BGH 02. März 2023
V ZB 64/21
BGB §§ 1092 Abs. 1 S. 2, 1093; ZPO § 857 Abs. 3; InsO §§ 36 Abs. 1 S. 1, 80 Abs. 1

Wohnungsrecht; Zulässigkeit der Bestellung am eigenen Grundstück; Pfändung eines Eigentümerwohnungsrechts

letzte Aktualisierung: 12.4.2023
BGH, Beschl. v. 2.3.2023 – V ZB 64/21

BGB §§ 1092 Abs. 1 S. 2, 1093; ZPO § 857 Abs. 3; InsO §§ 36 Abs. 1 S. 1, 80 Abs. 1
Wohnungsrecht; Zulässigkeit der Bestellung am eigenen Grundstück; Pfändung eines
Eigentümerwohnungsrechts

1. Die Bestellung eines Wohnungsrechts am eigenen Grundstück ist zulässig.
2a. Sind Grundstückseigentümer und Wohnungsberechtigter personenidentisch, sei es durch eine
anfängliche Bestellung des Wohnungsrechts als Eigentümerrecht, sei es durch eine nachträgliche
(Wieder-)Vereinigung von Wohnungsrecht und Eigentum in einer Person (§ 889 BGB), muss sich
der Wohnungsberechtigte für die Pfändung so behandeln lassen, als habe er es gestattet, die
Ausübung des Wohnungsrechts einem anderen zu überlassen; infolgedessen ist ein
Eigentümerwohnungsrecht stets pfändbar (Fortführung von Senat, Urteil vom 11. März 1964 –
V ZR 78/62, NJW 1964, 1226, insoweit in BGHZ 41, 209 nicht abgedruckt).
2b. Aufgrund der Pfändbarkeit fällt das Eigentümerwohnungsrecht bei Insolvenz des wohnungsberechtigten
Grundstückseigentümers in die Insolvenzmasse. Der Insolvenzverwalter ist befugt, im
Rahmen der Verwertung die Löschung des Wohnungsrechts zu bewilligen.

Gründe:

A.
Der Beteiligte zu 1 war eingetragener Eigentümer des im Rubrum bezeichneten
Grundbesitzes. Im Juni 2006 gründete er mit der Beteiligten zu 2 eine Gesellschaft
bürgerlichen Rechts, die Beteiligte zu 3 (GbR), und brachte das Grundstück
als Einlage ein. Zuvor bewilligte er zu seinen Gunsten ein Wohnungsrecht
an dem auf dem Grundstück befindlichen Gebäude mit der Bestimmung, dass
die Ausübung des Wohnungsrechts dritten Personen nicht überlassen werden
könne. Anfang September 2006 wurde die GbR als Eigentümerin in das Grundbuch
eingetragen, ebenso erfolgte die Eintragung des Wohnungsrechts. Am
2. Juni 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beteiligten
zu 1 eröffnet und der Beteiligte zu 4 zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser nahm
im Wege der Insolvenzanfechtung die Beklagte zu 2 und die GbR erfolgreich auf
Rückgewähr in Anspruch und erklärte mit notarieller Urkunde vom 21. Juni 2021
die Auflassung des Grundbesitzes an den Beteiligten zu 1. Er bewilligte und beantragte
zudem die Löschung des Wohnungsrechts. Am 19. August 2021 wurde
der Beteiligte zu 1 wieder als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen; das
Wohnungsrecht wurde gelöscht.

Gegen die Löschung des Wohnungsrechts hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde
eingelegt mit dem Ziel der Eintragung eines Amtswiderspruchs. Das
Kammergericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der
Beteiligte zu 1 mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde. Der Beteiligte zu 4 beantragt
die Zurückweisung des Rechtsmittels.

