FG Münster 26. April 2023
13 K 3367/20 G
EStG § 15 Abs. 2

Gewerblicher Grundstückshandel; Drei-Objekte-Grenze; geringfügige Überschreitung des Fünfjahreszeitraums

letzte Aktualisierung: 31.8.2023
FG Münster, Urt. v. 26.4.2023 – 13 K 3367/20 G

EStG § 15 Abs. 2
Gewerblicher Grundstückshandel; Drei-Objekte-Grenze; geringfügige Überschreitung des
Fünfjahreszeitraums

Von einem gewerblichen Grundstückshandel kann im Regelfall ausgegangen werden, wenn
innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und
Verkauf, d. h. von etwa fünf Jahren, mindestens vier Objekte veräußert werden. Dann nämlich lassen
die äußeren Umstände dann den Schluss zu, dass es dem Steuerpflichtigen auf die Ausnutzung
substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung ankommt (sog. Drei-Objekte-Grenze). Hierfür
genügt eine Veräußerung des vierten Objekts nach fünf Jahren und fünf Monaten nicht, da der
Fünfjahreszeitraum bei einer Überschreitung von fünf Monaten nicht nur geringfügig überschritten
ist.

(Leitsatz der DNotI-Redaktion)

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§
90 Abs. 2 FGO).

I. Die zulässige Klage ist begründet.

Die Gewerbesteuermessbescheide für 2011 vom 29.6.2018 und für 2013 vom 13.5.2019,
beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5.11.2020, sind rechtswidrig und
verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –
FGO –).

Die angefochtenen Bescheide sind nicht aus verfahrensrechtlichen Gründen zu
beanstanden. Der Beklagte hat die streitgegenständlichen Bescheide zu Recht an die X3
GmbH und die Einspruchsentscheidung zu Recht an dieselbe Gesellschaft, die inzwischen
in X2 GmbH umfirmiert war, gerichtet. Diese Gesellschaft war die Rechtsnachfolgerin der
X4 GmbH aufgrund des Verschmelzungsvertrags vom xx.xx.2015, der am xx.xx.2015 nach
Eintragung in das Handelsregister der übertragenden und der übernehmenden
Rechtsträger wirksam geworden war. Die Klägerin wiederum ist in den vorliegenden
Rechtsstreit eingetreten als Rechtsnachfolgerin der X2 GmbH aufgrund des
Verschmelzungsvertrags vom xx.xx.2020, der am xx.xx.2021 nach Eintragung in das
Handelsregister der übertragenden und der übernehmenden Rechtsträger wirksam
geworden ist.

Der Beklagte hat jedoch die erweiterte Gewerbesteuerkürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2
GewStG i.H.v. ... € für 2011 und ... € für 2013 zu Unrecht versagt.

1. Gem. § 9 Nr. 1 Satz 1, 1. Halbsatz GewStG in der in den Streitjahren
anwendbaren Fassung wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen gekürzt
um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden
und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes. An die Stelle der Kürzung nach
Satz 1 tritt gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich
eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen
verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser,
Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, die Kürzung um
den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen
Grundbesitzes entfällt. Dieser umfasst auch etwaige Erlöse aus der Veräußerung der zu
den begünstigten Zwecken eingesetzten Grundstücke (Gosch in Brandis/Heuermann,
Ertragsteuerrecht, § 9 GewStG Rz. 117). § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG normiert damit die sog.
erweiterte Kürzung.

a) Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH ist die erweiterte
Kürzung durch das Erfordernis der Ausschließlichkeit tatbestandlich zweifach begrenzt:
Zum einen ist die unternehmerische Tätigkeit gegenständlich begrenzt, nämlich
ausschließlich auf eigenen Grundbesitz oder daneben auch auf eigenes Kapitalvermögen;
zum anderen sind Art, Umfang und Intensität der Tätigkeit in der Weise begrenzt, dass die
Unternehmen dieses Vermögen ausschließlich verwalten und nutzen. Rechtsfolge der
erweiterten Kürzung ist, dass die Erträge, soweit sie aus der Verwaltung und Nutzung
dieses eigenen Grundbesitzes resultieren, im Ergebnis nicht in den Gewerbeertrag und
den Gewerbesteuermessbetrag eingehen und somit nicht der Gewerbesteuer unterliegen
(BFH-Beschluss vom 25.9.2018 GrS 2/16, BFHE 263, 225, BStBl II 2019, 262, Rz. 73).
Das zweite tatbestandliche Begrenzungskriterium führt dazu, dass die Tätigkeit den
Rahmen der Vermögensverwaltung nicht überschreiten und nicht gewerblich sein darf.
Dabei ist auf den ertragsteuerlichen Begriff der Vermögensverwaltung zurückzugreifen
(Gosch in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 9 GewStG Rz. 57; Lenski/Steinberg,
GewStG, § 9 Nr. 1 Rz. 101). Daher findet § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nach der
Rechtsprechung des BFH nicht auf Unternehmen Anwendung, die Tätigkeiten ausüben,
die als solche gewerbesteuerpflichtig sind, sofern die Tätigkeiten nicht zu den
unschädlichen Nebentätigkeiten gehören (BFH-Urteile vom 31.7.1990 I R 13/88, BStBl II
1990, 1075, Rz. 17; vom 28.6.1973 IV R 97/72, BFHE 109, 459, BStBl II 1973, 688; Gosch
in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 9 GewStG Rz. 57). Im Falle einer
Kapitalgesellschaft ist zur Beurteilung der Gewerblichkeit nicht allein auf die Rechtsform
abzustellen, die gewerbesteuerrechtlich bei einer Kapitalgesellschaft gem. § 2 Abs. 2 Satz
1 GewStG stets zur Annahme eines Gewerbebetriebs führt, sondern die Tätigkeit ist so zu
betrachten, als wäre sie von einer natürlichen Person betrieben worden (BFH-Urteil vom
31.7.1990 I R 13/88, BStBl II 1990, 1075, Rz. 17; vgl. auch BFH-Beschluss vom 25.9.2018
GrS 2/16, BFHE 263, 225, BStBl II 2019, 262, Rz. 71, wonach auf die kraft Rechtsform
bestehende Gewerblichkeit im Zusammenhang mit der sog. erweiterten Kürzung nicht
abzustellen ist). Die erweiterte Kürzung ist also zu versagen, wenn keine private
Vermögensverwaltung vorgelegen hätte, wäre die Klägerin eine natürliche Person
gewesen. Dabei ist für die Abgrenzung der Vermögensverwaltung zu einer gewerblichen
Tätigkeit auf die gleichen ertragsteuerlichen Grundsätze abzustellen, die auch für die
Abgrenzung zwischen Vermögensverwaltung und Gewerbebetrieb i. S. d. § 15 EStG bzw.
§ 2 Abs. 1 GewStG gelten (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.1.2022 8 K 8008/21,
EFG 2022, 706, Rev. anhängig, Az. BFH: III R 12/22; Gosch in Brandis/Heuermann,
Ertragsteuerrecht, § 9 GewStG Rz. 58; Lenski/Steinberg, GewStG, § 9 Nr. 1 Rz. 111).
b) Im Fall des Erwerbs und der Veräußerung von bebauten oder unbebauten
Grundstücken ist daher auf die zu § 15 Abs. 2 EStG entwickelten ertragsteuerlichen
Kriterien des gewerblichen Grundstückshandels nach der sog. Drei-Objekt-Grenze
abzustellen (Gosch in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 9 GewStG Rz. 59).

