BGH 10. Dezember 2020
IX ZR 24/20
InsO § 301

Geltendmachung einer Zwangshypothek bei Restschuldbefreiung möglich

letzte Aktualisierung: 12.5.2021
BGH, Urt. v. 10.12.2020 – IX ZR 24/20

InsO § 301
Geltendmachung einer Zwangshypothek bei Restschuldbefreiung möglich

Die Restschuldbefreiung begründet keinen Anspruch auf Erteilung einer Löschungsbewilligung
hinsichtlich einer vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetragenen Zwangshypothek der
Gemeinschaftsordnung.

Entscheidungsgründe:

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts (vgl. MDR 2020, 631) hat sich die
Restschuldbefreiung nicht auf die streitgegenständliche Zwangshypothek ausgewirkt.
Diese bestehe vielmehr gemäß § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO fort. Die Zwangshypothek
berechtige im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung gemäß
§ 49 InsO. Sie unterscheide sich insoweit nicht von einer rechtsgeschäftlich
bestellten Hypothek. Anhaltspunkte dafür, dass eine Zwangshypothek nicht unter
die Ausnahmeregelung des § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO falle, gebe es nicht. Ob der
Insolvenzverwalter das Grundstück freigegeben habe, sei unerheblich.

II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

1. Grundlage des Begehrens des Klägers ist § 1169 BGB. Nach dieser
Vorschrift kann der Grundstückseigentümer vom Hypothekengläubiger verlangen,
auf die Hypothek zu verzichten, wenn ihm eine Einrede zusteht, durch welche
die Geltendmachung der Hypothek dauernd ausgeschlossen wird. Statt eines
Verzichts gemäß § 1168 BGB, durch welchen die Hypothek auf den Eigentümer
übergeht, kann der Eigentümer nach seiner Wahl auch die Bewilligung der
Löschung der Hypothek gemäß § 875 Abs. 1 BGB verlangen, denn der Hypothekengläubiger
wird hierdurch nicht zusätzlich belastet (RGZ 91, 218, 226). Mit der
Rechtskraft eines stattgebenden Urteils gilt die Löschungsbewilligung als erteilt
(§ 894 Satz 1 ZPO).

2. Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 1169 BGB sind jedoch
nicht erfüllt. Die dem Kläger gewährte Restschuldbefreiung steht einer Geltendmachung
der vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetragenen Zwangshypothek
nicht entgegen.

a) Voraussetzung einer Zwangshypothek ist ein vollstreckbarer Titel des
Gläubigers gegen den Schuldner, der regelmäßig zugleich auch der Grundstückseigentümer
ist. Die Sicherungshypothek wird auf Antrag des Gläubigers in
das Grundbuch eingetragen. Die Eintragung wird auf dem vollstreckbaren Titel
vermerkt. Mit der Eintragung entsteht die Hypothek (vgl. § 867 Abs. 1 Satz 1 und
2 ZPO). Die Zwangshypothek ist eine Sicherungshypothek im Sinne von § 1184
BGB. Als solche ist sie streng akzessorisch. Das Recht des Vollstreckungsgläubigers
aus der Hypothek bestimmt sich nur nach der Forderung. Erlischt die Forderung
nach Eintragung der Hypothek, so erwirbt der Eigentümer die Hypothek
als Eigentümerhypothek (§ 1163 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ebenso kann der Eigentümer
in den Grenzen des § 767 Abs. 2, § 796 Abs. 2 ZPO die ihm als dem persönlichen
Schuldner gegen die Forderung zustehenden Einreden gelten machen
(§ 1137 Abs. 1 BGB). Das sind grundsätzlich alle Einreden, die den Schuldner
berechtigen, die Befriedigung der Forderung auf Dauer oder für eine bestimmte
Zeit zu verweigern, etwa die Einrede der Stundung, des Zurückbehaltungsrechts
oder des nicht erfüllten Vertrages.

b) Es gibt jedoch auch Einreden und Einwendungen gegen die gesicherte
Forderung, die einer Inanspruchnahme der Hypothek gerade nicht entgegenstehen.
In diesen Fällen soll die Sicherung als solche zum Tragen kommen, die Hypothek
den Ausfall der Forderung also gerade kompensieren. So kann sich der
Eigentümer nach dem Tod des Forderungsschuldners nicht wie dessen Erben
auf die beschränkte Erbenhaftung berufen (§ 1137 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Einrede
der Verjährung steht ihm ebenfalls nicht zu (§ 216 Abs. 1 BGB). Die Herabsetzung
der Forderung durch einen Zwangsvergleich (§ 193 Satz 2 KO) oder einen
Vergleich (§ 82 Abs. 2 VerglO) nach altem Recht konnte der Eigentümer
ebenso wenig geltend machen. Im Insolvenzverfahren berechtigt die Hypothek
nach Maßgabe des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung
zur abgesonderten Befriedigung (§ 49 InsO), obwohl die durch die Hypothek
gesicherte persönliche Forderung nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren
verfolgt werden kann (§ 87 InsO) und eine Befriedigung im
Wege der Einzelzwangsvollstreckung nicht möglich ist (§ 89 InsO). In allen genannten
Fällen hatte oder hat der Eigentümer die Zwangsvollstreckung aus der
Hypothek in das belastete Grundstück zu dulden, ohne sich auf die mangelnde
Durchsetzbarkeit der gesicherten Forderung berufen zu können.