B.
Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung u.a. in NZI 2021, 1023 veröffentlicht
ist, meint, das Grundbuchamt habe bei der Löschung des Wohnungsrechts
keine gesetzlichen Vorschriften verletzt. Der Beteiligte zu 4 sei als Insolvenzverwalter
zur Verfügung über das Wohnungsrecht befugt gewesen, weil es
zur Insolvenzmasse gehöre. Zwar sei das Wohnungsrecht des Insolvenzschuldners
nur dann vom Insolvenzbeschlag erfasst, wenn die Überlassung der Ausübung
an Dritte gestattet sei. Fehle es - wie hier - an einer solchen Gestattung,
sei das Wohnungsrecht nicht pfändbar und gehöre nicht zu dem insolvenzbefangenen
Vermögen des Insolvenzschuldners. Das gelte nach der Rechtsprechung
des Oberlandesgerichts München (FGPrax 2011, 17) auch dann, wenn das Wohnungsrecht
an dem Grundstück eines Dritten bestellt worden sei und der Wohnungsberechtigte
das Grundstück nach Insolvenzeröffnung erwerbe. Hier liege
es aber anders. Der Beteiligte zu 1 sei bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Grundstückseigentümer und zugleich Wohnungsberechtigter gewesen
und habe infolge der Anfechtung durch den Beteiligten zu 4 das Eigentum an
dem Grundstück wiedererlangt. Jedenfalls für diese Fallgestaltung der Vereinigung
von Eigentum und Wohnungsrecht sei es gerechtfertigt, das Wohnungsrecht
als der Insolvenzmasse zugehörig zu betrachten. Dass ein Wohnungsrecht,
dessen Ausübung Dritten nicht überlassen werden könne, nicht der Pfändung
unterliege, diene nämlich dem Schutz des Grundstückseigentümers. Der Eigentümer,
der - wie hier - zugleich Inhaber des Wohnungsrechts sei, bedürfe dieses
Schutzes nicht. Er habe jederzeit Einfluss auf die Ausübung des Wohnungsrechts
durch einen anderen. In einem solchen Fall sei die Gestattung der Übertragung
der Ausübung auf einen anderen für die Pfändung (§ 857 Abs. 3 ZPO)
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sogar stets als erteilt zu erachten.

C.
I. Die nach § 78 Abs. 1 GBO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig
(§ 78 Abs. 3 GBO i.V.m. § 71 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 FamFG). Der Beteiligte zu 1
ist insbesondere beschwerdebefugt, weil er mit seinem Rechtsbehelf die Nichtzugehörigkeit
des Wohnungsrechts zur Masse und eine Überschreitung der Verfügungsbefugnis
des Insolvenzverwalters geltend macht (vgl. KEHE/Sternal,
Grundbuchrecht, 8. Aufl., § 71 Rn. 82).

II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdegericht lehnt
es zu Recht ab, das Grundbuchamt zur Eintragung eines Widerspruchs gegen
die Löschung des Wohnungsrechts anzuweisen (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO).

1. Die Eintragung eines Widerspruchs setzt nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO
voraus, dass das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine
Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist.

Der Widerspruch kann sich auch gegen die Löschung einer Grundbucheintragung
richten (vgl. Senat, Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 11/10, ZfIR 2011,
537 Rn. 10).

2. Die Voraussetzungen für die Eintragung eines Widerspruchs liegen
nicht vor. Das Grundbuchamt hat durch die Löschung des Wohnungsrechts keine
gesetzlichen Vorschriften verletzt. Der Beteiligte zu 4 war als Insolvenzverwalter
befugt, die Löschung des Wohnungsrechts gemäß § 19 GBO zu bewilligen, was
von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 28. April 1961
- V ZB 17/60, BGHZ 35, 135, 139; zum Testamentsvollstrecker vgl. Senat, Beschluss
vom 10. Februar 2022 - V ZB 87/20, FGPrax 2022, 97 Rn. 12 u. 19).

a) Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verfügungsbefugnis
über die Insolvenzmasse (§ 35 Abs. 1 InsO) gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den
Insolvenzverwalter über. Dem Insolvenzschuldner wird, soweit die Insolvenzmasse
betroffen ist, auch die Bewilligungsbefugnis entzogen; sie wird durch den
Insolvenzverwalter ausgeübt (vgl. OLG München, ZEV 2009, 352, 353 = juris
Rn. 13; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rn. 101). Die Bewilligungsbefugnis
des Insolvenzverwalters umfasst dagegen nicht das Vermögen, das
nicht der Zwangsvollstreckung unterliegt (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InsO).