Nach der Rechtsprechung des BFH wird eine Vermögensverwaltung – in Abgrenzung zum
Gewerbebetrieb – ausgeübt, solange sich die zu beurteilende Tätigkeit noch als Nutzung
von Grundbesitz durch Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz darstellt und die
Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtungen nicht entscheidend in
den Vordergrund tritt. Von einem gewerblichen Grundstückshandel kann dagegen im
Regelfall ausgegangen werden, wenn innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs
zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und Verkauf, d.h. von etwa fünf Jahren, mindestens
vier Objekte veräußert werden, weil die äußeren Umstände dann den Schluss zulassen,
dass es dem Steuerpflichtigen auf die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch
Umschichtung ankommt (ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 28.10.2015
X R 22/13, BFHE 251, 369, BStBl II 2016, 95, Rz. 14; vom 17.12.2009 III R 101/06, BFHE
228, 65, BStBl II 2010, 541). Durch das Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze wird die
innere Tatsache der bedingten Veräußerungsabsicht im Zeitpunkt des Erwerbs indiziert
(BFH-Urteil vom 28.10.2015 X R 22/13, BFHE 251, 369, BStBl II 2016, 95, Rz. 23). Die
durch das Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze indizierte innere Tatsache der bedingten
Veräußerungsabsicht kann nur durch außergewöhnliche Umstände widerlegt werden, etwa
eine im Zeitpunkt des Erwerbs eingegangene langfristige Finanzierung oder langfristige
Vermietung bzw. Verpachtung, wenn diese sich im Falle einer Veräußerung voraussichtlich
ungünstig auswirken oder zusätzliche finanzielle Belastungen auslösen würde (BFHUrteile
vom 28.10.2015 X R 22/13, BFHE 251, 369, BStBl II 2016, 95, Rz. 23; vom
27.9.2012 III R 19/11, BFHE 240, 278, BStBl II 2013, 433, Rz 23). Die vorstehenden
Grundsätze sind auf den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10.12.2001 GrS
1/98 (BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C.III. der Gründe) zurückzuführen.
Dem Fünf-Jahres-Zeitraum kommt nach der BFH-Rechtsprechung nur eine indizielle
Bedeutung zu (z.B. Beschluss des Großen Senats vom 10.12.2001 GrS 1/98, BFHE 197,
240, BStBl II 2002, 291, unter C.III.5. der Gründe; BFH-Urteil vom 28.10.2015 X R 22/13,
BFHE 251, 369, BStBl II 2016, 95, Rz. 35). Immobilien, die erst nach Ablauf von fünf, aber
innerhalb von zehn Jahren nach Erwerb veräußert werden, können gleichwohl einem
gewerblichen Grundstückshandel zuzurechnen sein. Bei Hinzutreten besonderer
Umstände verlängert sich der Fünfjahreszeitraum (vgl. zum Folgenden: BFH-Urteil vom
28.10.2015 X R 22/13, BFHE 251, 369, BStBl II 2016, 95, Rz. 35), so beispielsweise bei
einer nur geringfügigen zeitlichen Überschreitung (BFH-Urteil vom 21.6.2001
III R 27/98, BFHE 196, 59, BStBl II 2002, 537, Rz. 63: zwei Monate), einer größeren
Anzahl von Objekten (BFH-Urteil vom 9.5.2001 XI R 34/99, BFH/NV 2001, 1545, Rz. 16:
26 Objekte; BFH-Urteil vom 15.6.2004 VIII R 7/02, BFHE 206, 388, BStBl II 2004, 914, Rz.
37: 17 Objekte), der Ausübung eines branchennahen Hauptberufs (BFH-Beschluss vom
20.12.2001 X B 91/01, BFH/NV 2002, 775: Immobilienmakler; BFH-Urteil vom 15.6.2004
VIII R 7/02, BFHE 206, 388, BStBl II 2004, 914, Rz. 37: Grundstücksmakler oder Tätigkeit
im Baubereich) oder kontinuierlich fortlaufenden Grundstücksankäufen und
Grundstücksverkäufen (BFH-Urteil vom 14.11.1995 VIII R 16/93, BFH/NV 1996, 466).

c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, denen sich der Senat anschließt, ist
im Streitfall die Grenze der Vermögensverwaltung nicht überschritten.
aa) Die Drei-Objekt-Grenze ist im Streitfall innerhalb eines Fünf-Jahres-Zeitraums
nicht überschritten. Die Grundstücke, welche die X4 GmbH mit notariellem Vertrag vom
xx.xx.2013 (UR-Nr. .../2013 des Notars H. in J.) veräußerte, wurden erst nach Ablauf des
von der Rechtsprechung zugrunde gelegten Fünf-Jahres-Zeitraums veräußert.

(1) Die X4 GmbH hat mit dem Vertrag vom xx.xx.2013 insgesamt 13 Objekte
veräußert.

