ist und sich der Schuldner nur
ausnahmsweise auf den Wegfall der Bereicherung gemäß
berufen können (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2006 - VIII ZR 172/05, BGHZ 168,
220 Rn. 39 mwN). Wenn der Eigentümer keinen Primärrechtsschutz erlangen
kann, steht ihm ggf. analog
hierzu oben Rn. 12 sowie Lettl,
(bb) Gegen die Anwendung von
sprechen zudem systematische Gründe. Die Regelung ist nämlich darauf angelegt,
dass der Eigentümer zwischen Erfüllungs- und Schadensersatzanspruch
wählen kann; erst mit der Erklärung des Schadensersatzverlangens soll der Anspruch
auf die Primärleistung nach
elektive Konkurrenz, vgl. hierzu BGH, Urteil vom 9. November 2017
- IX ZR 305/16,
aber nach Beseitigung der Beeinträchtigung nicht haben, denn die Ansprüche
können nicht gleichzeitig bestehen: Bevor der Eigentümer die Beeinträchtigung
beseitigt hat, hat er keinen Schadensersatzanspruch, und mit der Beseitigung
der Beeinträchtigung entfällt sein Erfüllungsanspruch (vgl. Staudinger/
Gursky, BGB [2012], § 1004 Rn. 169). Soweit dem entgegengehalten wird,
Entstehen des Schadensersatzanspruchs (so Staudinger/Thole, BGB [2019],
§ 1004 Rn. 419), greift dies zu kurz, weil nur Abs. 4 der Norm in den Blick genommen
wird, sich die in
dem Zusammenspiel von Abs. 1 und Abs. 4 ergibt.
2. Zutreffend verneint das Berufungsgericht auch einen Anspruch des Klä-
Wurzelsperre. Die Vorschrift des
Abs. 1 Satz 2 BGB auf Unterlassung künftiger Eigentumsbeeinträchtigung - hier:
Verhinderung des Herüberwachsens von Wurzeln - keine Anwendung. Die vorstehenden
Ausführungen gelten entsprechend. An dem auf Unterlassung einer
künftigen Beeinträchtigung gerichteten Anspruch wird zudem besonders deutlich,
dass der Mechanismus des
mit dem Schadensersatzverlangen entfallen lässt, von vornherein nicht greifen
kann; denn der Anspruch auf Unterlassung entstünde, etwa bei einer fortdauernden
Immission oder - wie hier - bei ständig nachwachsenden Wurzeln, immer
wieder neu (zutreffend Staudinger/Thole, BGB [2019], § 1004 Rn. 419; Staudinger/
Gursky, BGB [2012], § 1004 Rn. 168; MüKoBGB/Raff, 9. Aufl., § 1004
Rn. 262; Croon-Gestefeld, ZfPW 2022, 285, 296, 304 f.).
3. In den Grenzen der Zulassung ist dem Berufungsgericht ferner darin
zuzustimmen, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung seiner vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten gegen die Beklagten hat. § 280 Abs. 1 und 3, § 281
BGB scheidet aus den vorgenannten Gründen als Anspruchsgrundlage aus. Ob
dem Kläger ein Anspruch aus
Senat wegen der nur beschränkten Zulassung der Revision nicht zu prüfen, da
ein solcher Anspruch nicht von dem Bestehen des Zahlungsanspruchs abhängig
wäre.
4. Der Feststellungsantrag hat im Ergebnis keinen Erfolg. Soweit damit
eine Schadensersatzpflicht der Beklagten für zukünftige Kosten festgestellt werden
soll, ist der Antrag unbegründet, weil ein Schadensersatzanspruch aus den
dargelegten Gründen nicht besteht. Soweit sich der Antrag auf Feststellung einer
Kostenerstattungspflicht der Beklagten nach durchgeführter Selbstvornahme
richtet, ist er wegen des Vorrangs der Leistungsklage bzw. dem Fehlen eines
Feststellungsinteresses gemäß
kann entweder nach durchgeführter Selbstvornahme Klage auf Kostenerstattung
erheben oder - wenn er das mit einer Vorfinanzierung der Kosten verbundene
Risiko vermeiden möchte - zunächst auf Beseitigung klagen und das erwirkte
Urteil dann im Wege der Ersatzvornahme vollstrecken.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:23.03.2023
Aktenzeichen:V ZR 67/22
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Vormerkung
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BGB §§ 281, 1004 Abs. 1