b) Allerdings gehören beschränkte persönliche Dienstbarkeiten und damit
auch das Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) grundsätzlich nicht zur Insolvenzmasse
(§ 35 Abs. 1 InsO). Voraussetzung dafür wäre nämlich, dass die beschränkte
persönliche Dienstbarkeit der Zwangsvollstreckung unterläge (§ 36 Abs. 1 Satz 1
InsO). Das ist aber grundsätzlich nicht der Fall. Eine beschränkte persönliche
Dienstbarkeit ist gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht übertragbar und deshalb
nicht pfändbar (§ 851 Abs. 1, § 857 Abs. 1 ZPO). Etwas anderes gilt gemäß § 857
Abs. 3 ZPO dann, wenn die Überlassung der Ausübung an einen anderen nach
§ 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB gestattet ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 1963
- VIII ZR 39/62, NJW 1963, 2319). Daran fehlt es hier. Die Bestellungsurkunde
vom 15. Juni 2006 enthält im Gegenteil die Bestimmung des Beteiligten zu 1,
dass die Ausübung des Wohnungsrechts Dritten nicht überlassen werden kann.

c) Gleichwohl ist das Wohnungsrecht des Beteiligten zu 1 pfändbar und
fällt in die Insolvenzmasse, weil der Beteiligte zu 1 das Eigentum an dem Grundstück
zurückerlangt hat und das Wohnungsrecht dadurch zum Eigentümerwohnungsrecht
geworden ist.

aa) Allerdings entspricht es verbreiteter Auffassung, dass das Wohnungsrecht,
dessen Ausübung Dritten nicht gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB überlassen
werden kann, auch dann unpfändbar ist und deshalb nicht in die Insolvenzmasse
fällt, wenn der Wohnungsberechtigte das Grundstück, an dem das Wohnungsrecht
besteht, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erstmals erwirbt
(vgl. OLG München, FGPrax 2011, 17; Staudinger/Picker, BGB [2019], § 889
Rn. 9). Nach ebenfalls verbreiteter, aber umstrittener Auffassung ist ein Wohnungsrecht,
das der spätere Insolvenzschuldner an seinem eigenen Grundstück
ohne Ausübungsgestattung gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB bestellt, auch dann
unpfändbar, wenn er - wie hier - das Grundstück veräußert, der Insolvenzverwalter
die Grundstücksübertragung gemäß §§ 130 ff. InsO erfolgreich anficht, und
durch die Rückübertragung des Grundstücks wieder ein Eigentümerwohnungsrecht
entsteht (vgl. BeckOGK/Kazele, BGB [1.2.2023], § 1092 Rn. 34; BeckOK
InsR/Riewe/Kaubisch [15.1.2023], § 80 InsO Rn. 10.4; Cranshaw, jurisPR-InsR
2/2022; Neumann NZI 2021, 1025, 1026; Mittlehner, EWiR 2021, 726 f.; aA
MüKoBGB/Mohr, 9. Aufl., § 1092 Rn. 11; BeckOK InsR/Kirchner [15.1.2023], § 35
InsO Rn. 9; Lüdtke/Schulz, ZVI 2019, 291, 296).

bb) Die Auffassungen, die die Pfändbarkeit des Eigentümerwohnungsrechts
verneinen, stehen - wie das Beschwerdegericht richtig erkennt - nicht im
Einklang mit der Rechtsprechung des Senats. Dieser hat bereits entschieden,
dass dann, wenn der Eigentümer eines Grundstücks und der Berechtigte einer
beschränkten persönlichen Dienstbarkeit personenidentisch sind, die beschränkte
persönliche Dienstbarkeit pfändbar ist, weil die Gestattung der Übertragung
der Ausübung auf einen anderen für die Pfändung (§ 857 Abs. 3 ZPO)
stets als erteilt zu erachten ist (vgl. Senat, Urteil vom 11. März 1964 - V ZR 78/62,
NJW 1964, 1226, insoweit in BGHZ 41, 209 nicht abgedruckt). An dieser Ansicht,
die auch für das Wohnungsrecht als Sonderfall der beschränkten persönlichen
Dienstbarkeit (vgl. Senat, Urteil vom 19. Januar 2007 - V ZR 163/06, NJW 2007,
1884, 1885; Urteil vom 20. März 2020 - V ZR 317/18, BGHZ 225, 136 Rn. 19)
gilt, hält der Senat fest. Soweit der IX. Zivilsenat in seinem Beschluss vom
5. Mai 2009 (IX ZR 151/08, juris Rn. 2 zu OLG Schleswig, BeckRS 2009, 12640)
eine andere Auffassung vertreten hat, hat er auf Nachfrage mitgeteilt, hieran nicht
festzuhalten.