Nach der BFH-Rechtsprechung ist als ein selbständiges Objekt im Sinne der Drei-Objekt-
Grenze grundsätzlich jedes selbständig veräußerbare und nutzbare Immobilienobjekt
(Grundstück, grundstücksgleiches Recht oder Recht nach dem WEG), und zwar
unabhängig von seiner Größe, seinem Wert und anderen Umständen anzusehen (BFHUrteile
vom 5.5.2011 IV R 34/08, BFHE 234, 1, BStBl II 2011, 787, Rz. 34; vom 17.12.2008
IV R 77/06, BFHE 224, 233, BStBl II 2009, 791, Rz. 29, jeweils m.w.N.). Hierbei folgt nach
ständiger Rechtsprechung die selbständige Veräußerbarkeit grundsätzlich der
sachenrechtlichen Qualifizierung (BFH-Urteile vom 5.5.2011 IV R 34/08, BFHE 234, 1,
BStBl II 2011, 787, Rz. 34; vom 17.12.2008 IV R 77/06, BFHE 224, 233, BStBl II 2009,
791, Rz. 29). Grundstück im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB – und der
Grundbuchordnung – GBO – und damit Grundstück im Rechtssinne
(Grundbuchgrundstück) ist ein räumlich abgegrenzter Teil der Erdoberfläche, der im
Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblattes unter einer besonderen Nummer gebucht ist
(BFH-Urteile vom 5.5.2011 IV R 34/08, BFHE 234, 1, BStBl II 2011, 787, Rz. 35). Da mit
dem notariellem Vertrag vom xx.xx.2013 Grundstücke i.S.d. BGB veräußert wurden, die
auf insgesamt 13 selbständigen Flurstücken belegen und unter den entsprechenden
Nummern im Grundbuch gebucht waren, handelt es sich um 13 selbständige Objekte im
Sinne der Drei-Objekt-Grenze.

Dabei ist entgegen der Auffassung des Betriebsprüfers die Rückabwicklung des Kaufs des
Objekts Stadt I., Flur 66, Flurstück 97 (anteiliger Kaufpreis: 164.000 €) bei der Bemessung
der Anzahl der veräußerten Objekte nicht mindernd zu berücksichtigen. Denn nach der
Rechtsprechung des BFH sind auch zurückübertragene Grundstücke bei der Feststellung
der bedingten Veräußerungsabsicht einzubeziehen (BFH-Urteile vom 5.12.2002 IV R
57/01, BFHE 201, 169, BStBl II 2003, 291, Rz. 17; vom 15.3.2000 X R 130/97, BFHE 191,
360, BStBl II 2001, 530, Rz. 39; BFH-Beschluss vom 8.11.2006 X B 183/05, BFH/NV 2007,
232, Rz. 11).

(2) Diese 13 Objekte wurden jedoch erst nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums
veräußert. Im Einzelnen handelt es sich jeweils um die folgende Zeitdauer unter
Berücksichtigung der Veräußerung am 18.3.2013:

Gemarkung Flur Flur-stück Größe in m2 Erwerb Zeitdauer
Stadt I. 78 311 ... xx.9.2007 5 Jahre, 6 Monate
Stadt I. 27 269 ... xx.9.2007 5 Jahre, 6 Monate
Stadt I. 66 97 ... xx.9.2007 5 Jahre, 6 Monate
Stadt I. 37 415 ... xx.9.2007 5 Jahre, 6 Monate
Stadt I. 37 227 ... xx.9.2007 5 Jahre, 6 Monate
Stadt II. 8 728 ... xx.9.2007 5 Jahre, 6 Monate
Stadt III. 11 66 ... xx.9.2007 5 Jahre, 6 Monate
Stadt III. 11 67 ... xx.9.2007 5 Jahre, 6 ½ Monate
Stadt III. 11 68 ... xx.9.2007 5 Jahre, 6 ½ Monate
Stadt III. 11 69 ... xx.9.2007 5 Jahre, 6 ½ Monate
Stadt III. 11 169 ... xx.9.2007 5 Jahre, 6 ½ Monate
Stadt IV. 21 207 ... xx.7.2007 5 Jahre, 7 ½ Monate
Stadt V. 17 237 ... xx.10.2007 5 Jahre, 5 Monate

Der Fünf-Jahres-Zeitraum war bei einem Objekt um 5 Monate, bei sieben Objekten um 6
Monate, bei vier Objekten um 6 ½ Monate und bei einem Objekt um 7 ½ Monate
überschritten.