c) Die Restschuldbefreiung dient dazu, den Schuldner von seinen im Insolvenzverfahren
über sein Vermögen nicht befriedigten Verbindlichkeiten zu befreien
(§ 1 Satz 2, § 286 InsO). Sie wirkt gegen alle Insolvenzgläubiger (§ 301
Abs. 1 Satz 1 InsO). Die Restschuldbefreiung führt, wie sich insbesondere aus
§ 301 Abs. 3 InsO ergibt, nicht zum Erlöschen der von ihr betroffenen Forderung.
Diese wird vielmehr zu einer unvollkommenen Verbindlichkeit, zu einer Naturalobligation,
die weiterhin erfüllbar, aber nicht erzwingbar ist (BT-Drucks. 12/2443,
S. 194 zu § 250 InsO-E; BGH, Beschluss vom 25. September 2008 - IX ZB
205/06, WM 2008, 2219 Rn. 11; vom 3. Dezember 2009 - IX ZB 247/08, BGHZ
183, 258 Rn. 36; Urteil vom 22. März 2018 - IX ZR 163/17, WM 2018, 909 Rn. 19;
Beschluss vom 18. Juni 2020 - IX ZB 46/18, WM 2020, 1313 Rn. 19). Eine Hypothek,
die eine Insolvenzforderung sichert, geht folglich durch die Erteilung der
Restschuldbefreiung nicht gemäß § 1163 Abs. 1 Satz 2 BGB auf den Eigentümer
über. Gemäß § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO werden die Rechte der Insolvenzgläubiger
aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung
berechtigt, durch die Restschuldbefreiung auch im Übrigen nicht berührt. Die Hypothek
berechtigt zur Befriedigung aus dem belasteten Grundstück (vgl. § 1113
Abs. 1 BGB). Im Insolvenzverfahren berechtigt sie gemäß § 49 InsO zur abgesonderten
Befriedigung.

d) Für eine Zwangshypothek gilt insoweit nichts anderes als für rechtsgeschäftlich
bestellte Hypotheken. Sie fällt ebenfalls unter § 49 InsO (vgl. etwa
MünchKomm-InsO/Ganter, 4. Aufl., § 49 Rn. 55, 69; HK-InsO/Lohmann,
10. Aufl., § 49 Rn. 3, 20; vgl. auch BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 - IX ZR
232/04, BGHZ 166, 74 Rn. 13). Die Zwangshypothek ist ein Recht an einem
Grundstück gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG (vgl. etwa Böttcher, ZVG, 6. Aufl., § 10
Rn. 49), nach den Vorschriften des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und
Zwangsverwaltung also, auf das § 49 InsO verweist. Damit unterfällt sie § 301
Abs. 2 Satz 1 InsO. Sie bleibt von der Restschuldbefreiung unberührt. Der Gläubiger
kann aus ihr während des Insolvenzverfahrens, nach Freigabe des Grundstücks
durch den Verwalter, nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und auch
nach Erteilung der Restschuldbefreiung vollstrecken.

e) Die Einwände der Revision und diejenigen des Klägers in den Vorinstanzen
greifen nicht durch.

aa) Der Grundsatz der Akzessorietät von Hypothek und gesicherter Forderung
gilt nur, soweit § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO keine abweichende Regelung
trifft.

bb) Entgegen der vorinstanzlich geäußerten Rechtsansicht des Klägers
bedarf der Gläubiger einer Zwangshypothek keines Duldungstitels, soweit er sich
im Wege der Zwangsversteigerung befriedigen will. Gemäß § 867 Abs. 3 ZPO
genügt hierfür der vollstreckbare Titel, soweit auf ihm die Eintragung der Hypothek
vermerkt ist. Wenn es diese Vorschrift nicht gäbe oder wenn der Gläubiger
die Hypothek in anderer Weise als im Wege der Zwangsversteigerung verwerten
will, ändert sich im Ergebnis nichts. Der Gläubiger kann gemäß § 1147 BGB aus
der Hypothek auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück klagen.
Einer Durchsetzung der persönlichen Forderung, die nach der Erteilung der Restschuldbefreiung
nicht mehr möglich wäre, bedarf es nicht.

cc) Die Vorschrift des § 868 ZPO ist im Falle der Erteilung der Restschuldbefreiung
schließlich ebenfalls nicht anwendbar. Nach dieser Vorschrift erwirbt
der Eigentümer des Grundstücks die Zwangshypothek, wenn die zu vollstreckende
Entscheidung oder ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben worden
ist. Gegenüber § 868 ZPO ist § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO die speziellere Vorschrift.

Sie besagt ausdrücklich, dass die Rechte aus einer Hypothek - auch einer
Zwangshypothek - von der Erteilung der Restschuldbefreiung unberührt bleiben.

3. Ob und in welcher Höhe die zur Tabelle angemeldeten und vom Insolvenzverwalter
festgestellten Zins- und sonstigen Nebenforderungen durch die
Zwangshypothek gesichert sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Gegenstand
des Rechtsstreits ist die Frage, ob die Beklagte zur Erteilung einer Löschungsbewilligung
verpflichtet ist. Das ist, wie gezeigt, nicht der Fall.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

10.12.2020

Aktenzeichen:

IX ZR 24/20

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Insolvenzrecht
Grundpfandrechte
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Erschienen in:

RNotZ 2021, 143-145
NotBZ 2021, 215-219

Normen in Titel:

InsO § 301