(1) Das Gesetz geht in den §§ 1090 ff. BGB davon aus, dass die beschränkte
persönliche Dienstbarkeit an einem fremden Grundstück besteht,
Eigentümer und Berechtigter also personenverschieden sind. Für das Wohnungsrecht
kommt das in § 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Ausdruck. Nach dieser
Vorschrift berechtigt das Wohnungsrecht zu einer Nutzung der umfassten Räume
durch den Wohnungsberechtigten „unter Ausschluss des Eigentümers“. Nach
dem gesetzlichen Leitbild sind Wohnungsberechtigter und Eigentümer also nicht
dieselbe Person.

(2) Gleichwohl ist dem Gesetz ein Ausschluss des Bestehens dinglicher
Rechte an eigenen Grundstücken fremd (vgl. § 889 BGB; näher Senat, Beschluss
vom 14. Juli 2011 - V ZB 271/10, BGHZ 190, 267 Rn. 7). Dementsprechend hat
der Senat die Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit am eigenen
Grundstück für zulässig erachtet (vgl. Senat, Urteil vom 11. März 1964
V ZR 78/62, BGHZ 41, 209, 210 f.; zur Grunddienstbarkeit vgl. Senat, Urteil vom
8. April 1988 - V ZR 120/87, NJW 1988, 2362, 2363). Auch die Bestellung eines
Wohnungsrechts am eigenen Grundstück ist nach allgemeiner und zutreffender
Ansicht zulässig. § 1093 BGB steht dem nicht entgegen, weil die Personenidentität
von Grundstückseigentümer und Wohnungsberechtigtem durch eine Singular-
oder Gesamtrechtsnachfolge auf Seiten des Eigentümers beseitigt werden
kann (vgl. OLG München, DNotZ 2012, 778 = juris Rn. 9; KG, NotBZ 2013, 473
= juris Rn. 2; NJW-RR 2019, 725 Rn. 3; NK-BGB/Otto, 5. Aufl., § 1093 Rn. 28;
BeckOGK/Kazele, BGB [1.2.2023], § 1093 Rn. 133; Grüneberg/Herrler, BGB,
82. Aufl., § 1093 Rn. 7; Staudinger/Reymann, BGB [2021], § 1093 Rn. 19 mwN;
Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rn. 1244).

(3) Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit an eigenen Grundstücken
hat der Senat jedoch nur deshalb für zulässig erachtet, weil dafür im Zusammenhang
mit der Vertragsgestaltung ein praktisches Bedürfnis bestehen kann. Erfolgt
die Bestellung nämlich mit Rücksicht auf eine beabsichtigte Übertragung des Eigentums
an dem belasteten Grundstück, kann der Eigentümer daran ein berechtigtes
Interesse haben (vgl. Senat, Urteil vom 11. März 1964 - V ZR 78/62, BGHZ
41, 209, 211 mwN). Zwar hat der Senat inzwischen von dem Erfordernis eines
berechtigten Interesses als Voraussetzung für die wirksame Bestellung von
Rechten am eigenen Grundstück abgesehen und die bloße Möglichkeit eines solchen
Interesses als ausreichend angesehen; eines entsprechenden Nachweises
bedarf es im Einzelfall nicht. Diese Erleichterung ist aber allein dem auf dem formellen
Konsensprinzip und der Beweismittelbeschränkung beruhenden Grundbuchverfahren
geschuldet. Im Grundstücksverkehr ist die Schaffung klarer und
sicherer Rechtsverhältnisse von besonderer Bedeutung. Wäre die Wirksamkeit
der Bestellung von dem Nachweis eines - nur schwer nachprüfbaren - berechtigten
Interesses abhängig, könnte die Entstehung des Rechts noch Jahre später
mit der Begründung in Zweifel gezogen werden, bei dessen Bestellung habe es
an einem solchen Interesse des Eigentümers gefehlt (zum Ganzen Senat,
Beschluss vom 14. Juli 2011 - V ZB 271/10, BGHZ 190, 267 Rn. 10 mwN für den
Eigennießbrauch).