(3) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das Urteil des FG Berlin-
Brandenburg von 18.1.2022 8 K 8008/21 (EFG 2022, 706, Rev. anhängig, Az. BFH.: III R
12/22) für den Streitfall nicht von Relevanz. Im dortigen Sachverhalt war der für die Drei-
Objekt-Grenze relevante Fünf-Jahres-Zeitraum nicht überschritten. Die Veräußerungen
fanden in einem Zeitraum von unter drei Jahren statt.

bb) Es liegen – entgegen der Auffassung des Beklagten – auch keine besonderen
Umstände des Einzelfalls vor, aufgrund derer trotz Überschreitens des Fünf-Jahres-
Zeitraums von einem gewerblichen Grundstückshandel auszugehen ist.

(1) Die X4 GmbH übte keinen „branchennahen“ Hauptberuf aus. Unter einer
„Branchennähe“ versteht die Rechtsprechung etwa eine Tätigkeit als Immobilienmakler
(BFH-Beschluss vom 20.12.2001 X B 91/01, BFH/NV 2002, 775) oder eine Tätigkeit im
Baubereich (BFH-Urteil vom 15.6.2004 VIII R 7/02, BFHE 206, 388, BStBl II 2004, 914).
Die X4 GmbH war jedoch weder als Immobilienmaklerin noch als Bauträgerin tätig.
Unternehmensgegenstand war lediglich die Verwaltung eigenen Grundbesitzes durch …
Vermietung und Verpachtung. Die Vermietung und Verpachtung stellt aber keine
„Branchennähe“ zum Immobilienhandel dar.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist dabei auch nicht auf andere
gruppenzugehörige Gesellschaften der X5 GmbH abzustellen. Zwar gehörten zu dieser
Unternehmensgruppe auch Gesellschaften, deren Unternehmenszweck der kurzfristige
Kauf und Verkauf von Immobilien, also der Immobilienhandel war („GbR1“ und „GbR2“).
Eine andere Gesellschaft aus der Unternehmensgruppe diente zudem der Bautätigkeit.
Eine Zurechnung der Tätigkeiten anderer gruppenzugehöriger Gesellschaften ist nach
Auffassung des Senats jedoch nicht zulässig. Sie widerspräche dem
körperschaftsteuerlichen Trennungsprinzip. Die Rechtsprechung erkennt zu Recht eine
Abschirmwirkung der Kapitalgesellschaft an (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 22.4.2015 X R
25/13, BStBl II 2015, 897, Rz. 34). Eine Durchbrechung dieses Prinzips ist in der
vorliegenden Konstellation nicht zulässig, und zwar selbst dann nicht, wenn – wie hier –
die Geschäftsführer der Kapitalgesellschaft zugleich Geschäftsführer von dem
Immobilienhandel „branchennahen“ Gesellschaften sind (a.A. aber FG Berlin-
Brandenburg, Urteil vom 18.1.2022 8 K 8008/21, EFG 2022, 706, Rz. 45, Rev. anhängig,
Az. BFH: III R 12/22). Die Aufteilung der von der X5 GmbH gehaltenen Gesellschaften in
verschiedene Unternehmenszwecke und Tätigkeitsfelder (Vermietung und Verpachtung,
kurzfristiger Verkauf, Bautätigkeit) spricht im Gegenteil vielmehr dafür, dass bei der X4
GmbH als Vermietungsgesellschaft gerade keine im Erwerbszeitpunkt vorliegende
bedingte Veräußerungsabsicht bestand. Denn ansonsten wären die fraglichen Objekte von
einer anderen Gesellschaft erworben worden.

(2) Als besonderen Umstand, der für eine bereits im Erwerbszeitpunkt vorliegende
bedingte Veräußerungsabsicht spricht, würdigt der Senat auch nicht eine nur geringfügige
Überschreitung des Fünf-Jahres-Zeitraums. Diese Überschreitung war im Streitfall nicht
lediglich „geringfügig“ im Sinne der BFH-Rechtsprechung.

Von einer „geringfügigen“ zeitlichen Überschreitung ist die Rechtsprechung bei einem
Zeitraum von zwei Monaten ausgegangen (BFH-Urteil vom 21.6.2001 III R 27/98, BFHE
196, 59, BStBl II 2002, 537, Rz. 63). Im Streitfall wurde der Fünf-Jahres-Zeitraum jedoch
bei einem Objekt um fünf Monate und bei zwölf von 13 Objekten um mindestens sechs
Monate überschritten. Der Zeitraum von sechs Monaten ist nach Auffassung des Senats
nicht lediglich „geringfügig“. Wenn der BFH in einer anderen Entscheidung einen Zeitraum
von ungefähr fünf Jahren und neun Monaten als eine nur geringfügige Überschreitung des
Fünf-Jahres-Zeitraums bezeichnet hat, so hat er dies lediglich für den Fall eines
branchenkundigen Steuerpflichtigen mit einer hohen Zahl an Veräußerungsgeschäften
entschieden (BFH-Urteil vom 18.8.2009 X R 47/06, BFH/NV 2010, 400, Rz. 39, 40). Im
Streitfall liegt aber wie beschrieben keine Branchennähe vor.

(3) Weiterhin spricht für eine im Erwerbszeitpunkt vorliegende bedingte
Veräußerungsabsicht entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht eine hohe
Fremdfinanzierungsquote. Zwar hat der BFH eine vollumfängliche Fremdfinanzierung als
Indiz für eine bereits bei Erwerb vorliegende bedingte Verkaufsabsicht angesehen, da bei
völliger Fremdfinanzierung nicht auszuschließen sei, dass ein Mittelbedarf eintrete und
infolgedessen ein Teil der erworbenen Objekte veräußert werden müsse (BFH-Urteil vom
9.5.2001 XI R 34/99, BFH/NV 2001, 1545, Rz. 16). Die X4 GmbH hat den Erwerb der hier
streitigen 13 Objekte sowie der weiteren zwei, am xx.xx.2015 veräußerten Objekte aber
nicht vollumfänglich fremdfinanziert. Die ursprünglichen Anschaffungskosten für die 15
Objekte betrugen insgesamt 1.724.879,71 €. Die Darlehensvaluta der zum Erwerb dieser
Objekte bei der Bank I in den Jahren 2007 und 2008 aufgenommenen ... Darlehen betrug
1.606.000 €. Angesichts eines eigenfinanzierten Betrags von 118.879,71 € kann nicht von
einer vollumfänglichen Fremdfinanzierung im Sinne der zitierten Rechtsprechung
gesprochen werden.

(4) Als ein Indiz gegen eine im Erwerbszeitpunkt vorliegende bedingte
Veräußerungsabsicht würdigt der Senat ferner den Umstand, dass 80 Prozent der im Jahr
2007 aufgenommenen ... Darlehen mit einer längerfristigen Laufzeit vereinbart worden
waren. Diese Darlehen waren mit einer festen Zinsbindung bis zum xx.xx.2013 versehen.
Sie konnten vor Ablauf dieses Datums nicht ordentlich gekündigt werden (§ 489 Abs. 1
BGB). Infolge der frühzeitigen (Teil-) Rückzahlung hatte die X4 GmbH dementsprechend
eine Vorfälligkeitsentschädigungen zu leisten in Höhe von insgesamt 24.035,23 €.
Dies spricht dafür, dass die X4 GmbH bei Aufnahme der Darlehen von einer langfristigen
Laufzeit und nicht von einer baldigen Veräußerung der Grundstücke ausging.

(5) Das einzige Indiz, welches nach Auffassung des Senats für eine im
Erwerbszeitpunkt bestehende bedingte Veräußerungsabsicht sprechen könnte, ist die
Anzahl von 13 veräußerten Objekten. Diese Anzahl ist im Vergleich zur Drei-Objekt-
Grenze hoch. So ging der BFH etwa im Urteil vom 15.6.2004 VIII R 7/02 (BFHE 206, 388,
BStBl II 2004, 914) davon aus, dass es sich bei der Veräußerung von 17 Objekten um eine
hohe Zahl von Veräußerungen handeln könne.

Nach Auffassung des Senats kann dieses Indiz allein im Streitfall allerdings nicht dazu
führen, dass von einem gewerblichen Grundstückshandel auszugehen ist. Dabei
berücksichtigt der Senat, dass nach Überschreiten des Fünf-Jahres-Zeitraums Umstände
hinzutreten müssen, die ein hinreichendes Gewicht aufweisen, um die Annahme eines
gewerblichen Grundstückshandels zu rechtfertigen. Die Anzahl von 13 veräußerten
Objekten ist im Streitfall zumindest deshalb nicht hinreichend gewichtig, weil gegenläufig
weitere besondere Umstände des Einzelfalls zu würdigen sind.