(4) Das bedeutet nicht, dass die beschränkte persönliche Dienstbarkeit am
eigenen Grundstück dem Fremdrecht generell gleichgestellt werden kann. Dass
eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit ohne Nachweis eines berechtigten
Interesses am eigenen Grundstück bestellt werden kann, ändert nämlich nichts
daran, dass nach dem gesetzlichen Leitbild Grundstückseigentümer und Berechtigter
personenverschieden sind. Dieses gesetzliche Leitbild liegt gerade auch
der Vorschrift des § 1092 Abs. 1 BGB zugrunde, die zum Ausschluss der Pfändbarkeit
führen kann. Auf ein Eigentümerwohnungsrecht kann sich der Ausschluss
der Pfändbarkeit nach Sinn und Zweck von § 1092 Abs. 1 BGB nicht erstrecken.

(a) Die Vorschrift des § 1092 Abs. 1 BGB dient dem Schutz des Eigentümers.
Der historische Gesetzgeber hat die Unübertragbarkeit der beschränkten
persönlichen Dienstbarkeit der Unübertragbarkeit des Nießbrauchs (§ 1059 Satz
1 BGB) nachgebildet (vgl. Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des
Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Band III, 1899, S. 436). Damit wollte er
dem persönlichen Vertrauensverhältnis zwischen Eigentümer und Berechtigtem
Rechnung tragen und ausschließen, dass der Berechtigte ohne Mitwirkung des
Eigentümers ausgetauscht werden kann (vgl. Mugdan, Die gesammten Materialien
zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. III, S. 762; MüKoBGB/Mohr, 9. Aufl.,
§ 1092 Rn. 1 mwN; Sämisch, ZInsO 2005, 923, 924). Das zeigt, dass der Ausschluss
der Pfändbarkeit (§ 851 Abs. 1, § 857 Abs. 1 ZPO) ein Fremdrecht
voraussetzt, wie es dem § 1092 Abs. 1 BGB zugrundeliegenden gesetzlichen
Leitbild entspricht. Die Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit
an eigenen Grundstücken weicht davon ab und ist allein aus Gründen der Praktikabilität
zulässig. Für die beschränkte persönliche Dienstbarkeit und insbesondere
das Wohnungsrecht an eigenen Grundstücken ist die Vorschrift des § 1092
Abs. 1 BGB deshalb teleologisch einzuschränken. Der Berechtigte, der zugleich
Eigentümer ist, muss sich so behandeln lassen, als habe er es gemäß § 1092
Abs. 1 Satz 2 BGB gestattet, die Ausübung einem anderen zu überlassen (vgl.
Senat, Urteil vom 11. März 1964 - V ZR 78/62, NJW 1964, 1226, insoweit in
BGHZ 41, 209 nicht abgedruckt). Wäre eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit
und insbesondere das Eigentümerwohnungsrecht unpfändbar, könnte dies
die Grundstücksverwertung erschweren und die Gläubiger benachteiligen. Das
entspricht nicht dem Zweck des § 1092 Abs. 1 BGB.

(b) Dabei kommt es für die Pfändbarkeit nicht auf den Zeitpunkt an, zu
dem das Eigentümerwohnungsrecht entsteht. Hierfür spielt es also keine Rolle,
ob das Wohnungsrecht von Anfang an als Eigentümerwohnungsrecht bestellt
wird oder ob es nachträglich zu einer Vereinigung von Wohnungsrecht und Eigentum
in einer Person kommt. Sind Grundstückseigentümer und Wohnungsberechtigter
personenidentisch, sei es durch eine anfängliche Bestellung des Wohnungsrechts
als Eigentümerrecht, sei es durch eine nachträgliche (Wieder-)Vereinigung
von Wohnungsrecht und Eigentum in einer Person (§ 889 BGB), muss
sich der Wohnungsberechtigte für die Pfändung so behandeln lassen, als habe
er es gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB gestattet, die Ausübung des Wohnungsrechts
einem anderen zu überlassen; infolgedessen ist ein Eigentümerwoh-
nungsrecht stets pfändbar (§ 851 Abs. 1, § 857 Abs. 3 ZPO). Aufgrund der Pfändbarkeit
fällt das Eigentümerwohnungsrecht bei Insolvenz des wohnungsberechtigten
Grundstückseigentümers in die Insolvenzmasse (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InsO).
Das gilt sowohl, wenn der Wohnungsberechtigte und spätere Insolvenzschuldner
- wie im Fall des Oberlandesgerichts München (FGPrax 2011, 17) - das Grundstück,
an dem das Wohnungsrecht bestellt ist, erstmals nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
erwirbt, als auch dann, wenn - wie hier - der spätere Insolvenzschuldner
unter gleichzeitiger Bestellung eines Eigentümerwohnungsrechts
sein Grundstück anfechtbar an einen Dritten veräußert und ihm das Grundstück
auf die Anfechtung des Insolvenzverwalters zurückgewährt wird. In den Genuss
der Unpfändbarkeit kann der mit dem Eigentümer personenidentische Wohnungsberechtigte
auch nicht dadurch gelangen, dass er - wie hier - bei der Bestellung
des Rechts die Ausübung durch einen Dritten ausdrücklich untersagt.