Der Senat würdigt in diesem Zusammenhang als besonderen Umstand, der gegen eine im
Erwerbszeitpunkt bestehende bedingte Veräußerungsabsicht spricht, das überraschende
Versterben des hälftig an der X5 GmbH beteiligten Gesellschafters, des Herrn D. E. am
xx.xx.2012 im Alter von 55 Jahren. Dieses Ereignis war im Erwerbszeitpunkt nicht
vorhersehbar. Mit diesem Ereignis musste auch nicht gerechnet werden. Es lässt daher
keine Rückschlüsse auf die im Erwerbszeitpunkt bestehenden Absichten zu. Dabei hat der
Senat keine Zweifel an der Darstellung der Klägerin, dass die Veräußerung der 13 Objekte
lediglich auf diesen Umstand zurückzuführen war. Vor dem Hintergrund dieses
überraschenden Ereignisses vermag allein die (hohe) Anzahl von 13 veräußerten Objekten
im Rahmen einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls die Annahme einer im
Erwerbszeitpunkt bestehenden bedingten Veräußerungsabsicht nicht zu rechtfertigen.
Dabei verkennt der Senat nicht, dass im Falle des Überschreitens der Drei-Objekt-Grenze
innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums ein unerwartet eintretendes privates
Veräußerungsmotiv die Indizwirkung nicht zu erschüttern vermag, da die konkreten
Anlässe und Beweggründe für den Verkauf im Allgemeinen nichts darüber aussagen, ob
der Steuerpflichtige nicht auch aus anderen Gründen zum Verkauf bereit gewesen wäre
(BFH-Urteile vom 17.12.2009 III R 101/06, BFHE 228, 65, BStBl II 2010, 541, Rz. 21; vom
29.10.1998 XI R 58/97, BFH/NV 1999, 766, Rz. 13). Der vorliegende Streitfall betrifft
jedoch eine andere Konstellation, nämlich diejenige einer Veräußerung der 13 Objekte
außerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums. In dieser Konstellation müssen – umgekehrt –
besondere Umstände hinzutreten, die auf eine im Erwerbszeitpunkt vorliegende bedingte
Veräußerungsabsicht schließen lassen. Bei der Würdigung solcher Umstände kann nach
Auffassung des Senats der konkrete Anlass der Veräußerung berücksichtigt werden,
zumindest wenn es sich um einen derart gravierenden Anlass wie das überraschende
Versterben eines Gesellschafter-Geschäftsführers im Alter von nur 55 Jahren handelt und
wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein solches Szenario bereits im
Erwerbszeitpunkt vom Steuerpflichtigen vorhersehbar gewesen sein könnte. Dies ist im
Streitfall der Fall.

d) Die Frage, ob der Erwerb und die spätere Veräußerung von 13 Objekten durch
den notariellen Vertrag vom xx.xx.2013 deshalb als eine nicht gewerbliche Tätigkeit
angesehen werden kann, weil die Objekte – unabhängig von ihrer Anzahl – an einen
einzigen Erwerber veräußert wurden (vgl. dazu BFH-Urteil vom 22.4.2015 X R 25/13,
BStBl II 2015, 897, Rz. 24 m.w.N.), kann vor dem Hintergrund der vorstehenden
Ausführungen dahinstehen.

e) Die X4 GmbH hat – wie unter den Beteiligten unstreitig ist – im Übrigen durch
die Vermietung eigenen Grundbesitzes und die Nutzung und Verwaltung eigenen
Kapitalvermögens in den Streitjahren auch durchgängig und ausschließlich begünstigte
Tätigkeiten im Sinne von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ausgeübt.

II. Die Entscheidung, dass der Beklagte die festzusetzenden Beträge zu errechnen
und mitzuteilen hat, folgt aus § 100 Abs. 2 Sätze 2 und 3 FGO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der
Zivilprozessordnung.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Sache hat
grundsätzliche Bedeutung.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

FG Münster

Erscheinungsdatum:

26.04.2023

Aktenzeichen:

13 K 3367/20 G

Rechtsgebiete:

Einkommens- und Körperschaftssteuer
Erbschafts- und Schenkungsteuer

Normen in Titel:

EStG § 15 Abs. 2