d) Infolge der Pfändbarkeit des Wohnungsrechts des Beteiligten zu 1 kann
der Beteiligte zu 4 als Insolvenzverwalter die Löschung des Wohnungsrechts bewilligen.
aa) Ist die Überlassung der Ausübung des Wohnungsrechts an einen anderen
gestattet, führt dies zur Pfändbarkeit des dinglichen Rechts selbst (vgl.
Senat, Urteil vom 23. Mai 1962 - V ZR 187/60, NJW 1962, 1392, 1393; Urteil vom
29. September 2006 - V ZR 25/06, WM 2006, 2226 Rn. 11; zu den Wirkungen
der Pfändung vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2006 - IX ZR 131/04, BGHZ 166,
1 Rn. 11, 16). Das Wohnungsrecht fällt in die Insolvenzmasse (§ 35 Abs. 1, § 36
Abs. 1 Satz 1 InsO) und ist von dem Insolvenzverwalter zu verwerten (§ 159
InsO).

bb) Der Insolvenzverwalter ist befugt, im Rahmen der Verwertung die Löschung
des Wohnungsrechts zu bewilligen. Zwar hat die Unübertragbarkeit des
Wohnungsrechts (§ 1092 Abs. 1 Satz 1 ZPO) auch in der Zwangsvollstreckung
Bestand (§ 857 Abs. 1, § 851 Abs. 1 ZPO; § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO; vgl. BGH,
Urteil vom 12. Januar 2006 - IX ZR 131/04, BGHZ 166, 1 Rn. 11 für den Nießbrauch;
Staudinger/Reymann, BGB [2021], § 1092 Rn. 11 f.). Weil das Wohnungsrecht
aber selbst in die Insolvenzmasse fällt, kann der Insolvenzverwalter
es aufgeben (vgl. BeckOK InsR/Kirchner, [15.1.2023], § 35 InsO Rn. 9;
MüKoInsO/Peters, 4. Aufl., § 35 Rn. 517; Staudinger/Heinze, BGB [2021], § 1059
Rn. 32); damit werden die Voraussetzungen für eine dem Insolvenzzweck entsprechende
bestmögliche Verwertung des Grundstücks zum Zwecke der Befriedigung
der Insolvenzgläubiger geschaffen (vgl. dazu BGH, Urteil vom
12. März 2020 - IX ZR 125/17, BGHZ 225, 90 Rn. 26).

cc) Einer Mitwirkung des Beteiligten zu 1 als Eigentümer des Grundstücks
an der Löschung des Wohnungsrechts (§ 875 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 19 GBO)
bedurfte es nicht, weil auch das Grundstück in die Insolvenzmasse fällt und der
Verfügungsbefugnis des Beteiligten zu 4 als Insolvenzverwalter unterliegt (§ 80
Abs. 1 InsO).

D.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Festsetzung des Gegenstandswerts
auf § 61 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Abs. 1 GNotKG.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

02.03.2023

Aktenzeichen:

V ZB 64/21

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Insolvenzrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Erschienen in:

NJW-RR 2023, 97-99
Rpfleger 2023, 424-426

Normen in Titel:

BGB §§ 1092 Abs. 1 S. 2, 1093; ZPO § 857 Abs. 3; InsO §§ 36 Abs. 1 S. 1, 80 Abs. 1